Anmerkungen 59-64
Anmerkungen 59-64
59 Unter den hebräischen Artikeln, die Herr Heigert damals zusammen mit dem Brief erhielt, war ein Aufsatz von Schmuel Schnitzer mit dem Titel: ‘Einen Keil hineintreiben. Die Spaltung vertiefen”, der wenige Tage nach der spektakulären Reise des ägyptischen Präsidenten Sadat nach Jerusalem (19. November 1977) in MA’ARIV erschienen war. Darin heißt es:
“In israelischen Regierungskreisen wird immer wieder betont, es sei keineswegs beabsichtigt, einen Keil in die arabische Welt zu treiben, und der Ausdruck ‘Separat-Frieden’ wird nicht in den Mund genommen. Dieser Haltung muß widersprochen werden. Die Realität ist doch, daß es diesen Keil bereits gibt…
Wir sind daran interessiert, daß der Keil in der arabischen Welt zur endgültigen Spaltung führt. Es ist doch eine Tatsache, daß nur eine Minderheit der arabischen Staaten beginnt, sich mit Israel abzufinden. Eine scheinbare Einigkeit erlaubt es den Fanatikern, den Gemäßigten ihre Meinung aufzuzwingen. Der Besuch von Sadat in Jerusalem wirkte als Katalysator, der die Entwicklung zur Spaltung, an der wir und das ägyptische Volk das größte Interesse haben müssen, beschleunigt. Die Spaltung der arabischen Welt ist der Zustand, auf den wir hinarbeiten müssen. Er ist die einzige Grundlage für eine Hoffnung auf Frieden.” (MA’ARIV, 25. November 1977).
60 Die JERUSALEM POST berichtete ab 5. Januar 1978 (also während der ersten intensiven Phase der Friedensbemühungen) über israelische Siedlungstätigkeiten im Nordosten der besetzten Sinai-Halbinsel in so ungewöhnlicher Aufmachung, daß sie auch von Auslandskorrespondenten nicht mehr übersehen werden konnten. Am 8. Januar erschien zum Beispiel eine offizielle Anzeige des israelischen Wohnungsbauministeriums: “BUILD YOUR HOME IN YAMIT. Registration has opened for the ‘Build Your House in Yamjt’ scheme, under which 125 plots will be allocated for owner-occupied housing construction. Registration should be made at the offices of the Town Establishment Board at Yamit (Nord-Sinai), Mondays and Thursdays, 9 a.m. – 12 noon. Last date of registration: January 31, 1978…” Wer die Diskretion kennt, mit der außerhalb des hebräischen Sprachraumes, ja sogar innerhalb, Fragen der Besiedlung der besetzten Gebiete in den davorliegenden 10 Jahren behandelt worden waren, wird zum Schluß kommen müssen, daß die Publizierung einer massiven Siedlungstätigkeit im Sinai von bestimmter Seite gewünscht wurde, und daß die JERUSALEM POST für die Verbreitung im Ausland eine Rolle zu spielen hatte.
