Die Notengeber der Weltwirtschaft (Ratingagenturen)
Die Notengeber der Weltwirtschaft
Hintergrund: Woher die Ratingagenturen ihre globale Macht haben, wie sie die Macht ausüben und warum das zur Enteignung von Unternehmen, Staaten und Bürgern führt
Von Werner Rügemer, Junge Welt, 7. April 2012
Bekanntlich waren die drei großen Ratingagenturen Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch Mitverursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2007 ausbrach. Ihre Falschbeurteilungen hatten die Spekulationen der Banken, Versicherungen, Hedgefonds und Konzerne legitimiert und beschleunigt. Deswegen wurden die Agenturen zunächst hart kritisiert, sie sollten zerschlagen oder reformiert werden. Doch nichts dergleichen geschah. Verschiedene frühere Krisen, die sie ebenfalls mitverursachten – Unternehmensbankrotte wie Enron, Parmalat und Bank Lehman, »Asienkrise« und andere –, hatten sie ebenfalls unversehrt, ja gestärkt überstanden. Sie müssen also mächtige Freunde haben.
Rating im Staatsauftrag
Die Credit Rating Agencies, wie sie richtig heißen, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in New York gegründet. Sie waren als kleine Familienverlage spezialisiert auf die Beobachtung der damals zahlreich gegründeten Aktiengesellschaften, die den Aufbau von Eisenbahnen wie von Textil- und Stahlunternehmen finanzierten. So manche gingen schnell in den betrügerischen Bankrott. Die Aktienkäufer und Anleger suchten nach verläßlichen Informationen, und Moody’s, Standard Statistics, Poor’s und Fitch verkauften ihnen für ein paar Cent einschlägige Zeitschriften, Handbücher und Infoblätter. Die Agenturen wurden langsam und stetig größer, kauften andere Agenturen auf, Standard Statistics und Poor’s fusionierten 1941. Die entscheidende Veränderung kam dann mit dem, was beschönigend »Globalisierung« genannt wird.
1971 stellte zuerst Moody’s den Bezahlmodus um: nicht mehr die interessierten Aktien- und Wertpapierkäufer zahlten für die Informationen. Moody’s ließ sich nun von den Verkäufern der Aktien und Wertpapiere bezahlen, also von den sogenannten Emittenden, den Banken und Aktiengesellschafen selbst. Die anderen beiden Agenturen zogen nach. Kurz gesagt: Die Investmentbanken, deren Geschäft die Aktienemission war, hatten an der Wall Street das Heft in die Hand genommen. Das führte zu einer klar erkennbaren Interessenkollision: Der Verkäufer bezahlt selbst für die Bewertung seines Produkts. Das ist so, als wenn eine Fußballmannschaft ihren eigenen, von ihr bezahlten Schiedsrichter mitbrächte. Aber die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) genehmigte den neuen Bezahlmodus, und nicht nur das.
Die Benotung von Unternehmen, Banken, Städten, Staaten, Aktien und Wertpapieren wurde zu einer staatlichen Aufgabe. In mehreren Gesetzen wurde verankert, daß sich die Kreditkonditionen nach dem Rating richten: je besser das Rating, desto niedriger der Zins für die Kreditnehmer. Je besser das Rating, desto teurer läßt sich eine Aktie oder ein sonstiges Wertpapier verkaufen. Pensions- und Investmentfonds wurde vorgeschrieben, in welche Wertpapiere sie die Gelder der Pensionäre und Anleger investieren durften, abhängig vom Rating.
Die dritte Festlegung war: Nur solche Rating agenturen üben diese hoheitliche Funktion aus, die von der SEC eine Lizenz erhalten – und das waren die an der Wall Street beliebtesten Agenturen Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch. Seit 1975 bilden sie ein Oligopol: Es beherrscht heute 97 Prozent des westlichen Ratinggeschäfts, an erster Stelle Standard&Poor’s mit 47 Prozent, Moody’s mit 36 Prozent und die kleinste Agentur Fitch mit 14 Prozent. Sie sind private Aktiengesellschaften und verdienen sehr gut: Ein Rating kostet heute je nach Komplexität zwischen 50000 und anderthalb Millionen Dollar.
