Die ägyptische Protestbewegung: »Diktatoren« herrschen nicht uneingeschränkt, sie gehorchen Befehlen
Die ägyptische Protestbewegung: »Diktatoren« herrschen nicht uneingeschränkt, sie gehorchen Befehlen
Prof. Michel Chossudovsky
05.02.2011
Das Mubarak-Regime könnte angesichts der landesweiten Protestbewegung zusammenbrechen. Welche Chancen böte das für Ägypten und die arabische Welt? – »Diktatoren« herrschen nicht uneingeschränkt, sie gehorchen Befehlen – das gilt gleichermaßen für Ägypten, Tunesien und Algerien. Diktatoren sind ausnahmslos politische Marionetten. Diktatoren entscheiden nicht. Präsident Hosni Mubarak war ebenso wie Ben Ali ein gewissenhafter Diener westlicher Wirtschaftsinteressen. Die Protestbewegung richtet sich gegen die Regierung des Landes. Ziel ist es eher, die Marionette abzusetzen, als den Puppenspieler.
Die Slogans in Ägypten lauten »Nieder mit Mubarak, nieder mit dem Regime«. Bisher wurde nicht über antiamerikanische Transparente berichtet … Der überragende und zerstörerische Einfluss der USA in Ägypten und im ganzen Nahen und Mittleren Osten wird öffentlich nicht diskutiert. Die ausländischen Mächte, die hinter der Szene agieren, werden von der Protestbewegung ausgeblendet. Es wird keine einschneidende politische Veränderung geben, solange das Problem der Einmischung aus dem Ausland von der Protestbewegung nicht sinnvoll angegangen wird. Die amerikanische Botschaft in Kairo ist ein wichtiger politischer Faktor und überschattet die Regierung des Landes. Die Botschaft ist kein Ziel der Protestbewegung.
Auf dem Höhepunkt des Golfkrieges 1991 wurde Ägypten vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ein verheerendes Wirtschaftsprogramm aufgezwungen. Im Gegenzug erließen die USA Ägypten mehrere Milliarden Dollar Schulden für militärische Güter, und Ägypten erklärte sich bereit, sich am Krieg zu beteiligen. Die daraus folgende Deregulierung der Nahrungsmittelpreise, die umfassende Privatisierung und eine drakonische Sparpolitik ließen das ägyptische Volk verarmen und destabilisierten die Wirtschaft des Landes. Aber die Regierung Mubarak wurde als »Musterschüler« des IWF gelobt.
In Tunesien war die Regierung Ben Ali dazu ausersehen, die tödliche Medizin des IWF durchzusetzen, die über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren die Volkswirtschaft destabilisierte und das tunesische Volk in bittere Armut trieb. In den vergangenen 23 Jahren wurde die Wirtschafts- und Sozialpolitik vom »Washingtoner Konsens« (ein vom IWF und Weltbank propagiertes Programm von »Strukturanpassungsmaßnahmen«) diktiert.
Hosni Mubarak und Ben Ali wurden an der Macht gehalten, weil ihre Regierungen dem Diktat des IWF gehorchten und es umsetzten. Von Pinochet und Videla, über Baby Doc bis hin zu Ben Ali und Mubarak wurden Diktatoren von Washington an die Macht gebracht. Geschichtlich gesehen wurden in Lateinamerika Diktatoren mit zahlreichen von den USA unterstützten Militärputschen an die Macht gebracht. In der heutigen Welt werden sie über »freie und demokratische Wahlen« unter den Augen der »internationalen Gemeinschaft« an die Macht gehievt. Meine Botschaft an die Protestbewegung:
Die tatsächlichen Entscheidungen fallen in Washington, im amerikanischen Außenministerium, im Pentagon, im CIA-Hauptquartier in Langley, in H Street NW, dem Sitz der Weltbank und des IWF. Die Beziehung des »Diktators« zu ausländischen Interessen muss zur Sprache gebracht werden. Verjagt die politischen Marionetten, aber vergesst nicht, die »wirklichen Diktatoren« ins Visier zu nehmen. Die Protestbewegung sollte sich auf den tatsächlichen Sitz der politischen Macht konzentrieren; sie sollte sich gegen die amerikanische Botschaft und die Büros des IWF und der Weltbank im Lande wenden. Ein tatsächlicher politischer Wandel kann nur sichergestellt werden, wenn die neoliberale Wirtschaftspolitik aufgegeben wird.
