Der Bombenlegerprozeß in Luxemburg ist so gut wie geplatzt – Geheimdienste können aufatmen
„Ich hatte es leider nur mit Lügnern zu tun«
Der Bombenlegerprozeß in Luxemburg ist so gut wie geplatzt – Geheimdienste können aufatmen. Ein Gespräch mit Gaston Vogel
Der Bombenlegerprozeß in Luxemburg, bei dem es um Sprengstoffanschläge in den 80er Jahren geht, ist am Mittwoch bis auf weiteres ausgesetzt worden. Grund: Die Staatsanwaltschaft will sechs bisherige Zeugen zusätzlich anklagen. Für wann rechnen Sie mit der Fortsetzung des Prozesses?
Das Gericht hat sich zu diesen zusätzlichen Anklagen sehr klar geäußert – die Ermittlungen vor Prozeßbeginn im Februar 2013 haben sich nämlich als sauschlecht herausgestellt. Diese sechs Offiziere sollen erst jetzt wegen Aussagen angeklagt werden, die sie früher schon vor der Polizei gemacht hatten. Der Staatsanwalt hat seine Arbeit nicht gemacht, er hätte sie schon damals mit anklagen müssen. Das habe ich am letzten Verhandlungstag auch deutlich gesagt.
Wie lange das dauern wird? Sechs, sieben oder auch neun Jahre? Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß der Prozeß nicht fortgesetzt wird.
In Polizei- und Geheimdienstkreisen wird man sicher erfreut sein, daß diese Bombenlegeraffäre, über die 2013 sogar der damalige Regierungschef Jean-Claude Juncker gestolpert ist, erst einmal auf Eis liegt. Könnte es sein, daß hinter dem Manöver der StaatsanwaltschaftAbsicht steckt?
Das ist eine Unterstellung; wie ich sagte, hätte er seine Arbeit vorher machen müssen. Es ist doch lamentabel, daß er erst nach 177 Sitzungen mit neuen Angeklagten ankommt!
Das Gericht hat sich jedenfalls die allergrößte Mühe gegeben, es hat nichts unterschlagen und alles untersucht. Es ist jetzt an die im luxemburgischen Rechtssystem üblichen Prozeduren gebunden – solche formalen Regelungen sind für mich das einzige, was im Rechtswesen wirklich gut ist.
Wie beurteilen Sie den Ermittlungseifer der luxemburgischen Behörden?
Ich bräuchte 20 Stunden, um diese Frage gründlich beantworten zu können. Der Untersuchungsrichter Prosper Klein hat jedenfalls gesagt, der Bombenlegerprozeß sei eine Staatsaffäre, die nicht aufgeklärt werden dürfe. Und so war es auch: Nachdem zwischen 1984 und 1986 die zwei Dutzend Bomben hochgingen, ist alles unternommen worden, um eine Aufklärung der Anschläge zu verhindern. Der damalige Hauptermittler hat mit der Wünschelrute nach den Schuldigen gesucht – gab aber zugleich zu, daß er sie kenne, aber nicht nennen dürfe.
Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, daß diese Attentate auf das Konto der »Stay-Behind-Truppen gingen, der geheimen Untergrundarmee der NATO, und da sie vom Hauptquartier SHAPE (Supreme Headquarters Allied Powers Europe) in Brüssel geplant wurden. 177 Sitzungen lang habe ich mir eine Riesenmühe gegeben, Licht in die Sache zu bringen – ich hatte es bei den Zeugen aber leider immer nur mit Lügnern zu tun. Außerdem stellte sich heraus,
“daß in den 90er Jahren zahlreiche Ermittlungsakten vernichtet worden waren. Immer wenn man Fragen nach der Verwicklung der NATO stellt, stößt man auf eine diplomatisch-politische Omertà – auf eine mafiaähnliche Schweigeverpflichtung also.
Vor gut einem Jahr sagte ein Zeuge aus Deutschland aus, sein eigener Vater, ein mittlerweile verstorbener Hauptmann der Bundeswehr, habe im Auftrag des BND die Anschläge organisiert. Er sei auch für das Oktoberfestattentat 1981 in München verantwortlich gewesen. Welche Rolle hat diese Aussage gespielt?
Überhaupt keine, das Gericht hat das zur Kenntnis genommen.
Hat es denn in dieser Sache Ermittlungen der Luxemburger Justiz gegeben?
Sie hat durchaus ermittelt, ist aber wohl auch vorwiegend auf Lügner gestoßen. Die Aussage dieses Zeugen ist juristisch gesehen erst einmal ohne Bedeutung geblieben, sie hat aber in den Medien Wirbel ausgelöst. Es gab dazu im deutschen Parlament auch Anfragen an die Regierung, die aber letztlich nichts erbrachten.
Das Gericht jedenfalls hat sich beispielhaft verhalten. Es hätte sich die Sache auch einfacher machen können und sagen: »Wir ziehen die Sache in zehn Sitzungen durch, was der Vogel dauernd beantragt, interessiert uns nicht.« Die Vorsitzende Richterin Sylvie Conter war phantastisch, auch wenn sie mich manchmal genervt hat, weil sie meinen Hinweisen nicht folgen wollte, daß die Bombenattentate das Werk der »Stay Behind«-Truppen der NATO
waren.
Interview: Peter Wolter