Wall Street und US-Regierung setzten ihr Ratingsystem in den folgenden Jahrzehnten weltweit durch – zunächst mit Hilfe von UNO und Weltbank in den Entwicklungsländern, dann über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS, Bank for International Settlements, Sitz Basel/Schweiz). Die BIS, 1930 von Wall Street-Banken und westeuropäischen Zentralbanken gegründet, ist die Zentralbank der Zentralbanken. In den Vereinbarungen »Basel I« (1988) und »Basel II« (2007) wurde das US-Ratingsystem für die kapitalistischen Staaten verbindlich gemacht. Es findet sich in den Statuten etwa der deutschen Finanzaufsicht BaFin und der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder. Die Europäische Union hat darauf verzichtet, die Bonität (Fähigkeit zur Rückzahlung von Krediten) ihrer Unternehmen und Mitgliedstaaten selbst zu bewerten, sondern hat damit die »Großen Drei« beauftragt.
Ihre Macht haben die Agenturen folglich von den Staaten, Zentralbanken und Finanzaufsichten. Doch das ist nur die Hälfte der Macht.
Mächtige Eigentümer: Hedgefonds
Bei allem kritischen Gerede und bei der seit der »Finanzkrise« 2007 ständigen Berichterstattung haben weder Politiker noch Medien die einfache Frage gestellt: Wem gehören eigentlich die Agenturen?
Die beiden größten Agenturen gehören den wichtigsten Hedgefonds. Sie sind die heute mächtigsten Finanzakteure. Sie bewegen größere Summen als die herkömmlichen Banken. Sie unterliegen keinen Regulierungen, sie können hinter den Kulissen tun, was sie wollen. Sie stehen mit den »Normal«banken, insbesondere mit den Investmentbanken wie Goldman Sachs, Barclays, Société Générale und Deutsche Bank in enger Beziehung: Diese Banken geben den Hedgefonds große Kredite, um an deren unregulierten, lukrativen Geschäften teilzuhaben, und diese Banken gründen selbst Hedgefonds. Das Prinzip »shareholder value« gilt nicht mehr. Hedgefonds verkörpern den Machtwechsel: Die Banken, auch die größten Investmentbanken, sind nun zweite Garde, sie gehören den wichtigsten der etwa 10 000 Hedgefonds.
Nehmen wir als Beispiel den gegenwärtig größten Hedgefonds: Blackrock. Gründer Laurence Fink von der Investmentbank First Boston gilt als Erfinder der Wertpapiere, die aus verbrieften Hypothekenkrediten gebündelt werden und mit denen die Finanzkrise 2007 ausgelöst wurde. Von 2008 bis 2010 verdreifachte sich das verwaltete Vermögen des größten Vermögensverwalters der Welt auf 3,65 Billionen US-Dollar. Blackrock ist Miteigentümer Hunderter Banken und Konzerne. Blackrock ist zum Beispiel der größte Einzelaktionär der Deutschen Bank und der Deutschen Börse sowie Miteigentümer aller 30 Unternehmen, die im Deutschen Aktienindex DAX gelistet sind.
Der Fonds wurde von US-Finanzminister Timothy Geithner zur Rettung bankrotter Banken und des Versicherungskonzerns American International Group (AIG) herangezogen und berät auch die US-Zentralbank. Die juristischen Sitze der Hunderten Tochterfirmen befinden sich zu neun Zehnteln in der US-amerikanischen Finanzoase Delaware. Blackrock hat mit 9000 Beschäftigten in 25 Staaten vergleichsweise sehr wenig Personal. Aladdin, das Datensystem des Unternehmens, soll das größte und schnellste im Finanzsektor sein: Auf Knopfdruck sind millisekündlich die Werte aller Wertpapiere weltweit abruf- und vergleichbar und bilden die Grundlage für automatische, großflächige Kauf- und Verkaufsoperationen. Blackrock bereitet ein internes Handelssystem vor, das von den regulierten Börsen und Banken getrennt ist – der größte »dark pool« der Welt.
