Der imperiale Pitbull: NATO
Der imperiale Pitbull
Bedrohung für die Demokratie: Die NATO ist seit ihren Anfängen offensiv und aggressiv orientiert. Der Pakt ist diplomatie- und friedensfeindlich und in terroristische Operationen verstrickt
Von Edward S. Herman
Aus: junge Welt Beilage „no nato” vom 1. April 2009
Es ist eines der irreführenden Klischees westlicher Darstellungen der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, daß die NATO als defensiver Zusammenschluß ins Leben gerufen wurde, um der Gefahr eines sowjetischen Angriffs auf Westeuropa vorzubeugen. Das ist falsch. Zwar wurde in der westlichen Propaganda die sowjetische Bedrohung hochgespielt, aber viele maßgebliche Staatsmänner der USA und Westeuropas waren sich bewußt, daß eine sowjetische Invasion keine reale Bedrohung darstellte. Die Sowjetunion war verwüstet und, obgleich über eine große Armee verfügend, erschöpft und erholungsbedürftig. Die Vereinigten Staaten saßen auf dem hohen Roß, der Krieg hatte ihre Wirtschaft wieder belebt, sie litten nicht unter Kriegsschäden und hatten in ihrem Arsenal die Atombombe, die sie der Sowjetunion vorgeführt hatten, indem sie eine Viertelmillion japanischer Zivilisten in Hiroshima und Nagasaki umbrachten. Ein Schlag gegen die Sowjetunion, bevor diese sich erholt und Atomwaffen hatte, wurde in Washington immerhin diskutiert, wenn auch zugunsten von »Eindämmung«, Wirtschaftskrieg und anderen Formen der Destabilisierung verworfen. Das Memorandum Nr. 68 des Nationalen Sicherheitsrats der Vereinigten Staaten (National Security Council Report 68, kurz: NSC-68) vom April 1950 forderte unter Beschwörung der großen sowjetische Gefahr ausdrücklich ein Programm der Destabilisierung mit dem Ziel eines Regimewechsels im Land, der schließlich 1991 erreicht wurde.
So erklärte selbst ein Vertreter der harten Linie wie John Foster Dulles damals, im Jahre 1949: »Ich kenne keinen verantwortlichen hohen Mitarbeiter, Militär oder Zivilist, in dieser Regierung oder irgendeiner anderen Regierung, der glaubt, die Sowjetunion plane Eroberung durch offene militärische Aggression.« Aber man achte auf die Formulierung von Dulles: »offene militärische Aggression«. Die Bedrohung bestand eher in möglicher sowjetischer Unterstützung linker politischer Gruppierungen und Parteien in Westeuropa. Senator Arthur Vandenberg, eine treibende Kraft der NATO, erklärte offen, die Funktion des NATO-Militäraufbaus sei »hauptsächlich für den praktischen Zweck, eine angemessene Abwehr gegen innere Subversion zu gewährleisten.« Die viel größere Unterstützung rechter Kräfte durch die Vereinigten Staaten war natürlich keine Hilfe bei innerer Subversion oder eine Bedrohung der Demokratie; nur mögliche sowjetische Hilfe für die Linke fiel in diese Kategorie.
Die nicht-deutschen westeuropäischen Eliten machten sich mehr Sorgen über den deutschen Wiederaufstieg und eine deutsche Gefahr und waren ebenso wie die US-Vertreter mehr darum bemüht, die Macht der Linken in Europa niederzuhalten als besogt um irgendeine sowjetische Bedrohung, und die Vereinigten Staaten drängten die Europäer, ihre Streitkräfte aufzubauen und Waffen von US-Herstellern zu kaufen! Obgleich die sowjetische Militärgefahr wissentlich aufgebauscht, ja sogar erfunden war, war sie doch sehr nützlich, um die Linke in Verruf zu bringen, indem man sie mit Stalin und dem Bolschewismus und einem angeblichen Programm einer sowjetischen Invasion und einer mythischen Welteroberung in Verbindung brachte.