Die Autoren des Planes zur Sabotierung der Initiative von Sadat waren Außenminister Dayan und Landwirtschaftsminister Sharon. Nachum Barnea hat die turbulenten Vorgänge von Anfang Januar 1978 folgendermaßen beschrieben:
“… Noch bevor Begin (am 15. Dezember 1977) nach USA ging, hatte Dayan einen Plan für die sofortige Vermehrung der Siedlungen im Sinai aufgestellt. Es sieht danach aus, daß dies seine ureigene Reaktion auf den Besuch von Sadat und auf die günstige Aufnahme der Prinzipien des Begin-Planes war. Sharon trat erst später in Aktion, dann aber mit seinem vollen Gewicht. Er wollte Siedlungsfakten im gesamten Gebiet zwischen El-Arish und At-Tur schaffen, dem Gebiet also, das nach dem israelischen Plan entmilitarisiert werden sollte. Es ist nicht klar, ob Begin verstanden hat, daß dies ein Versuch war, seinen eigenen Plan von innen her zu sabotieren. Die Amerikaner jedenfalls haben es verstanden, und die israelische Regierung mußte zurückstecken und sich mit dem Ausbau der bestehenden Siedlungen begnügen. Aber in den Händen von Sharon wurde der ‘Ausbau’ zur gleichen Sache wie zuvor. Er wollte im östlichen Drittel von Sinai 25 Stützpunkte einrichten, die er durch Täuschungsmanöver tarnen wollte. In der Gegend von Rafiach taufte er die nichtbewohnten Stützpunkte ‘landwirtschaftliche Beobachtungsstationen’. An anderen Orten wurden ‘Wassertürme’ aufgestellt, aber nicht, um dort nach Wasser zu bohren, sondern um Fakten zu schaffen, Die Schilder an den Beobachtungsstationen stellten eine Verbindung mit existierenden Siedlungen her, aber diese Verbindung war eine Täuschung. Und die ‘Wassertürme’ hätten genau so gut in der Luft schweben können. Es ist nicht klar, wie weit diese Maßnahmen innerhalb der Regierung beschlossen wurden, und was Freiheitsraum und Sabotageabsicht von Sharon war, Manche sagen, man wollte versuchen, daß Ägypten die alten Siedlungen im Austausch gegen die neuen ‘Siedlungen’ akzeptiert. Eine andere Hypothese geht davon aus, daß Dayan und Sharon, diese beiden MAPAI-Abkömmlinge in der LIKUD-Regierung, Ägypten mit der alten zionistischen Regel: ‘Noch eine Ziege und noch ein Dunam’ knacken wollten. Ob nun Sadat oder sonst wer, ob nun Frieden oder kein Frieden: zunächst einmal müssen Fakten geschaffen werden. So wie wir während der (britischen) Mandatszeit insgeheim Siedlungen errichtet haben, genau so, wie wir die Engländer betrogen haben, so werden wir auch die Amerikaner betrügen. Wir werden es auf jeden Fall immer versuchen.
Das alles klingt so, als würde ich aus einem Buch mit dem Titel: ‘Unglaubliche Geschichten’ abschreiben. Und es ist ja auch wirklich unglaublich. Letzte Woche haben die Hände der Journalisten oft genug gezittert, wenn sie die Geschichten um die Betrugspläne der Regierung publizierten. Die Pläne waren zu kindisch, um wahr zu sein. Wir brauchten einige Zeit, bis wir den Geschichten den notwendigen Ernst beimessen und das hartnäckige Leugnen des Landwirtschaftsministers richtig einordnen konnten. In dieser Angelegenheit gibt es beinahe keine Nachricht über Fakten, die nicht von Sharon mit der Reinheit eines engelhaften Gesichtes abgeleugnet worden wäre. Seine Verlautbarungen erreichten beinahe den Standard von TASS-Meldungen: Es ist erlaubt, sie zu publizieren, aber verboten, sie zu glauben. Ich weiß, daß auch dies unglaubhaft klingt. Es gibt noch eine dritte Hypothese: Ank Sharon will den Krieg der Generale (Dayan und Sharon gegen Weizman) in die Regierung hineintragen. Der Feind ist (Verteidigungsminister) Weizman. Das Ziel ist, ihn in den Augen seiner eigenen Partei (HERUT) und des rechtsextremen Flügels der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Das Instrument ist die Provokation in Sinai… Den Umfang des Siedlungsgebietes ist groß genug, um nicht nur jede Chance einer Verhandlung mit Ägypten zu untergraben, sondern auch groß genug, um der Regierung Begin den Krieg der Minister zu bescheren, dem auch die vorige Regierung nicht entrinnen konnte.” (Nachum Barnea in seiner wöchentlichen Kolumne ‘Tagebuch’. DAVAR, 17. Februar 1978).
