Immobilienmakler (1979)
H. Spehl an die Leserbriefredaktionen:
BADISCHE ZEITUNG, DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT, FRANKFURTER ALLGEMEINE, FRANKFURTER RUNDSCHAU, NÜRNBERGER NACHRICHTEN, RUHR-NACHRICHTEN, SPIEGEL, STUTTGARTER NACHRICHTEN, STUTTGARTER ZEITUNG, SUDDEUTSCHE ZEITUNG, WELT, ZEIT
Freiburg, 30. Januar 1979
Betrifft die vieldiskutierte Fernseh-Serie "Holocaust".
Sehr geehrte Damen und Herren: Für die unveränderte Übernahme des folgenden Textes in die Leserbriefspalte Ihrer Zeitung wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen (gez. H. Spehl)
In dieser historischen Stunde der proklamierten Entschlossenheit von Teenagern, Mittelschullehrern, Hausfrauen und Bildzeitungslesern, nie wieder einen Holocaust zuzulassen, sollte zur Tat geschritten werden. Publiziertermaßen sind die Juden Israels von einem arabischen Holocaust bedroht. Was läge näher, als die Stunde zu nutzen und die Israelis in aller Form und unter den großzügigsten Bedingungen einzuladen, sich in Deutschland niederzulassen. Also die Friedensbemühungen im Nahen Osten durch einen ähnlich spektakulären Akt zu fördern, wie ihn Präsident Sadat mit seiner Reise nach Jerusalem gewagt hat. Also eine Einladung nachzuvollziehen, die von den arabischen Staaten Nordjemen, Marokko, Irak, Libyen und Sudan schon vor Jahren ausgesprochen wurde. Diesen mögen die Israelis, der forcierten Umstände halber, möglicherweise nicht trauen. Aber wo wäre ein gesicherteres Refugium als das heutige Deutschland, wo das Reservoir von Judenschützern in den letzten acht Tagen geradezu phantastische Ausmaße angenommen hat! Der Emigrationsdrang der Israelis ist hierzulande nicht bekannt, aber jeder Israel-Tourist hätte längst die täglichen Warteschlangen vor der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv bemerken können. Amerika ist überfordert, seine Quoten sind bejammernswert. Was also hindert uns, der historischen Stunde der mediengerechten Läuterung eine historische Geste folgen zu lassen?
Ich erkläre hiermit öffentlich meine Bereitschaft, eine entsprechende Initiative der Bundesregierung dadurch zu unterstützen, daß ich jede in meinem Haus freiwerdende Wohnung israelischen Jordim für lange Übergangsfristen kostenlos überlasse.
H. Spehl
* * * * *
Leserbriefredaktion FRANKFURTER ALLGEMEINE an H. Spehl
Frankfurt, im Februar 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Vielen Dank für Ihren Brief. Leider ist der für Leserbriefe zur Verfügung stehende Raum im Augenblick so beschränkt, daß wir aus der Fülle der Zuschriften, die uns täglich zugehen, auch Ihre nicht drucken können. Wir bitten um Ihr Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen (gez. Dr. H. Ruelius)
Redaktion FRANKFURTER RUNDSCHAU an H. Spehl
Frankfurt, 16. Februar 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Für Ihre Zuschrift vom 30. 1. danken wir Ihnen. Zu dem von Ihnen darin behandelten Thema haben wir jedoch eine solche Fülle von Einsendungen erhalten, daß wir leider den größten Teil nicht für eine Veröffentlichung in Betracht ziehen können. Sollte Ihr Brief nicht mehr erscheinen, so hoffen wir, daß Sie Verständnis für unsere Zwangslage haben werden. Selbstverständlich ist, daß alle Leserbriefe zumindest hier in der Redaktion die gebührende Beachtung finden.
Mit freundlichen Grüßen (gez. Heider)
H. Spehl an die Leserbriefredaktionen:
BADISCHE ZEITUNG, DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT, RUHRNACHRICHTEN, SPIEGEL, STUTTGARTER NACHRICHTEN, STUTTGARTER ZEITUNG, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, WELT
Freiburg, 21. März 1979
Sehr geehrte Damen und Herren: Ich habe Ihnen am 30. Januar dieses Jahres einen Leserbrief zur vieldiskutierten Fernseh-Serie "Holocaust‘ zukommen lassen, der zu meinem Bedauern nicht abgedruckt wurde. Mir scheint, daß sich in der Masse der retrospektiv orientierten und arg unverbindlichen Zuschriften, die veröffentlicht wurden, eine konstruktiv orientierte und persönlich verbindliche Stimme nicht schlecht gemacht hätte.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar für eine Mitteilung, auf Grund welchen Versehens oder welcher Umstände meine Zuschrift nicht berücksichtigt wurde.
