Beni Peled oder Die Enttäuschung über Israels Kriege
Siehe auch:
Major General Benny Peled, Israeli commander who oversaw Entebbe (Lawrence Joffe, 19 July 2002, The Guardian) [Obituary] http://www.guardian.co.uk/obituaries/story/0,3604,757813,00.html
Übersetzung aus HA’ARETZ (Tel Aviv), 2. Juni 1978
EIN INTERVIEW MIT RESERVE-GENERAL BENI PELED
von Beni Landau
Ein Gespräch mit Beni Peled (11) trifft Dich wie ein Luftangriff. Peled spricht nicht. Er greift an. Er kommt im Sturzflug, schießt seine Salve ab, steigt senkrecht hoch. Er fordert dauernd Antworten und gibt selber nur wenige. Er schreit, schlägt auf den Tisch, qualmt und stößt harte Formulierungen aus. Mit eisigem Blick in seinen grünen Augen. Peled lebt in einer Welt aus Technologie und Informations-Massen. Er hat unzählige Fakten im Kopf, Gefechtsdaten, historisches Geschehen, Maschinenstunden… 1958 ging er Flugwissenschaft studieren am Haifaer Technion, und dann wurde er Kommandeur einer Luftwaffeneinheit, die 5 Jahre später „so zwischen einem Drittel und der Hälfte des ganzen Luftwaffenjobs im Sechs-Tage-Krieg erledigte“, wie er sagt. Nach einem langen und harten Kampf um das Erbe von General Moti Hod, dem Luftwaffenchef, stand Peled schließlich selbst an der Spitze der israelischen Luftwaffe… Als er seinen Posten an General Ivri abgab, verließ er die Armee ohne Tränen und wurde stellvertretender Generaldirektor der Computer-Firma „Elvit“ (sic). Seither beobachtet er, was um ihn herum vorgeht, und er macht nicht das geringste Hehl daraus, daß er mit dem Staat, für den er 30 Jahre lang gekämpft hat, nicht zufrieden ist. „Du bist ja“, fährt er mich an und meint damit das ganze Land, „Du bist ja hysterisch“. Er fordert, wie das bei ihm üblich ist, daß die Mission zu Ende geführt werden muß, und er ist überzeugt, daß der unangenehme Krieg erst kommt. Beni Peled ist praktisch veranlagt, kennt keine Entschuldigungen, gebraucht keine Tricks, ist bar jeder religiösen Mystik. „Ich bin jetzt 50“, sagt er. „Ich hatte genügend Zeit, die Informations-Bits zusammenzutragen. Mein Bild ist anders.“ So scharf, wie er es im folgenden Interview tut, hat er der Öffentlichkeit seine Ansichten noch niemals mitgeteilt. Es ist sein erstes Interview seit er die Armee vor einem Monat verlassen hat.
(…)
FRAGE: Was ist Deine Meinung zu Sadats (Friedens-) Initiative?
PELED: Er hat nichts initiiert. Er mußte. Israel hat ihn gezwungen, nach Jerusalem zu kommen, ohne daß er das wußte. Nach 30 Jahren voll von ‚Ereignissen‘ zwischen Israel und Ägypten hat Sadat die simple Erkenntnis gehabt, daß er nur eine Wahl hat: zu uns zu kommen. Er wird die Lage analysiert haben und dreierlei eingesehen haben: Daß er keine Chance hat, Israel in nächster Zukunft militärisch zu besiegen; daß das palästinensische Pferd zu einem trojanischen Pferd geworden st – in der gesamten arabischen Welt und ganz besonders in Ägypten; und daß er innenpolitisch genügend stark ist und die Palästinenserfrage und Israel nicht braucht, um sich an der Macht zu halten. Da wurde ihm klar, daß er kommen muß.
FRAGE: Du siehst seine Initiative also als einen Trick an, als ein verschlagenes Betrugsmanöver zur Isolierung Israels?
PELED: Nein. Wir haben uns selber betrogen. Wir glaubten, Sadat käme aus einer Position der Stärke zu uns. Wir haben uns vorgemacht, daß er eine starke Position hat, daß der Krieg von 1973 für ihn ein Erfolg war, daß er von den USA unterstützt wird, und daß wir in die Defensive gedrängt wurden und auf seine Initiative eingehen müssen. Er muß auf u n s e r e Initiative eingehen! Aber wir haben ihm eben nicht klar gemacht, daß er nicht einfach nach Ägypten zurückkehren kann, und sich einschließen kann – weil wir nämlich Frieden wollen, und ihm seine Tür einschlagen werden, um das durchzusetzen. Jetzt kann er sich hinsetzen und warten, bis wir ihm geben, was er will.
