Der Schwarze Kanal: Perfekte Kriegshetze
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29.10.2011 / Wochenendbeilage / Seite 3 (Beilage)Inhalt
Der Schwarze Kanal: Perfekte Kriegshetze
Von Werner Pirker
Als den »perfekten Krieg« wissen Martin Staudinger und Robert Treichler im linksliberalen österreichischen Wochenmagazin profil bar jeder Ironie die NATO-Aggression gegen Libyen zu würdigen. »Der Krieg in Libyen«, frohlocken die bisher noch nicht als rabiate Kriegshetzer auffällig gewordenen Autoren in der Ausgabe vom 24. Oktober, »hat das Image der humanitären militärischen Intervention gerettet.« Was den beiden Helden an der Heimatfront so große Freude bereitet, verheißt den Schutzbefohlenen unter den Nationen die forcierte Weiterverbreitung des Kriegselends.
Um die dem imperialistischen Krieg zuteil gewordene »Ehrenrettung« zu verdeutlichen, erinnern die beiden profil-Redakteure an den »fragwürdigen, unter falschen Voraussetzungen geführten Irak-Krieg«, der das Vertrauen der Hilfsbedürftigen an die schützende Hand des Westens erschüttert habe. »In Libyen hingegen«, schreiben sie, »hat die internationale Staatengemeinschaft gezeigt, daß Ethik und Kriegsführung einander nicht ausschließen und daß sie ihre Werte mit militärischen Mitteln gegen die Barbarei verteidigen kann, ohne am Ende als Heuchler dazustehen. Das ist das wiedererrungene Erbe aus Libyen.«
Die Gleichsetzung von westlicher Aggressionsgemeinschaft und internationaler Staatengemeinschaft reflektiert allein schon den globalen Machtanspruch des weißen Mannes, zumal im konkreten Fall die Afrikanische Union, die bis zuletzt für eine friedliche Lösung des Konfliktes in und um Libyen eingetreten war, offenbar als außerhalb der zivilisierten Staatenwelt stehend wahrgenommen wird. Da ist es dann nachgerade selbstverständlich, daß sich die westliche Wertegemeinschaft im Monopolbesitz universeller Werte wähnt. Besondere Genugtuung bereitet es Staudinger/Treichler, daß die Werte, die sie meinen, mit »militärischen Mitteln« (und nicht etwa friedlich) verteidigt werden konnten. Anders hätte sich Ethik und Kriegsführung auch nicht vereinbaren lassen. Zumal es um die Verteidigung unserer Werte gegen die Barbarei ging, es sich also um einen Verteidigungs- und nicht um einen Angriffskrieg handelte, was das Image der Barbarei des Krieges gegen die Barbarei gerettet hat.
Wollt Ihr den perfekten Krieg? Wer den perfekten Krieg will, darf sich von Friedensangeboten nicht beirren lassen. Um am Ende nicht als Heuchler dazustehen, wurden solche von den Beschützern der libyschen Zivilbevölkerung auch umgehend zurückgewiesen. Daß der Krieg unter dem heuchlerischen Vorwand, die Zivilbevölkerung zu schützen, begonnen wurde und auf Grund einer exzessiven Auslegung des UN-Mandats zum Bombenterror gegen Zivilisten mit Zehntausenden Toten ausartete, trübt die Siegesfreude der profil-Redakteure nicht im geringsten. Libyen hat ihnen den Glauben an die Wirkmächtigkeit von Weltordnungskriegen zurückgegeben. »Entscheidend für die Zukunft wird sein«, schreiben sie in planender Voraussicht, »ob auch in der schwierigen Phase der Nationsbildung jene Fehler vermieden werden können, die in Afghanistan und im Irak zu fatalen Konsequenzen geführt haben.« »Nation building«, die Eliminierung bestehender Nationalstaaten und die Bildung neuer Nationen nach westlichen Vorgaben – Amerikas neokonservativer Ungeist feiert wieder Hochkonjunktur. Oder um es mit unseren Schreibtisch-Kriegshelden zu sagen: »Das ist das wiedererrungene Erbe aus Libyen.«
Libyen hat sich als Exerzierfeld einer erneuerten westlichen Kriegspolitik vor allem deshalb angeboten, weil sich hier der um Selbstbestimmung gerichtete arabische Aufruhr in einen Gewaltakt der Fremdbestimmung umkehren ließ. Daß Ghaddafis Gegner im libyschen Bürgerkrieg eine äußerst blamable Figur abgaben, beschädigte zwar das Narrativ vom tapferen libyschen Volk, das sich einer grausamen Diktatur entledigte, verbesserte aber auch das Image westlicher »Befreiungsmissionen« als »letzte Option«. Sich über Friedensaktivisten im Westen hermachend, schreiben Staudinger und Treichler: »Die Bevölkerung von Bengasi und anderen Rebellenhochburgen hingegen forderte lautstark das militärische Engagement des Westens und straft so alle Kriegsgegner Lügen, die versuchten, die NATO als unerwünschten Aggressor darzustellen.« Ob der NATO-Überfall auf Libyen ein perfekter Krieg war, bleibe dahingestellt. Eine perfekte Inszenierung als »Revolutionseinsatz« war er allemal.