Mit freundlichen Grüßen (gez. H. Spehl)
BADISCHE ZEITUNG (Leserforum) an H. Spehl
Freiburg, 23. März 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Wir haben zum Thema "Holocaust", zu der Besprechung in unserer Zeitung, zu Kommentaren, Stellungnahmen der Kirchen und Politiker eine sehr große Zahl von Leserbriefen erhalten. Bei der Auswahl von Briefen, die wir am 3. und 10. Februar abgedruckt haben, stand unser Bemühen im Vordergrund, möglichst alle Aspekte der in den Zuschriften vertretenen Meinungen auch im Echo abzubilden.
Aufgrund Ihrer Anfrage vom 21. 3. haben wir unseren Posteingang nochmals überprüft und festgestellt, daß wir Ihren Leserbrief vom 30. Januar nicht erhalten haben. So können wir leider keine Stellungnahme zum Inhalt Ihrer Zuschrift abgeben.
Mit freundlichen Grüßen (gez. Michael Doelfs)
Redaktion DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT an H. Spehl
Hamburg, 30. März 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Wir danken Ihnen für Ihren Leserbrief, den wir jedoch nicht abdrucken konnten, da das Thema Holocaust für uns vorläufig abgeschlossen ist. Wir haben zu diesem Problem ein Leserforum veröffentlicht, in dem kontroverse Stimmen zu Wort kommen.
Mit freundlichen Grüßen (gez. Geno Hartlaub)
Redaktion DER SPIEGEL an H. Spehl
Hamburg, 29. März 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Auch wir sind nicht glücklich darüber, wenn viele Leserbriefe nicht veröffentlicht werden können, aber angesichts der großen Zahl von Zuschriften ist ein Mehr im Briefteil beim besten Willen nicht möglich. Unsere Briefredaktion kann sich immer nur um einen Querschnitt der Meinungen bemühen. Konkrete Gründe, warum der eine oder andere Brief zurückbleiben mußte, gibt es nicht. Zum Thema "Holocaust gab es ein ungewöhnlich starkes Leser-Echo.
Wir danken Ihnen für das liebenswürdige Interesse.
Mit freundlichen Grüßen (gez. Dr. Karl Poerschke)
STUTTGARTER NACHRICHTEN (Sekretariat) an H. Spehl
Stuttgart, 29. März 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Vielen Dank für Ihren Brief vom 21. März 1979. Wir müssen Ihnen leider mitteilen, daß bei uns Ihr Brief vom 30. Januar 1979 nicht vorliegt.
Mit freundlichem Gruß (gez. R. Thomas)
STUTTGARTER ZEITUNG (Chef vom Dienst) an H. Spehl
Stuttgart, 28. März 1979
Sehr geehrter Herr Doktor Spehl: Es war kein Versehen, sondern durchaus Absicht, wenn Ihr Leserbrief vom 30. Januar nicht bei uns abgedruckt wurde und wenn Sie auch keine briefliche Antwort erhalten haben. Wir halten es grundsätzlich so in allen Fällen, in denen Briefe bei uns eintreffen, die offensichtlich über diverse Zeitungsredaktionen gestreut wurden die sich also nicht mit einem speziellen Artikel unserer Zeitung auseinandersetzen. Ihr Schreiben vom 30. Januar trägt eine allgemeine Damen- und Herren-Anrede und ist mit keiner Zeile speziell auf die STUTTGARTER ZEITUNG gemünzt. Derartige Fälle wandern sofort in die Ablage.
Mit freundlichen Grüßen (gez. Hans-Dieter Seidel)
Redaktion SUDDEUTSCHE ZEITUNG an H. Spehl
München, 23. März 1979
Sehr geehrter Herr Spehl: Wir haben zu "Holocaust" über 200 Zuschriften bekommen. Es gab also, bis auf die Platzfrage, keine detaillierten Gründe, die ich Ihnen mitteilen könnte, warum Ihr Schreiben nicht unter den veröffentlichten zu finden war. Wir haben halt eine Auswahl treffen müssen und sind, entgegen Ihrer Ansicht, sehr wohl der Meinung, daß sich darin "retrospektiv orientierte" mit ‚konstruktiv orientierten‘ Briefen gut gemischt haben.
Recht befremdlich finde ich allerdings Ihre pauschale Abwertung ("arg unverbindlich") der Männer und Frauen, deren Briefe wir abdruckten. Wenn "Holocaust" einen Sinn gehabt haben soll, dann doch nicht den, daß man die eigene Weltanschauung, den eigenen Standpunkt, die eigenen Formulierungen als himmelhoch allen anderen überlegen ansieht…
Mit freundlichen Grüßen (gez. Cornelia Bolesch)
Leserbrief-Redaktion DIE WELT an H. Spehl
Bonn, 22. März 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Wir haben zum Thema "Holocaust" etwa 300 Zuschriften bekommen. Sie alle abzudrucken war uns schon aus Platzgründen nicht möglich. Jede Mutter hält ihr Kind für das schönste. Ähnliches gilt verständlicherweise auch für Verfasser von Leserbriefen, für die andere abgedruckte – Briefe "retrospektiv orientiert und arg unverbindlich" sind. Wir hätten gern a l l e Leserbriefe gebracht – die Umstände (wir konnten nicht eine Leserbrief-Sondernummer bringen) sprachen dagegen. Dies war, wie ich von Kollegen erfahren habe, bei anderen Publikationen im weiten Spektrum von STERN bis BAYERNKURIER nicht anders.