FRAGE: Und wir brauchen ihm nichts zu geben?
PELED: Wir können ihm Frieden geben.
FRAGE: Und wie geben wir ihm Frieden?
PELED: Wir sagen ihm, daß es keinen Krieg geben wird, wenn er sich so benimmt, wie wir ihm das sagen.
FRAGE: Und Sinai?
PELED: Die Hälfte für ihn, die Hälfte für uns, für 50 Jahre. Aber so funktioniert’s natürlich nicht, daß wir ihm sagen: wenn Du nicht einverstanden bist, gehen wir heim und trinken Kaffee. Auf diese Art kommt keine Vereinbarung zustande. Er braucht ja nur aufzupassen, daß er in keinen Krieg mit uns verwickelt wird, einen Krieg, den er selber initiiert. Wenn er nichts macht, passiert ihm auch nichts. Im Gegenteil. Er profitiert von der Werbung, die Israel für ihn besorgt… Im Grund tun die Juden nichts ohne internationalen Konsensus, und nichts mit Waffengewalt. Das ist so ein Prinzip der zionistischen Bewegung. Das sind die beiden Beschränkungen, die wir uns selber auferlegt haben, denn wir sind eine Nation ‚der Tradition und der Ideale‘.
FRAGE: Ist das der Grund, weshalb wir nie durchgesetzt haben, was wir eigentlich wollten?
PELED: Beim Unabhängigkeitskrieg – also war das ein Wunder, daß wir über sieben arabische Armeen gesiegt haben? Waren wir stärker, oder besser ausgerüstet? Haben wir besser gekämpft? War unsere Moral höher? Also kurzum – wir waren einfach besser. Und wir haben dafür gesorgt, daß wir bei jeder ernsthaften Konfrontation ebenso viele waren wie sie. Wieviele sind denn seit und einschließlich 1947 umgekommen? Nicht mal 10 000. Ist das viel? Es ist nichts. Und wir sagen, wir hätten die ganze Zeit gekämpft. Wieviele Tage haben wir wirklich gekämpft? 30 Jahre? Das ist doch gelogen. Nur wenn jeder zur Armee geholt wird, ist Krieg. Der ganze Rest – das ist ganz normales Leben. Samstags, morgens um 9 Uhr, zwischen den Kriegen, da findest Du am Strand keinen Parkplatz.
FRAGE: Und das bedeutet?
PELED: Daß wir reich sind, und daß wir niemals wirklich gekämpft haben, und daß wir alles viel zu selbstverständlich bekommen haben, und daß wir kaum Leute verloren haben, und daß das ganze Geschrei aufhören sollte.
(…)
FRAGE: Israel hat also seine militärische Stärke noch nie zur Durchsetzung politischer Ziele ausgenutzt?
PELED: Nein. Wir haben immer auf Kraftakte und politische Aktionen unserer Nachbarn geantwort. Nichts von dem, was wir heute haben, ist das Ergebnis unserer Politik. Rein gar nichts. Das hat bis heute famos funktioniert, und wenn es für die nächsten 100 Jahre so weiter funktioniert, ist alles gut. Aber ihr behauptet andauernd, daß es nicht gut ist. Es ist nicht gut, daß wir seit 30 Jahren Krieg haben, es ist nicht gut, daß wir 1973 Krieg hatten, nicht gut, daß wir überrascht wurden, nicht gut, daß Saudi-Arabien fünfzig F-15 Kampfflugzeuge hat, nicht gut, daß die UdSSR den Syrern eines Tages 300 MIG 23-F liefert. Wenn Ihr mit der Situation nicht zufrieden seid obwohl ich Dir sage, daß sie weit besser ist, als Ihr das darstellt – dann bewegt Euch und tut mal was.
FRAGE: Zum Beispiel was?
