Anmerkungen zum Kapitel II
1 Diese Zahlen sind wahrscheinlich beschönigt. Nach Angaben des Gemeinderates von Taibeh besaß der Ort vor der Gründung des Staates Israel 45 000 Dunam und er besitzt heute 12 000 Dunam (vergL. Walter Schwarz: The Arabs in Israel. London 1959. Seite 40).
2 Der Stichtag ist nicht, wie hier angegeben wird, der Tag der Staatsgründung (14. Mai 1948), sondern aus wohlerwogenen Gründen der 29. November 1947. Zur Einstufung als ‚Abwesender‘ genügt bereits die kurzfristige Abwesenheit eines Palästinensers zu einer Zeit, als der Staat Israel noch gar nicht existierte (vergl. dazu auch Anm. 3).
3 Die Zahl der heute in Israel lebenden israelischen Staatsangehörigen palästinensischarabischer Abstammung, die unter die groteske Kategorie der ‚anwesenden Abwesenden‘ fallen, liegt in der Gegend von 57 000 (Angaben z. B. bei Jair Kotter in HA’ARETZ vom 29. Juli 1977).
Die juristische Schattenexistenz der Einwohner von Taibeh ist kein besonders krasser Fall. Die Juristerei, die bei der Festlegung des Begriffs ‚Abwesender‘ betrieben wurde, ermöglichte erheblich ausgefallenere Einfälle:
„Jeder Araber in Palästina, der seine Stadt oder sein Dorf nach dem 29. November 1947 verlassen hatte, konnte nach dem Gesetz als Abwesender eingestuft werden. Sämtliche Araber, die Grundbesitz im neuen Stadtteil von Akko hatten, und sich niemals weiter als die wenigen Meter zur Altstadt von Akko (beide innerhalb Israels gelegen) entfernt hatten, wurden als ‚Abwesende‘ klassifiziert. Die 30 000 Araber, die (während der Vorkriegs- und Kriegswirren) von einem Ort zu irgendeinem anderen innerhalb Israels geflohen waren, mußten damit rechnen, zu ‚Abwesenden‘ erklärt zu werden. Jede Person, die in den letzten Monaten der englischen Mandatszeit (d. h. zwischen dem 29. November 1947 und der Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948) zum Beispiel nach Beirut oder nach Bethlehem gereist wart und sei es auch nur für einen Tag, war damit automatisch zum ‚Abwesenden‘ geworden.“ (Don Peretz: Israel and the Palestine Arabs. Washington 1958. Seite 152).
4 Während und nach dem ‚Unabhängigkeitskrieg‘ von 1948 betrieb so gut wie jeder Kibbutz und jede Siedlung, ob sozialistisch oder religiös, eine de facto Aneignung von Grundstücken benachbarter arabischer Dörfer. Geeignete und günstig gelegene Felder wurden in Eigeninitiative mit Stacheldraht eingezäunt. Zur Eindämmung solcher ‚Illegalen‘ Aktivitäten erließ die Regierung am 12. Dezember 1948 die erste einer Reihe von Verordnungen über ‚verlassene Gebiete‘. Joseph Weitz (vergl. Kapitel 1) notierte damals in sein Tagebuch:
„Das Ausplündern von arabischem Besitz ist in weiten Kreisen zu einem Gesprächsgegenstand geworden. Jeder redet vom Plündern und jeder verurteilt es aber in Wirklichkeit plündern und stehlen einfach alle.“ (Joseph Weitz: Jomani Ve’igrotai Labanim. Tel Aviv 1965. Band 3, Seite 291).
5 Der erwähnte Brief, unterzeichnet von den Mitgliedern des Zentralkomitees der IHUD-Vereinigung (Prof. Martin Buber, Prof. E. Simon und Dr. S. Shereshevsky), ist in der gleichen Nummer von NER zusammen mit weiterem Material zum ‚Land Acquisition Law‘ abgedruckt.
6 Vergl. 1 Könige 21
7 Die Zeitschrift NER, in der dieser offene Brief abgedruckt ist, wurde ab 1950 vom IHUD-Kreis für jüdisch-arabische Verständigung in Jerusalem herausgegeben. Die Zeitschrift ist nach 1967 eingegangen. Die IHUD-Vereinigung geht auf eine Initiative von Prof. Judah Magnes, des ersten Präsidenten der Hebräischen Universität Jerusalem, zurück. Das in Deutschland bekannteste Mitglied, wenn auch bei weitem nicht das aktivste, war Martin Buber.
