Offener Brief an Bundespräsident Horst Köhler
Offener Brief zu Ihren Klarstellungen zu den deutschen Militäreinsätzen im Ncht-Verteidigungsfall
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
Dank für Ihre klaren Worte in dem Interview, das Sie am 22.5. im Deutschland-Radio Kultur gegeben haben:
Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen, negativ bei uns, durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern.
Wir freuen uns, dass endlich mal ein Politiker nicht verbrämt und verschleiert, was hier in Afghanistan (und auch anderenorts in der Welt) geschieht: Sicherung unserer wirtschaftlichen Interessen ggf. auch mit Mitteln militärischer Gewalt. Ja, wir aus der „Breite der Gesellschaft“ verstehen dies. Und wir wissen auch, dass der Verweis auf Einkommen und Arbeitsplätze bei vielen Menschen aus der „Breite der Gesellschaft“ gut ankommt und wichtiger ist als all die moralisch-ethischen Worte, die Hüter der reinen Lehre des Grundgesetzes vortragen. Wie sagte schon Brecht in der Dreigroschenoper in der Ballade „Wovon lebt der Mensch“: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Wir können Ihnen nur Stärke und Durchhaltevermögen wünschen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern durch Stimmen wie die von Ruppert Polenz heute im DLF:
… Also: die Rohstoffsicherung erfolgt auf friedlichem Weg, mit Verträgen, mit dem Offenhalten der Handelswege, und wenn zur Sicherung der Freiheit der Handelswege militärische Macht notwendig ist, weil es etwa Piraten gibt, dann beteiligt sich die Bundeswehr auf der Grundlage eines klaren völkerrechtlichen Mandats, wo dieses Ziel dann aber auch ausgesprochen wird. …
Verehrter Herr Bundespräsident, lassen Sie sich nicht einlullen durch dies Gerede vom Völkerrecht – unsere Freunde in Israel zeigen uns ja vortrefflich seit Jahrzehnten, dass Völkerrecht nur dann gilt, wenn es dem eigenen Land nutzt.
Also Dank für die Klarheit!
Und die Bitte, dass Sie dies auch der Kanzlerin mitteilen, die immer noch davon spricht, Deutschlands Freiheit werde am Hindukusch verteidigt. Aber vielleicht meint unsere verehrte Kanzlerin dies ja auch so: Freiheit, die verteidigt wird, ist eben auch Freiheit von Skrupeln, anderen unseren Willen aufzuzwingen, insbesondere wenn sie so rückständig sind wie die Menschen in Afghanistan. Freiheit ist Freiheit unseres Wirtschaftssystems.
Halten Sie durch, verehrter Herr Bundespräsident, wenn unser Parlament jetzt aufschreit, weil Sie so klar ausgesprochen haben, was andere nur flüstern: das durch den Bundestag erteilte Mandat deckt den gegenwärtigen Einsatz in Afghanistan nicht ab. Dort geht es um Wirtschaftinteressen. Wir bewundern Ihren Mut, dies so klar gesagt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Renate Dörfel-Kelletat und Frank Dörfel
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