Anmerkungen zu Kapitel IV
DIE ISRAELISCHEN NATURSCHÜTZER UND DIE DEUTSCHEN ISRAELSCHÜTZER
1 Reserve-General Abraham Yaffe, ursprünglich Mitglied der israelischen Arbeiterpartei, jetzt Knesseth-Abgeordneter der Regierungspartei LIKUD, Mitbegründer der ‘Bewegung Groß-Israel’ von 1967, ist Direktor der israelischen Naturschutzbehörde.
Von Yaffe stammt eine Redensart, die in Israel nicht nur wegen der Formulierung recht bekannt geworden ist. Nachum Barnea schreibt dazu in seiner Spalte ‘Tagebuch’:
“Eine der Redensarten, die man einer hochgestellten Persönlichkeit der israelischen Streitkräfte in den Mund legt, hat Jerusalem erreicht, und geht so: ‘Wenn Du wissen willst, was die Araber denken – geh hin und schlag ihnen die Köpfe auf’. Das zeigt, daß seit den Zeiten, als Abraham Yaffe (1936) vorschlug, die Araber-Frage durch den Lauf eines Gewehrs zu betrachten, die Mittel zum Studium des Problems erheblich verfeinert wurden.” (DAVAR, 2. Juni 1978).
Beim Studium der folgenden Artikel aus der hebräischen Tagespresse sollte das sehr begrenzte Gesichtsfeld, das Yaffe demnach zur Verfügung steht, nicht außer Betracht bleiben.
2 Die genannten Privilegien stehen nur jüdischen Farmern zu. Zudem kann ein jüdischer Farmer seine Vorrechte allenfalls einem Juden weitervermieten, aber nicht einem Araber, gleichgültig ob dieser israelischer Staatsbürger ist oder nicht. Dennoch sind solche Weitervermietungen sehr häufig. Der folgende Ausschnitt aus HA’ARETZ gibt einige Details solcher illegalen Untervermietungen:
“Zuerst wurden die Beduinen als billige Arbeitskräfte für die Juden ausgenutzt. Aber je mehr Beduinen kamen, um so mehr verlangten sie. Der Arbeiter wurde zum Mit-Unternehmer, der Mit-Unternehmer zum aktiven Partner. Mit den Jahren entwickelten sich zwei Phänomene: Die Juden verhielten sich, in der Mehrzahl der Fälle, gegenüber ihren Beduinen-Nachbarn gleichgültig; und an nicht wenigen Orten versuchten sie gemeinsam, die Vertragsbestimmungen zu umgehen, die Geschäfte zwischen Juden und Arabern verbieten… Die jüdischen Siedlungen sorgten für die Formulierung der Verträge, mit denen Land und Wasser an Beduinen weitergegeben werden. Einige Siedlungen, Nir-David, Aschdot-Ja’akov und ein paar Farmbesitzer in Metula, wurden verklagt. Aber Hillel Adiri (vom ‘Grünen Kommando’) kam juristisch nicht sehr weit. Die Verträge zwischen den Beduinen und den jüdischen Siedlungen wurden immer raffinierter. .. Die Juden beauftragten erfahrene Rechtsanwälte, die äußerst ausgeklügelte Verträge ausarbeiteten, in denen schwache Stellen schwer zu finden sind.” (Dan Margalit in HA’ARETZ, 30. September 1977).
Das vom israelischen Parlament am 1. August 1967 verabschiedete AGRICULTURAL SETTLEMENT LAW (Restrictions on the Use of Agricultural Land and of Water, 5727-1967) sollte dem “Unwesen” der Weitervermietung von Land und von Wasserrechten an Araber (ohne diese explizit zu nennen) einen Riegel vorschieben. Bei der Einbringung des Gesetzes sagte der damalige Landwirtschaftsminister: “Es gibt zahlreiche Fälle, in denen feststeht, daß der Farmer außerhalb des Landwirtschaftssektors arbeitet und ein Einkommen – manchmal ein sehr hohes Einkommen – aus der Weitervermietung seines Landes und durch Vergabe seiner Wasserrechte bezieht, ohne das Land oder das Wasser selbst auszunutzen… Wir sind der Auffassung, daß dieser Entwicklung gesetzlich Einhalt geboten werden muß, und daß individuellen Farmern oder Gruppen von Siedlern nicht erlaubt werden darf, sich durch unsaubere Ausnutzung von Staatseigentum zu bereichern. Dies ist der Sinn des Gesetzes, das der Knesseth vorliegt.” (Knesseth-Debatten 1/10/1967, Seite 155; in hebr.).