8 Die erste der inzwischen auf 25 angewachsenen Siedlungen in der Jordansenke innerhalb der besetzten Gebiete wurde unmittelbar nach dem Sechs-Tage-Krieg gegründet, im Februar 1968. Sämtliche Gründungen gehen auf Initiativen der Regierungen der Arbeiterpartei (Eschkol, Golda Meir, Rabin) zurück, stets unter dem Deckmantel von halbmilitärischen Nachal-Stützpunkten oder Militärlagern. Die westliche Weltöffentlichkeit erfuhr davon so gut wie nichts. Diese Siedlungen, die heute von amerikanischen Regierungsstellen gelegentlich als ‚illegal‘ und als ‚Hindernis zum Frieden‘ bezeichnet werden, sind mit großer Wahrscheinlichkeit mit amerikanischer Zustimmung angelegt, und mit Sicherheit mit steuerbegünstigten amerikanischen Spendengeldern finanziert worden. Einen entsprechenden Hinweis findet man in AL HAMISHMAR vom 25. Juni 1978. Danach hat eine der Regierungen der Arbeiterpartei bei der amerikanischen Administration auf die für Israel „Lebenswichtigen“ Grundwasser-Reserven der Westbank hingewiesen, und „dies war der ausschlaggebende Faktor für die amerikanische Zustimmung zur Gründung von jüdischen Siedlungen in einem schmalen Streifen jenseits der ‚Grünen Linie‘ entlang der Ostgrenze Israels“.
9 Der freie Reiseverkehr zwischen den besetzten Gebieten und Jordanien gehört zu den Parade-Beweisstücken für das „liberale israelische Besatzungsregime“, wie das die Nichtbetroffenen seit zwölf Jahren in Millionenauflagen nennen. Die Behandlung der Palästinenser, die diese Freiheit in Anspruch nehmen, hat allerdings Anlaß zu Beschwerden gegeben. Zu viele Touristen und Korrespondenten haben diese Behandlung mitangesehen, und der Propagandawert der Freizügigkeit ist in letzter Zeit erheblich gesunken. Wenn sogar in der d e u t s c h e n Presse nicht mehr von offenen, sondern von „offenen“ Jordanbrücken die Rede ist (Manfred F. Schröder in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 6. Oktober 1978), wird jeder Kenner zionistischer Propagandatechniken mit inner-israelischen Appellen zur Mäßigung rechnen. Hier ist einer:
„… Nach einer sehr ausgedehnten Sicherheitskontrolle der Araber, zu der man die schlimme Hitze des Jordantales hinzurechnen muß, kommt die Zollkontrolle an die Reihe. Und da hat die erniedrigende, zuweilen auch unmenschliche Behandlung durch die Zöllner sicher manches Plus an gegenseitigem Vertrauen, das die Soldaten mit gutem Willen aufgebaut haben, wieder zunichte gemacht. Das Tagesgespräch der Armeeangehörigen, die (an der Allenbye-Brücke) Dienst tun, dreht sich um die ‚Heldentaten‘ der Zöllner, die Araber mißhandeln. Einige israelische Soldaten haben sich darüber bei ihren Vorgesetzten beschwert… Es sollte doch möglich seins durch Behebung dieser Mängel die Allenbye-Brücke zum Schaufenster zu machen, das den guten Willen Israels für eine Normalisierung und Verbesserung der Beziehungen zu unseren Nachbarn unter Beweis stellt.“ (Jerach Tal in HA’ARETZ, 10. Mai 1978).
Eine Änderung der Schaufensterdekoration wird allerdings die Beziehungen der Landbesitzenden zu den Landbesessenen nicht merklich verbessern können.