PELED: Ihr könnt wählen. Entweder Ihr wollt gewisse politische Ziele durchsetzen und seid bereit, die vorhandene militärische Schlagkraft einzusetzen, oder Ihr entscheidet Euch dafür, daß Ihr keine Gewalt wollt – dann steckt’s auf. Aber Ihr tut beides nicht. Warum? Wahrscheinlich, weil Ihr mit der Situation eben doch zufrieden seid. Aber warum beklagt Ihr Euch dann? Wenn Euch das 1967 gut genug war, nach sechs Kampftagen – die doch ein Geschenk des Himmels waren – einem Waffenstillstand zuzustimmen, statt weiterzukämpfen und die angreifenden Länder zu Vereinbarungen zu zwingen, die sie einhalten müssen, also warum schreit Ihr dann, wenn Ihr 1973 angegriffen werdet? Wollt Ihr eine Visitenkarte, die Euch 24 Stunden vorher aufweckt? Ihr wollt also nicht überrascht werden? Dann tut doch mal was. Darum glaube ich auch nicht an den Begriff der „sicheren Grenzen“. Was sind sichere Grenzen? Das ist doch nur eine der Ausreden der Leute, die hier das Sagen haben und sich rechtfertigen, statt mal was Richtiges zu tun. Ich möchte wissen, welche Art Staat wir wollen, nicht was sichere Grenzen sind. Bis zu welcher Grenze Leute mit israelischem Paß leben werden, bis wohin ich herrsche, das möchte ich wissen. Sind die Grenzen der USA sicher? Sicher vor was? Meinetwegen vor zwei russischen Divisionen, aber doch nicht vor tausend ballistischen Raketen.
FRAGE: Wieso glaubst Du, daß Israel stark genug ist, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen? Glaubst Du nicht, daß die wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA uns einschränkt?
PELED: Wieso schränkt uns das ein? Ist das der einzige mögliche Lebensstandard für dieses Volk? Könnt Ihr nur auf diese Weise leben? Dann gebt’s doch zu: Ich habe einen hohen Lebensstandard, ich bin nicht bereit, etwas dafür zu tun, und deshalb möchte ich den Amerikanern nachgeben. Sagt’s doch, daß Ihr nicht bereit seid, irgendetwas zu opfern! Gebt’s zu! Gemessen an dem, was Ihr investiert, lebt Ihr wie, wie – ein Waisenkind von der Unterstützung. Ihr habt nicht mal 40 % Eures Essens verdient. Wenn Ihr meint, daß Ihr diese Suppenküche nicht aufgeben könnt, dann gebt was anderes auf. Die Wurzel des Problems liegt doch darin, daß Ihr Euch eine Welt von Begriffen und Lügen aufgebaut habt, die Ihr ohne Zweifel und Bedenken mit Euch herumtragt. Glaubt Ihr, wir haben zu viel geopfert? Was wir bis jetzt gemacht haben, kann doch, nach allen internationalen Kriterien, nicht als ernsthafte Investition in einem Kampf um weit geringere Ziele gelten. Nennt Ihr vielleicht das, was sich hier abspielte, einen Krieg? Schau Dir mal die Dokumentarfilme aus dem Zweiten Weltkrieg an, da wirst Du Krieg sehen! Ihr habt überhaupt noch nicht gekämpft! Seit 1947 sind kaum zehn Bomben auf Tel Aviv gefallen – also was soll das Geschwätz… 1967 habt Ihr zwei nicht einmal übermäßig erfolgreiche Bewegungen gemacht, und dann habt Ihr gemerkt, daß drei Armeen besiegt sind, und daß Ihr Sinai, die Westbank und die Golan-Höhen erobert habt. Und bis heute wißt Ihr nicht, was Ihr damit machen sollt. Ihr benehmt Euch in den Augen der Welt wie Idioten. Ihr haltet seit 10 Jahren Territorien. Ihr sagt nicht, daß Ihr sie wollt, und Ihr sagt nicht, daß Ihr sie zurückgebt. Also denkt mal nach. Wenn einer sagt: „Nehmt sie“, dann sagt Ihr: „Aber dann haben wir die Araber“. Und wenn einer sagt: „Gebt sie her“, dann sagt Ihr: „Dann sind dort die Araber“.
FRAGE: Was für einen Staat wünschst Du Dir?