Zurück zu den Ratingagenturen: Blackrock ist der zweitgrößte Eigentümer von Standard&Poor’s. Größter Aktionär ist der Hedgefonds Capital Group, dann folgen die Hedgefonds Vanguard, State Street und T. Rowe Price. Danach kommen als Miteigentümer mit kleineren Anteilen auch Banken und Versicherungen: Bank of New York, Morgan Stanley und der »deutsche« Versicherungskonzern Allianz. Und wie es der Zufall will, der nichts dem Zufall überläßt: Genau dieselben Hedgefonds und in derselben Reihenfolge Capital Group, Blackrock, Vanguard, State Street und T. Rowe Price sind auch die Haupteigentümer von Moody’s.
Etwas anders ist es bei Fitch. Die Mehrheit gehört dem US-Medienimperium Hearst. Es produziert Dutzende anzeigenüberfüllte Zeitschriften in zahlreichen Sprachen (Cosmopolitan, Marie Claire …) und weltweit verkaufte TV-Serien, betreibt TV-Sender auf allen Kontinenten (History Channel in 75 Staaten …) und die erfolgreichsten Sportkabelsender ESPN und ESPN2. Mit Microsoft und Yahoo und mehreren Zeitungen (San Francisco Chronicle …) beherrscht Hearst den digitalen US-Anzeigenmarkt. Hearst ist seit der Gründung ein verschlossener, politisch rechtsstehender Familienkonzern. Der zweite Fitch-Aktionär ist die Pariser Finanzholding Fimalac, in der Interessen des US-freundlichen französischen Kapitals vertreten sind (Luxusgüterkonzern L’Oreal, Renault, Supermarktkette Casino Guichard, Rothschild …). Fimalac ist wie Hearst als verschlossener Familienkonzern organisiert. Wir dürfen vermuten, daß sie nach den Gewohnheiten dieser Kreise enge Beziehungen zu Hedgefonds haben.
Inszenierte und suggestive Ratings
Die Agenturen präsentieren sich als unabhängige Instanzen, die rein wissenschaftlich ihre objektiven Ratings erstellen. Doch dies ist nicht der Fall. Das geht schon aus der bisherigen Darstellung hervor: Die Manager und Angestellten eines kapitalistischen Unternehmens haben bei Strafe des Rauswurfs die Interessen ihrer Hauptaktionäre durchzusetzen.
Doch die Objektivität wird noch durch weitere Praktiken unmöglich gemacht. Die drei Agenturen haben seit 1975 ihr Geschäftsfeld erweitert. Sie haben Dutzende von Tochterfirmen gegründet, um ihren Ratingkunden weitere Dienstleistungen zu verkaufen: Beratung. Dazu gehören Markterkundungen, Kredit- und Investmentanalysen, Finanz- und Risikosoftware, Training von Bankern und Unternehmensmanagern. Durch die Gleichzeitigkeit von Rating und Beratung wird die ohnehin bestehende Insider-Verfilzung weiter verstärkt. Wie durch die detaillierten Ermittlungen des US-Kongresses nach der letzten Finanzkrise herauskam, haben die Agenturen ihre Kunden vor der endgültigen Erstellung von Ratings beraten, wie sie für Schrottpapiere ein besseres Rating bekommen können. Das wird als »suggestives Rating« bezeichnet. Eine weitere Praxis ist das »shopping and hopping«: Wenn die eine Agentur zögerte, einem Spekulationspapier von Goldman Sachs sofort ein gutes Rating zu geben, ging die Bank zur nächsten Agentur mit der Bemerkung: Wir geben euch den Auftrag, wenn ihr nicht so kritisch seid wie die Konkurrenz. Das funktionierte. Ergebnis: Bezahlte Gefälligkeitsratings für Schrottpapiere.