10 Hinweise auf kriminelle Begleitumstände des staatlich organisierten Landraubs sind auch in der hebräischen Presse eine Seltenheit. Aber der aufmerksame Leser israelischer Zeitungen ist allenfalls über die Häufigkeit der Erscheinung, nicht aber über Details auf Vermutungen angewiesen:
„… Juden kaufen von Arabern Land und verkaufen es an den Staat weiter. Niemand weiß etwas über die Profite, die diese Landspekulanten einstreichen. Die wirklichen, an die Araber bezahlten Summen verlieren sich im trügerischen Dunkel schäbiger Transaktionen. Man hört von Einschüchterungen, von Drohungen und auch von Leuten, die durch Schüsse aus dem Hinterhalt verletzt wurden. Die Nachforschungen von MA’ARIV haben ergeben, daß der Regierungswechsel in Israel (gemeint ist die Regierung Begin) der Landspekulation starken Auftrieb gegeben hat. Im Schutz der Dunkelheit werden schäbige Geschäfte getätigt, bei denen sich Juden und Araber gegenseitig betrügen, bei denen Land mehrmals verkauft wird, und bei denen gerissene Unternehmer um Land schachern, das ihnen überhaupt nicht gehört (nämlich ‚Abwesenden‘-Eigentum; Zusatz von H. S.)…
Ibrahim Babun, ein Araber aus Bethlehem erzählt: „David Mir und Muhammed Nabulsi (der letztere offenbar ein arabischer Kollaborateur; Zusatz von H. S.) kamen Anfang 1968 zu mir. David Mir war mit einem Revolver bewaffnet. Er und Nabulsi rammten Pfähle in mein Land und sagten: ‚Entweder Du verkaufst, oder das Land wird enteignet‘. Mir bot 750 Pfund pro Dunam. Ich hatte fürchterliche Angst. Es war kurz nach dem Krieg und ich glaubte, er sei ein Vertreter der Regierung. Wir einigten uns dann auf 1 700 Pfund und ich unterschrieb. Ich habe nicht verstanden, was ich unterschrieb. Ich hatte Angst.“
Ibrahim Babun ist nicht der einzige, der sich über die Gewalttätigkeit von David Mir beklagt. MA’ARIV hatte Einblick in die Protokolle eines Verfahrens, das zur Zeit vor dem Jerusalemer Distriktgericht läuft. Einer der Zeugen sagte u. a. unter Eid folgendes aus: „David Mir kam in mein Haus, zusammen mit Nabulsi… Sie kamen ein paar Mal … Mir sagte: ‚Du gehst jetzt in die Wohnung von Muhammed Seich, und wenn Du’s nicht ehrlich mit uns meinst, werden wir Dich erschießen‘.“ In der genannten Wohnung versuchten die beiden Männer, ihn zur Unterschrift unter ein Verkaufsdokument zu zwingen. Ein anderes Mal wurde er nachts mit einem Auto zu einem Steinbruch gebracht, wo er bedroht wurde. ‚Ich sagte: ‚Selbst wenn Ihr mich in Stücke schneidet, ich werde nicht verkaufen‘. Mehr als eine Stunde lang redeten sie auf mich ein. Wenn ich nicht ‚ehrlich‘ sei‘ würden sie mich erschießen.“ … “ (MA’ARIV, 19. September 1977).
Einen Tag später druckte MA’ARIV, im zweiten Teil des Berichtes über die Landspekulation, eine Art Resümee: „Grundstücke in Judäa und Samaria üben eine große Anziehungskraft aus. Einmal wegen der zu erwartenden Profite, und zum anderen für so manchen wegen der nationalen Verdienste, die in dem Landerwerb liegen.“ (MA’ARIV, 20. September 1977).
11 Unmittelbar nach Beendigung des Sechs-Tage-Krieges wurde von den israelischen Besatzungsbehörden die Verordnung Nr. 58 erlassen, mit der die Rechtspraxis über den Besitz von ‚Abwesenden‘ auf die neu besetzten Gebiete ausgedehnt wurde. Die Verordnung unterscheidet übrigens n i c h t zwischen Personen, die ihren Wohnsitz in einem arabischen oder einem nicht-arabischen Land haben (vergl. Prof. Uriel Reichman in HA’ARETZ, 23. Mai 1978).
12 Zuverlässige Angaben über den Umfang der Landaneignung in den seit 1967 besetzten Gebieten liegen nicht vor. Bei aller verblüffenden Offenheit, mit der im hebräischen Sprachraum gewisse Sachverhalte dargestellt werden, ist das A u s m a ß der Enteignungen ein peinliches Tabu geblieben. Eine Bemerkung von Ran Kislev, die sich auf die Enteignungen im israelischen Staatsgebiet von vor 1967 bezieht, kann das illustrieren: „Genaue Unterlagen über den Umfang der Landenteignungen gemäß den verschiedenen legalen Vorkehrungen (von 1948 bis 1953) sind nicht zu bekommen. Die Israelische Immobilien-Behörde (hebr. Minhal Mekark’ei Israel), die einzige Stelle, die entsprechendes Material sammelt, hat die Daten nicht zur Hand…“ (HA’ARETZ, 25. Juli 1976).
