Buchbesprechung: Fassadendemokratie und tiefer Staat (Ullrich Mies, Jens Wernicke, Hg.)
(Elias Davidsson, 9. September 2017)
Fassadendemokratie und tiefer Staat: Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter, Ullrich Mies und Jens Wernicke (Hg.), ProMedia, Wien, 2017 (Buchbesprechung)
Die vorliegende Anthologie einer klugen und ansehnlichen Auswahl von 15 sozialkritischen Stimmen des deutschen Sprachraums und einer US-amerikanischen Stimme belegt weitgehend die Bestandsaufnahme der Herausgeber, dass
- die „Regierungen der westlichen Wertegemeinschaft […] mit den ökonomisch Mächtigen dieser Welt […] inner- und suprastaatliche Strukturen geschaffen [haben], die sich der demokratischen Kontrolle entziehen;
- vom Volk gewählte politische Repräsentanten […] sich zu Handlangern der Akteure ‚hinter den Kulissen‘ [degradieren]; und
- wir […] die schleichende Transformation parlamentarischer Demokratien in Richtung autoritärer Systeme“ erleben.
Obwohl andere Autoren bereits auf die Tendenzen zum autoritären Staat bzw. zum Polizeistaat hingewiesen haben, ist dieses Buch bahnbrechend insofern, als hier ganz offen vom „Tiefen Staat“ hinter dem oder parallel zum offiziellen Staat gesprochen wird. Die vollkommene Verschwiegenheit der zur Wahl stehenden Bundesparteien über den Tiefen Staat belegt ihre Ignoranz, Feigheit oder Käuflichkeit. Die Herausgeber haben das Buch daher zutreffend betitelt und gaben den Bundesparteien damit ein vernichtendes Urteil ab.
Obwohl bahnbrechend im deutschen Sprachraum und jedem verantwortungsbewussten Bürger zu empfehlen, ist das Buch eigentlich nur ein erster und zögernder Schritt zu einer dringend notwendigen Revision der tradierten Staatswissenschaft. Im Gegensatz zu den sogenannten demokratischen Wahlen, die alle vier Jahren eine neue Konstellation von politischen Verkäufern an die Öffentlichkeit bringen, stellt der permanente Tiefe Staat die langfristigen Interessen der wahren Herrscher — im Kapitalismus die Superreichen und Reichen — sicher. Einer der Autoren, Professor Bernd Hamm, liefert empirische Befunde zu den permanenten Machtstrukturen, die gegenüber „demokratischen“ Wahlen immun sind. Eine theoretische bzw. philosophische Abhandlung zur Doppelbödigkeit der Macht, zu permanenten und wahlbedingten Machtstrukturen, wäre wünschenswert, um die Demokratie (wieder) herzustellen.