German officials endorse assassinations (in German)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15554
Inland
ARD-Tagesschau, Oeter und Westerwelle klären über gezieltes Töten auf
Furchtbare Rechtsausleger
Von Volker Bräutigam
“(…) Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) ist
autorisiert, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung
militärischer Gewalt zu ergreifen, um das Mandat gemäß Resolution 1833
(2008) durchzusetzen.” (Mehrheitsbeschluss des Deutschen Bundestages zur
Beteiligung am Afghanistankrieg, 7. Oktober 2008). Das gezielte Ermorden
sogenannter, vermeintlicher oder tatsächlicher Taliban in Afghanistan unter
Mitwirkung der Bundeswehr könnte das deutsche Publikum beunruhigen. Was tut
also tagesschau.de?
Die Redaktion befragt einen Wissenschaftler, Professor Stefan Oeter,
Direktor des Instituts für Internationale Angelegenheiten der Universität
Hamburg, der prompt versichert, das Targeted Killing, wie es im NATO-
Amerikanisch heißt, sei durch den Mehrheitsbeschluss des Deutschen
Bundestages zur Beteiligung am Afghanistankrieg vom 7. Oktober 2008 gedeckt:
“Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) ist autorisiert,
alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer
Gewalt zu ergreifen, um das Mandat gemäß Resolution 1833 (2008)
durchzusetzen. Das Mandat bezieht sich auf die Unterstützung der
afghanischen Regierung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit. (…) Alle
militärisch notwendigen Mittel, die für die Erfüllung des
Sicherheitsratsmandats erforderlich sind, können von den Bundeswehrtruppen
eingesetzt werden.” [1]
Fragesteller Stefan Aretz wendet ein, der Krieg in Afghanistan sei kein
Konflikt zwischen Staaten, die Taliban seien doch nur Aufständische. Oeter:
“In einem solchen nicht-internationalen Konflikt gibt es keinen
Kombattantenstatus – die Taliban sind also nicht per se militärische Ziele.
Rechtlich sind sie im Prinzip Angehörige der Zivilbevölkerung. Es gibt aber
eine Sonderregelung. Soweit sie mit der Waffe in der Hand militärisch
operieren, werden sie doch zu militärischen Zielen, bei denen gezielte
Gewalt zur Tötung eingesetzt werden darf.” [1]
“Sonderregelung”? In welchem Codex? Aretz fragt nicht nach – der Herr
Professor wird sich schon was dabei gedacht haben – Oeter jedoch erläutert
immerhin: “In der polizeilichen Situation brauchen sie (gemeint:
ISAF-Soldaten. V.B.) die konkrete Gefahr, um Gewalt einzusetzen. Im
bewaffneten Konflikt reicht die abstrakte Gefahr, die die Aufständischen
darstellen, die mit der Waffe in der Hand militärische Operationen
durchführen. (…) Es reicht aus, dass sie (Oeter meint jetzt die
Aufständischen. V.B.) in einem Gebiet militärisch operieren, in dem sie sich
nicht aufhalten sollten.” [1]
Auch examinierter Jurist – Dr. Guido Westerwelle
NRhZ-Archiv
Wo steht das geschrieben? Aretz lässt die professorale Auskunft einfach so
stehen. Vergleichbar weit legt Außenminister Dr. Guido Westerwelle, auch
examinierter Jurist, die Genfer Konventionen aus, als er am 5. August vor
der Bundespressekonferenz in Berlin verkündet, dass Taliban-Führer planmäßig
umgebracht werden dürften: “Ob es uns gefällt oder nicht, so ist die Lage”.
Es gehe da “nicht um Legitimität, sondern um Legalität”. Westerwelle
bekräftigt, dass gegnerische Kämpfer im sog. nicht-inter-nationalen
bewaffneten Konflikt gemäß dem Völkerrecht “gezielt bekämpft werden können
und auch dürfen”. [2] Keiner der Journalisten fasst nach. In dieser
Versammlung von Durchlauferhitzern reklamiert niemand, dass das II.
Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention vom 8. Juni 1977 (es betrifft die von
Westerwelle erwähnten “nicht-internationalen” Konflikte) ausschließlich den
Schutz der wichtigsten Menschenrechte regelt – und mit keinem Wort benennt,
wer “gezielt bekämpft werden darf.” [3] Westerwelle hat allerdings
Rückendeckung. In der Woche vor seinem abscheulichen Auftritt hatte bereits
das “Verteidigungs”-Ministerium erklärt, Gegner gezielt zu töten sei
“…nach dem Regelwerk der NATO für den Einsatz der ISAF vorgesehen.” [4]
Das Regelwerk der NATO, ein quasi universales Recht?
