Bayerisches Verwaltungsgericht muss prüfen, ob die USA im Irak Kriegsverbrechen begingen
US-Deserteur kämpft weiter
Europäischer Gerichtshof setzt Flüchtling Shepherd hohe Hürden. Bayerisches Verwaltungsgericht muss prüfen, ob die USA im Irak Kriegsverbrechen begingen.
Von Claudia Wangerin (Junge Welt, 27. Februar 2015)
André Shepherd im Jahr seines Asylantrags bei einer Pressekonferenz in Frankfurt (27. November 2008)
Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters
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Ausgerechnet das Bayerische Verwaltungsgericht in München muss nach einem Urteil vom Donnerstag im Fall des desertierten US-Soldaten André Shepherd prüfen, ob die USA im Irak Kriegsverbrechen begangen haben. Um sich nicht an solchen beteiligen zu müssen, hat der 37jährige in Deutschland Asyl beantragt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte darüber negativ entschieden. Shepherd, der seinen Wohnsitz in Bayern hat, wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht, das den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg um eine Auslegung der europäischen Richtlinie über den Flüchtlingsstatus ersuchte. Der EuGH stellte in einem Urteil am Donnerstag klar, unter welchen Voraussetzungen einem Deserteur aus einem Drittstaat in der EU Asyl gewährt werden kann. Shepherd war im April 2007 von seinem US-Stützpunkt in Bayern geflüchtet und untergetaucht, um einem weiteren Einsatz im Irak zu entgehen, als ihm klargeworden war, was von ihm reparierte »Apache«-Kampfhubschrauber in Wohngebieten anrichteten. Er wolle nicht mehr an »Kriegen gegen die Menschlichkeit« teilnehmen, so Shepherd in seinem Antrag 2008. Eine Anerkennung ist theoretisch möglich, wenn ihm als Wartungsmechaniker eine auch nur indirekte Verwicklung in Kriegsverbrechen drohte. Der EuGH stellte aber bereits fest, es sei »nicht davon auszugehen«, dass eine drohende Gefängnisstrafe oder die Entlassung aus der Armee unverhältnismäßig oder diskriminierend genug für einen Asylgrund wären. Shepherd hatte auch mit der zusätzlichen sozialen Ächtung argumentiert, da Fahnenflucht in den USA als Kapitalverbrechen gelte.
Die Entscheidung liege bei den Behörden und Gerichten in Deutschland, teilte der EuGH gesteern mit. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der UN-Sicherheitsrat dem Verbleib der US-Truppen im Irak zugestimmt habe. Begonnen hatte der Kriegseinsatz aber ohne ein solches Mandat. Der Sicherheitsrat habe nicht über das »Ob« entschieden, sondern über das »Wie weiter«, betonte Shepherds Anwalt Reinhard Marx am Donnerstag im Gespräch mit junge Welt.
Der EuGH hatte ausgeführt, »dass im Fall einer bewaffneten Intervention, die auf Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrats durchgeführt wird, grundsätzlich gewährleistet ist, dass bei ihrer Durchführung keine Kriegsverbrechen begangen werden«. Gleiches gelte, wenn über die Operation »ein internationaler Konsens besteht«. Marx betont, ein solcher habe ja gerade nicht bestanden. Dies für solche Kriege zu »dekretieren«, nannte Pro-Asyl-Geschäftsführer Bernd Mesovic am Donnerstag »skandalös«. Die Generalanwältin beim EuGH, Eleanor Sharpston, hatte im November zugunsten Shepherds argumentiert: Die EU-Richtlinie für geflüchtete Deserteure gelte sogar unabhängig von einem UN-Mandat.
Das EuGH-Urteil setzt aber zudem voraus, dass Fahnenflucht die einzige Möglichkeit gewesen sein müsse, dem Kriegseinsatz zu entgehen. Laut Rechtsanwalt Marx war sie das, weil sein Mandant in den USA nur als absoluter Kriegsdienstverweigerer Chancen in einem entsprechenden Verfahren gehabt hätte. Er sei aber kein Pazifist. Shepherd selbst hatte in Interviews betont, dass er im Verteidigungsfall kämpfen würde. Im Irak habe die US-Armee aber niemanden verteidigt. Im Glauben, den Irakern zu helfen, habe er sich 2004 freiwillig gemeldet. Allerdings aus der Obdachlosigkeit heraus, da er sein Informatikstudium nicht mehr finanzieren konnte und im Auto schlafen musste.