Einige weitere Details legen eine v i e r t e Hypothese nahe, die die übrigen einschließt: Jedes der Potemkinschen Dörfer, die, wie DAVAR am 12. Februar 1978 ausdrücklich feststellte, von amerikanischen Beobachtungsflugzeugen entdeckt wurden und erst danach die Bezeichnung “landwirtschaftliche Beobachtungsstationen” erhielten, bestand aus einem Sandhügel, den Bulldozer unten Aufwirbelung von möglichst viel Staub bearbeiteten. Auf den flachen Hügel wurde ein behelfsmäßiges Gebäude gesetzt und mit einem Zaun umgeben. (DAVAR, 13. Februar 1978). MA’ARIV vom gleichen Datum legt dem Leser die Vermutung nahe, daß es sich bei diesen Gebäuden um Plastik-Attrappen gehandelt hat. Es wurden Wassertürme an Orten aufgestellt, an denen mit Sicherheit kein Wasser zu finden ist (DAVAR, 14 Februar 1978). Die Sprecher des Aktionskomitees der Siedlungen des RafiachBezirks sagten, daß “die ganze Sache mit dem Ausbau der Siedlungen ein großen Bluff war”. (MA’ARIV, 13. Februar 1978). Und DAVAR schloß am 12. Februar einen Bericht mit dem Hinweis: “Anscheinend (wußte) auch die ägyptische Regierung von diesen Unternehmen im Sinai”.
Eine Durchsicht von AL-AHRAM zeigt, daß diese ‘Unternehmen’ in Ägypten lange Zeit konsequent verschwiegen wurden, wahrscheinlich um den Fortgang den Verhandlungen mit Israel nicht zu gefährden. Als aber “Siedlungen von den Kameras des internationalen Fernsehens errichtet wurden” (HA’ARETZ, 10. Februar 1978), als Sharon amerikanische Journalisten noch Rafiach schickte und dortige Siedler anwies, sie sollten ihnen die Wichtigkeit der Siedlungen klarmachen (HA’ARETZ, 13. Februar 1978), und als schließlich ab 10. Januar 1978 die gesamte westliche Presse, einschließlich der deutschen, in großer Aufmachung üben israelische Siedlungstätigkeit im Sinai berichtete, da war die Provokation für Sadat beim besten Willen nicht mehr zu übersehen. Am 18. Januar 1978 rief er seine Delegation aus Jerusalem zurück und brach die Verhandlungen ab.
Wem immer die westliche Presse damit gedient hat, sie hat jedenfalls nicht den Interessen gedient, die sie zu vertreten glaubt oder vorgibt. Ob das nun bemerkt wurde oder nicht, ob sie das einsehen oder nicht, auch die Herren Schnöden und Heigert haben mitgeholfen, die Initiative Sadats für viele Monate, bis zu Präsident Carters Parforcetour von Camp David im September 1978, zu blockieren. Und warum auch sollte eine Clique, die schon “die Engländer betrogen hat”, und auch “die Amerikaner betrügen wind”, nicht eine Claque betrügen, die dem Selbstbetrug verfallen ist, auf Kosten des palästinensischen Volkes die Hypothek des deutschen abtragen zu können?
61 DAVAR (Tel Aviv), 8. Dezember 1977. – Zur Betan-Bewegung und ihren Liedern siehe auch Anm. 15 und 20 auf Seite 267.
62 Den Vertrag zwischen Ägypten und Israel wurde am 26. März 1979 in Washington unterzeichnet. – B. Michael schrieb dazu für HA’ARETZ eine Tierfabel mit dem Titel: “Offenen Brief an ein kluges Volk”.
“Hallo Leute, … Ihn habt im Fernsehen mit eigenen Augen gesehen, wie die historische Unterzeichnung des Friedensvertrages von sich ging, ausnahmsweise sogar in Farbe. Seltsamerweise kam Euch die Zeremonie trotz den elektronischen Einfärbung ziemlich grau vor. Aber wen hat jemals angenommen, daß Geschichte nicht grau sein kann? Man wird von Euch schwerlich sagen können, daß Ihr Euch gefreut habt, und den einzige, den im Fernsehen glücklich aussah, war der Dirigent Zubin Metha (vorn Israelischen Philharmonischen Orchester, ein Inder; Zusatz von H.S.). Alle anderen kamen min von wie jene entfernten Verwandten, die zu einen Hochzeit eingeladen wurden, an der sie auch nicht das geringste Interesse haben, und die mit gezwungenem Lächeln nun an die Höhe des Schecks denken, den man dem Brautpaar ausstellen muß, um seinen sozialen Status zu halten. Nehmt mir’s nicht übel, Leute, nicht nur Ihr seht so aus. Diesmal winkten sogar Bräutigam und Braut nicht besonders glücklich. Ihr habt den historischen Händedruck gesehen, Ihr habt die historischen Reden gehört, und Ihn habt gelacht, als die historischen Witzchen kamen, die Euer Ministerpräsident in seine Rede eingeflochten hat. In Jiddisch hätten sie natürlich sehr viel besser geklungen.