Tatsächlich war der Warschauer Pakt weit mehr ein »defensiver« Zusammenschluß als die NATO. Seine Aufstellung erfolgte zeitlich nach der NATO, war eindeutig eine Reaktion, und zwar eine Struktur der schwächeren Seite mit weniger zuverlässigen Partnern. Und am Ende brach er zusammen, wobei in dem langfristigen Prozeß der Destabilisierung und Demontage des Sowjetregimes die NATO eine wichtige Rolle spielte. Zum einen war die Aufrüstung und Stärke der NATO Teil der US-Strategie, die Sowjetunion dazu zu zwingen, Mittel für Waffen auszugeben, statt sie für die Wohlfahrt, das Glück und die Loyalität ihrer Bevölkerung verfügbar zu machen. Zum anderen leistete sie, indem sie eine echte Sicherheitsbedrohung schuf, der Repression Vorschub, die wiederum der Loyalität im Lande sowie dem Ansehen des Staates im Ausland Abbruch tat. Während der ganzen frühen Periode gaben sich die Sowjetführer die größte Mühe, mit dem Westen eine Art Friedensregelung auszuhandeln, einschließlich der Aufgabe der DDR; aber davon wollten die USA und folglich auch ihre europäischen Verbündeten nichts wissen.
Innere Subversion
Wie gesagt, aus offizieller Sicht der USA – und folglich auch der Großmedien – war nur die sowjetische Einmischung in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg eine »innere Subversion« und daher schlecht und bedrohlich. Doch jenseits einer solchen Orwellschen Welt hätte man eingestehen müssen, daß die USA die Sowjetunion weit überflügelten, indem sie in den Jahren nach 1945 nicht nur »innere Subversion«, sondern auch wirklichen Terrorismus förderten. Die Linke hatte während des Zweiten Weltkrieges an Kraft gewonnen, weil sie tatsächlich gegen Nazi-Deutschland und das faschistische Italien kämpfte. Gegen die sich daraus ergebenden Ansprüche der Linken auf politische Teilhabe und Macht sperrten sich die Vereinigten Staaten mit allen Mitteln, einschließlich direkter Kriegshandlungen in Griechenland und durch massive Finanzierung anti-linker Parteien und Politiker in ganz Europa. In Griechenland unterstützten sie die äußerste Rechte, darunter viele Kollaborateure des Faschismus, und schafften es, ein widerwärtiges rechtsgerichtetes autoritäres Regime einzusetzen. Sie unterstützten weiterhin das faschistische Spanien und akzeptierten das faschistische Portugal als Gründungsmitglied der NATO, wobei Waffen der NATO Portugal halfen, weiter Kolonialkriege zu führen. Und auch anderswo unterstützten die Vereinigten Staaten, die führende NATO-Macht, rechtsgerichtete Politiker und ehemalige Nazis und Faschisten, während sie natürlich behaupteten, pro-demokratisch zu sein und gegen Totalitarismus zu kämpfen.
Am interessantesten war vielleicht die Unterstützung paramilitärischer Gruppen und des Terrorismus durch die USA und die NATO. In Italien unterhielten sie Bündnisbeziehungen mit rechten staatlichen und politischen Interessengruppen, Geheimgesellschaften wie »Propaganda Due« (P-2) und paramilitärischen Gruppen, die mit Polizeiunterstützung eine von ihnen sogenannten »Strategie der Spannung« betrieben, in deren Rahmen eine Serie terroristischer Aktionen ausgeführt wurden, die man der Linken in die Schuhe schob. Die berühmteste war der Bombenanschlag auf den Bahnhof Bologna im August 1980 mit 86 Toten. Die Ausbildung und Einbeziehung ehemaliger Faschisten und faschistischer Kollaborateure in Operationen von Polizei, CIA und NATO war in Italien außer¬gewöhnlich, aber auch anderswo in Europa durchaus üblich.
Die NATO stand in direktem Zusammenhang mit der »Operation Gladio«, einem von der CIA in Zusammenarbeit mit Regierungen und Sicherheitsapparaten der NATO-Länder organisierte Programm zum Aufbau geheimer Kader und zur Lagerung von Waffen in einer Reihe europäischer Staaten, angeblich zur Vorbereitung auf eine drohende sowjetische Invasion, doch tatsächlich als Bereitschaftsmaßnahme gegen »innere Subversion« und zur Verfügung, um rechte Gruppen zu unterstützen. »Gladio« wurde bei einer Reihe von Gelegenheiten von rechten paramilitärischen Gruppen genutzt, um terroristische Operationen durchzuführen (darunter der Bombenanschlag in Bologna und viele terroristische Vorfälle in Belgien und Deutschland).