Wer nicht an Details interessiert ist, wird sich mit folgender Umschreibung begnügen, die von einem alten Kämpfer der HERUT, der Partei Menachem Begins, stammt:
„Die israelische Regierung ist viel reicher, als das Volk weiß. Sie muß nicht etwa nur zur Rettung von staatlichen Gesellschaften mit Hunderten von Millionen Pfund einspringen, vor oder nach dem Bankrott. Sie hat auch Grundbesitz, dessen Wert astronomische Summen erreicht – all den Grundbesitz, den wir von der Mandatsregierung und von den geflohenen Arabern geerbt haben. Was den Keren Kajemeth Lejisrael angeht (den jüdischen Nationalfonds, der 92 % des Bodens des Staates Israel besitzt oder verwaltet; Zusatz von H. S.), so wäre der logische Weg der, die Grundstücke an alle diejenigen Juden zu verkaufen, die darauf wohnen. Das Kapital, das auf diese Weise zusammenkommen würde, könnte sofort zum Ankauf weiterer Immobilien von Arabern, in Israel und in den besetzten Gebieten, benutzt werden. Wir haben beinahe vergessen, daß die Aufgabe des Keren Kajemeth Lejisrael vor allen Dingen die wart das Land aus den Händen der Fremden zu erlösen. Alle seine anderen segensreichen Tätigkeiten, wie die Aufforstung, die Aufbereitung (hebr. Hachschara, ein mit koscher-machen verwandter Begriff) des Landes, oder der Straßenbau, kamen erst an zweiter Stelle. Wenn der Keren Kajemeth Lejisrael sich endgültig dazu entschließen würde, seine Böden an die jüdischen Nutznießer zu verkaufen, kämen so gewaltige Summen zusammen, daß er nicht nur mit seiner gegenwärtigen Tätigkeit fortfahren könnte, nämlich der Hachschara von Land auf den (besetzten) Golan-Höhen und in der Arava, der Aufforstung und dem Bau von Sicherheitsstraßen, er könnte auch damit beginnen, die Befreiung des Landes der besetzten Gebiete in der gleichen Weise zu organisieren, wie er es früher getan hat…“ (Dr. Zeev von Weist in ERETZ ISRAEL, einer von HERUT herausgegebenen Monats-Illustrierten, August 1972, Seite 22).
13 Ein geplantes und teilweise im Bau befindliches Straßennetz wird die besetzte Westbank parzellenartig aufteilen. Die Längsstraßen verlaufen von Norden nach Süden, die Querstraßen von der Küstenebene ins Jordantal (Lageplan in JEDIOTH AHARONOTH vom 8. September 1978). Uri Dan nennt diese Straßen „die Lebens-Arterien der jüdischen Siedlungen“; und über den diskreten Geräuschpegel im Land der Bulldozokratie schreibt er, daß „der Lärm der Bulldozer und anderer schwerer Baumaschinen in Samaria wie süße Musik ist. Ihr Lärm ist wohlklingender als das Geräusch von Panzer-Motoren“. (MA’ARIV, 23. März 1979).