Gelegentlich wurden den jüdischen Siedlern administrative Maßnahmen angedroht – mit wenig Erfolg: “Der Oberste Rat zur Durchsetzung des Agricultural Settlement Law hat bisher 10 Siedlungen verpflichtet, eine Strafe für illegale Vermietung von Land an Araber zu entrichten. Die Gesamtsumme hat jetzt 700 000 Israelische Pfund erreicht… Landwirtschaftsminister Ahron Uzan stellte fest, daß das Ausmaß der Vermietung von Land an Araber äußerst besorgniserregend sei. Sein Ministerium schätzt, daß ungefähr 10 000 Dunam, verstreut über das ganze Land, an Araber vermietet worden sind. Dies sei ein sehr ernstes Phänomen, das auf jede mögliche Art bekämpft werden müsse. Es tritt bei allen Siedlungsbewegungen auf, mit Ausnahme von Hapoel Hamizrachi.” (HA’ARETZ, 21. Juli 1975).
3 Wenn die Juden “sehr arm an Land” sind, so sind die Beduinen, die schließlich israelische Staatsbürger sind wie die Juden, noch erheblich ärmer an Land. Dan Margalit schreibt über die Entstehung der jetzigen Situation:
“Der Kampf zwischen der Regierung und den Beduinen um die Landfrage ist so alt wie der Staat Israel. Die Beduinen begannen in zwei Richtungen zu ziehen: vom Sinai in den Negev, und vom Negev in den Norden, zum Carmel-Gebirge, und sogar ins Galil.. . Viele Beduinen fielen vom Sinai her in den Negev ein. Überraschenderweise sind dafür teilweise die israelischen Streitkräfte verantwortlich. In gewissen Gebieten des Sinai veranlaßten örtliche Dienststellen, daß die Beduinen ihre Herden in den Negev brachten, um das Gebiet für Schießübungen freizumachen. Mehrere andere Stämme kehrten (nach 1967) in ihre Gebiete im Negev zurück, aus denen man sie Jahre vorher vertrieben hatte. ‘Ich habe höchstpersönlich den Azazma-Stamm vertrieben, damals, nach den Mordfällen 1960-61’, erinnert sich Abraham Yaffe. ‘Jetzt haben sie ihr Land im westlichen Teil des Negev wieder besetzt.’ In der Zwischenzeit hat sich das Gebiet verändert. Die älteren Karten weisen Brunnen auf, die nicht mehr existieren, während andere, die man während der Vertreibungsaktion zugeschüttet hatte, wieder in Betrieb gesetzt wurden…
Schmuel Toledano (der frühere, langjährige Berater des Ministerpräsidenten für Fragen der Israel-Araber) stellte fest, daß die Ursache des ganzen Kummers der endlose Landstreit ist. ‘Wenn man den Beduinen nicht sagt, wo sie sich niederlassen dürfen, gibt es kein moralisches Recht, ihre existierenden Wohngelegenheiten zu zerstören. Die Beduinen sagen, daß man ein Zelt nicht in der Luft aufschlagen kann.’ … ” (Dan Margalit in HA’ARETZ, 30. September 1977).
4 Jede Polizeistation in der Nähe von arabischen Dörfern in Israel hat eine spezielle Abteilung für Araber, also eine Art Fremdenpolizei für eine bestimmte Kategorie van Staatsbürgern.
