Amtshilfe (1972)
H. Spehl an Dr. Harald Vocke, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Freiburg, 22. September 1972
Betrifft Ihren Artikel: "Amtshilfe benötigt?" in der FAZ vom 12. September 1972 und andere Artikel zu den Folgen des Dramas bei den Münchner Olympischen Spielen.
Sehr geehrter Herr Vocke: Über ein ganzes Land ist das absurde Theater hereingebrochen. Und schlimmer: Was sich derzeit auf diplomatischem Parkett abspielt, mit deutschen Biedermännern, arabischem Abschaum und israelischen Patrioten als Statisterie, wäre auf Bühnenbrettern unspielbar und als Szenarium unglaubwürdig bis ins Detail. In keiner Bauernposse ist die Unschuld so unschuldig, in keiner Kriminalklamotte der Bösewicht so böse und in keinem Drama das Sterben der Hauptdarsteller so sinnlos, wie im Abklatsch des Dramas von München, das uns die deutschen Nachrichtenmedien seit vierzehn Tagen rezensieren. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß die deutsche Betrachtungsweise des Nahost-Konfliktes unsere Seelenlage widerspiegelt, und sonst gar nichts, man hätte ihn sich nicht vollkommener denken können. Die psychomotorische Allianz von Israelis und Deutschen gegen die Palästinenser hat Exzesse heraufbeschworen, die nicht einmal ich mir vorstellen konnte. Da fällte Bundespräsident Heinemann eine Pauschalverurteilung der Araber, die, um das mindeste zu sagen, einfach unter seinem Niveau ist; da will der Arabienexperte der SPD, ausgerechnet Ben Wisch, die Araber samt und sonders aus unserem Land schmeißen, so deren Regierungen den Terror von München nicht lautstark verdammen; da findet es ein Herr Vocke, vom dem ich auch Besseres gewähnt bin, "empörend, daß der Westen – auch die Bundesrepublik finanziert die Hilfsaktion der UNRWA – den Unterhalt von Palästinaflüchtlingen bezahlt, die hauptberufliche Partisanen und Mitglieder von Terrorbanden sind"; (Unter uns: ich glaube ja nicht, daß die acht Killer von München noch auf die 30 Pfennige pro Tag und pro Kopf angewiesen waren, die die UNRWA für die Leute in den Flüchtlingslagern großzügigerweise aufwendet);da ruft Herr Nannen im STERN den Kriegszustand mit den arabischen Staaten aus. Und im Gefolge, wen wundert das noch, rast eine Meute von Reportern durch’s Land, und wen immer sie als Araber ausmachen, sie ruhen nicht, ehe er abschwört. Das Ritual ist streng und wird im Fernsehen vorgeführt: die Beteuerung des Delinquenten, keine Hexe zu sein, hilft gar nichts. Und selbst das Bekenntnis, das Treiben der wirklichen Hexen zu verurteilen, bringt ihm nur den Verdacht ein, er werde in aller Heimlichkeit doch zum ererbten Glauben zurückkehren.