Austausch eines Regimes
Sollte die Protestbewegung die Rolle der ausländischen Mächte, einschließlich des von »Investoren«, ausländischen Gläubigern und internationalen Finanzinstitutionen ausgeübten Drucks, nicht thematisieren, wird man das Ziel einer nationalen Souveränität verfehlen. In diesem Fall würde es nur zu einem oberflächlichen »Regimeaustausch« kommen, der die politische Kontinuität absichert.
Diktatoren kommen und gehen. Wenn sie politisch diskreditiert sind und nicht länger den Interessen ihrer amerikanischen Unterstützer dienen, werden sie durch neue »Führer« ersetzt, die oft aus den Kreisen der politischen Opposition stammen.
In Tunesien hat sich die Regierung Obama bereits in Szene gesetzt. Sie will eine Schlüsselrolle im »Demokratisierungsprozess« (das heißt es sollen sogenannte faire Wahlen stattfinden) übernehmen. Darüber hinaus will die amerikanische Regierung die politische Krise dazu nutzen, Frankreich zu schwächen und die eigene amerikanische Position in Nordafrika zu festigen:
»Die Vereinigten Staaten haben rasch die Grundströmung der Proteste in den Straßen Tunesiens eingeschätzt und versuchen nun, ihren Vorteil zu nutzen und auf demokratische Reformen im Land und darüber hinaus zu drängen. Der führende amerikanische Gesandte für den Nahen- und Mittleren Osten, Jeffrey Feltman, kam als erster hochrangiger Vertreter des Auslands nach Tunesien, nachdem Präsident Zine El Abidine Ben Ali am 14. Januar gestürzt worden war, und forderte prompt Reformen. Am 18. Januar erklärte er, nur freie und faire Wahlen könnten der umkämpften Führung des nordafrikanischen Staates Stärke und Glaubwürdigkeit verleihen. ›Ich bin überzeugt, dass wir das tunesische Beispiel in den Gesprächen mit anderen arabischen Regierungen benutzen werden‹, fügte der stellvertretende Außenminister Feltman hinzu. Er wird nun in das nordafrikanische Land entsandt, um in der turbulenten Phase der Machtübergabe amerikanische Hilfe anzubieten und sich mit tunesischen Ministern und Vertretern der Zivilgesellschaft zu treffen. Am Mittwoch [26. Januar] reiste Feltman nach Paris, um die Krise mit der französischen Führung zu erörtern, womit er auch den Eindruck verstärken wollte, die USA seien die führende internationale Schutzmacht für ein neues Tunesien, zum Nachteil des früheren Kolonialherrn Frankreich …
Die Länder des Westens hatten die gestürzte Regierung Tunesiens lange unterstützt, weil sie sie als Bollwerk gegen islamistische Extremisten in Nordafrika sahen. So pries etwa der damalige amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 2006 in einer Rede in Tunis die Entwicklung des Landes. Und die amtierende amerikanische Außenministerin Hillary Clinton schaltete sich rasch mit einer Rede in Doha am 13. Januar ein, in der sie die arabischen Führer aufforderte, ihren jeweiligen Bürgern größere Freiheiten einzuräumen oder zu riskieren, dass Extremisten von der Situation profitierten. ›Ohne Zweifel versuchen die USA, sich rasch auf der guten Seite zu positionieren …‹.« AFP unter der Überschrift: »USA wollen Ergebnis der tunesischen Aufstände beeinflussen« (Hervorhebung vom Verfasser).
