Anmerkungen zur Einleitung
1 Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über den Leseranteil und die Orientierung der israelischen Tageszeitungen. Quelle für den Leseranteil: JEDIOTH AHARONOTH, 21. April 1978.
Leseranteil* Sprache Orientierung
JERUSALEM POST 2% engl. neutral
DAVAR 3% hebr. sozialdemokratisch
HA’ARETZ 12% hebr. liberal
JEDIOTH AHARONOTH 40% hebr. bürgerlich-neutral
MA’ARIV 31% hebr. bürgerlich-neutral
AL HAMLSHMAR 1% hebr. sozialistisch
übrige hebr. 3%
arabische 0
andere Sprachen 7%
*auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet
2 Von Ende 1977 bis Herbst 1978 hat der Autor thematisch zusammengefaßte Originalübersetzungen aus der hebräischsprachigen israelischen Presse an die Chefredakteure nahezu sämtlicher selbständigen Redaktionen des deutschen Sprachraums geschickt, bei überregionalen Zeitungen auch an einige Nahost-Kommentatoren. Jede Sendung enthielt einen persönlich gehaltenen Brief, in dem in der einen oder anderen Form darauf hingewiesen wurde, daß nach Meinung des Autors ohne Kenntnis der hebräischen Presse Relevantes zum Nahost-Konflikt im Grunde nicht gesagt werden könne. Die folgende Auswahl von Antworten mag einen Eindruck vom Ausmaß der Informationsmisere vermitteln. Sämtliche Texte sind (bis auf die Anrede und die Grußformel) ungekürzt.
SÜDWESTFUNK (Baden-Baden):
“Dank für Ihre interessanten Unterlagen. Ich habe sie an unsere Redaktionen weitergegeben.”
gez. Dr. Alois Rummel (Hörfunk-Programmdirektor)
HANNOVERSCHE ALLGEMEINE (Hannover-Kirchrode):
“Auf Ihren Brief vom 29. Dezember darf ich kurz erwidern, daß unser ständiger Korrespondent in Israel, Herr Har-Gil, das Hebräische beherrscht. Das gleiche gilt für den Korrespondenten, der demnächst seine Stelle einnehmen soll.”
gez. Dr. Wolfgang Wagner (Chefredakteur)
KÖLNER STADT-ANZEIGER (Köln):
“Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Ihnen erst heute antworte. Vielen Dank für Ihre interessanten Übersetzungen, die durch den Gang der Dinge in den letzten Tagen an Aktualität und Bedeutung noch gewonnen haben. Ich habe sie meinem am Nahen Osten interessierten Leitartikel-Kollegen weitergegeben.
Natürlich haben Sie recht: Weder er noch ich verstehen Hebräisch. Unsere Korrespondentin in Jerusalem allerdings, Frau Calé, ist in langen Jahren eine richtige Israeli geworden und beherrscht die Sprache.”
gez. Dr. Hans Gerlach (Chefredakteur)
AUGSBURGER ALLGEMEINE (Augsburg):
“Haben Sie Dank für Ihre Auswahl aus der israelischen Tagespresse. Ich habe sie an die zuständigen Kollegen der außenpolitischen Redaktion als ‘Denkanstoß’ weitergeleitet.”
gez. Dr. Bartholy (Chefredakteur)
RHEINISCHER MERKUR (Köln):
“Mit großem Interesse habe ich die Übersetzung aus der hebräischen Tagespresse gelesen, die Sie mir freundlicherweise zukommen ließen. Sie sind mir Anlaß, der Sache über unsere dortige Korrespondentin nachzugehen.
Ein Informationshonorar* von 100.– DM darf ich Ihnen überweisen.”
gez. Dr. Herwig Gückelhorn (Chefredakteur)
(* Der Autor ist der Meinung, daß Informationen, die nicht an die Leser weitergegeben werden, nicht honoriert werden sollten. Zur Regulierung dieses einzigen abweichenden Falles in zwölf Jahren wurde die Summe an eine geeignete Stelle weiterüberwiesen.)
