Allein gegen die faschistischen Koran-Zombies
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neues-deutschland.de / 27.03.2014 / Feuilleton / Seite 15
Allein gegen die faschistischen Koran-Zombies
Hamed Abdel-Samad stellte in Berlin sein neues Buch »Der islamische Faschismus« vor
Von Fabian Köhler
Hamed Abdel-Samad ist als Muslim aufgewachsen, hat Politik studiert, kennt den Koran auswendig. Eigentlich beste Voraussetzungen für ein guten Religionskritiker. Doch am Dienstagabend wurde klar: Er ist doch nur ein gewöhnlicher Islamophober.
Man muss der jungen Frau mit beigefarbenem Kopftuch allein schon dafür Respekt zollen, es solange ausgehalten zu haben. Mehr noch dafür, dass sie auch nach zwei Stunden Islam-Bashing noch den Nerv hatte, Kontra zu geben: Was sie als in Deutschland lebende gläubige Muslimin mit islamischen Ländern zu tun habe, wollte sie wissen. Und: ob sie als gebildete Frau nicht der Gegenbeweis zu Hamed Abdel-Samads Thesen sei.
Knapp zwei Stunden hatte Abdel-Samad zuvor im Berliner Maxim Gorki-Theater über den »islamischen Faschismus« und sein gleichnamiges Buch referiert. »Viele von Ihnen kennen ihn sicherlich wegen der Fatwa«, stellte Gastgeber, Moderator und über lange Strecken einziger argumentativer Gegenpol, Jakob Augstein, den Publizisten vor. Ein ägyptischer Geistlicher hatte Abdel-Samad wegen ähnlicher Thesen, wie er sie in seinem Buch vertritt, vor gut einem Jahr für vogelfrei erklärt. Es ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal Abdel-Samads in der Riege deutscher »Islamkritiker«: Er ist Mitglied von de Maizières Islamkonferenz, Sohn eines sunnitischen Imams. Den Koran kann er nach eigenen Angaben auswendig. Mit Abdel-Samad schien am Mittwoch jemand zu provozieren, der es sich intellektuell leisten kann.
Die islamische Weltverschwörung: je undefinierter, desto bedrohlicher
Das Produkt von Abdel-Samads Analyse ist schnell zusammengefasst: Mit seiner Unabänderlichkeit fesselt der Koran die islamische Welt und jene Menschen, die in ihr leben, an seine eigene Rückständigkeit. Terrorismus und Fundamentalismus seien deshalb ebenso Charakteristika wie der Hang vieler Muslime, das eigene Unvermögen dem Westen anzulasten. Mehr noch: Auch der Faschismus sei bereits im Islam angelegt. Am Ende stehe die Unterjochung der Welt und die Vernichtung aller Feinde.
Schuldig blieb der Politologe allerdings, zu erklären, was er eigentlich unter »dem Islam« und Faschismus versteht. Vielleicht war es auch besser so: Die halbseitige Faschismus-Definition aus seinem Buch hätte jeden Studienanfänger im politikwissenschaftlichen Einführungsseminar wahrscheinlich das Semester gekostet. Was blieb: der Eindruck einer islamischen Weltverschwörung, die umso bedrohlicher wirkte, desto weniger sie Abdel-Hamad definierte.
Nur der Rotwein für 3,50 Euro erinnerte nicht an eine Pro-NRW-Veranstaltung
Die hübschen roten Polsterkissen und der Rotwein für 3,50 Euro gehörten letztendlich zu den wenigen Dinge, die im Gorki-Foyer nicht an eine Veranstaltung von Pro-NRW erinnerten. Ein Großteil des Abends bestand aus den in der Szene üblichen islamophoben Klischees: Strebe der Islam nach Weltherrschaft? Selbstverständlich! Islamische Demokratie? Ein Widerspruch in sich; einen Mercedes lasse man schließlich auch nicht von Kamel und Esel ziehen. Westlicher Kolonialismus? Habe doch auch Buchdruck und Schulbildung gebracht. Die wissenschaftlichen Errungenschaften der islamischen Welt zur Zeit des europäischen Mittelalters? Nur von anderen Kulturen übernommen. Islamophobie? Eine Erfindung iranischer Ayatollahs.
Und auch die Beißreflexe an der Peripherie des Islam-Diskurses hatte Abdel-Samad scheinbar vorher eingeübt. Leute aus der »linken Ecke« wie Augstein mit ihren »niedlichen Muslimen« und ihrem »Vorwurf der Islamophobie« seien die eigentlichen Rassisten. Kein Rassist hingegen: Thilo Sarrazin. Der »eben statistisch analysiert« und mit dem »die Öffentlichkeit ungerecht umgeht«.
Es war allerdings Jakob Augsteins zynischen Bemerkungen und lustigen Pointen zu verdanken, dass der Abend dennoch unterhaltsam blieb. Inhaltlich Kontra geben konnte der »Freitag«-Herausgeber hingegen nicht. Unwidersprochen blieb Abdel-Samads Grundannahme vom monolithischen Einheitsislam, der potenziell jeden Gläubigen zum willenlosen Koran-Zombie macht. »Der Prophet bestimmt selbst, wie man sich aufs Klo zu setzen hat«, behauptete der Buchautor. Verteidiger des Islam hingegen »stellen sich den Islam wie an einer Dönerbude zusammen«. Das Publikum johlte.
Nicht »der Islam« diskriminiere, sondern Abdel-Samads Thesen
Nur ein ägyptischer Gast im Publikum machte darauf aufmerksam, dass er den Koran aber anders, liberaler verstehe als die Islamisten. Abdel-Samads Antwort hätte auch von den Islamisten selbst stammen können. Er zitierte üble Koran-Suren. Ob es denn in der islamischen Welt nicht auch bestimmende kulturelle, politische und soziale Faktoren gebe, wollte Augstein in einem seiner wenigen inhaltlichen Einsprüche wissen. »Natürlich«, erwiderte Abdel-Samad. Doch auch die seien auf den Islam zurückzuführen. Da war er, der Teufelskreis, den Islamophobe seit jeher gebrauchen, um Argumenten aus dem Weg zu gehen: Alles was schlecht ist in der islamischen Welt, liegt am Islam. Und wenn doch einmal etwas nicht schlecht ist, liegt es auf jeden Fall an etwas anderem.
Am Ende war es die eingangs erwähnte junge Muslimin, die das Grundproblem des Abends auf einen ernüchternden Punkt brachte. Auf Abdel-Samads wenig feinfühlige Reaktion, sie solle sich nicht zum Opfer machen, antwortete diese: Im Alltag werde sie nicht durch »den Islam« diskriminiert, sondern wegen Thesen, wie sie in Abdel-Samads Büchern zu lesen seien. Auf ihre Frage, womit die Zuschauer nach all dem Gerede vom islamischen Faschismus nach Hause gingen, antwortete Abdel-Samad nicht.