Banken blockiert
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19.05.2012 / Titel / Seite 1Inhalt
Banken blockiert
Von Daniel Behruzi, Frankfurt/Main
Es herrscht gespenstische Ruhe im Bankenviertel in Frankfurt am Main. Wo sich sonst Blechlawinen durch die Straßen schieben und Anzugträger auf den Gehwegen drängen, ist an diesem Freitag vormittag nichts los. Die Polizei hat den gesamten Finanzdistrikt der Mainmetropole weiträumig abgesperrt, nur wer den Betriebsausweis einer der vielen hier ansässigen Institute vorzeigen kann, darf passieren. Viele sind das aber nicht.
»Ich habe das hier noch nie so leer gesehen«, sagt ein Angestellter, der rauchend vor der Royal Bank of Scotland steht. Von normalem Arbeiten könne an diesem Tag keine Rede sein, meint ein anderer. »Bei uns ist nur eine Notbesetzung«, berichtet der Mann, der einen Kapuzensweater und einen roten Rucksack trägt. Normalerweise erscheine er selbstverständlich im Anzug, doch für heute habe das Unternehmen die Anweisung gegeben, sich »unauffällig« zu kleiden und nicht mit dem Auto zu kommen. Eine Gruppe von Security-Mitarbeitern unterhält sich vor einem Gebäude der Credit Suisse. »Hier ist nichts los«, sagt einer. Einige der Bankmitarbeiter seien für diesen Tag extra nach London geschickt worden, um dort zu arbeiten.
Vor den Absperrgittern sieht es ganz anders aus. »Vielen Dank an die Polizei«, rufen die Demonstranten. Mehrere hundert haben sich in Sichtweite der Europäischen Zentralbank versammelt. Andere laufen in kleinen und größeren Gruppen durch die Stadt. Am Morgen hatte sich ein Demonstra tionszug mit rund 1000 Teilnehmern vom Hauptbahnhof in Richtung Messegelände in Bewegung gesetzt – und damit erneut das rigorose Versammlungsverbot durchbrochen.
Die Polizei versucht immer wieder, Aktivisten einzukesseln und »in Gewahrsam zu nehmen«. Bis zum Mittag hat sie nach eigenen Angaben rund 400 Menschen auf diese Weise aus dem Verkehr gezogen. Gegen viele von ihnen werden Aufenthaltsverbote für die Frankfurter Innenstadt ausgesprochen, die zum Teil bis Sonntag abend gelten sollen. »Diese Aufenthaltsverbote sind allesamt rechtswidrig«, stellt der Jurist Paolo Rossini vom Ermittlungsausschuß des Bündnisses fest. Bei Widersprüchen habe keines der Verbote vor Gericht Bestand gehabt. »Ganz offensichtlich hat die Polizei hier mit Vorsatz Recht gebrochen«, meint er. Er verweist darauf, daß seines Wissens nach bislang gegen keinen einzigen Demonstranten strafrechtliche Vorwürfe erhoben wurden.
»Unser Ziel, die Banken und die EZB zu blockieren, haben wir erreicht – auch Dank der Polizei«, stellt Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum fest. Allerdings habe durch das repressive Vorgehen der Behörden ein Großteil der inhaltlichen Veranstaltungen nicht stattfinden können. Ursprünglich sollten auf den Plätzen der Stadt eine Vielzahl von Diskussionsrunden, aber auch Konzerte und Kulturevents durchgeführt werden. »Die inhaltliche Auseinandersetzung ist wegen des Verhaltens der Stadt und der Polizei leider zu kurz gekommen«, bedauert Werner Rätz vom »Blockupy«-Bündnis. Der ATTAC-Aktivist sieht einen klaren Zusammenhang zwischen »Verbotsorgie« und politischen Inhalten: »Diese Art von Finanzpolitik in der EU ist eben nur unter Umgehung demokratischer Rechte durchsetzbar.« Das gelte auch für den Fiskalpakt selbst, mit dem »das formaldemokratisch höchste Recht des Parlaments, das Haushaltsrecht, ausgehebelt wird – und das ›bindend und auf ewig‹, wie die Kanzlerin sagt«.