Unter solchen Umständen, wo einfach jeder Araber verdächtig ist, das Innenministerium keine Dolmetscher für Arabisch auftreiben kann, und das Bundesamt für Verfassungsschutz kaum Kriterien für die Einstufung hat, liegt die Amtshilfe des israelischen SHABAK nahe. Unbestrittener Experte in der Identifizierung arabischer Bösewichter, längst auch überall in der westlichen Welt quasioffiziell installiert, läßt man ihm die Pässe der arabischen Reisenden zukommen – und drei bis acht Stunden später ist über ihr weiteres Schicksal entschieden. Den Verlust deutscher Souveränität ausgerechnet wegen einer solchen Lappalie zu beklagen, wie Sie das in Ihrem Leitartikel ein wenig tun, scheint mir unangemessen. Der SHABAK ist Experte – einen bess’ren findst Du nicht… Und man muß wissen, daß die Amtshilfe auf Gegenseitigkeit beruht. Die Bundesrepublik gehört nämlich zu den wenigen Ländern, die den Israelis bereitwillig rassische Auskünfte über Juden in Israel geben. Das ist leider kein übler Scherz. In MIDDLE EAST INTERNATIONAL vom Dezember 1971 schreibt ein Israeli (und ich habe andere Quellen, die das der Substanz nach bestätigen):
… Eine dritte Kategorie sind jene Juden (in Israel), von denen man plötzlich entdeckt, daß sie keine Juden sind. Die jüdische Abstammung muß in der weiblichen Linie über vier Generationen nachgewiesen sein, und wenn zum Beispiel die Großmutter der Großmutter eines Juden, der heute in Israel lebt, als nicht-jüdisch nachgewiesen werden kann – etwa durch ungesetzliche Konversion zum Judentum, oder durch nicht anerkannte Rabbiner – werden alle ihre Nachkommen automatisch als Nicht-Juden betrachtet. Und das kann in Israel ziemlich üble Konsequenzen haben. Solche Israelis dürfen nicht nur nicht heiraten; eine bereits vollzogene Ehe wird automatisch ungültig. Bei Männern werden die Kinder nicht mehr als deren Kinder betrachtet… Konversion zum Judentum kann weder die Ehe noch die Vaterschaft wiederherstellen… Darüber hinaus kann es passieren, daß man solche Leute ausstößt oder beschimpft, und in einigen Fällen hat man sie beim ‘Magen David Adorn’ (dem israelischen Äquivalent des Roten Kreuzes) vom Blutspenden zurückgewiesen…
Um die Abstammung klären zu können, braucht man natürlich nicht nur die Bosheit und die Denunzierlust der Nachbarn, sondern vor allem gute, generationenalte Urkunden. Da die Mehrheit der israelischen Juden Einwanderer sind, ist es mitunter recht schwierig, solche Urkunden zu beschaffen, obwohl das Rabbinat von den israelischen Diplomaten voll unterstützt wird. Zum Beispiel beklagen sich israelische Rabbiner, daß weder englische noch französische Stellen bereitwillig Auskünfte geben. Aber es gibt ein Land, das solche Urkunden besitzt und wo die zuständigen Stellen den Nachforschern des Israelischen Rabbinats volle Unterstützung gewähren: West-Deutschland. Es kann natürlich sein, daß sie befürchten, man würde sie als Antisemiten anklagen, wenn sie nicht mitmachen. Es gibt aber auch Leute, die meinen, daß einige Leute sich leise ins Fäustchen lachen. Wie dem auch sei, die deutschen Juden in Israel haben wieder einmal besondere Gründe, sich vor rassischen Nachforschungen zu furchten…
Die zeitliche und räumliche Nähe zu Dachau und Auschwitz ist es wohl, die einem schaudern macht ob solcher grotesken Symbiose. Aber Leuten mit banaleren Anliegen mag die einfache Logik längst aufgegangen sein, daß Akten, welche die Unreinheit arischen Blutes beweisen, auch die Unreinheit jüdischen Blutes offenbaren. Und die Deutschen sind Experten, das Archiv ist gut – ein bess’res findst Du nicht…
Es besteht kein Grund, sich bei derlei Amtshilfen einer wachsenden Aussöhnung der beiden Völker zu erfreuen. Normal ist zwischen Israelis und Deutschen gar nichts. In israelischen Regierungskreisen schätzt man an den Deutschen lediglich ihre Willfährigkeit und Verschwiegenheit, und die Bundesdeutschen sind schon dankbar, wenn sie keine israelische Schelte bekommen. Die Amtshilfe, die der Bundespräsident vor, was weiß ich, ein paar hundert Millionen Fernsehzuschauern gewährt hat, als er arabische Staaten für das Blutbad von München mitverantwortlich machte; die Amtshilfe, die beinahe alle Kommentatoren leisteten, von Thilo Koch bis zum letzten Schmierfinken in der Boulevard-Presse, als sie jede denkbare israelische "Vergeltungsaktion" im vorhinein absegneten; die Amtshilfe des alten PK-Mannes Henry Nannen, der den Kriegszustand ausrief, den die Israelis sich stets hüten auszurufen; die Amtshilfe des Münchner Polizeipräsidenten Schreiber, des CSU-Ministers Merk, des FDP-Ministers Genscher, die zugelassen haben, aus welchen Gründen auch immer, daß das Leben der israelischen Geiseln n i c h t gerettet wurde – all diese freiwilligen und unfreiwilligen Amtshilfen, diese tragikomischen Liebedienereien, diese psychopathischen