PELED: Ich möchte einen israelischen Staat. Wenn ich für einen Staat stimmen müßte, dessen Verfassung den jüdischen Bürgern mehr Rechte garantiert, als seinen nicht-jüdischen Bürgern, dann würde ich dagegen stimmen. Ich würde einem solchen Staat dienen, aber ich würde dagegen stimmen. Einfach weil ich glaube, daß es nicht geht, wenn wir ein Teil der freien, demokratischen Welt sein wollen (12)… Aber die Staatsgrenzen würde ich nicht nach den Sicherheitsbedürfnissen der nächsten Wochen festlegen. Denn heute haben sie F-15 Flugzeuge, und morgen werden sie ballistische Raketen mit nuklearen Sprengköpfen haben. Und jeder ägyptische Soldat wird einen Hubschrauber haben und kann in drei Minuten vor der Knesseth landen. Also was sollen Eure Sicherheitsgrenzen! Ich will keinen Staat, der in sichere Grenzen paßt, sondern das Heim muß so groß sein, daß es für die zukünftige Bevölkerung reicht (13). Das Prinzip ist doch: Du kannst Dich dafür entscheiden, daß Dir eine Wohnung mit 64 Quadratmeter für die nächsten hundert Jahre reicht, daß Du keine 8 Millionen Bürger willst oder einen ökonomisch lebensfähigen Staat. Du hast die Wahl. Wenn Ihr wie Monaco sein wollt – bitte sehr. Aber die Grundlage ist doch, daß die Größe der Wohnung unseren Bedürfnissen entspricht. Daß die Größe der Wohnung nicht nach der Zahl der Diebe in der Umgebung gewählt wird.
FRAGE: Und was passiert, wenn sich die Leute für eine große Wohnung entscheiden, und dann als Folge davon in einen Krieg verwickelt werden?
PELED: Der Preis wird niedriger sein, als der bis jetzt bezahlte, und der war schon niedrig. Was soll der Lärm. Wir haben den Staat per Zufall bekommen, und ich hasse es, Dinge dem Zufall zu verdanken.
FRAGE: Willst Du sagen, daß die Israelis den Krieg, der ihren Besitz rechtfertigen wird, noch nicht geführt haben?
PELED: Genau richtig. Was wir haben, haben wir umsonst bekommen, und nicht absichtlich. Wir haben eine Menge umsonst geopfert, weil wir kein Ziel hatten. Und wir werden einen viel höheren Preis bezahlen, wenn wir hier sitzen und warten und dem Feind sagen: „Ihr entscheidet, wann das Fußballspiel beginnt“. Das haben wir ihm doch bis jetzt immer gesagt.
(…)
FRAGE: Wie groß muß D e i n e Wohnung sein?
PELED: Daß meine Enkel und ihre Kinder in einem Staat mit jüdischen und nicht-jüdischen Bürgern leben können – sofern sich diese loyal verhalten. Ich brauche den Litani, die Wasserquellen von West-Israel, den Jordan, einen Weg nach Eilat, das Nueba-Gebiet und Scharm El-Scheikh, eine gerade Linie bis EI-Arisch (14). Das ist die Wohnung, die ich will. Und jetzt mache ich Ägypten, Syrien und Jordanien ein Angebot. Ein Angebot, das sie nicht ablehnen können.
FRAGE: Warum nicht?
PELED: Weil ich auf sie einschlagen werde. Und es kostet meinerseits keine besondere Mühe, sie zu zwingen, meinen geringen Forderungen zuzustimmen. Klar? Ist Golan ein wesentlicher, integraler Teil von Syrien? Ziehen sie dort etwa alle ihre Tomaten?
FRAGE: Und wie passen die Palästinenser in dieses Schema?
PELED: Es gibt keine Palästinenser. Es gibt israelische Bürger, die israelische Bürger sein wollten, und es gibt Bewohner dieses Landes, die sich entschieden haben, hier zu leben ohne israelische Staatsbürger zu werden. Und dann gibt es noch diejenigen, die sich zum Bleiben und zum Kämpfen entschlossen haben. Die werden wir rausschmeißen oder auf andere Weise loswerden…
* * * * *
HELFT ISRAEL!
WIR RUFEN: HELFT MIT, DEN FRIEDEN IN NAHOST
WIEDERZUGEWINNEN UND ISRAEL VOR DEM
UNTERGANG ZU BEWAHREN!