Ich hoffe, damit Ihre Anfrage beantwortet zu haben.
Mit freundlichem Gruß (gez. Henk Ohnesorge)
H. Spehl an Dr. Karl-Heinz Janßen, Redaktion DIE ZEIT
Freiburg, 5. März 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Janßen: Dieser Brief geht an Sie, weil ich mir von Ihnen, als Nachleser der WELTBUHNE, noch am ehesten ein gewisses Aufschrecken verspreche. Ich möchte Ihnen gern den Originalwortlaut meines Leserbriefs vom 30. Januar 1979 und die veröffentlichte Version in der ZEIT vom 2. März zur Kenntnis bringen.
Daß die Tage der paar "unerschrockenen Journalisten", die Deutschland einmal hatte, längst dahin sind, weiß ich selbstverständlich nicht erst, seit ich im ZEIT-magazin Ihre Serie über jenes "unvergleichliche Lesebuch deutscher Geschichte" überflogen habe. Ich habe dabei mit Interesse vermerkt, wie sich ein heutiger promovierter Journalist die Kalamität zurechtlegt. Nämlich so: "Mehr als ein halbes Jahrhundert danach ist in diesen Sätzen (aus der WELTBUHNE) noch die ätzende Schärfe des kämpferischen Journalismus jener Tage zu spüren – die gutbürgerliche bundesrepublikanische Gesellschaft würde solche Schelte vermutlich nur von einem Pater Leppich, nicht aber von einem Journalisten hinnehmen." (Teil III Ihrer Serie, Seite 68).
Die Frage, weshalb unsere immer umfangreicheren Zeitungen fast nur noch seichtes Gerede enthalten, reduziert sich somit auf das Problem, was zuerst war: das Huhn oder das Ei; die gutbürgerliche Gesellschaft, die nichts mehr hinnimmt, oder der Journalismus, der nichts mehr hergibt.
Lassen wir die Frage offen. Fragen wir stattdessen, weshalb schon Leserbriefredakteure sich approbiert fühlen, vermeintliche Extremitäten amputieren zu müssen, um aus einer engagierten und verpflichtenden Leserzuschrift einen museumskellerreifen Torso zu machen, eine unverbindliche Nichtigkeit, die in das Prokrustesbett deutscher Schlafmützen gedrängt wird. Ich kann der ZEIT das selbstverbriefte Recht nicht streitig machen, Leserbriefe abzulehnen oder zu verstümmeln. Aber ich darf konstatieren, daß DIE ZEIT für Stimmigkeit zu sorgen weiß. Der gutbürgerliche Journalismus gibt nichts mehr her und nimmt nichts mehr hin.
So weit haben wir’s gebracht in Deutschland – ohne Juden!
Mit freundlichen Grüßen (gez. H. Spehl)
Dr. Karl-Heinz Janßen an H. Spehl
Hamburg, 9. März 1979
Sehr geehrter Herr Dr. Spehl: Sie haben mir geschrieben, weil Sie sich bei mir noch ein gewisses Aufschrecken versprachen. Ich habe Original und Leserbrief-Torso genau verglichen und muß meinem Kollegen von der Leserbrief-Redaktion zugute halten, daß er die richtige Wahl getroffen hat. Hätten Sie es lieber gesehen, daß von Ihrer Satire kein Wörtchen in DIE ZEIT gekommen wäre? Das hätte ich bedauert.
Freundliche Grüße (gez. K. H. Janßen)
* * * * *
Wortlaut des Leserbrief-Torso in der ZEIT vom 2. März 1979
In dieser historischen Stunde der proklamierten Entschlossenheit von Teenagern, Mittelschullehrern, Hausfrauen und Bildzeitungslesern, nie wieder einen Holocaust zuzulassen, sollte zur Tat geschritten werden. Publiziertermaßen sind die Juden Israels von einem arabischen Holocaust bedroht. Was läge näher, als die Stunde zu nutzen und die Israelis in aller Form und unter den großzügigsten Bedingungen einzuladen, sich in Deutschland niederzulassen. Wo wäre ein gesichertes Refugium als das heutige Deutschland, wo das Reservoir von Judenschützern in den letzten acht Tagen geradezu phantastische Ausmaße angenommen hat! Was hindert uns, der historischen Stunde der mediengerechten Läuterung eine historische Geste folgen zu lassen?