Auch in Griechenland kamen die Planungen von »Gladio« und NATO 1967 zum Einsatz, um eine »innere Bedrohung« zu bekämpfen, und zwar die demokratische Wahl einer liberalen Regierung. Dagegen wurde der »Plan Prometheus« der NATO vom griechischen Militär in die Tat umgesetzt, indem es die bestehende Ordnung durch eine Folter praktizierende Militärdiktatur ersetzte. Weder die NATO noch die Regierung von US-Präsident Lyndon B. Johnson erhoben Einwände. Während des faschistischen Zwischenspiels kamen andere Gladio-Kräfte aus Italien und anderswoher nach Griechenland zur Ausbildung, um zu lernen, wie man mit »innerer Subversion« umgeht.
Kurz, seit ihren Anfängen erwies sich die NATO als offensiv, nicht defensiv orientiert, diplomatie- und friedensfeindlich, verflochten mit breit gefächerten terroristischen Operationen und anderen Formen politischer Einmischung, die undemokratisch waren, ja eine Bedrohung der Demokratie darstellten (und die, wäre etwas Ähnliches von der Sowjetunion ausgegangen, als unerhörte Einmischung verurteilt worden wäre).
Die post-sowjetische NATO
Mit dem Ende der Sowjetunion und jenem bedrohlichen Warschauer Pakt verschwand auch die theoretische Begründung der NATO. War diese Begründung auch ein Betrugsmanöver gegenüber der Öffentlichkeit, so mußte die NATO doch ihre Daseinsberechtigung neu begründen, und dementsprechend übernahm sie auch bald eine umfangreichere und aggressivere Rolle. Kaum war mit dem Untergang der Sowjetunion die Notwendigkeit der Unterstützung Jugoslawiens entfallen, so wirkte die NATO schon bald mit ihren Mitgliedsstaaten USA und Deutschland zusammen, um gegen diesen früheren westlichen Alliierten Krieg zu führen und zu zerschlagen, und zwar in Verletzung des Verbots des Angriffskrieges durch die Charta der Vereinten Nationen.
Mitten im Bombenkrieg gegen Jugoslawien beging die NATO im April 1999 in Washington, D.C. vergnügt ihren 50. Geburtstag, feierte ihre Erfolge und erklärte mit charakteristischer Orwellscher Rhetorik ihre Treue zum Völkerrecht, und dies mitten im Zuge einer schreienden Verletzung der UN-Charta. Ursprünglich hatte das Gründungsdokument der ¬NATO von 1949 im Namen der Mitgliedsländer einleitend »ihren Glauben an die UN-Charta« bekräftigt; diese hatten sich in Artikel 1 verpflichtet, »in Übereinstimmung mit der UN-Charta jeden Streitfall … auf friedlichem Wege … zu regeln.«
Diese Sitzung im April 1999 produzierte ein Dokument mit einem »Strategischen Konzept«, das für die NATO ein angeblich neues Programm entwarf, war doch die Plausibilität ihrer Funktion für »gemeinsame Verteidigung« zwecks Verhinderung eines sowjetischen Einmarsches entfallen. Nach wie vor betont die Allianz den Wert der »Sicherheit«, doch nunmehr hat sie »sich zu wesentlich neuen Aktivitäten im Interesse einer weiter gefaßten Stabilität« verpflichtet. Neue Mitglieder sowie »Partnerschaftsabkommen« werden in Aussicht gestellt, doch weshalb sie nach dem Kalten Krieg angesichts der globalen Macht der USA und ihrer Verbündeten noch erforderlich sind, bleibt unklar. Es wird eingeräumt, daß »ein umfangreicher konventioneller Angriff auf die Allianz höchst unwahrscheinlich ist«, aber unerwähnt bleibt selbstverständlich die Möglichkeit »eines umfangreichen konventionellen Angriffs« durch Mitglieder der Allianz. Man trumpft auf mit der Rolle der NATO auf dem Balkan, als einem anschaulichen Beispiel für die neue »Verpflichtung zu weiter gefaßter Stabilität«. Aber diese Bündnisaktion war nicht nur ein Fall völkerrechtlich definierter Aggression – »illegal aber legitim«, wie es in der Orwellschen Sprache der tonangebenden Apologeten hieß – auch spielte die ¬NATO bei der Destabilisierung des Balkans im Kontrast zu ihrem Schriftstück eine entscheidende Rolle, indem sie zur Entfesselung ethnischer Kriege beitrug und sich der Suche nach einer diplomatischen Lösung für das Kosovo verweigerte; infolgedessen konnte Jugoslawien mit einem Bombenkrieg überfallen werden, der just in dem Moment abrollte, als dieses Dokument herausgebracht wurde.