Die Sperrung der Meerenge von Tiran ist ein Anschlag auf den Frieden. Die Absicht dabei ist, die wirtschaftliche Lebensfähigkeit Israels zu vernichten. Israel soll vor die faule Wahl gestellt werden, entweder durch die Blockade im Golf von Akaba und der ihm aufgezwungenen Rüstungslast zugrunde zu gehen oder sich zu wehren und sich dadurch dem falschen Schein auszusetzen, der friedensstörende Angreifer zu sein.
Wir können nicht schweigen, wenn das israelische Volk mit Völkermord bedroht wird. Der Staat Israel ist die letzte Heimat vieler Menschen, die aus unserem Lande stammen und dem von Deutschen ins Werk gesetzten Völkermord an den europäischen Juden entronnen sind.
Wir mahnen alle, die in unserem Staat öffentliche Verantwortung tragen, insbesondere den Bundestag und die Bundesregierung, sich nicht stumm abseits zu stellen, sondern ihr Wort für den Frieden in die Waagschale zu werfen, dem israelischen Volk gegen die Bedrohung mit Völkermord moralisch und mit friedlichen Mitteln zur Seite zu stehen sowie jedes Bemühen um Gerechtigkeit und jede der Wiedergewinnung des Friedens dienende Vermittlung nachdrücklich zu unterstützen.
Wir rufen alle: Seid auf friedliche Weise solidarisch mit allen bedrohten Menschen, die durch Bomben und Raketen verbrannt oder durch Verhungern ausgerottet werden sollen. Wenn andere sich lau verdrücken wollen und meinen, es genüge, die eigene Haut zu retten, so zeigt ihnen, daß es viele Möglichkeiten gibt, freiwillig für den Frieden zu wirken. Wir fangen schon an, etwas zu tun, sobald wir den Bedrohten das stärkende Bewußtsein vermitteln, daß sie nicht von aller Welt verlassen sind. Wir stehen schon den Bedrohten bei, wenn wir Israel helfen, die wirtschaftlichen Einbußen und die finanziellen Lasten seiner Wachsamkeit und Abwehrbereitschaft mitzutragen.
Wir rufen die Jugend: Zeigt, daß ihr es durchschaut, wie die Großen der Welt künstlich Krisenherde schaffen. Nicht mit Versteckspielen, die man als diplomatisch ausgibt, läßt sich der Frieden retten; auch nicht, indem man sich der Täuschung hingibt, diesmal werde noch nicht um unser eigenes Schicksal gewürfelt. In beiden Teilen Deutschlands sollte sich die Jugend einig sein in ihrem Abscheu vor der Bedrohung Israels mit Völkermord. Sie erwartet von den Regierenden eine klare Sprache.
Dr. Adolf Arndt
Diesen Aufruf richtet Dr. Adolf Arndt an alle, besonders an die deutsche Jugend. Die Unterzeichneten unterstützen diesen Aufruf und bitten, ihn weiterzutragen, bis er den letzten Bürger in unserem Land erreicht.
Das deutsche Volk hat eine Verpflichtung gegenüber Israel. Welche Gegensätze auch immer unseren politischen Alltag bestimmen, hier gilt es, gemeinsam – vom Schüler und Lehrling bis zum Bundestagsabgeordneten, von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften, von den Universitäten bis zu den Rathäusern – vorbehaltlos zu helfen.
Wenn die deutsche Öffentlichkeit wieder versagen sollte, werden die zurückliegenden Verbrechen und ihre Folgen abermals auf uns zurückfallen. Besonders die Schüler, Lehrlinge und Studenten bitten wir dringlich, immer wieder diese Aktion HILFE FUR ISRAEL von früh bis spät zu unterstützen. An dieser Aufgabe können wir wachsen oder scheitern.
Wir rufen HELFT MIT.
Präsidium und Kuratorium der
Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Spontane Reaktion in der deutschen Bevölkerung (16)
Der Aufruf (von Dr. Adolf Arndt), der in den meisten deutschen Tageszeitungen veröffentlicht wurde, der in Städten und Gemeinden plakatiert wurde, bewirkte nicht nur Gefühle für Israel, sondern eine Flut von Hilfsangeboten aus dem ganzen Volk.
