Bundesregierung beschließt Geheimdienst-Überwachung wie zu Snowden-Zeiten
Bundesregierung beschließt Geheimdienst-Überwachung wie zu Snowden-Zeiten
Netzpolitik.org 16.12.2020 um 14:59 Uhr – Andre Meister
Die Bundesregierung hat heute beschlossen, die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes erneut massiv auszuweiten. Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zur Änderung des BND-Gesetzes angenommen, er kommt damit in den Bundestag.
Die Große Koalition hatte das aktuelle BND-Gesetz 2017 als Reaktion auf die Enthüllungen von Edward Snowden und Geheimdienst-Untersuchungsausschuss verabschiedet. Damals war unser Fazit: „Alles, was der BND macht, wird einfach legalisiert. Und sogar noch ausgeweitet.“ Im Mai hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz als verfassungswidrig eingestuft und gekippt. Jetzt unternimmt die Bundesregierung einen neuen Anlauf, der wieder vor Gericht landen dürfte.
Wir hatten den ersten Entwurf im September und den zweiten Entwurf im Novemberveröffentlicht. Expert:innen kritisierten die Entwürfe: Think Tanks, Journalisten, Pressefreiheits-NGOs, Internet-Verbände und der Bundesdatenschutzbeauftragte. Trotz Gelegenheit zur Stellungnahme hat die Regierung nicht mehr viel geändert.
Hacking, Massenüberwachung, Metadaten
Weil das aktuelle BND-Gesetz auf verfassungswidrigen Grundannahmen basiert, hat das Kanzleramt das Gesetz fast vollständig neugeschrieben. Über viele Einzelheiten hatten wir bereits berichtet. Der Auslands-Geheimdienst darf in Zukunft ganz legal hacken, nicht nur einzelne Personen und Geräte, sondern gleich Server und Dienste-Anbieter bis hin zu vollständigen Mobilfunk- und Internet-Providern.
Die deutschen Spione dürfen massenhaft Daten sammeln und auswerten. Weil das Bundesverfassungsgericht eine Beschränkung gefordert hat, soll der BND nicht mehr als 30 Prozent aller weltweit existierenden Telekommunikationsnetze abhören. Diese Fantasiegrenze liegt viele Größenordungen über den tatsächlichen Fähigkeiten des BND. Ähnliche Beschränkungen hat der Geheimdienst in der Vergangenheit sogar absichtlich umgangen.
Neben Kommunikationsinhalten sammelt der Geheimdienst riesige Mengen an Bestands- und Verkehrsdaten und rastert daraus Verbindungsnetzwerke. Eigentlich darf der Auslandsgeheimdienst keine Deutschen überwachen, doch das neue Gesetz erlaubt weitreichende Ausnahmen für „Maschine-zu-Maschine-Kommunikation“ oder auch rudimentär „unkenntlich“ gemachte Daten wie Hashes von Telefonnummern.
Als Edward Snowden nachwies, dass Geheimdienste so handeln, war das ein weltweiter Skandal. Heute legalisiert die Bundesregierung dieses Treiben. Und weitet es aus: Im Snowden-Jahr 2013 bekam der BND noch 531 Millionen Euro Steuergelder, nächstes Jahr bekommt er erstmals mehr als eine Milliarde Euro.
Kontrollrat statt Datenschutzbeauftragter
Die Aufsicht über den BND ist schon heute zersplittert. In Zukunft kommt eine neue Behörde dazu, der „Unabhängige Kontrollrat“. Viele Experten und auch der Bundesdatenschutzbeauftragte hatten gefordert, diese Aufgabe an die oberste Datenschutzbehörde zu geben.
Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte es zur Bedingung gemacht, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte diese Funktion übernimmt: „Das ist eine ganz, ganz wichtige Bedingung. […] Das gehört auf jeden Fall zu den Dingen, die wir einfordern werden.“ Das ist nicht passiert. Die SPD-Ministerien haben das nicht durchgesetzt und heute trotzdem zugestimmt.
Jetzt kommt der Gesetzentwurf in den Bundestag. Da sich die Große Koalition jetzt auf die groben Linien geeinigt hat, sind dort keine großartigen Änderungen mehr zu erwarten.