Wird es Washington gelingen, ein neues Marionettenregime an die Macht zu bringen? Das hängt in großem Maße davon ab, inwieweit es der Protestbewegung gelingt, die heimtückische Rolle der USA in den inneren Angelegenheiten des Landes zum Thema zu machen und dagegen zu mobilisieren. Bisher blieb der überragende Einfluss des Weltmacht unerwähnt und unangetastet. Zynisch hat Präsident Obama sogar noch seine Unterstützung für die Protestbewegung zum Ausdruck gebracht. Viele Menschen aus der Protestbewegung soll glauben gemacht werden, dass Präsident Obama entschlossen für Demokratie und Menschenrechte eintritt und dass er die Entschlossenheit der Opposition, den Diktator abzusetzen, der immerhin in aller erster Linie von den USA eingesetzt wurde, unterstützt.
Die Einvernahme von Oppositionsführern
Die Einvernahme führender Vertreter größerer Oppositionsparteien und der Bürgergesellschaft in Vorwegnahme des Zusammenbruchs eines autoritären Marionettenregimes ist Teil der Washingtoner Strategie, die in unterschiedlichen Weltregionen zum Einsatz kommt. Dieser Prozess wird von Stiftungen mit Sitz in den USA wie der National Endowment for Democracy (NED) und dem Freedom House (FH) gesteuert und finanziert. Beide Organisationen stehen in enger Verbindung mit dem amerikanischen Kongress, und beide sind für ihre Beziehungen zur CIA berüchtigt. Die NED ist in Tunesien, Ägypten und Algerien an den Geschehnissen beteiligt. Freedom House seinerseits unterstützt verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen in Ägypten.
»Das NED wurde von der Regierung Reagan aufgebaut, nachdem die Rolle der CIA bei der verdeckten Finanzierung von Umsturzversuchen ausländischer Regierungen ans Licht gekommen war, was diejenigen Parteien, Bewegungen, Zeitschriften, Bücher, Zeitungen und Persönlichkeiten in Misskredit brachte, die Gelder von der CIA erhalten hatten … Als überparteiliche Stiftung unter Beteiligung der beiden großen Parteien, aber auch des [Gewerkschaftsdachverbandes] AFL-CIO und der amerikanischen Handelskammer übernahm das NED die Finanzierung von Bewegungen, die ausländische Regierungen stürzen wollten, tat dies aber offen und unter dem Deckmantel der ›Verbreitung von Demokratie‹«, schrieb Stephen Gowans im Januar 2011 unter der Überschrift »Was bleibt?«.
Während die USA die Regierung Mubarak in den vergangenen 30 Jahren unterstützte, standen amerikanische Stiftungen mit Verbindungen zum Außenministerium und dem Pentagon der politischen Opposition und der Bewegung für eine Bürgergesellschaft aktiv zur Seite. Originalton Freedom House: »Die ägyptische Zivilgesellschaft ist lebhaft und zugleich eingedämmt. Es gibt Hunderte Nichtregierungsorganisationen, die sich der Ausweitung der Bürger- und politischen Rechte verschrieben haben und in einem stark kontrollierten Umfeld tätig sind.« (Presseerklärung des Freedom House)
Es ist schon zynisch, wenn Washington die Diktatur Mubaraks an der Macht hält und dessen Grausamkeiten duldet, während es zugleich seine Kritiker über die Aktivitäten des Freedom House, der NED und anderer Organisationen unterstützt und finanziert. Unter der Schirmherrschaft des Freedom House wurden ägyptische Dissidenten und Mubarak-Gegner im Mai 2008 von Condoleezza Rice im amerikanischen Außenministerium und dem Kongress empfangen. Sie trafen auch mit dem Nationalen Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Stephen Hadley, zusammen, der der wichtigste außenpolitische Berater George W. Bushs in dessen zweiter Amtszeit war.