Es ist unmöglich, alle Reaktionen der deutschen Bevölkerung ausführlich darzustellen. Man kann nur in kurzen Stichworten wiedergeben, was sich in vielfältigster Form im deutschen Volk an Sympathien für Israels Freiheit kundtat. Was in diesen folgenden Nachrichten enthalten ist, kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Alles, was man über diese Wochen sammeln konnte, muß angesichts der Fülle der Ereignisse Stückwerk bleiben und doch sind diese Nachrichten ein Zeugnis für den Wandel, die Tiefe des Wandels der Gesinnung im ganzen deutschen Volk:
BERLIN
Der Berliner Senat stellt für humanitäre Hilfsaktionen 100 000 Mark zur Verfügung.
Der Bezirk Berlin-Charlottenburg überweist der Deutsch-Israelischen Gesellschaft 10 000 Mark für die Aktion HILFE FUR ISRAEL.
Ökumenischer Fürbitte-Gottesdienst in der Gedächtniskirche von Juden und Christen aller Konfessionen. Rabbiner Dr. Lehrmann spricht den priesterlichen Schlußsegen bei diesem Gottesdienst.
Sympathieversammlung der Evangelischen Studentengemeinde mit Aufrufen von Günter Grass und Prof. Gollwitzer.
Solidaritätserklärung der Berliner Sozialdemokraten, des Landesjugendringes Berlin, des Ringes Politischer Jugend, der Jungen Union und des Bundesverbandes deutsch-israelischer Studiengruppen.
Aufruf des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Dietzfelbinger, zu Fürbittegottesdiensten in allen Gemeinden.
Unterstützungsaufruf für Israel auf der Jahreshauptversammlung des Bundes der Verfolgten des Naziregimes.
Aufruf des Schriftstellers Günter Grass zum freiwilligen Arbeitseinsatz in Israel (Wiederaufbau) an junge Deutsche unter seiner Leitung. 500 Meldungen dafür liegen bereits vor.
An einem Tag (7. 6.) melden sich bei der Jüdischen Gemeinde Berlin mehr als 300 junge Deutsche zum Zivildienst in Israel. Unaufhörlich treffen Geldspenden und Solidaritätserklärungen aus der Berliner Bevölkerung bei der Jüdischen Gemeinde ein.
Demonstration verschiedener Studentengruppen mit Plakaten wie z. B. „Wir stehen zu Israel – Unsere Herzen sind Flammen der Solidarität“ oder „Berliner, helft Israel“.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft erläßt neuen Spendenaufruf in den Berliner Tageszeitungen. Die Inserate HILFE FUR ISAREL werden von den Berliner Verlegern, wie durchweg auch in der westdeutschen Presse, kostenfrei veröffentlicht.
Zahlreiche Berliner Familien erklären sich bereit, evakuierte israelische Kinder aufzunehmen. Straßensammlungen des Bundes deutsch-israelischer Studiengruppen und der Freunde der Hebräischen Universität.
Die der Funkmietwagen-Vermittlung angeschlossenen Berliner Taxi fahren einen Tag für Israel; der Erlös wird dem Spendenkonto der Jüdischen Gemeinde überwiesen.
Die staatliche Hochschule für bildende Künste Berlin schließt sich dem Aufruf HILFE FUR ISRAEL an.
Die Deutsche Angestellten-Jugend plant freiwilligen Arbeitseinsatz ihrer Mitglieder für jeweils drei bis vier Wochen.
Der Erlös einer Unterhaltungsveranstaltung im „Albert-Schweitzer-Jugendheim“ ist für Israel bestimmt.
Erklärung des PEN-Clubs, des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller und der Akademie der Künste für Israel.
In der Jüdischen Gemeinde herrscht noch nach der kriegerischen Entscheidung Andrang von Spendern und Freiwilligen, die sich zu Ernte- und Aufbauarbeiten zur Verfügung stellen wollen.
Berliner Schauspieler, die Studenten der Akademie für Grafik und die „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ erklären ihre Solidarität mit Israel…
BONN
Meldungen von etwa 1 000 deutschen Ärzten, Krankenschwestern, Arbeitern, Soldaten und Jugendlichen allen Berufsstände bei der israelischen Botschaft zu Hilfeleistungen in Israel.
Hilfeaufruf der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Einrichtung von drei Spendenkonten HILFE FUR ISRAEL.
Erklärung von Bundeskanzler Kiesinger vor der CDU-Fraktion: die Bundesregierung wird humanitäre Hilfsmaßnahmen für das Kriegsgebiet einleiten.