Gemäß dem II. Zusatzprotokoll (Art. 4) zu den Genfer Abkommen (vulgo:
Kriegsrecht) stehen “alle Personen, die nicht unmittelbar oder nicht mehr an
Feindseligkeiten teilnehmen” unter Schutz; ihr Leben, ihre Gesundheit und
ihre Würde dürfen nicht verletzt werden. Das gilt auch für Aufständische,
die – beispielsweise – gerade an einer Hochzeitsfeier teilnehmen. Man darf
sie und das Haus, in dem sie mit Kind und Kegel schlafen, nicht einfach in
die Luft jagen, wie es verbrecherische ISAF-NATO-US-Praxis ist. [5] Dass
militärische Geheimkommandos ihre Todeslisten in Afghanistan abarbeiten,
indem sie Streumunition mit Raketenwerfern verschießen, ist mit nichts zu
rechtfertigen, auch nicht unter übelster Beugung des Kriegsrechts.
Und was ist mit den kämpfenden Aufständischen? Westerwelle unterstellt (wie
Oeter) einfach, dass sie den Schutz der Genfer Abkommen komplett verlieren,
wenn und solange sie “unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen”
(Protokolltext). Doch sind auch kämpfende Aufständische kein Freiwild. Das
ergibt sich aus Art. 1 und vor allem aus der Präambel des Protokolls, in der
es wörtlich heißt: “… eingedenk dessen, daß die menschliche Person in den
vom geltenden Recht nicht erfassten Fällen unter dem Schutz der Grundsätze
der Menschlichkeit und der Forderungen des öffentlichen Gewissens verbleibt
…”
Übrigens steht im Art. 6 des Protokolls ein Satz, der das Targeted Killing
unbezweifelbar als Rechtsbruch ausweist: “(2) Gegen eine Person, die für
schuldig befunden wurde, eine Straftat begangen zu haben, darf eine
Verurteilung nur in einem Urteil ausgesprochen und nur auf Grund eines
Urteils eine Strafe vollstreckt werden; dieses Urteil muss von einem Gericht
gefällt werden, das die wesentlichen Garantien der Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit aufweist.” Ein Jurist mag einwenden, diese Bestimmung gelte
nicht für die “Taliban” als Triebkräfte des Aufstands in Afghanistan. Sie
seien militärische Ziele und deshalb anders zu behandeln als normale
Straftäter. Das aber liefe darauf hinaus, das Völkerrecht der Beliebigkeit
und dem Zweckmäßigkeitsdenken zu unterstellen: anzuwenden nur, wenn und
inwieweit es dem Kriegsherren in den Kram passt.
Westerwelles Behauptung, Aufständische ohne Gerichtsverfahren und Urteil zum
Abschuss freizugeben sei legal und keine Frage der Legitimität, ist nicht
nur unzutreffend. Sie ist schlicht amoralisch und kennzeichnend für
furchtbare Juristen. Massaker an Zivilisten (Oberst Klein, Kundus) tödliche
Schießereien (Bundeswehr-Straßensperren), vor allem aber Verlust an
Mitmenschlichkeit: Das alles kommt dabei heraus, wenn man in solchem Geiste
“unsere Sicherheit am Hindukusch verteidigt”.[6]
(Textwiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Ossietzky.
Ergänzung mit Internet-Quellenangaben als Fußnoten: vb).
1 http://www.tagesschau.de/inland/afghanistanmandat102.html
2 www.sueddeutsche.de/…/debatte-ueber-krieg-in-afghanistan-westerwelle-
verteidigt-gezielte-toetungen-1.984153
3 http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_518_521/index.html
4 Christian Dienst, Sprecher des Verteidigungsministeriums,
Bundespressekonferenz, Quelle: Reuters (28. Juli 2010)
5
http://www.guardian.co.uk/world/2010/jun/10/afghanistan-kandahar-wedding-par
6 Peter Struck, SPD, vormals Bundesverteidigungsminister, bei Vorstellung
der Verteidigungspolitischen Richtlinien, Mai 2003.
http://www.medico.de/material/rundschreiben/2010/02/vernetzte-sicherheit/