Anmerkungen zum Nachwort
1 Die genannten Anlagen enthalten ein Schreiben an den Starting – Ausschuß für den Friedensnobelpreis – in Oslo, datiert vom 21. März 1971, in dem der Autor des Nachwortes den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt für den Friedensnobelpreis vorschlägt. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
Hochgeehrte Herren: Dem jüdischen Volk ist seit fast zweitausend Jahren unsägliches Leid angetan, aber es ist noch niemals einem weltlichen oder Kirchenfürsten eingefallen, öffentliche Abbitte im Namen seiner von ihm regierten Mitmenschen zu tun. In diesem Jahrhundert ist der Gipfel der Verfolgung, der Peinigung, des Völkermordes, des Rassenwahns und -wahnsinns erklommen, und nach menschlichem Ermessen wird ein Genozid solchen Ausmaßes nicht nochmals vorkommen.
Aber das letzte Jahr hat noch ein Novum gezeitigt. Es hat einen Bürgermenschen gesehen, der, im Zenit der Macht über einen der reichsten Staaten der Welt, vor dem Denk- und Mahnmal an die Opfer des von seinem Volke ermordeten Volkes in einer den Erdenrund umspannenden Öffentlichkeit in den Staub gekniet ist, um für Verbrechen Abbitte zu tun, an denen er keinen Teil gehabt.
Dieser Mann hat uns Juden in überzeugender Weise den Frieden mit seinem Volk angeboten. Mehr konnte er nicht tun, mehr kann wohl niemand tun: unsere Toten beleben, unsere Lagergebrechen heilen, – das liegt nicht in seiner Macht. Er hat aber getan, was nicht getan wurde, solange das jüdische Volk seiner Verfolgungen erinnerlich ist: er hat, im Namen seines Volkes, tiefste Reue gezeigt, öffentlich Schuld bekannt. Von nun an ist es nur noch Sache eines jeden individuellen Juden und eines jeden individuellen Deutschen, wie er sich zum Individuum und zum Kollektiv der Gegenseite stellt. Zwischen den beiden Völkern aber, dem jüdischen und dem deutschen, war, ist und bleibt Willy Brandts wortlose Geste ein Friedensakt ohne Beispiel.
Wir sind ein jüdisches Ehepaar, stolz auf unsere Religion und auf unsere Volkszugehörigkeit. Beide waren wir in Auschwitz bzw. Birkenau. Der eine ist als letzter seiner in den Gaskammern von Sobibor und Auschwitz umgekommenen Familie geblieben, die andere hat ebenfalls nach der Befreiung nur noch wenige ihrer Verwandten am Leben zurückgefunden. Beide sind wir gesundheitliche Wracks. Wir haben die Nazis gehaßt wie die Pest, und wir hassen sie auch heute noch mit einer Vehemenz, die für den Outsider unfaßbar ist. Wir hassen auch die Nationalisten aller Nationen, auch unsere eigenen, weil Nationalismus nur ein Kollektiv-Egoismus ist, und wir alle haben erfahren, wohin das führt. Wir wissen, daß die Welt erst in den letzten Tagen nach ethischen Prinzipien regiert werden wird, und daß bis dahin der Völkerfrieden eine Utopie ist. Aber wir müssen danach streben, als ob es ‘nur’ ein Ideal wäre. Des Bundeskanzlers Akt in Warschau ist weit über die spezifisch jüdischdeutsche Bedeutung hinaus richtungweisend und belehrend über das friedliche Zusammenleben von Völkern.
Wir erlauben uns, Ihnen Willy Brandt für den Nobelpreis für den Frieden vorzuschlagen.
2 Selbstverständlich hat sich in meinem Archiv einiges von und über Axel Cäsar Springer angesammelt. Bei der Rolle, die man ihn spielen läßt, war das nicht zu vermeiden. Aber zu Springer fällt mir nichts ein. Ich stoße gelegentlich auf das Gruppenbild mit Braunstich, auf dem 38 Redaktionsmitglieder der BERGEDORFER ZEITUNG in Zivil und zwei in Vollbraun zu sehen sind, von denen der eine der Jung-Cäsar in NSKK-Uniform ist. Und ich blättere nur selten in dem antisemitischen Unflat aus den ALTONAER NACHRICHTEN, wo der flügge gewordene Springer stellvertretender Chefredakteur war und, ab 27. Januar 1937, “verantwortlich für Politik” zeichnete. Bei einiger Übersicht kann nur konstatiert werden, daß die Leserverhetzung, die unter seine “Verantwortung” fällt, auch nicht antisemitischer ausfiel, als das frühe Opus anderer Journalisten-Opas. Daß also seiner Nachkriegskarriere wirklich nichts im Wege stand. Freilich haben nicht alle die Auflagen, die den direkten Draht aus Israel verständlich machen: Der persönliche Berater von Ministerpräsident Begin, Doktor Reuben H e c h t, wurde nämlich “… kürzlich gebeten, als Mittelsmann zwischen der israelischen Regierung und dem Pressekonzern von Axel Springer in West-Berlin zu fungieren. Und das tut er auch. Dr. Hecht spricht mit dem Presse-Zar, korrespondiert mit ihm, und so weiter.” (G. Kogan in AL HAMISHMAR, 28. Juni 1978).
3 Lord Moyne, der britische Kolonialminister, äußerte sich im August 1941 gegenüber Ben Gurion folgendermaßen: “Ich sehe nur eine Lösung: die Errichtung eines jüdischen Staates in Westeuropa. Wir werden das Hitlerregime niederschlagen, die Deutschen aus Ostpreußen verjagen und dort einen jüdischen Staat schaffen.” Ben Gurion spie Feuer: “Ich glaube an den Sieg, und Sie können mit den Deutschen machen, was Sie wollen. Meinetwegen können Sie sie mit Maschinengewehren aus Preußen verjagen. Aber nicht einmal mit Maschinengewehren werden Sie die jüdischen Massen nach Preußen bringen.” (M. Bar-Zohar: Ben Gurion, Le prophète armé. Paris 1966. Seite 103)