Das »Strategische Konzept« erhebt den Anspruch, sich für Rüstungskontrolle einzusetzen, tatsächlich aber hat die NATO von Anfang an ständig weitere Aufrüstung gefördert, und so wurde auch allen neuen Mitgliedern wie Polen und Bulgarien auferlegt, ihre »inter-operativen« Waffensysteme aufzustocken, d.h. mehr Waffen einzukaufen, und zwar von Lieferanten in den USA und anderen westlichen Ländern. Seit Erscheinen dieses Dokuments 1999 haben die USA, die NATO-Führungsmacht, ihren Militärhaushalt mehr als verdoppelt und ihren Waffenexport erheblich gesteigert. Sie haben weiter auf weltraumgestützte Militäroperationen gedrängt, sind einseitig vom ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen von 1972 zurückgetreten, haben die Ratifizierung des Kernwaffenteststopp-Vertrages von 1996 verweigert und den Landminen-Vertrag von 1997 sowie den UN-Vertrag zur Einschränkung des internationalen Handels mit verbotenen leichten Waffen abgelehnt. Mit NATO-Unterstützung haben sie einen neuen Rüstungswettlauf entfesselt, an dem sich viele Verbündete und Klienten der USA wie auch ihre Rivalen und als Angriffsziele in Frage kommende Länder beteiligt haben.
Im Dokument von 1999 nimmt die NATO ferner für sich in Anspruch, den Atomwaffensperrvertrag zu unterstützen, betont aber gleichzeitig, wie wichtig Atomwaffen für die Leistungskraft der NATO sind. Daher wird darin ein zentraler Bestandteil des Nichtverbreitungsvertrages abgelehnt, der mit dem Versprechen der Atommächte zu tun hat, auf die Beseitigung von Nuklearwaffen hinzuwirken. Was das bedeutet, ist klar: Die Begeisterung der NATO für die Nichtverbreitung betrifft nur ihre Angriffsziele wie den Iran. Atomwaffen »leisten einen einzigartigen Beitrag dazu, die Risiken eines Angriffs gegen die Allianz unberechenbar und untragbar zu machen.« Hätte aber der Iran solche Waffen, könnte er die »Risiken eines Angriffs« der »Allianz«, wie vom NATO-Mitglied USA und seinem Partner Israel angedroht, untragbar machen. Das kommt natürlich nicht in Frage.
In dem Abschnitt über Sicherheit erklärt das Strategische Konzept, man kämpfe für ein internationales Umfeld »auf der Grundlage der Stärkung demokratischer Institutionen und der Verpflichtung zu friedlicher Konfliktlösung, in der kein Land in der Lage wäre, ein anderes durch die Androhung von Gewalt einzuschüchtern oder zu zwingen«. Die Heuchelei ist an dieser Stelle geradezu schwindelerregend. Ist doch die eigentliche Essenz der Politik und Praxis der NATO das Androhen von Gewalt, und die Sicherheitspolitik der USA besagt ausdrücklich, daß die Planungen darauf gerichtet sind, die militärische Überlegenheit aufrechtzuerhalten und jede rivalisierende Macht daran zu hindern, diese Überlegenheit in Frage zu stellen, um global zu herrschen, d.h. die USA planen, durch Einschüchterung zu herrschen.