Die Bemühungen von Freedom House, eine neue Generation von »Fürsprechern der Demokratie« hervorzubringen, zeitigten greifbare Resultate, und das Programm »Neue Generation« in Ägypten wurde im in- und Ausland berühmt. Ägyptische Gaststipendiaten aus allen zivilgesellschaftlichen Gruppen wurden [im Mai 2008] mit großer Aufmerksamkeit und Anerkennung empfangen und trafen in Washington mit der amerikanischen Außenministerin, dem Nationalen Sicherheitsberater und bekannten Kongressvertretern zusammen, Condoleezza Rice bezeichnet die Stipendiaten als »die Hoffnung für die Zukunft Ägyptens«. (Hervorhebungen vom Autor) (http://www.freedomhouse.org/template.cfm?page=66&program=84)
Doppelzüngig: Chatten mit »Diktatoren«, Verbrüderung mit »Dissidenten«
Im Mai 2009 traf Hillary Clinton mit einer Delegation ägyptischer Dissidenten zusammen, von denen einige schon beim Treffen mit ihrer Amtsvorgängerin Condoleezza Rice im Jahr zuvor dabei gewesen waren. Diese hochrangigen Treffen erfolgten eine Woche vor Obamas Besuch in Ägypten: Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton lobte die Arbeit einer Gruppe von Aktivisten für eine ägyptische Bürgergesellschaft, mit der sie am gleichen Tag zusammengetroffen war und erklärte, es liege im ägyptischen Interesse, sich in Richtung Demokratie zu bewegen und stärker auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten. Die 16 Aktivisten trafen in Washington mit Clinton und dem amtierenden stellvertretenden Außenminister für Nahost-Angelegenheiten, Jeffrey Feltman, am Ende ihres zweimonatigen Stipendiums, das vom dem Programm »Neue Generation« des Freedom House finanziert und organisiert worden war, zusammen.
Die Stipendiaten äußerten sich über die, wie sie es sahen, Distanzierung der amerikanischen Regierung von der ägyptischen Zivilgesellschaft besorgt und forderten Präsident Obama auf, bei seinem Kairo-Besuch in der nächsten Woche auch mit jungen, unabhängigen Aktivisten für eine Zivilgesellschaft zusammenzukommen. Darüber hinaus forderten sie die Regierung Obama auf, an der politischen und finanziellen Unterstützung für ägyptische Zivilgesellschaft festzuhalten und dazu beizutragen, Nichtregierungsorganisationen die Arbeit in Ägypten zu erleichtern, was unter dem immer noch geltenden Notstandgesetzen extrem schwierig ist.
Die Stipendiaten erklärten Clinton, in Ägypten wachse bereits die Bewegung für größere Bürger- und Menschenrechte. Amerikanische Unterstützung sei dringend erforderlich. Sie betonten, die Zivilgesellschaft stelle einen gemäßigten und friedlichen »dritten Weg« für Ägypten dar, eine Alternative zu den autoritären Elementen in der Regierung und den nach einem islamischen Gottesstaat strebenden Kreisen (Freedom House, 2009, Hervorhebungen vom Autor).
Während ihres Stipendiums verbrachten die Aktivisten eine Woche in Washington, wo sie an einem Training teilnahmen, in dem man geschult wird, für etwas einzutreten und Entscheidungsprozesse zu beeinflussen, und erhielten Einblicke in die Funktionsweise der amerikanischen Demokratie. Nach ihrem Training erhielten sie Gelegenheit, sich mit Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen aus dem ganzen Land zu treffen und Erfahrungen auszutauschen. Die Aktivisten werden ihr Programm mit Treffen mit amerikanischen Regierungsvertretern, Kongressmitgliedern, und Besuchen bei Medienunternehmen und Denkfabriken abschließen. (Freedom House, Mai 2009, Hervorhebungen vom Autor)
Diese zivilgesellschaftlichen Oppositionsgruppen, die derzeit in der Protestbewegung eine wichtige Rolle spielen, werden von den USA unterstützt und finanziert. Sie dienen dauerhaft amerikanischen Interessen. Die Einladung ägyptischer Dissidenten in das Außenministerium und den amerikanischen Kongress dient auch dazu, in ihnen ein Gefühl des Engagements und der Loyalität zu den amerikanischen demokratischen Werten wecken. Amerika wird als Modell für Freiheit und Gerechtigkeit dargestellt. Und Obama wird als Vorbild hochgehalten.
