Libanon: Gesetz soll Status palästinensischer Flüchtlinge neu regeln
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25.06.2010 / Ausland / Seite 6
Streit um Gleichstellung
Libanon: Gesetz soll Status palästinensischer Flüchtlinge neu regeln
Von Karin Leukefeld
Ein Gesetz zur Neuregelung des Status von mehr als 400000 palästinensischen Flüchtlingen führt im libanesischen Parlament zu heftigen Debatten. Dabei stehen sich ausnahmsweise nicht die Abgeordneten verschiedener politischer Lager gegenüber, sondern die Trennungslinie verläuft zwischen Muslimen und Christen. Letztere fürchten, daß das neue Gesetz, das mehr Rechte für die palästinensischen Flüchtlinge vorsieht, auf deren Einbürgerung hinauslaufen könnte. Da aber die palästinensischen Flüchtlinge mehrheitlich Muslime sind, sehen die Christen das religiöse Gleichgewicht Libanons gefährdet, das sich weiter zugunsten der Muslime verschieben könnte.
Seit ihrer 1948 erzwungenen Ankunft im Libanon leben die palästinensischen Flüchtlinge in Lagern, haben weder das Recht zu arbeiten oder auf soziale Gesundheitsversorgung, haben keinen Zugang zum libanesischen Bildungssystem und dürfen kein Eigentum erwerben. Die meisten Palästinenser leben in großer Armut und sind vollständig auf die Hilfe von UNRWA angewiesen, dem UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge.
Die Gesetzesvorlage, die von den Abgeordneten der Demokratischen Sammlung des Drusenführers Walid Dschumblatt eingebracht worden war, will nun die zivilen Bürgerrechte der Palästinenser stärken. Dabei soll das Recht auf Arbeit, soziale Sicherheit (Gesundheit und Renten) und das Recht, Eigentum zu erwerben in Zukunft auch für palästinensische Flüchtlinge gelten. Sie sollen keine Arbeitsgenehmigung mehr beantragen oder eine Steuer zahlen müssen, die nur von Personen erhoben wird, die nicht im Libanon ihren Wohnsitz haben. Der Libanon sei ein »Land mit arabischer Identität und Gründungsmitglied der Arabischen Liga«, heißt es in der vorgelegten Begründung zu der Gesetzesvorlage. »Die palästinensischen Flüchtlinge sind arabische Bürger«, darum müsse das Gesetz auch für sie gelten.
Das Recht auf Einbürgerung allerdings soll den palästinensischen Flüchtlingen auch weiterhin versagt bleiben. In einer Erklärung des 14.-März-Blocks von Ministerpräsident Saad Hariri heißt es, die Lebensbedingungen der palästinensischen Flüchtlinge sollten »rein humanitär« verbessert werden, politische Bürgerrechte stünden nicht zur Debatte. Ziel sei eine Gleichstellung der palästinensischen Flüchtlinge mit den Libanesen, wobei das Recht auf Einbürgerung nicht gewährt wird, noch sollen sie wählen oder bei Wahlen kandidieren dürfen. Auch von Posten im staatlichen Dienst sollen sie weiterhin ausgeschlossen bleiben.
Den christlichen Abgeordneten im Parlament ist die Gesetzesvorlage nicht eindeutig genug. Sie fürchten, daß sie es sich nur um eine Vorstufe zur vollständigen Einbürgerung für palästinensische Flüchtlinge handelt. Das Sekretariat der 14.-März-Bewegung hat inzwischen angekündigt, eine eigene Gesetzesvorlage vorzubereiten, um Ängste vor einer »Veränderung der einheimischen Balance« zu zerstreuen. Mit »Balance« wird der politische »Ausgleich« zwischen Christen, sunnitischen und schiitischen Muslimen im Libanon bezeichnet, der unter anderem das gesamte Wahlsystem bestimmt. Der Präsident des Landes ist demnach immer ein (maronitischer) Christ, der Ministerpräsident ein sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident ein schiitischer Muslim.
Anfang Juli soll die Debatte im Parlamentsausschuß für Justiz und Verwaltung fortgesetzt werden, erklärte der Ausschußvorsitzende Robert Ghanem. »Wir werden alle Vorschläge prüfen und entscheiden, was aus humanitärer Sicht akzeptabel ist, um die unangemessenen Lebensbedingungen unserer Brüder zu verbessern.«