Beschluss der Überweisungsbehörde Basel betr. Rekurs von Elias Davidsson (Zionismus)
KANTON BASEL-STADT
der
ÜBERWEISUNGSBEHÖRDE
vom 23. Dezember 1997
unter Mitwirkung von
Vorsitzender: Präsident Dr. Jeremy Stephenson
Stellvertreter: Präsident Dr. Gilbert Thiriet
Richter: Dr. Paul Holliger
Gerichtsschreiber: Dr. Stefan Wehrle
betreffend
Rekurs des Elias D a v i d s s o n gegen den Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft vom 2. September 1997 in Sachen Mitglieder des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt betreffend Rassendiskriminierung.
Sachverhalt
1. Am 19. Juni 1997 reichte Elias Davidsson bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt gegen den Kanton Basel-Stadt, Mitglieder des Regierungsrates und andere ungenannte Personen, wegen Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB) eine Anzeige ein (Akten S. 1-3); unter Beilegung einer Vielzahl von Publikationen und Stellungnahmen behauptete Elias Davidsson, die Angezeigten hätten “durch die Organisation, Planung und Verkündigung einer öffentlichen Zelebrierung des 100. Jubiläums des ersten Zionistenkongresses in Basel am 31. August 1997 in Basel zur vorsätzlichen Verbreitung einer rassistischen Ideologie und ihrer Legitimierung in beträchtlicher Weise” beigetragen.
2. Mit Beschluss vom 2. September 1997 (Akten S. 49-52) hat die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gegen die Mitglieder des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt betreffend Rassendiskriminierung wegen Fehlens des subjektiven Tatbestandes eingestellt.
3. Mit Schreiben vom 24. September 1997 (Akten S. 53-58) hat Elias Davidsson bei der Überweisungsbehörde gegen diesen Einstellungsbeschluss Rekurs erhoben mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens.
4. In ihrer Vernehmlassung vom 10. November 1997 (Akten S. 62) hat die Staatsanwaltschaft nochmals auf das offensichtliche Fehlen des subjektiven Tatbestandes hingewiesen.
Erwägungen
I. Formelles
1. Der am 29. September 1997 bei der Überweisungsbehörde eingegangene Rekurs (Akten S. 53-58 mit Zustellcouvert, Akten S. 60) gegen den am 9. september 1997 nach Reykjavik/ Island verschickten Einstellungsbeschluss (Akten S. 49-52 mit Zustellcouvert, Akten S. 59c) ist rechtzeitig eingereicht und begründet worden (§ 137 stPO).
2. Dem Rekurrenten fehlt es hingegen an der nach § 136 Abs. 1 in Verbindung mit § 128 lit. b und c stPO erforderlichen Rekurslegitimation.
Der Begriff des Verletzten im Sinne von § 128 lit. c stPO wird zwar eher extensiv ausgelegt; als Verletzter gilt nicht nur der Träger des durch das konkrete Delikt unmittelbar angegriffenen Rechtsgutes, sondern auch derjenige, dessen Rechtssphäre durch eine strafbare Handlung nur mittelbar berührt wird, also auch derjenige, der durch die sogenannten Reflexwirkungen eines Deliktes getroffen wird (vgl. BJM 1993 S. 53 sowie Oswald, Der Rekurs an die Überweisungsbehörde im Basler Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Praxis, S. 80ff, mit Nachweisen). Der Kreis der durch die Reflexwirkung eines Deliktes Verletzten ist aber keineswegs unbeschränkt, sondern beschränkt sich auf diejenigen Personen, deren Rechtssphäre durch das begangene Delikt wegen ihrer besonderen Beziehung zum Opfer, wegen allfälliger Ansprüche an der Sache u.ä. mittelbar berührt worden ist. Eine bloss ideelle Betroffenheit oder allgemeine politische Überlegungen und Interessen – wie sie im vorliegenden Fall geltend gemacht werden – genügen gemäss konstanter Praxis der Überweisungsbehörde nicht zur Begründung der Rekurslegitimation, käme dies doch der Zulassung der Popularbeschwerde gleich (BJM 1993 S. 53f mit Nachweisen).