Die »Strippenzieher« unterstützen die Protestbewegung gegen ihre eigenen Marionetten
Die Strippenzieher im Hintergrund unterstützen Dissidenten gegen ihre eigenen Marionetten? Das nennt man »politisches Aushebeln« oder »Manipulation abweichender Meinungen«. Man unterstützt den Diktator ebenso wie die Gegner des Diktators, um so die politische Opposition kontrollieren zu können.
Das Vorgehen von Freedom House und der National Endowment for Democracy im Interesse der Regierungen von Bush und Obama garantiert, dass sich die von den USA finanzierte zivilgesellschaftliche Opposition ihre Kräfte nicht gegen die Drahtzieher hinter dem Mubarak-Regime – und zwar die amerikanische Regierung – richtet.
Diese fremdfinanzierten, zivilgesellschaftlichen Organisationen handeln wie ein »Trojanisches Pferd«, das sich in die Protestbewegung integriert. Sie schützen die Interessen ihrer Hintermänner. Sie stellen sicher, dass die vom Volk getragene Protestbewegung sich nicht mit dem tiefergehenden Problem der ausländischen Einmischung in die Angelegenheiten eines souveränen Staates auseinandersetzt.
Die Twitter– und Facebook-Blogger: unterstützt und finanziert von Washington
Im Zusammenhang mit der Protestbewegung in Ägypten haben sich einige zivilgesellschaftliche Gruppen, die von Stiftungen mit Sitz in den USA finanziert werden, an die Spitze des Protestes bei Twitter und Facebook gesetzt: »Aktivisten der ägyptischen Kifaya (›Genug‹) –Bewegung – eine Koalition aus Regierungsgegnern –m und der Jugendbewegung »6. April« organisierten die Proteste auf den Internetseiten der sozialen Netzwerke Facebook und Twitter. Westlichen Nachrichtensendungen zufolge scheint Twitter in Ägypten später blockiert worden zu sein.« (Voice of America, »Proteste gegen die Regierung mit Toten erschüttert Ägypten«)
Die Kifaya-Bewegung, die Ende 2004 einen der ersten Proteste gegen das Mubarak-Regime organisierte, wird vom amerikanischen International Center for Non-Violent Conflict unterstützt. Kifaya ist eine Bewegung mit einer breiten Basis und hat sich bereits auch mit Palästina und dem amerikanischen Interventionismus in der Region auseinandergesetzt.