14 Das Dokument PS-1757 aus dem Archiv des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg, der Untersuchungsbericht einer von Göring 1939 eingesetzten Kommission, umfaßt 299 Seiten. Die Kommission hatte unter anderem die Aufgabe, ‚illegale‘ Bereicherungen von Parteigenossen aufzuspüren und den Eigenmächtigkeiten lokaler Parteistellen einen Riegel vorzuschieben. In einer Besprechung, an der Leiter und Mitarbeiter des Innen-, Justiz- und Propagandaministeriums teilnahmen, drückte sich Göring am 12. November 1938 folgendermaßen aus:
„… Es ist menschlich verständlich, daß in starkem Maße versucht wird, in diese (arisierten) Geschäfte Parteigenossen hineinzubringen und ihnen so gewisse Entschädigungen zu geben. Ich habe da entsetzliche Dinge in der Vergangenheit gesehen: daß sich kleine Chauffeure von Gauleitern derart bereichert haben, daß sie auf diese Weise schließlich eine halbe Million Vermögen an sich gebracht haben. Die Herren wissen Bescheid? Das stimmt doch? (Im Protokoll vermerkt: Zustimmung). Das sind natürlich Dinge, die unmöglich sind. Ich werde nicht davor zurückscheuen, dort, wo unsauber verfahren wird, rücksichtslos einzugreifen. Sollte es sich um eine prominente Person handeln, die das Delikt ermöglicht, so werde ich binnen zwei Stunden beim Führer sein und diese Schweinerei ganz nüchtern vortragen…“ (Stenographische Niederschrift der Besprechung im RLM vom 12. November 1938).
Der Untersuchungsbericht zur „Reichsknistallnacht“ diente somit der Durchsetzung sauberer Verfahren – das heißt, daß legal weitergeraubt, und schließlich legal der größte Massenmord der modernen Geschichte in Angriff genommen wurde.
15 Mit den „Vorgängen“ ist die Brandstiftung in mindestens 191 Synagogen, die Ausplünderung und Zertrümmerung unzähliger Geschäfte und die Ermordung oder der Selbstmord von 90 deutschen Staatsbürgern jüdischen Glaubens gemeint. Gemessen an dem, was nachkommen sollte, also gewissermaßen eine Lappalie. Der Berliner Volksmund, mit aberwitzigem Gespür für die nationale Bereitschaft zur Steigerung, hat diese Walpurgisnacht zur bacchanalisiert.
16 „Dans toutes les guerres il ne s’agit que de voler“ sagt Voltaire, und Schopenhauer präzisiert, daß fast alle Kriege im Grunde Raubzüge sind – „die Deutschen sollen es sich gesagt seyn lassen“. Mit der Erfahrungslast der Generation, die in die Hoch-Zeit des europäischen Faschismus hineingeboren wurde, kann hinzugefügt werden, daß allen Kriegszügen die Täuschungs-Manöver vorangehen, und allen Raubzügen die Winkeladvokatenzüge folgen. Alles, was krumm ist, soll gerade werden. Mit dem Umfang den Raubzüge ist nicht zuletzt auch das Legalisierungsbedürfnis schwindelerregend gewachsen. Die internationale Illegalisierung des deutschen Raubzuges – unterschätzen wir das nicht – bedurfte der Aussagekraft von immerhin 50 Millionen Blutzeugen! Der Nachfolgegeneration ist inzwischen eingewöhnt, daß ihr beim Vorhalten von Dokumenten zur „Reichskristallnacht“ der Atem stockt – so steht’s in der WELT – – und ist demnach mit Sicherheit nicht aus den üblichen Symptomen anhaltender Atemnot erschlossen worden. Jedenfalls wird einem Schwarz auf Weiß ins Haus getragen, daß und wie man Lehren gezogen hat.
Aber ein Unwesen kommt selten allein, und ein Skandal kann auch beginnen, wenn ihm ein Ende gemacht wird. Es gibt Konstellationen, die günstiger sind als alle erträumten, und Korrelationen, die einen bis in die Träume verfolgen. Und so hat denn die Legalisierung des erfolgten und fortschreitenden Landraubes an den Palästinensern fast anstandslos sämtliche internationalen Instanzen durchlaufen. Daß dabei die einstigen Organisatoren der großen Entwesung den lausigen Verwesern den Anwesen von anwesenden Abwesenden mit ganz besonders wüsten Wüsten-Expertisen zu Hilfe eilen, ist ein kriminalpsychologisches Lehrstück, das eines Tages in die Hörsäle gelangen wird.
Bis dahin muß von Glück geredet werden, daß in diesem Land zum Jahrestag der „Reichsknistallnacht“ – und anderen, erheblich umfangreicheren Ereignissen – ein nationaler Schluckauf organisiert wird. Aber niemand sollte leichtfertig behaupten dürfen, er habe Lehren gezogen. Denn die Lehre, die aus 45 und nicht bloß aus 12 Jahren deutscher Geschichte zu ziehen ist, trifft das Wesen aller Unwesen: Sie haben das Merkmal, daß sie nicht bemerkt werden.