DEUTSCHE ZEITUNG (Bonn):
“Vielen Dank für Ihren Brief. Ihr Material fanden wir schon interessant und hoffen, daß Sie der DEUTSCHEN ZEITUNG weiterhin Ihr Wohlwollen erhalten.”
gez. Dr. Gerhard von Glinski (Chefredakteur)
DER SPIEGEL (Hamburg):
“Herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 28. Dezember 1977. Ihre Annahme, daß niemand beim SPIEGEL hebräisch kann, ist unzutreffend. Unser Korrespondent in Tel Aviv wie auch ein Mitarbeiter in Hamburg beherrschen das Hebräische.”
gez. Hans Hielscher (Auslandsredaktion*)
(* Die Sendungen gingen jeweils an Dr. Rudolf Augstein und gelegentlich zusätzlich an Dr. Dieter Wild, den für Nahost zuständigen Redakteur.)
SÜDWEST PRESSE (Ulm):
“Herr Dr. Baumhauer reichte uns das beiliegende Material zu unserer Information weiter. Vielen Dank dafür.
Zu Ihrer Information: Die von uns abonnierte Deutsche Presse-Agentur (dpa) verfügt in Tel Aviv über einen Korrespondenten, der fließend Hebräisch spricht. Wie Sie unserer Zeitung entnehmen können, stützen wir uns bei der Nahost-Berichterstattung hauptsächlich auf die dpa-Nachrichten.
Aus persönlicher Kenntnis dieses Korrespondenten der dpa kann ich Ihnen versichern, daß die in unserer Zeitung wiedergegebene Nahost-Berichterstattung durchaus Relevantes vermittelt.
Für die Überlassung der Fotokopien danken wir Ihnen.”
gez. Helge Ehler (Redaktionsmitglied)
NÜRNBERGER NACHRICHTEN (Nürnberg):
“Vielen Dank für die Übermittlung der Übersetzung, die Sie uns am 9. August haben zugehen lassen. Leider können wir die Arbeit aber nicht verwerten, weil wir nur Exklusiv-Interviews veröffentlichen, also Gespräche mit führenden Politikern, die unsere Redaktion für unsere Zeitung, und nur für sie, gemacht hat. Bedeutende Interviewäußerungen prominenter Politiker, die in anderen Blättern erscheinen, werden von uns nur insoweit registriert, als wir es aus Informationsgründen für geboten halten, die markantesten Äußerungen der Öffentlichkeit mitzuteilen.*
Da diese redaktionellen Grundsätze wohlbedacht sind und auch einen Sinn ergeben, bleibt mir leider nichts anderes übrig, als Ihre Arbeit wieder zurückzureichen.
Mit bestem Dank für Ihr Interesse und freundlichen Grüßen.”
gez. Helmut Bauer (Chefredakteur)
(* Es handelt sich um das in diesem Band abgedruckte Interview mit dem israelischen Ex-Generalstabschef Mordechai Gur, siehe Seite 57.)
SÜDKURIER (Konstanz):
“Für die freundliche Übersendung Ihres Manuskriptes* besten Dank. Leider können wir es nicht veröffentlichen und geben es daher zurück.”
(Redaktions-Vordruck; ohne Unterschrift)
(* Dr. Franz Oexle, der als einziger deutscher Chefredakteur die originelle Gewohnheit hat, die Israel-Artikel seines Blattes manchmal mit eigenen Hobby-Photos aus dem Heiligen Land verzieren zu lassen, hatte auch als einziger die originelle Idee, die Übersetzungen als Manuskript aufzufassen, das routinemäßig per Vordruck retourniert werden kann. Er dürfte nicht bemerkt hoben, daß ihm auf diese Weise eine unverzierte Aufrichtigkeit passiert ist.)
WESTDEUTSCHER RUNDFUNK (Köln):
“Besten Dank für die Übersetzungen, die Sie an den Intendanten geschickt haben und die der politischen Chefredaktion zugeleitet worden sind. Wir haben sie hier mit Interesse gelesen und diskutiert und werden dies auch bei nächster Gelegenheit mit unseren Korrespondenten tun.
Herr Schloß* ist nebenbei inzwischen in den Ruhestand getreten und durch Herrn Hofmann abgelöst worden, der bisher Korrespondent in Tokio war.”
gez. Dieter Thoma (Politische Chefredaktion)
(* Anspielung auf die im Anschluß an das Gur-Interview abgedruckten SWF – Berichte, siehe Seite 61.)