Wir wissen beide, daß Ihn jetzt auf meine Wehklage wartet. Als Euer Berufs-Pessimist kann man von min erwarten, daß ich noch mitten in den hellsten Herrlichkeit das schwärzeste Schwarz sehe, Ich habe auch tatsächlich alle Vorkehrungen getroffen, um unter Einsatz allen körperlichen und geistigen Kräfte den Stachel inmitten den Kirmes zu entdecken. Überraschenderweise war das jedoch gar nicht nötig. Die schwarze Weissagung kommt von selbst. Ohne Mühe. Nicht ein einziger Schweißtropfen…
Den beste Weg, Euch meine Ängste klarzumachen, wind wohl der sein, eine kleine Geschichte üben Tiere zu erzählen. Aber Ihn dürft die Geschichte nicht als Parabel nehmen, die alles erklärt. Es ist nur eine Geschichte.
Also denn: Es waren einmal ein schwanzgeschweiften Wolf und siebzig weiße Schafe, die lebten auf einen schönen, grünen Wiese. Zwischen dem Wolf und den Schafen gab es selbstverständlich dauernd Streitereien, und den Rasen war mit gar nicht wenig Blut getränkt. Der Wolf benahm sich natürlich wie alle Wölfe; en holte sich hin und wieder ein Schaf und fraß es mit Heißhunger auf. Nun die Schafe benahmen sich gar nicht so, wie man es von ihnen erwartet. Sie schlugen nämlich zurück. Wenn sie konnten, benutzten sie ihre Hufe, und sie machten im Rahmen ihnen Möglichkeiten dem Wolf das Leben schwer. Sie zupften an seinem Fell, warfen Steine nach ihm, zogen ihn am Schwanz und bissen ihn in die Ohren. Den Wolf beharrte selbstverständlich auf seinem unbestreitbaren historischen Recht, Schafsfleich zu fressen, und die Schafe beriefen sich ihrerseits auf ihre historische Pflicht, den einfallenden Wolf von ihnen Wiese zu verjagen.
Eines Tages kam ein Wanderprophet in die Gegend, und während einer seiner Predigten kam über ihn die Erleuchtung. Er hob seinen Wanderstab und prophezeite den Tag, da Friede über die blutdurchtränkte Wiese kommen wird: ‘Der Wolf wird beim Lamm wohnen, und der Parder wird beim Zicklein liegen. Das Kalb, das Löwenjunge und der Ochse werden zusammen sein, und ein Knabe wird sie fuhren.” So sah seine Vision aus.
Die Kommunikationsmedien sorgten für die Verbreitung der Prophezeiung, und sie fand im Dschungel viele Anhänger. Als der Meinungsdruck der Dschungelöffenttichkeit einsetzte, schickte man Botschafter zu den zerstrittenen Parteien und forderte sie auf, Frieden zu schließen, auf daß die im ganzen Dschungel so überaus populäre Vision Wirklichkeit werde. Beide Seiten waren im Prinzip sofort einverstanden, aber sie stellten Bedingungen. Die Vertreter der Schafe verlangten, daß der Wolf von der Wiese verschwindet, oder zumindest auf Schafsfleisch verzichtet. Der Wolf erklärte, daß er sehr wohl bereit sei, mit dem Lamm zusammenzuwohnen, unter der Bedingung, daß er es auffressen darf. Daraufhin brachen beide Seiten in hysterisches Gelächter aus, und alles ging weiter wie bisher.
