Sieg in Den Haag – Regierungskrise im Libanon
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14.01.2011 / Ansichten / Seite 8
Sieg in Den Haag – Regierungskrise im Libanon
Von Werner Pirker
Der Rücktritt von elf Ministern der libanesischen Regierung erfolgte exakt zu dem Zeitpunkt, an dem Ministerpräsident Saad Hariri das Oval Office im Weißen Haus betrat. Damit wollte die antiimperialistische Koalition aus den beiden Schiiten-Parteien Hisbollah und Amal sowie einer von General Michel Aoun geleiteten christlichen Formation kundtun, daß sich die libanesische Politik nicht nach den Vorgaben aus Washington zu richten habe.
Die Regierungskrise in Beirut entzündete sich an der Frage einer libanesischen Beteiligung an dem vom UN-Sicherheitsrat in Den Haag eingerichteten Sondergericht zur Aufklärung des 2005 begangenen Attentats auf den damaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Das prowestliche Lager unterstützt das Tribunal, während sich die linksnationalistische Allianz auf die Anklagebank gesetzt und in der Den Haager Einrichtung einen Versuch sieht, die Hisbollah zu verleumden, um den Widerstand gegen die latente zionistische Aggression zu schwächen. Syrien, dessen Geheimdienst ursprünglich als Hauptverdächtigter galt, und Saudi-Arabien waren um einen Kompromiß zwischen den beiden libanesischen Lagern bemüht. Ein solcher aber wurde von der US-Administration vehement abgelehnt. Damit hat Washington den Libanon wieder ein Stück näher an einen neuen Bürgerkrieg herangeführt, in dessen Ergebnis es sich die Zerschlagung der Hisbollah und die volle Eingliederung des Zedernlandes in die westliche Nahost-Strategie erhofft.
Die Vehemenz, mit der das Hegemonialkartell auf eine unter UN-Ägide stehende Untersuchung des Hariri-Attentats besteht, ist allein schon äußerst seltsam. Denn politische Attentate gibt es nahezu rund um die Uhr und den Erdball. Ein internationales Tribunal zur Aufklärung eines solchen Anschlages aber hat es bis dahin noch nicht gegeben. Obwohl es durchaus angebracht gewesen wäre, die bis heute unaufgeklärten Umstände der Kennedy-Ermordung einer internationalen Untersuchung zu unterziehen. Für die USA wäre eine solche Einmischung ohne Zweifel ein Kriegsgrund gewesen.
Den Haag ist zum Synonym einer globalen Herrschaftsjustiz über die Dissidenten der neuen Weltordnung geworden. Das in einem Vorort des holländischen Regierungssitzes eingerichtete Libanon-Sondergericht ist nicht weniger illegal als das Jugoslawien-Tribunal. Beide hätten eines Beschlusses der UNO-Vollversammlung und nicht des Sicherheitsrates bedurft. Die Weigerung der Hisbollah, sich in Den Haag vorführen zu lassen, ist legitim. Libanons nationaler Widerstand soll kriminalisiert und von der politischen Bühne verbannt werden. Es erscheint indes äußerst zweifelhaft, daß der Libanon-Konflikt in Holland entschieden werden könnte. Der Regierung in Berlin aber scheint ein Sieg in Den Haag einiges wert zu sein. Wie das Auswärtige Amt mitteilt, habe die Bundesregierung für 2011 weitere 1,5 Millionen Euro an den Sondergerichtshof für Libanon überweisen lassen.