FRANKFURTER ALLGEMEINE (Frankfurt):
“Haben Sie besten Dank für Ihre Materialsendung. Dieses Problem geht mir seit Jahren im Kopf herum, Ich halte es aber für außerordentlich heikel, da damit auch jeweils für das Individuum Gewissensfragen verbunden sind. Wir werden hier unter Kollegen Ihre Texte lesen und uns Gedanken darüber machen.”
gez. Dr. Robert Held (verantw. Redakteur für Außenpolitik)
3 Ab Herbst 1978 hat der Autor weitere Übersetzungen aus der hebräischen Presse in Form von vier verschiedenartigen Probenummern unter dem Titel “Nachrichten aus der Tabuzone” an weit Über 100 deutschsprachige Chefredaktionen verschickt, darunter an alte bereits früher angeschriebenen. Es wurde diesmal per Vordruck darauf hingewiesen, daß die “Nachrichten aus der Tabuzone” regelmäßig erscheinen sollen, falls klargestellt ist, daß mit einer ausreichenden Zahl von Interessenten gerechnet werden kann. Der Standardtext auf der Rückseite des kommerziell aufgemachten Deckblattes hatte folgenden Wortlaut:
“Die unglaublichste aller unverstandenen Erscheinungen im Verhältnis der westlichen Welt zu Israel, ist die noch niemals beschriebene Diskrepanz zwischen der Nahost-Berichterstattung in den westlichen, und den inner-israelischen, hebräischsprachigen Informationsmedien. Die hebräische Tagespresse jeder beliebigen politischen Provenienz enthält täglich Informationen, Kommentare und Meinungen, die nicht nur das hierzulande gängige und gepflegte Israel- und Nahost-Bild unhaltbar machen, sondern von einer so brisanten Aussagekraft sind, daß ein bloßer Nachdruck in einer deutschen Zeitung einen Skandal auslösen würde. Solche in Israel völlig selbstverständlich konsumierten Teile aus dem Meinungs- und Ereignisspektrum liegen fast ausschließlich in hebräischer Sprache vor. Hebräische Zeitungen sind zwar in den deutschen Großstädten an jedem besseren Kiosk erhältlich, Übersetzungen sind hingegen eine Rarität.
Es ist geplant, erläuterte und kommentierte Originalübersetzungen unter dem voraussichtlichen Titel NACHRICHTEN AUS DER TABUZONE herauszubringen. Die beigefügte ‘Null-Nummer’ soll Sie mit dem Konzept vertraut machen. Die Lektüre dieser Übersetzungen aus der hebräischen Tages- und Wochenpresse wird Sie unschwer von der Korrekturbedürftigkeit der eingewöhnten Vorstellungen zum Nahostkonflikt überzeugen. Es erscheint absurd, Stellungnahmen zum weltweit bedrohlicher werdenden Nahostkonflikt noch ernst zu nehmen, die in der Regel ohne Kenntnis der in Hebräisch vorliegenden Informationen abgegeben werden. Und was weit schlimmer ist: Es ist zu befürchten, daß die Resonanzkette unmittelbar hinter der geringen Zahl von Eingeweihten, die ihr Wissen tauben Ohren predigen und vor eingebrannten Seelenzuständen kapitulieren, abrupt abreißt, und daß selbst auf den höchsten Entscheidungsebenen Regungen und Aktivitäten vorherrschen und Folgen haben, die in Niemandes Interesse mehr liegen können…
Die Prognose erscheint nicht mehr allzu gewagt, daß schon in wenigen Jahren kaum noch zu verstehen sein wird, wie eine im Grunde belanglose Sprachbarriere den Durchblick verhindern konnte.
Falls Sie an den NACHRICHTEN AUS DER TABUZONE interessiert sind, senden Sie bitte den beiliegenden Vordruck zurück. Das Projekt kann nur bei einer ausreichenden Zahl von Interessenten realisiert werden.”
Bis Mitte April 1979 hat eine e i n z i g e Redaktion den Vordruck zurückgeschickt: “Unterrichten Sie mich unverbindlich vom Erscheinen und von den Bezugsbedingungen der NACHRICHTEN AUS DER TABUZONE”.