Freedom House seinerseits war an der Förderung und Ausbildung der Facebook– und Twitter-Blogs im Nahen Osten und Nordafrika beteiligt: »Freedom-House-Stipendiaten setzen sich intensiv mit den Möglichkeiten sozialer Netzwerke über die Zusammenarbeit mit Spendern aus Washington, internationalen Organisationen und den Medien auseinander. Nach ihrer Rückkehr nach Ägypten erhalten die Stipendiaten kleine Beihilfen, um innovative Initiativen wie den Einsatz für politische Reformen durch Facebook und SMS-Benachrichtigungen anzustoßen.« (http://www.freedomhouse.org/template.cfm?page=66&program=84)
»Vom 27. Februar bis zum 13. März [2010] waren bei Freedom House elf Blogger [von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen] aus dem Nahen Osten und Nordafrika zu einer zweiwöchigen ›Advanced New Media Study Tour‹ zu Gast, in deren Rahmen sich die Blogger intensiv mit den Problemen digitaler Sicherheit, digitaler Videobearbeitung, Entwicklung von Kernbotschaften und digitaler Kartografie beschäftigten. Während ihres Aufenthaltes in Washington und Umgebung nahmen die Stipendiaten auch an Beratungen des Senats teil und trafen mit hochrangigen Vertretern von USAID, des Außenministeriums und des Kongresses sowie Mitarbeitern internationaler Medien wie Al-Dschasira und der Washington Post zusammen.« (http://www.freedomhouse.org/template.cfm?page=115&program=84&item=87)
Angesichts der Vielzahl hochrangiger Treffen im Senat, dem Repräsentantenhaus, dem Außenministerium usw. lässt sich leicht die Bedeutung ermessen, die die amerikanische Regierung diesem »Trainingsprogramm« für Blogger zuerkennt. Die Rolle der sozialen Netzwerke Facebook und Twitter als Ausdruck oppositioneller Ansichten muss im Lichte der Verbindungen verschiedener ägyptischer zivilgesellschaftlicher Organisationen zu Einrichtungen wie Freedom House, der National Endowment for Democracy und zum amerikanischen Außenministerium sorgfältig beurteilt werden.
Die Nachrichtensendung BBC News World (die im Nahen und Mittleren Osten ausgestrahlt wird) berichtete unter Berufung auf Zitate aus ägyptischen Internet-Meldungen, »die USA unterstützten prodemokratische Gruppen finanziell«. Und in einem geheimen Dokument der amerikanischen Botschaft heißt es laut einem Bericht des Daily Telegraph: »Die Proteste in Ägypten wurden von der Jugendbewegung 6. April gesteuert, einer Facebook-Gruppe, die vor allem junge und gebildete Mubarak-Gegner anzieht. Die Gruppe verfügt über schätzungsweise 70.000 Mitglieder und benutzt die Internetseiten sozialer Netzwerke, um Proteste zu organisieren und über ihre Aktivitäten zu berichten. Die von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente enthüllen, dass offizielle Vertreter der amerikanischen Botschaft [in Kairo] 2008 und 2009 regelmäßig in Kontakt mit dem Aktivisten standen, den sie als eine ihrer vertrauenswürdigsten Quellen für Informationen über Menschenrechtsverletzungen ansahen.« (Hervorhebungen vom Verfasser)
Die Moslembruderschaft
Die Moslembruderschaft in Ägypten bildet das größte Teilstück der Opposition zu Präsident Mubarak. Berichten zufolge soll die Moslembruderschaft die Protestbewegung weitegehend kontrollieren. Religiöse Parteien sind zwar laut Verfassung verboten, aber Mitglieder der Moslembruderschaft lassen sich als »Unabhängige« ins Parlament wählen, in dem sie die größte parlamentarische »Fraktion« stellen.
Diese Bruderschaft stellt dennoch keine unmittelbare Gefahr für die wirtschaftlichen und strategischen Interessen Washingtons in der Region dar. Westliche Geheimdienste arbeiten seit Langem mit der Bruderschaft zusammen. Die britische Unterstützung für die Bruderschaft über den britischen Geheimdienst geht bis auf die 40er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Seit den 1950er-Jahren, berichtet der frühere Geheimdienstbeamte William Baer, »ließ die CIA der Moslembruderschaft Unterstützung zukommen, weil die Bruderschaft über beachtliche Möglichkeiten zum Sturz Nassers verfügte«. (»1954–1970: Die CIA und die Moslembruderschaft verbünden sich gegen den ägyptischen Präsidenten Nasser«.) Diese verdeckten Verbindungen zur CIA wurden auch in der Zeit nach Nasser beibehalten.