5 Der ‘Jewish National Fund’ ist ein Zweig der Zionistischen Weltorganisation.
6 Berichte über Aktivitäten des ‘Grünen Kommandos’ tauchen in der hebräischen Presse immer wieder auf. Sie häufen sich zu gewissen Zeiten, dann wieder scheint das Thema wegen allzu stereotyper Wiederholung der Einsätze erschöpft zu sein. Eine Variante bot AL HAMISHMAR am 17. Januar 1979. Während einer Aktion in Mitzpe Ramon (Negev), versuchten einige jüdische Arbeitskollegen den bedrängten Beduinen beizustehen – ohne Erfolg. Einer von ihnen ein Überlebender deutscher Konzentrationslager, sagte, “daß er solche Dinge an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit schon einmal gesehen habe”. Durch eine einstweilige Verfügung eines Gerichtes in Beer Scheva wurde dem ‘Grünen Kommando’ jede weitere Aktion in Mitzpe Ramon untersagt (DAVAR, 16. Januar 1979). Selbstverständlich gehen die Aktionen andernorts uneingeschränkt weiter. Im nördlichen Negev, im Bezirk Eschkol, haben Mitglieder von 26 landwirtschaftlichen Siedlungen, denen die bisherigen Aktionen als nicht ausreichend erschienen, “das Gesetz in die eigene Hand genommen”, sich Lastwagen des ‘Grünen Kommandos’ ausgeliehen, und dessen Methoden nachzuahmen begonnen. (HAOLAM HAZEH, 7. Februar 1979). Es scheint üblich zu werden, daß das ‘Grüne Kommando’ die Einsätze “in Anwesenheit von (jüdischen) Frauen, Kindern und Jugendlichen durchführt, die zu der ‘erzieherischen’ Aktion eingeladen werden”. (AL HAMISHMAR, 17. Januar 1979).
Trotz aller Anprangerung solcher Aktionen in einem Teil der hebräischen Presse, ist deren Bereitschaft, das heiße Eisen anzufassen, erheblich geringer, und die Wirksamkeit der Berichte viel bescheidener, als man auf Grund der übersetzten Artikel vielleicht anzunehmen geneigt ist. Was in der hebräischen Presse (und damit der Presse überhaupt) erscheint, ist nur die Spitze des Eisberges. In einem Artikel von Danny Rubinstein über ein anderes Thema findet man folgende Bemerkung:
“Die Aktionen des ‘Grünen Kommandos’ sind bekannt, und sie werden Tag für Tag weitergeführt, auch wenn Ihnen nicht dauernd Schlagzeiten sicher sind. Es vergeht kaum eine Woche, in der sich nicht Beduinenführer bei den Zeitungsredaktionen melden und Ihre Geschichten und Beschwerden vorbringen. Man hat gar nicht die Kraft, ihnen nachzugehen… ” (DAVAR, 5. Februar 1979).
7 Dieser Bericht von der Banalität des Guten erschien, in leicht gekürzter Fassung, auch in der WELT (16. Oktober 1978). Über die Nebentätigkeit des Naturschützers Abraham Yaffe wird man in hiesigen Zeitungen selbstverständlich keine Hinweise finden. Schon die Bloßstellung der vorgeblich finsteren Landmachenschaften von Israel-Arabern als “Beduinen-Zionismus” impliziert schließlich eine Selbsteinschätzung des Zionismus, die im Westen als nicht akzeptabel gilt. Die westlichen Nahost-Praktiker sind daher angesichts der nahöstlichen Wildwest-Praktiken tatsächlich überfordert. Die Berieselung mit ‘biblischer’ Geschichte, und die Vorenthaltung der bübischen Geschichten, ist dennoch alles andere als eine Verlegenheitslösung. Von den drei denkbaren Grenzfällen einer Nahost-Informationspolitik, der mutigen, der opportunistischen und der propagandistischen, gilt die mutige als nicht opportun und die opportunistische als feige – bleibt also die propagandistische. Denn wenn schon der simple Nachdruck eines hebräischen Artikels über die Tätigkeitsmerkmale des Naturschützers Yaffe ein skandalträchtiges Wagnis ist, das unterbleiben muß, dann wäre das opportunistische Schweigen, also die v ö l l i g e Nichtbeachtung dieses Anführers einer Naturschützengesellschaft, die nächstliegende und risikofreie Alternative. Allerdings um den Preis der Aufgabe eines ungemein wirkungsvollen Propaganda-Konzeptes, das der neuen freien Presse in langjähriger Gewöhnung lieb geworden ist – und sehr bald teuer werden kann.
Es ist zu befürchten, daß man immer noch nicht ahnt, daß Leute wie Abraham Yaffe, der per Marschbefehl einheimische Beduinenherden ausrottet und somalische Wildesel im Militärflugzeug heimholt, dabei sind, auch die apokalyptischen Reiter zurückzuholen. Der Titel-Redakteur der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist kaum zu schelten, wenn er spielerisch mit apokalyptischen Symbolen umgeht. Aber die “Suche nach den Passagieren der Arche Noah” wird sich sehr schnell als unangemessen erweisen wenn die ÖlfIut nochmals versiegt und die Sintflut hereinbricht.