Die NATO behauptet nun, niemanden zu bedrohen und spricht im Strategischen Konzept sogar über mögliche gemeinsame »Operationen« mit Rußland. Wieder erreicht die Heuchelei ein hohes Niveau. Wie wir wissen, gab es ein Versprechen der USA an Gorbatschow, als er einwilligte, Ostdeutschland dem Westen anzuschließen, daß die NATO nicht »einen Zentimeter« weiter östlich rücken würde. Clinton und die NATO brachen dieses Versprechen im Handumdrehen, indem sie alle ehemaligen osteuropäischen Satelliten der Sowjetunion und die baltischen Staaten in die NATO aufnahmen. Nur Narren, die einer Selbsttäuschung erliegen und/oder Propagandisten würden nicht zugeben, daß dies eine Bedrohung der Sicherheit Rußlands ist – in dieser Region die einzige Macht, die allenfalls theoretisch die Mitgliedsländer der NATO bedrohen könnte. Aber das Strategische Konzept der NATO stellt sich dumm; nur Bedrohungen ihrer Mitglieder werden zur Kenntnis genommen.
Obwohl »Unterdrückung, ethnische Konflikte« sowie die »Verbreitung von Massenvernichtungswaffen« der neuen NATO angeblich ernste Sorgen bereiten, sind ihre Beziehungen mit Israel eng; weder der israelischen Politik der Unterdrückung und ethnischen Säuberung oder seinem halbherzig eingestandenen beträchtlichen Atomarsenal wurde (oder wird künftig) irgendein Hindernis in den Weg gelegt; weder der israelische Krieg gegen den Libanon 2006 noch seine mörderischen Angriffe auf Gaza sind ein Hinderungsgrund für innige Beziehungen, wie ja auch der unprovozierte Angriff der USA und Großbritanniens auf den Irak der Solidarität der NATO-Mitglieder keinen Abbruch getan hat. In seiner Eigenschaft als privilegierter Klient der USA ist Israel definitionsgemäß frei, gegen alle im Strategischen Konzept enthaltenen hohen Prinzipien zu verstoßen. (Der von Obama für den Posten des Sicherheitsberaters vorgesehene James Jones hat im Verlauf des letzten Jahres tatsächlich eine Besetzung des Gazastreifens und sogar der Westbank durch NATO-Truppen lauthals herbeireden wollen, und damit ist er innerhalb des US-Establishment keine einsame Stimme.)
Die neue NATO ist ein US-amerikanischer und imperialer Pitbull. Dieser hilft gegenwärtig bei der verstärkten Aufrüstung in der Welt, fördert den militärischen Aufbau der ehemaligen sowjetischen Satelliten in Osteuropa und der baltischen Staaten – inzwischen Satelliten der USA und der NATO – , arbeitet eng mit Israel zusammen, derweil dieser NATO-Partner seine Untermenschen [im Original auf deutsch/Anm.d.Übers.] einer ethnischen Säuberung und Enteignung unterzieht, hilft seinem Herrn und Meister, Klientelstaaten an der südlichen Grenze Rußlands zu errichten, besiegelt offiziell die Stationierung von US-Abwehrraketen in Polen, der Tschechischen Republik, Israel und in bedrohlicher Weise sonstwo weit entfernt von den Vereinigten Staaten und dringt auf die Verflechtung der US-Planungen mit einem breiteren »Schild« der NATO. Damit wird Rußland zu aggressiverem Verhalten und beschleunigter Aufrüstung geradezu gezwungen (genau wie früher durch die NATO).
Besetzung des Irak
Und selbstverständlich unterstützt die NATO die Besetzung des Irak. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer brüstet sich regelmäßig, daß alle 26 NATO-Staaten an der »Operation Iraqi Freedom« innerhalb des Irak oder in Kuwait beteiligt sind. Jedes einzelne Balkanland mit Ausnahme Serbiens hat im Irak Truppen gehabt und hat sie jetzt in Afghanistan. Die Hälfte der Staaten der ehemals sowjetischen Länder der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) hat ebenfalls Truppen für den Irak zur Verfügung gestellt, einige davon auch in Afghanistan. Diese Länder sind Truppenübungsplätze zum Anlernen und »Inter-Operationalisieren« der neuen »Partner«, und zum Erschließen einer neuen Rekrutierungsbasis für Söldner für die zunehmenden »out-of-area«-Operationen der NATO, die sich an den US-Kriegen in Afghanistan und Pakistan immer aktiver beteiligt.
