CIA sponsorte polnischen Geheimdienst chronisch
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17.12.2014 / Ausland / Seite 6
»Wie in der dritten Welt«
CIA sponsorte polnischen Geheimdienst chronisch. Expräsident Kwaśniewski verteidigt Foltergefängnis
Von Reinhard Lauterbach, Nekielka
Die CIA hat dem polnischen Geheimdienst in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts offenbar deutlich mehr Bargeld gezahlt als bisher eingeräumt. Nicht 15, sondern 30 Millionen US-Dollar seien geflossen, berichtete letzte Woche die Gazeta Wyborcza unter Berufung auf pensionierte Mitarbeiter des polnischen Geheimdienstes. Allerdings behaupten polnische Offizielle, es sei reiner Zufall, dass diese Zahlungen zeitlich mit dem Betrieb eines Foltergefängnisses durch die CIA auf einem nordpolnischen Militärgelände zusammengefallen seien.
Wie die Gazeta Wyborcza und andere Medien berichten, erschienen Mitarbeiter der US-Botschaft in Warschau bei der polnischen Auslandsaufklärung und stellten mehrere große Pappkartons mit Dollars auf den Tisch: alles gebrauchte ältere Hundertdollarnoten, gepackt zu je 1.000 Stück. Das Geld sei so schwer gewesen, dass man es auf Rollwagen habe ins Gebäude schaffen müssen. Damals nahm es der stellvertretende Chef des Geheimdienstes kommentarlos, aber ohne Anzeichen der Überraschung, in Empfang.
Heute geben sich polnische Militärs pikiert: so gehe das doch nicht, das Abladen von Bargeldkartons sei doch kein Umgang wie mit europäischen Verbündeten; so etwas sei eher in der Dritten Welt üblich. Niemand wisse, ob und wie das Geld verbucht worden sei, jeder hätte sich ein Dollarbündel in die Jackentasche stecken und damit in die Spielbank fahren können. Letzteres soll übrigens tatsächlich auch vorgekommen sein: mindestens ein Offizier, der gerade frisch geschieden gewesen sei, hat sich nach Berichten, die schon vor einiger Zeit aufkamen, aus dem US-Subsidium ein »Darlehen« gewährt.
Dass die Bargeldzahlung vom damaligen Recht nicht gedeckt war, geht indirekt daraus hervor, dass 2002, also während des Betriebs des US-Gefängnisses in Masuren, ins polnische Geheimdienstgesetz extra ein harmlos aussehender Paragraph eingefügt wurde. Der erlaubte den Diensten, »zur Erfüllung ihrer Aufgaben« Sonderkonten außerhalb des Staatshaushaltes zu führen.
Um das Sponsoring ihres Geheimdienstes am Rande der Legalität zu verteidigen, gehen die damals verantwortlichen polnischen Politiker in die Offensive: Das sei doch alles gar nichts Neues. Der damalige Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski erklärte, die USA hätten den polnischen Geheimdienst wegen seiner noch aus sozialistischen Zeiten stammenden guten Kontakte in die arabische Welt geschätzt und ihre Kollegen aus Warschau seit Anfang der 1990er Jahre finanziell unterstützt. Damals hatten polnische Geheimdienstler im Umfeld des ersten Golfkriegs mehrere gefährdete US-Agenten aus dem Irak herausgeschleust.
Der Unterschied besteht freilich darin, dass die USA damals Polen als Dank einen Teil seiner Staatsschulden erließen, und nicht kartonweise Dollarbündel abwarfen. Während Kwaśniewski und andere Postsozialisten wie der damalige Premierminister Leszek Miller jetzt die Ultraatlantiker geben und die Atmosphäre des »Antiterrorkriegs« nach dem Anschlag vom 11. September 2001 beschworen, profilieren sich ausgerechnet konservative Politiker als Bedenkenträger. So erklärte Kazimierz Marcinkiewicz, kurzzeitiger Regierungschef der PiS im Jahre 2005, er hätte diese Vereinbarung so nicht unterzeichnet. Man hätte absehen können, wohin das führe. Polen habe »einen Teil seiner Unabhängigkeit verloren«, sagte Marcinkiewicz im Fernsehsender TVN.
Kwaśniewski dagegen plädierte für ein »Grundvertrauen« zu den USA. Im übrigen, so der Expräsident vergangene Woche, könne sich Polen nicht wie die empfindsame Jungfer aufführen, da es etliche sicherheitspolitische Wünsche an die USA habe: einen Raketenschirm gegen Russland und moderne Waffen inbegriffen.
Vor einigen Tagen unterzeichnete die gegenwärtige Regierung mit der US-Rüstungsfirma Lockheed Martin einen Vertrag über die Lieferung von hochmodernen Marschflugkörpern für 250 Millionen Dollar. Die bunkerbrechenden Geschosse mit 370 Kilometern Reichweite sollen offenbar die von Russland geplante Stationierung von Kurzstreckenraketen im Gebiet Kaliningrad kontern.