Abhängigkeiten, haben uns erbarmungswürdige. Traumatiker vollends in den Rang von nützlichen Idioten gehoben. Nicht nur für die Zionisten. Noch mancher Palästinenser, der unserer Vergangenheit seine erbärmliche Gegenwart und Zukunft mitverdankt, dürfte auf die Idee kommen, daß auch für ihn aus den deutschen Komplexen Kapital u schlagen ist. In keinem Land der Erde, auch nicht im anderen Deutschland, hätten die paar palästinensischen Desperados ein solches Spektakel anrichten können. Es wird sich noch herausstellen, ob sie ihrer Sache mehr Nutzen oder mehr Schaden zugefügt haben. Jedenfalls haben sie vorläufig den Weg blockiert, der zu einer politischen Kompromißlösung zwischen Sadat, Hussein und den Israelis hätte führen sollen. Die Israelis wieder einmal in Libanon und Syrien, das Veto der USA gegen die Verurteilung Israels – das wird Sadat um die Früchte seiner halsbrecherischen antirussischen Tour bringen. Sein Schielen auf die Hilfe der USA und der Westeuropäer wird ihm vorläufig vergehen. In den Augen der Palästinenser ist das ein Erfolg. Der latente Kriegszustand wird weitergehen, in dem so mancher Palästinenser seine einzige, wenn auch sehr ungewisse Chance sieht.
Auch für die Israelis wird der latente Kriegszustand weitergehen. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als weitere Besiedlung der besetzten Gebiete, weitere Landenteignungen, Schaffung neuer faits accomplis ohne allzu starken diplomatischen Druck. Das bedeutet Gewöhnung der Welt an die schleichende Annexion und an die Ausbeutung des ägyptischen Erdöls auf der Sinai-Halbinsel. Außenminister Eban, in dessen Zuständigkeit ja nicht gerade die Jagd nach Terroristen gehört, verkündet, in künftigen Kontakten mit anderen Regierungen werde Israel "über nichts anderes als Terrorismus sprechen", die Suche nach Frieden sei jetzt zweitrangig. Herr Eban ist nur noch über Terrorismus zu sprechen, die israelischen Massen, auch nicht klüger und friedfertiger als so manches andere Volk, das man betrogen hat, schreien nach Rache, und die Westmächte werden sich vorläufig hüten, den Finger auf dunkle Punkte zu legen. Das ist für einen waschechten Zionisten eine verflucht gute Bilanz.
"Das Volk muß nach Prinzipien zum Guten gelenkt werden, die es selbst nicht kennt." So Herzl in seinem Tagebuch am 9. Juni 1895. Und unverhofft kommt man dem alten Traum des Zionismus wieder einen Schritt näher: der Okkupation des Süd-Libanon, der dringlichen Ableitung von Litani-Wasser, der Besiedlung des Wasserschlosses des Orients.
"Wasseralarm", war am 11. September 1970 ein Artikel in der JERUSALEM POST überschrieben: "Israel is the only country that is now using up its entire natural water supply, surface and underground, and more than that… Steps must be taken now to conserve the remaining underground water reserves, which we are already depleting by at least 100 million cubic meters a year…" Wie diese Schritte aussehen müssen, weiß man in zionistischen Führungskreisen schon seit den Anfängen. Chaim Weizmann reiste 1919 durch Süd-Syrien und Libanon und jeder Hügel und Felsen erschien ihm wie eine Herausforderung, "wieviel Planung, Energie und Geld in dieses Gebiet gesteckt werden muß, bevor es zur Aufnahme einer großen Zahl von Menschen bereitstehen könnte." (42). Ben Gurion schrieb 1921: "Palästina ist ein dürres Land, und ohne künstliche Bewässerung ist eine erhebliche Vergrößerung der Bevölkerung ausgeschlossen… Die Hauptflüsse des Landes sind: der Jordan, der Litani und der Jarmuk… Die unbeschränkte Möglichkeit, die Flüsse nutzbar zu machen, ist eine grundlegende Voraussetzung für eine Massenansiedlung in Palästina und für die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes." (43). Der XlI. zionistische Kongreß bedauerte, daß "die Frage der Nordgrenze von Eretz Israel trotz aller Bemühungen der Exekutive einer zufriedenstellenden Lösung nicht zugeführt werden konnte". Justice Brandeis fand bei Balfour Verständnis, daß das künftige Israel "Ellbogenraum" braucht und die Kontrolle über die Gewässer im Norden. In Herzls Roman "Altneuland" liefern die Gebirgsbäche des Libanon den elektrischen Strom für den Judenstaat, zu dem Tyrus, Sidon, Damaskus und Tadmor gehören. Jigal Allon meinte laut HABOKER vom 1. März 1964: "Wenn Ben Gurion (1948) der Waffenruhe nicht zugestimmt hätte, hätten unsere Truppen den Litani und den ganzen Norden, sowie die Wüste Sinai im Süden besetzt, und so unser gesamtes Heimatland befreit." Dayan sagte am 5. Juli 1968, daß "wir noch nicht das Ende des Weges erreicht haben, den wir eingeschlagen haben. Das Volk Israel wird die endgültigen Grenzen seines Staates bestimmen." Und etwas genauer (im Armee-Magazin BAMAHANE, Oktober 1967): "Israels Grenzen, mit Ausnahme derjenigen zu Libanon, sind ideal, wenn auch nicht unbedingt realistisch." Und so weiter.