Die NATO prahlt, wie gesagt, mit ihrer Rolle in den Balkan-Kriegen, die ebenso wie die Kriege in Irak, Afghanistan und Pakistan einen Verstoß gegen die UN-Charta darstellten. Gesetzlosigkeit ist zwangsläufiger Bestandteil des neuen »Strategischen Konzepts«. Statt der früheren (verlogenen) »kollektiven Selbstverteidigung« ermächtigen sich die NATO-Mächte auf ihrem Expansionskurs selbst, militärische Feldzüge »out-of-area« oder sogenannte »nicht-Artikel V-Missionen« außerhalb des NATO-Gebiets durchzuführen. Wie der Rechtswissenschaftler Bruno Simma schon 1999 bemerkte, »ist die Botschaft, welche diese Stimmen in unserem Zusammenhang vermitteln, klar: Falls sich herausstellt, daß ein Mandat oder eine Legitimation durch den Sicherheitsrat für bevorstehende »nicht-Artikel V-Missionen« mit Streitkräften nicht zu erreichen ist, muß die NATO immer noch in der Lage sein, eine solche Zwangsvollstreckung durchzuziehen. Daß die Al¬lianz dazu in der Lage ist, ist in der Kosovo-Krise demonstriert worden.«
Die neue NATO schätzt sich glücklich, ihrem Herrn und Meister zu helfen, rund um den Globus Macht zu demonstrieren. Außer der Hilfe bei der Einkreisung und Bedrohung Rußlands betreibt sie »Partnerschaftsabkommen« und führt gemeinsame Militärmanöver durch, so mit den sogenannten Ländern des Mittelmeer-Dialogs (Israel, Ägypten, Jordanien, Marokko, Tunesien, Mauretanien und Algerien). Ferner unterhält sie neue Partnerschaften mit den Staaten des Golf-Kooperationsrats (Bahrain, Kuwait, Saudi-Arabien, Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate) und hat damit den militärischen Einsatzbereich der NATO von der Atlantikküste Afrikas bis hin zum Persischen Golf ausgedehnt. In gleichen Zeitraum erfolgte eine ununterbrochene Serie von NATO-Besuchen und Seemanövern mit den meisten dieser neuen Partner sowie im vergangenen Jahr der erste bilateralen Militär-Vertrag der NATO mit Israel.
Der Pitbull ist bestens disponiert, Israel zu helfen, seine massiven Rechtsverletzungen fortzusetzen, den USA und Israel zu helfen, den Iran zu bedrohen und möglicherweise anzugreifen sowie das kooperative Programm zur Befriedung ferner Völker in Afghanistan und Pakistan und sicher auch noch anderswo auszuweiten – alles angeblich im Interesse des Friedens und der im Strategischen Konzept erwähnten »weiter gefaßten Stabilität«. Die NATO selbst liefert – wie die UNO – unter dem Anschein des Multilateralismus einen Deckmantel für einen gesetzlosen und praktisch unkontrollierten imperialen Ausdehnungsdrang. Tatsächlich stellt die NATO als aggressiver globaler Arm der USA und anderer eingebundener regionaler Imperialismen eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Welt dar. Die NATO schickt sich an, ihren 60. Geburtstag zu feiern, und obwohl sie schon 1991 hätte aufgelöst werden müssen, hat sie sich statt dessen ausgedehnt, nimmt eine neue bedrohliche Rolle an, die in ihrem Strategischen Konzept von 1999 vorgezeichnet ist, und erfreut sich eines schreckenerregenden, bösartigen Wachstums.
Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff
Edward S. Herman ist emeritierter Professor für Finanzwirtschaft an der Universität von Pennsylvania/USA und Medienanalyst. Eine Langfassung seines Artikels erschien zuerst bei Global Research und Z Magazine.
URL: http://www.jungewelt.de/beilage/art/2002
URL des Originals: http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=11989
Aktualisiert am 7. April 2009