Abschließende Bemerkungen
Der Sturz von Hosni Mubarak war schon seit einigen Jahren als Option Bestandteil der außenpolitischen Planungen der USA. Der Austausch von Regimen dient der Sicherung der Kontinuität, weil er [für Öffentlichkeit und Bevölkerung] die Illusion erzeugt, es habe wirklichen politischen Wandel gegeben.
In Bezug auf Ägypten will Washington die Protestbewegung für seine Zwecke manipulieren und Präsident Mubarak durch eine neue gefügige Marionette ersetzen. Washington will die Interessen ausländischer Mächte schützen und die neoliberale Wirtschaftspolitik fortsetzen, die die ägyptische Bevölkerung in bittere Armut getrieben hat.
Aus Sicht Washingtons ist bei der Auswechselung eines Regimes die Installation eines autoritären Militärregimes wie in den Glanztagen des amerikanischen Imperialismus nicht länger die einzige Option. Ein neues Regime kann auch durch die Einvernahme politischer Parteien, auch der linken, durch die Finanzierung zivilgesellschaftlicher Gruppen und die Infiltration der Protestbewegung und nicht zuletzt die Manipulation von Wahlen eingesetzt werden.
Unter Bezug auf die Protestbewegung in Ägypten erklärte Präsident Obama am 28. Januar in einer Videosendung, die auch über YouTube verbreitet wurde: »Die Regierung sollte nicht zu Gewalt Zuflucht nehmen.« Es stellt sich aber die grundlegendere Frage, was ist die Quelle dieser Gewalt? Ägypten ist nach Israel der zweitgrößte Empfänger amerikanischer Militärhilfe. Und das ägyptische Militär gilt als Machtbasis des Mubarak-Regimes: »Die Streitkräfte des Landes und die Polizeieinheiten sind aufgrund der mehr als eine Milliarde Dollar umfassenden jährlichen Militärhilfe aus Washington bis an die Zähne bewaffnet … Wenn die USA Ägypten offiziell als ›einen wichtigen Verbündeten‹ bezeichnen, bezieht sich das ungewollt auf die Bedeutung Mubaraks als Vorposten amerikanischer Militäroperationen und schmutziger Kriegstaktiken im Nahen und Mittleren Osten und darüber hinaus. Internationale Menschenrechtsgruppen haben klare Beweise dafür vorgelegt, dass zahllose ›Verdächtige‹ von amerikanischen Kräften in ihren verschiedenen (kriminellen) Operationsgebieten gefangen und dann heimlich nach Ägypten geschafft werden, wo sie dann ›robust‹ verhört werden. Das Land dient als gigantisches ›Guantanamo‹ des Nahen Ostens, das angenehmerweise der amerikanischen Öffentlichkeit verborgen ist und wo man von legalen Feinheiten in Bezug auf Menschenrechte befreit ist.« (Finian Cunningham, »Egypt: US-Backed Repression is Insight for American Public«, Global Research, 28.Januar 2010)
Amerika ist kein Vorbild für die Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens. Die amerikanische Militärpräsenz, die Ägypten und der arabischen Welt seit mehr als 20 Jahren aufgezwungen wird, ist in Kombination mit den »freimarktwirtschaftlichen« Reformen der eigentliche Grund staatlicher Gewalt.
Amerika will die Protestbewegung benutzen, um ein neues Regime an die Macht zu bringen. Die Bewegung des Volkes sollte ihren Energien eine neue Richtung geben: Die Beziehungen zwischen Amerika und »dem Diktator« müssen klar herausgestellt werden. Setzt die Marionette Amerikas ab, aber vergesst dabei nicht die »wirklichen Diktatoren«. Schiebt den Regimewechsel erst einmal auf. Beendet die neoliberalen Wirtschaftsreformen. Schließt alle amerikanischen Militärstützpunkte in der arabischen Welt. Bildet eine wahrhaft souveräne Regierung.
Quelle: GlobalResearch