Klartexte 12 Kommentar 9
Ein bißchen davon ist schon heute einöffentlich gehütetes Geheimnis. Kürzlich hat Manfred Schröder in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, für die er als Israel-Korrespondent viele Jahre Lang schön christenzionistisch gelobhudelt und totgeschwiegen hat, im kurzen Vorspann zu einem ganzseitigen Artikel über den Jom Kippur – Krieg von 1973 überraschende Worte gefunden. Der Mann ist definitiv nicht mehr in, vielleicht auch nicht mehr für Israel tätig. Man muß da freilich ein wenig vorsichtig sein; so klar abgesteckt ist die westliche Nahost-Fronde nicht. Klar ist nur, daß das lukrative Israel-Korrespondentengeschäft der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG jetzt von einer gewissen Anne Ponger wahrgenommen wird, die in der Umsetzung von hebräischer Beredtheit in deutsches Schwelgen gleichfalls sehr Beachtliches leistet. Was Herrn Schröder angeht, so weiß ich natürlich nicht, ob er den für süddeutsche Verhältnisse geradezu abtrünnigen Artikel-Vorspann überhaupt verfaßt hot. Vielleicht stammt er auch aus der Feder oder aus dem Geheiß des Dr. Heigert, der ja unter anderem auf seinen Titel zu achten hat und sich nicht ewig dumm steilen kann. Jedenfalls konnte man in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG folgende Sätze lesen:
Der (Jom Kippur-) Krieg, der erstmals nach dem Unabhängigkeitskampf von 19L.8/49 wieder die Existenz des jungen Staates Israel zu bedrohen schien (!) , beschwor gleichzeitig die weltweite Wirtschaftskrise herauf, die noch heute andauert: Dem Überfall Ägyptens und Syriens auf den jüdischen Staat folgte die Energiekrise in der westlichen Wett, verursacht durch die von den arabischen Staaten verhängten Liefersperren und Preiserhöhungen für Rohöl. Der dadurch erzwungene Abfluß der Devisen an die Ölstaaten stürzte Europa und die Dritte Welt in unvermutete Zahlungsschwierigkeiten. Der Anstieg des Lebensstandards wurde gebremst, die dadurch ausgeloste Stagnation verschärfte die ohnehin in Gang gekommene Industrielle Strukturkrise. Die notwendigen Rationalisierungen in den Betrieben schufen ein Heer von neuen Arbeitslosen. Als im Oktober 1973 die Völker im Nahen Osten aufeinanderschlugen, geschah dies also nicht „weit hinten in der Türkei“: Europa und die USA versuchen noch immer, mit den Folgen fertig zu werden.
Der auf diesen Vorspann folgende ganzseitige Artikel mit dem Titel: „Ein Spion sagte alles vorher“ lohnt die Lektüre nicht. Spione sagen bekanntlich keine Weltwirtschaftskrisen vorher. So weit reicht das Oberstüberl von die interessanten Zeitungsspionen nicht. Und wie’s Im journalistischen Oberstüberl zugeht, das kann man ermessen, wenn man, nachdenklich geworden und Leise nickend, in der gleichen Nummer ein paar Seiten weiterblättert und im Wirtschaftsteil kopfschüttelnd auf die Schlagzeile stößt: „Ursachen der Arbeitslosigkeit liegen im dunkeln.“ (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 14. Januar 1984, Seite 11 und Seite 34).
Wenn ihr die schwere Kunst nicht lernt, g l e i c h z e i t i g zu nicken und den Kopf zu schütteln, werdet ihr aus der Zeitung niemals klug werden.