Weil in casu die zusätzlichen Rechte gemäss §§ 112ff stPO nicht gewährt worden sind, besteht auch keine Rekursberechtigung nach § 128 lit. b stPO (vgl. BJM 1993 s. 51f mit Nachweisen).
Da der im Einstellungsbeschluss (Akten S. 49-52) bezüglich Elias Davidsson unterlassene Hinweis auf das fehlende Rekursrecht (“o.R.”) keine Zuständigkeit der Überweisungsbehörde begründen kann (vgl. BJM 1993 S. 54f), ist mangels Aktivlegitimation des Rekurrenten nicht auf den Rekurs einzutreten.
II. Materielles
Der Rekurrent bemängelte in seiner Eingabe, dass sich die Staatsanwaltschaft nicht mit den aufgeführten Beweisen für die rassistische Natur des Zionismus befasst habe; die eingereichten Unterlagen seien ignoriert worden, als hätten sie keine Bedeutung für die Frage, ob der Zionismus eine rassistische Ideologie verkörpere. Da sich die Staatsanwaltschaft sehr wohl mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat (p. 2/3 des Einstellungsbeschlusses, Akten S. 50/51), kann der Vorwurf in dieser Form nicht stehengelassen werden.
Im übrigen ist es nicht primär Sache der Strafverfolgungsbehörden, den Wahrheitsgehalt von unzähligen historischen Dokumenten zu untersuchen sowie äusserst komplexe und widersprüchliche historische Abläufe zu werten. Die Aufgabe der Staatsanwaltschaft hat sich vielmehr auf die Frage zu konzentrieren, ob ein Straftatbestand durch eine Handlung oder Unterlassung erfüllt worden ist; dabei hat sie zu untersuchen, ob alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Strafnorm verwirklicht worden sind. Bei Vorsatzdelikten – wozu auch Art. 261bis StGB gehört – ist insbesondere zu prüfen, ob auch der Vorsatz des Täters gegeben ist. Fehlt dieses subjektive Tatbestandselement, hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einzustellen (vgl. Oswald, a.a.O., s. 101ff).
Gemäss Art. 18 Abs. 2 StGB handelt vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen begeht; Gegenstand des Vorsatzes bildet die Gesamtheit der objektiven Tatbestandsmerkmale der in Frage stehenden Strafnorm (vgl. Trechsel, 2. AufI., N 5 zu Art. 18). In casu fehlt es klarerweise am subjektiven Tatbestand von Art. 261bis stGB: Mit der Organisation und Durchführung des Zionistenkongresses hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt unter keinen Umständen mit Wissen und Willen öffentlich Ideologien verbreitet oder unterstützt, die Rassenhass oder Diskriminierung propagieren oder auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind. Mit der fraglichen Feier wollte der Regierungsrat lediglich daran gedenken, dass vor 100 Jahren der erste Zionistenkongress in Basel stattgefunden hat; eine Propagierung von Extremhaltungen zionistischer Fundamentalisten oder die Verherrlichung von Straftaten solcher Elemente war niemals der Sinn des Kongresses. Das Strafverfahren betreffend Rassendiskriminierung ist daher von der Staatsanwaltschaft zu Recht wegen Fehlens des subjektiven Tatbestandes eingestellt worden.
III. Kosten
Da sich der Rekurs des gar nicht zur Rekurserhebung legitimierten Elias Davidsson (vgl. oben I.2.) auch materiell als unbegründet erwiesen hat (vgl. oben II.), werden diesem gemäss § 138 Abs. 2 stPO die Kosten des Rekursverfahrens auferlegt; die Urteilsgebühr beträgt Fr. 250.–.
Demgemäss hat die Überweisungsbehörde
e r k a n n t :
1. Auf den Rekurs des Elias D a v i d s s o n wird nicht eingetreten.
2. Der Rekurrent trägt eine Urteilsgebühr von Fr. 250.–.
Basel, den 23. Dezember 1997/We
Namens der Überweisungsbehörde
(Präs. Dr. J. Stephenson)
Der Gerichtsschreiber:
(Dr. st. Wehrle)
Mitteilung an:
1. Elias Davidsson
2. Staatsanwaltschaft
3. Mitglieder des Regierungsrates Basel-Stadt