EU hätschelt Diktatoren
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04.02.2011 / Titel / Seite 1Inhalt
EU hätschelt Diktatoren
Im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt Kairo ist es auch am Donnerstag immer wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Unterstützern von Staatschef Hosni Mubarak und Demonstranten, die dessen Rücktritt fordern, gekommen. In den frühen Morgenstunden feuerten mutmaßliche Regierungsanhänger von einer Brücke aus mit automatischen Waffen auf die Menschen, die auf dem zum Symbol für die Freiheitsbewegung gewordenen Tahrir-Platz ausharrten. Immer wieder wurden die Demonstranten auch mit Steinen und Brandsätzen angegriffen. Am Nachmittag kam es zu einem heftigen Feuergefecht. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira unter Berufung auf den ägyptischen Gesundheitsminister meldete, wurden seit Mittwoch mindestens 13 Menschen getötet und mehr als 1200 verletzt. Am Donnerstag versuchte das Militär, die Auseinandersetzungen zu beenden, indem sich Soldaten und Panzer zwischen die verfeindeten Lager stellten. Trotzdem flammten die Krawalle immer wieder auf.
Der von Mubarak eingesetzte Ministerpräsident Ahmed Schafik entschuldigte sich am Donnerstag im staatlichen Fernsehen für die Attacken der Regierungsanhänger. Die Übergriffe seien »ein eklatanter Fehler« gewesen und »weder logisch noch rational«. Die Opposition beschuldigt hingegen das Regime, bezahlte Schlägertruppen und Polizisten in Zivil gegen die Menschen auf dem Tahrir-Platz eingesetzt zu haben. Demonstranten zeigten Fernsehjournalisten Dienstausweise der ägyptischen Geheimpolizei, die sie eigenen Angaben zufolge Angreifern abgenommen hatten. Der ägyptische Generalstaatsanwalt hat nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur MENA drei ehemaligen Ministern verboten, das Land zu verlassen, und ihre Bankkonten eingefroren. Unter den drei Politikern, die am Wochenende von Staatschef Mubarak entlassen wurden, ist auch der als Innenminister für die Polizei verantwortlich gewesene Habib Al-Adli.
Westliche Regierungen halten unterdessen an ihrer verständnisvollen Haltung gegenüber dem Regime in Kairo fest. »Wir verurteilen alle, die Gewalt ausüben oder dazu ermuntern«, heißt es diplomatisch ausgewogen in einer gemeinsamen Erklärung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit ihren Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien am Donnerstag veröffentlichte. »Nur ein zügiger und geordneter Übergang zu einer Regierung, die sich auf eine breite Basis stützt, wird es ermöglichen, die Herausforderungen, vor denen Ägypten heute steht, zu bewältigen.«
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan van Aken, warf der Bundesregierung deshalb vor, die Regime in Ägypten, Tunesien und anderen Ländern jahrzehntelang »gehegt und gepflegt« zu haben. So habe Deutschland seit dem Jahr 2000 Rüstungsexporte nach Ägypten im Wert von über 270 Millionen Euro genehmigt. »Wer Waffen an Diktatoren liefert, macht sich mitschuldig an Unterdrückung, Zensur und Menschenrechtsverletzungen«, erklärte er. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Bundesregierung vor, die Demonstranten in Ägypten nicht entschieden genug zu unterstützen. Die Bundesregierung solle Kairos Botschafter einbestellen und ihm klarmachen, daß man das Regime Mubaraks vor dem Hintergrund der Gewalt eskalation nicht weiter unterstütze. Zudem müßten alle Rüstungsexporte nach Ägypten gestoppt werden.
jW-Bericht