Aber der Druck der Dschunglöffentlichkeit wurde stärker. Man forderte energische Maßnahmen, um die großartige Vision zu verwirklichen. Von neuem wurden Botschafter ausgeschickt, um eine Kompromißlösung zu finden. Die Botschafter wurden gastfreundlich aufgenommen, aber es gab wieder Schwierigkeiten.
Der Wolf erklärte: “Edle Herren, Ihr müßt begreifen, daß ich mein historisches Recht, auf der Wiese zu leben, nicht aufgeben kam.”
Die Schafe aber sagten: “Dieser Wolf ist uns allzugut bekannt nicht erst seit heute. Er hat eine ganz besonders wölfische Vergangenheit. Man kann nicht von uns verlangen, mit einem Wolf zusammenzuleben, der mehr als ein Mal erklärt hat, daß er nur aus kulinarischen Erwägungen mit uns zusammenleben will. Er möge sich, bitteschön, auf und davon machen.” Und es geschah wieder nichts.
Bis zu jenem denkwürdigen Tag, da ein verwegenes Schaf aufstand und mit lauter Stimme und in aller Öffentlichkeit ankündigte: “Ich bin bereit, mit dem Wolf zusammenzuleben! Ich verlange nicht mehr, daß er von der Wiese verschwindet. Er kann bei uns wohnen unter der einzigen Bedingung, daß er sich bemüht, auf Schafsfleisch zu verzichten.”
Die ganze Welt war außer sich vor Staunen. Die Publicity um die historische Initiative des Schafs war enorm, und jedermann wartete auf die angemessene Reaktion des Wolfs. Um die Wahrheit zu sagen: Der Wolf war ein bißchen verlegen. Aber als er seine Sinne wieder beisammen hatte, sagte er: “Dies ist ein historischer Augenblick. Diesen Tag haben wir herbeigesehnt, und ich möchte feierlich erklären, daß es weit und breit kein Tier gibt, das sich ein Zusammenleben mit dem Lamm mehr wünscht, als ich, der Wolf. Von jetzt an sind wir alle gleich, doch niemand ist wie ich. Aber auf mein historisches Recht auf Schafsfleisch kann ich nicht verzichten.”
“Seht Ihr”, sagte jenes eine Schaf, “er will überhaupt nichts aufgeben. Trotz meiner historischen Konzession, mit ihm zusammen auf der Wiese zu leben, weigert er sich, seine Gier nach Schafsfleisch zu zügeln. Das wird Euch lehren, was ich seit langem von ihm gesagt habe. Er ist ein Wolf, und seine wölfische Natur ist bekannt.”
Und wirklich, das Ansehen des Wolfs ging in Dschungelkreisen in einem nie geahnten Ausmaß zurück. In den Dschungelblättern begann man, ihn den “großen, bösen Wolf” zu nennen, und auf der Straße riefen ihm die Kinder “Wolf, Wolf” nach. Sogar seine Jugendsünden wurden jetzt ausgebreitet, und alle seine Freunde ließen ihn im Stich. Der Wolf fühlte sich elend. Es machte ihm zu schwer zu schaffen, daß man ihn beschuldigte, die Verwirklichung der Vision des Propheten zu verhindern. Und zudem setzten ihn die wenigen Freunde, die ihm noch blieben, über alle Maßen unter Druck, seine wölfische Natur zu zügeln. Langsam aber sicher wurde der Wolf in die Ecke gedrängt, und dann merkte er, daß sofort ein Ausweg aus der Propagandamisere gefunden werden mußte.
Da er ein richtig schlauer Wolf war, brauchte er nicht lange zu überlegen. Er bestieg eine hohe Kanzel und verkündete: “Sehr wohl, ich bin bereit. Ich will mit dem tapferen Schaf zusammenwohnen, und niemals mehr will ich ihm mit meinen Zähnen nahekommen.”
Die Welt war ziemlich überrascht, und Schaf und Wolf wurden sofort zu einem historischen Treffen eingeladen, um die Einzelheiten des Zusammenwohnens festzulegen. Aber dann gab es wieder ein Problem. Jenes eine tapfere Schaf sagte: “Du willst mich also nicht auffressen, und ich will Dich nicht beißen. Aber was ist mit den anderen Schafen?”