Aber was soll’s – man wird es nicht zur Kenntnis nehmen. Die westliche Presse, mit ganz wenigen Ausnahmen, ist mit Herrn Eban auf Terroristen fixiert, israelische Hintergedanken sind völlig undenkbar, libanesische Zivilopfer kommen nicht vor, allenfalls mal als "technisches Versehen", und wer sich für seriöser hält als die Journaille gibt den Israelis nun schon seit Jahr und Tag zu bedenken, daß Vergeltungsschläge sie dem Frieden kaum näher bringen werden. Der Journalismus behandelt die Usurpation eines Landes auf dem gleichen Niveau wie die Unschuld in einem Mädchenpensionat, und was der Leser an Einblicken geboten bekommt, würde schon den Geschichtsunterricht in der Tertia ungenießbar machen. Es gibt kein israelisches Stroh, das man in deutschen Redaktionen nicht nochmals dreschen, keinen Propagandadreh, den man auf deutschen Rotationsmaschinen nicht multiplizieren würde. Man leistet Amtshilfe auf allen Ebenen und ist bereit, den Israelis den Weg zum Wasserschloß des Orients von diplomatischen Verwicklungen freizuhalten.
Noch sind wir freilich nicht so weit. Die Libanesen werden noch einige Schläge einstecken müssen, die Terroristen den Vorwand liefern, und noch so manche Geisel wird ihr Leben lassen. Befreite Geiseln sind gut – aber tote Geiseln sind besser. Diesen Machiavellismus haben zwar nicht die Zionisten entdeckt, aber seine Wirksamkeit dürfte ihnen kaum entgangen sein (44). "Wer es bis jetzt nicht begriffen hat, daß jeder politische Kampf in schwerem Opferbringen besteht, mit dem zu diskutieren, ist überflüssig… Die Herzlisten müssen doch die ersten sein, die Herzis große Wahrheit verstehen, die Wahrheit, daß der Zionismus eine p o l i t i s c h e Bewegung ist, dessen Kampfmittel vor allem politische sind, wobei mit keiner Hachscharah und mit keiner Sehnsucht und überhaupt nicht mit menschlichen Nöten zu zählen ist. Man muß bereit sein, 3 000 junge Leben hinzugeben für einen Protest, wenn er das kosten muß", schrieb Vladimir Jabotinsky (45). Ich behaupte nicht, daß das israelische Volk in seiner Mehrheit solchen Ideen huldigt. Aber eben weil es das nicht tut, braucht man diese Dramen wie das von München.
Es führt ein gerader Weg von Herzls augenzwinkernder Sprachregelung des "faire tache d’huile" , über Ben Gurions Hintergedanken beim Eingehen auf den Palästina-Teilungsvorschlag der englischen Peel-Kommission (46), bis zum öffentlich plakatierten Ziel des Zionismus im Jabotinsky-Institut, mitten im heutigen Tel Aviv. Links neben dem Eingang kann man in vier Sprachen (hebräisch, jiddisch, englisch und französisch) lesen: "Das Ziel der Zionistischen Bewegung ist die allmähliche Umwandlung Palästinas (einschließlich Transjordaniens) in einen Jüdischen Staat." Niemand wird wohl im Ernst annehmen wollen, daß dieses Ziel in einer Oase des Friedens, bei einem Schwätzchen unter Palmen konkretisierbar ist.