Sympathieerklärung für Israel von der SPD-Fraktion.
Schweigemarsch von etwa 2 000 Studenten mit Kundgebung auf dem Münsterplatz. Aufrufe von Günter Grass und dem Bundestagsabgeordneten Adolf Arndt zur Hilfe für Israel.
Spende eines privaten Arztes: ein komplettes Operationszimmer.
Der Verband privater Kinderheime bietet dem Bundesfamilienministerium 150 Heimplätze für evtl. zu evakuierende israelische Kinder und 15 Plätze für werdende Mütter an.
Medikamenten-, Verbandstoff- und Blutkonservenspende des Deutschen Roten Kreuzes im Went von 100 000 Mark für die vom Krieg betroffenen Länder.
Der Deutsche Städtetag bittet seine Mitgliedsstädte in einem Schnellbrief, den Aufruf für Israel des Abgeordneten Dr. Adolf Arndt zu unterstützen…
Die Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Staatssekretär Benda und Bundestagsabgeordneter Westphal, überbringen dem israelischen Botschafter Ben Natan zwei Schecks über je 500 000 Mark als erstes Ergebnis der Sammelaktion.
Bei der israelischen Botschaft sind inzwischen mehrere tausend Briefe mit Sympathie-Erklärungen und Geldspenden eingegangen.
Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Bonn wirbt jugendliche Freiwillige zum Arbeitseinsatz in Israel.
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend fordert seine Mitglieder zu Wiederaufbauarbeiten in Israel auf.
DÜSSELDORF
Der Deutsche Gewerkschaftsbund übernimmt „als sichtbaren Ausdruck der Solidarität und des Vertrauens in das israelische Volk“ Israel-Bonds im Wert von drei Millionen DM.
Gründung eines Aktionskomitees zur Hilfe für Israel zusammen mit der Synagogengemeinde.
Gründung einer privaten Hilfsaktion für die israelische Zivilbevölkerung durch neun Ärzte.
Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes an alle Mitglieder und besonders die Gewerkschaftsjugend zur Teilnahme an Kundgebungen „zur Wiederherstellung des Friedens und zur Rettung der Existenz Israels“.
Große Sympathiekundgebung mit einer Rede von NRW-Ministerpräsident Kühn und einem Aufruf von Günter Grass. Übergabe von 10 000 Mark an die israelische Botschaft durch die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Das Geld wurde zum Teil nach einem öffentlichen Konzert in Düsseldorfs Straßen gesammelt.
Der Erlös einer Vorstellung des „Intimen Theaters“ wird der Aktion HILFE FÜR ISRAEL zur Verfügung gestellt.
FRANKFURT
Kunstauktion HILFE FOR ISRAEL erbringt 21 000 Mark; der Erlös ist inzwischen nach Israel überwiesen worden. Spende der Stadt Frankfurt als Hilfe für Israel. Spendenaufruf des Magistrats an die Bevölkerung.
Die Bank für Gemeinwirtschaft beschließt, israelische Staatsanleihen (Israel-Bonds) in Höhe von drei Millionen zu kaufen. Gründung eines „Kuratoriums für humanitäre Hilfsmaßnahmen zugunsten israelischer Bürger“ unter Mitwirkung der drei großen demokratischen Parteien, der evangelischen und katholischen Kirche, der Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammer, Bank für Gemeinwirtschaft und anderer Organisationen und Institutionen Frankfurts… (stark gekürzt).
***
BONNER RUNDSCHAU (Bonn), 6. Juni 1967
Ausschnitt aus ISRAEL WIRD LEBEN
von Michael Horbach
In diesen Tagen, kaum nach Hause zurückgekehrt, habe ich Heimweh nach Israel. Ich bin Deutscher. Es ist nicht mein Land. Aber Israel – das ist das Land eines jeden Menschen, der guten Willens ist…
Ich war 17 Jahre alt, als ich mich 1942 freiwillig meldete. Ich glaubte, dem Vaterland zu dienen. Erst später erkannte ich, daß ich Unrecht diente. Ich kämpfte dennoch weiter, denn wer läßt schon seine Kameraden in der Not im Stich. Wenn ich heute noch einmal 17 wäre, würde ich mich wieder freiwillig melden: Zu den Männern, die am Jordan Wache stehen. Denn ich weiß: Diesmal würde ich für eine gerechte Sache kämpfen.