“Was kümmern Dich die anderen Schafe”, flüsterte ihm der Wolf mit süßlicher Stimme ins Ohr. “Dich werde ich nicht auffressen, das ist doch die Hauptsache, oder nicht?”
“Nein”, antwortete das eine Schaf. “Ich muß mich auch um meine Brüder kümmern.”
“Weißt Du was?”, schlug da der Wolf vor, “im jetzigen Stadium gebe ich Dir mein Wort, daß ich Dich nicht auffresse. Und über den ganzen Rest werden wir später verhandeln.” Das eine Schaf zögerte ein bißchen, aber es war ihm klar, man werde jetzt i h m vorwerfen, die prophetische Vision zu verhindern, und schweren Herzens willigte es ein.
Am Tag der Vertragsunterzeichnung war der Wolf sichtlich glücklich. In seiner historischen Rede sagte er: “Die Vision des Propheten ist in Erfüllung gegangen. Von nun an wird der Wolf tatsächlich beim Lamm wohnen, und keiner wird den anderen beißen. Seht, ich habe vor der ganzen Welt bewiesen, daß ich kein heißhungriger, böser Wolf bin. Niemals mehr wird man mich einen Grobian nennen können. Ich werde mit dem Lamm wohnen, und ein utopischer Traum wird wunderbare Wirklichkeit werden.”
Er beendete seine Ansprache, ging nach Hause, holte sich ein Schaf (natürlich nicht das tapfere) und schlug voller Heißhunger seine Zähne in das Fleisch.
“Hehl’, schrie da alle Welt, “was soll das, was machst Du da?”
“Ich fresse Schafsfleisch”, schmatzte der Wolf. “Warum fragt Ihr?”
“Aber, aber Du hast gesagt, … aber Du hast gesagt”, stammelte die Welt.
“Was hab’ ich gesagt? Ich habe gesagt, daß ich kein Fleisch von jenem tapferen Schaf zu mir nehmen werde.
Und ich habe Wort gehalten. Es ist ein ganz anderes Schaf, das ich fresse.”
“Aber Du hast gesagt, daß Du über die anderen Schafe verhandeln willst…” – “Natürlich werde ich verhandeln. Aber mit vollem Bauch verhandle ich viel besser.”
“Du machst die prophetische Vision kaputt”, sagte die enttäuschte Welt.
“Also mit diesen antl-wölfischen Kampagnen muß jetzt ein für alte Mal Schluß sein! Ich, ausgerechnet ich, satt die prophetische Vision kaputt machen? Schämt Euch! In Kapitel 11, Vers 6 heißt es ausdrücklich: ‘Der Wolf wird beim Lamm wohnen’. Wohne ich etwa nicht bei einem Lamm, ja sogar bei einem Schaf? Natürlich wohne ich bei einem Schaf. Ich habe einen Vertrag geschlossen, mit einem dummen Schaf zusammenzuwohnen, und damit ist die Prophezeiung erfüllt. Es steht nicht geschrieben: ‘Der Wolf wird bei den Lämmern wohnen’, bei vielen Lämmern, im Plural – nur bei einem Lamm, bei einem einzigen Schaf. Ihr könnt von mir doch nicht mehr Rechtschaffenheit fordern, als vom Propheten. Bei meiner Seele, ich versteh Euch nicht. Was könnt Ihr mehr von mir verlangen? Ihr wollt, daß ich beim Lamm wohne – und ich wohne nicht nur beim Lamm, ich wohne bei einem Schaf. Und jetzt last mich in Ruhe und Frieden weiterfressen.”
“Aber wenn Du weiter ein Schaf nach dem anderen auffrißt, wird zum Verhandeln nichts übrigbleiben”, sagte die Welt.
“Habt Ihr endlich kapiert?”, lachte der Wolf. “So dumm, wie Ihr ausseht, seid Ihr gar nicht.”
“Du hast ‘mich als Vorwand benutzt, um alle anderen Schafe auffressen zu können”, sagte das tapfere, enttäuschte Schaf, als es seine Sachen packte und die gemeinsame Wohnung verließ.