Daß man die Deutschen zur Amtshilfe hat nötigen können, ist nur logisch. Seit mehr als zwanzig Jahren weigert man sich hierzulande beharrlich, voll mit seinen Komplexen beschäftigt, die Realitäten des Nahen Ostens zur Kenntnis zu bringen. Man wird sich weiterhin weigern. Für den Zionismus einer Golda Meir war das Drama von München ein Welterfolg, und für so manchen palästinensischen Extremisten eine vorübergehende Sternstunde. Nur für die Bundesdeutschen war es ein totaler Reinfall. Man hat das ganze Drama nicht verstanden. Aber es wird für Reprisen gesorgt werden: das nächste Mal mit Genschers Elite-Scharfschützen, mit Elite-Krisenstab, mit Elite-Amtshelfern.
Vor vier Jahren sagte Israels ehemaliger Verteidigungsminister Schimon Peres über die kurzsichtige Politik Nassers: "Im Augenblick ist Ägyptens Colonel Nasser der beste Außenminister, den Israel je hatte." Und von Palästinensern kann man schon lange hören: "Letztlich sind die Zionisten mit ihrem Expansionismus unsere besten Verbündeten." Jasser Arafat sagte es einfacher: "Gott erhalte uns Dayan!"
Seit dem 6. September wird man wohl in beiden Lagern beten: "Gott erhalte uns diese Deutschen! Niemals gab es nützlichere Idioten."
Mit besten Grüßen (gez. H. Spehl)
Dr. Harald Vocke an H. Spehl
Frankfurt, 5. Oktober 1972
Sehr geehrter Herr Spehl: Haben Sie verbindlichen Dank für Ihr ausführliches Schreiben vom 22. September.
Ich habe Verständnis dafür, daß Sie viele Reaktionen auf den Münchner Terrorakt mit Zorn und Bitterkeit erfüllen. Aber ich meine doch auch, daß es leichter ist Andersdenkende zu überzeugen, wenn man nicht allzusehr in bitteren Zynismus verfällt. Auch für Ironie haben in Deutschland nur wenige Sinn.
Bitte verübeln Sie es mir nicht, daß ich so offen antworte.
Hatten Sie Ihr Schreiben als Beitrag für unsere Leserbriefspalte bestimmt? Dann wäre ich für einen nachträglichen Hinwels dankbar. Wir könnten allerdings nur einen Auszug aus Ihrem Brief veröffentlichen. Der gesamte Text würde nach meiner Schätzung fast zwei Drittel einer Zeitungsseite ausfüllen.
Mit den besten Empfehlungen und Grüßen Ihr (gez. Harald Vocke)
H. Spehl an Harald Vocke
Freiburg, 11. Oktober 1972
Sehr geehrter Herr Vocke: Ich danke Ihnen sehr für Ihre offene Antwort. Mein Brief war nicht als Beitrag für die Leserbriefspalte der FAZ bestimmt. Denn ich weiß natürlich, daß man mit Zynismus und Ironie (und dafür müßte man meinen Brief hier und heute wohl halten, da haben Sie recht) kaum jemand gewinnen kann. Aber ich weiß halt auch, daß man hierzulande vorläufig auch ohne Zynismus und ohne Ironie niemand überzeugen kann. Daß Sie es gelegentlich versuchen, ehrt Sie und zeigt mir an, daß Sie mehr wissen als Sie schreiben.
Ich verüble es Ihnen keineswegs, wenn Sie meinen Zynismus in Erinnerung behalten, von dem man nicht so recht weiß, was er soll. Aber vielleicht vergessen Sie daneben nicht ganz jenen Zyonismus, von dem man immerhin wissen kann, was er will:
Matarat hazionut hi binjan Eretz Israel lemedina ivrit al schtei g’dot hajarden.
The aim of Zionism is the gradual transformation of Palestine (Transjordan included) into a Jewish State.