Heinrich-Böll Stiftung übernimmt israelische Geschichtsdarstellung
Verfälschungen
Kritik an Heinrich-Böll-Stiftung: Offizielle israelische Geschichtsdarstellung übernommen
Von Karin Leukefeld
Junge Welt, 14. Januar 2011
Auch die Stiftungen der politischen Parteien übernehmen Rat oder Informationen der deutschen Israel-Loby und damit die offizielle israelische Geschichtsschreibung häufig ungeprüft. Ein Beispiel ist die Geschichte der Misrachi, der arabischen Jüdinnen und Juden, die schon Jahrhunderte vor der Gründung Israels zwar nicht immer friedlich, aber doch Seite an Seite mit Christen und Muslimen in der arabischen Welt lebten. Dieses Thema greift die Heinrich Böll-Stiftung mit einer Filmreihe Ende Januar in Berlin auf, folgt dabei aber weitgehend der offiziellen israelischen Darstellung, wie jüdische Friedensaktivisten, Künstler und Intellektuelle in einem offenen Brief an die Stiftung kritisieren. Darin wird vor allem die Darstellung zurückgewiesen, die arabischen Juden seien in ihren Herkunftsländern »entweder von staatlicher Seite aus vertrieben oder von der muslimischen Bevölkerung bedrängt (worden), das Land zu verlassen.« Das sei eine »Geschichtsfälschung mit der drastischen Folge, daß (…) Verbrechen gegen die Menschlichkeit« verleugnet würden. Jede Gruppe der Misrachi habe ein eigenes Schicksal erlebt. Diejenigen aus dem Irak hätten das Land aufgrund eines irakisch-israelischen Abkommens verlassen müssen, nicht weil sie vertrieben wurden.
Besonderes Unrecht sei den Jüdinnen und Juden aus Marokko widerfahren, die von Gesandten des Staates Israel unter Druck gesetzt worden seien, heißt es in dem Brief. Das sei auf perfide Weise geschehen, indem jüdische Kinder im staatlichen Auftrag Israels entführt worden seien. »Mural Operation«, ein Dokumentarfilm über diese Geschichte, fehlt im Programm. Noch drastischer ist die Geschichte der »Ringworm Kinder«, die in dem gleichnamigen Film erzählt wird, der ebenfalls auf dem Filmfestival nicht zu sehen ist. Darin geht es um jüdische Kinder aus Marokko, die von einer Pilzflechtkrankheit befallen waren, der »Ringworm Krankheit«. In Israel angekommen, wurden die Kinder isoliert und einer Röntgenbestrahlung unterzogen, die erhebliche Nebenwirkungen hatte, manche Kinder starben.
In dem Brief wird darauf hingewiesen, daß lediglich die jüdische Bevölkerung aus Ägypten vertrieben worden sei, wohingegen sich im Iran lebende Juden bis heute weigern, ihre Heimat zu verlassen, obwohl ihnen von Israel viel Geld geboten wird. Mit ihrer Darstellung der Geschichte durch die Filmreihe übernehme die Stiftung die »hegemoniale Aschkenasi-Erzählung der israelischen politischen Klasse«, die Rassismus und Vertreibung ausblende und damit Verbrechen gegen die Menschlichkeit – auch gegen die Palästinenser – relativiere