Beate Zschäpe: Prozessdompteuse des Tages
Beate Zschäpe
Prozessdompteuse des Tages
(Junge Welt, 25/26. Juli 2015)
Der sogenannte NSU-Prozess müsste längst einer gegen die Neonaziführungsbehörde, genannt Verfassungsschutz, sein. Davor ist aber die Bundesanwaltschaft. Sie tut dasselbe wie bei allen Verbrechen westlicher Geheimdienste: blockieren. Beate Zschäpes bisherige Pflichtverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl bildeten dabei, so Andreas Förster im aktuellen Freitag, »eine Einheitsfront« mit den Bundesanwälten. Das Trio habe regelmäßig Beweisanträgen widersprochen, »die auf die Verwicklung von weiteren Neonazis, V-Leuten und Verfassungsschützern in die NSU-Taten zielen«. Es wird darauf geachtet, eine Ausweitung der Klage zu verhindern.
Die Neonazifrau aus Jena und mutmaßliche Serienmordkomplizin erhielt nun frei Haus einen Anlass für eine Strafanzeige gegen die drei. Nach einem offenbar gewollt dilettantisch aufgesetztenj Antrag auf Entpflichtung von der Verteidigung Zschäpes kam es am Montag zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen Heer und dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Der plauderte dabei aus, dass es zwischen ihm und der Verteidigung ohne Wissen der Mandantin Gespräche gegeben habe. Förster meint zu Recht, im Fußball bezeichne man das als »finalen Pass«: Der Ball – die Anzeige – musste nur noch im Tor versenkt werden.
Laut bild.de, das am Freitag zuerst über den Eingang der Strafanzeige informierte, haben bei deren Formulierung die Anwälte Hermann Borchert und Mathias Grasel »geholfen«. Borchert habe das schon im Juli 2014 bei Zschäpes erstem Antrag auf Entbindung der Pflichtverteidiger getan. Seither soll der Jurist sie »regelmäßig« in der Haft besucht haben. Grasel wiederum, seit kurzem vierter Pflichtverteidiger Zschäpes, sei Borcherts Kanzleikollege. Fazit: Weil in der Bundesrepublik kein »tiefer Staat« sichtbar werden darf, sind nur Strippenzieher zugelassen. Fürs Prozessversenken reicht das, wenn nötig. (asc)