“Na hör mal”, sagte der Wolf. “Ich hab’ Dich doch wirklich zum Fressen gern. Besonders mit Reis und viel Zinnober.”
*
Soweit die Geschichte, liebe Leute. Da ich zu der kleinen vegetarischen Minderheit gehöre, die unter Euch lebt, werdet Ihr verstehen, daß ich ein bißchen beunruhigt bin. Und mich im voraus ein bißchen dafür schäme, was passieren wird.” (HA’ARETZ, 30. März 1979).
63 Adolf Hitler am 10. November 1938 in München, vor Vertretern der deutschen Presse. Zitiert nach: “Es spricht der Führer.” Sieben exemplarische Hitler-Reden. Herausgegeben und erläutert von Hildegard von Kotze und Helmut Krausnick. Gütersloh 1966. Die zitierten Stellen stehen dort auf Seite 273, 276 und 269.
64 Der folgende Brief von David Ben Gurion aus dem Jahre 1963 kann demonstrieren, wie signifikant diese Nebenbemerkung ist:
“Begin ist ein vollendeter Hitler-Typ, rassistisch und um der Idee der Unteilbarkeit des Landes willen bereit, alle Araber auszurotten. Sein ganzes Streben ist einem einzigen, heiligen Ziel gewidmet: Absolute Herrschaft. Ich sehe in ihm eine große Gefahr für Israel, sowohl innenpolitisch wie auch auf internationaler Ebene. Ich kann die paar Dinge, die ich über seine Aktivitäten weiß, niemals vergessen, sie haben eine ganz klare Bedeutung: Die Ermordung von Dutzenden von Juden, Arabern und Engländern, damals bei der Sprengung des King David Hotels (22. Juli 1948); das Pogrom von Deir Jassin und das Niedermetzeln von arabischen Frauen und Kindern (9. April 1948); die Altalena-Kampagne (20. Juni 1948), die inszeniert wurde, um die Macht mit Gewalt an sich zu reißen; die Steinigung der Knesseth durch einen von Begin gesteuerten Mob – und hätte ich damals den Mob nicht am Eindringen in die Knesseth gehindert, indem ich die Armee zu Hilfe holte, es hätte ein Blutbad unter den Knesseth-Abgeordneten gegeben (7. Januar 1952, während über die deutschen Wiedergutmachungszahlungen beraten wurde); die Betar-Massenkundgebung in der Jabotinsky-‘Festung’ (vergl. Anm. 47), wo ein gigantisches Spruchband verkündete: ‘Gott hat uns für die Herrschaft auserwählt’; die Vorbereitungen für einen ‘Triumphzug’, wie sie in der Parteizeitung HERUT am Vorabend der Wahlen zur 4. Knesseth beschrieben worden sind; und nun gestern die gewalttätige Inbesitznahme der Knesseth – alt das sind nicht isolierte Akte, sondern der Ausdruck eines Systems, eines Charakters, eines Ehrgeizes…
Sollte Begin die Regierung übernehmen, wird er seine Schlager in die Armee und die Polizei einschleusen und wird herrschen, genau wie Hitler in Deutschland geherrscht hat. Er wird die Arbeiterbewegung mit Gewalt und Brutalität unterdrücken und den Staat mit politischen Abenteuern zerstören… Ich habe keine Zweifel, daß Begin Hitler haßt – aber das beweist nicht, daß er von Hitler verschieden ist. Als ich Begin zum ersten Mal am Radio härte, ich glaubte, die Stimme und das Kreischen von Hitler zu hören. Und als ich gestern das erregte Zucken in den Gesichtern von Ben Eliezer, von Begin und ihren Anhängern sah, erkannte ich den mörderischen Gesichtsausdruck und die unerträglichen Züge wieder.” (David Ben Gurion an Chaim Gun, 15. Mai 1963. Zitiert nach Michel Bar-Zohar: Ben Gurion. Tel Aviv 1977. Band 3, Seite 1547; hebr. – Zusätze in Klammern von H. S.).