Die Agenturen können aber auch Ratings erstellen, wenn sie gar keinen Auftrag eines Kunden haben und nicht dafür bezahlt werden: auftragsloses Rating. Solche Ratings mit Herabstufungen verpaßten die Agenturen z.B. den europäischen Staaten Griechenland, Portugal, Italien, Spanien, Irland und Frankreich. Dies geschieht aus eigenen strategischen Interessen der Agenturen bzw. ihrer Eigentümer. Das wird regelrecht inszeniert: Die Herabstufung oder deren Androhung verkündeten die Agenturen zeitlich präzise wenige Tage vor dem Treffen der EU-Finanzminister, die mit ihren Beschlüssen zum »Rettungsschirm« noch zögerten. Oder die Agenturen plazierten ihre Ratings wenige Tage, bevor das griechische oder italienische Parlament die rigorosen Sparmaßnahmen beschließen sollte, aber dafür noch keine Mehrheit bestand. Diese Inszenierungen werden dadurch verstärkt, daß die Agenturen wie die Ölkonzerne im Geleitzug operieren: Eine Agentur prescht mit einer Herabstufung vor, die zweite folgt drei Wochen später, die dritte dann mit einer weiteren Verzögerung; aber alle Ratings gehen – wie die Benzinpreiserhöhungen der Ölkonzerne – geheimnisvollerweise in dieselbe Richtung.
Frei von jeglicher Haftung
Die drei Agenturen haben ihre operativen Hauptsitze in den beiden Zentren des westlichen Kapitalismus, in New York und London. Ihre juristischen Sitze liegen allerdings in den für dieses Gewerbe üblichen Finanzoasen, insbesondere in Delaware/USA und auf den Cayman Islands. Dort haben auch die Hedgefonds und sonstigen Schattenbankgewächse ihren rechtlichen Sitz. Genauso haben die Agenturen ihre inzwischen Dutzende von Niederlassungen in Deutschland, Frankreich, Luxemburg, der Schweiz, Indien, Israel usw. juristisch in solchen Finanzoasen angesiedelt.
Die Agenturen versehen zudem jedes Rating mit einem Vorbehalt: »Wir übernehmen keine Verantwortung für direkte oder indirekte Folgen dieses Ratings. Es stellt lediglich eine persönliche Meinungsäußerung (opinion issue) dar.« Das ist natürlich ein Widerspruch zu der in Gesetzen und Praktiken festgelegten verbindlichen Funktion der Ratings.
Doch auch bei den gravierendsten Falschbewertungen kommen die Agenturen mit ihrem Vorbehalt bisher durch. Sie berufen sich auf den Ersten Zusatz von 1791 zur US-Verfassung. Danach gehören freie Religionsausübung, Presse- und Meinungsfreiheit zu den Grundrechten. Hunderte von Schadenersatzklagen wegen falscher Ratings wurden deshalb von US-Gerichten immer wieder abgewiesen. Die US-Justiz anerkennt das Argument der Agenturen, pervertiert die Grundrechte und macht sich zum Büttel des Schattenbanksystems. Die US-Justiz verletzt damit, ohne daß eine Regierung bisher protestiert hätte, die Prinzipien des Rechtsstaats: Denn wenn die Agenturen staatliche Funktionen und Folgen für Dritte haben, können sie keine persönliche Meinungsäußerung sein. Auch die europäische Justiz hat sich dieser Praxis bisher blind angeschlossen.
Reformen?
Die »großen Drei« sind ausführende Instrumente von Hedgefonds und Investmentbanken. Sie vertreten die Kreditgeber und diejenigen Finanzakteure, die mit Krediten spekulieren. Sie verfestigen damit die Herrschaft ihrer Klientel über Unternehmen, Staaten, Volkswirtschaften und Städte. Die Kredite werden eingetrieben ohne Rücksicht auf volkswirtschaftliche Verluste. Es wird nicht geprüft, wie Kredite zustande gekommen sind, beispielsweise in Griechenland durch korrupte Regierungen und gemeinsame Manipulationen von griechischer Zentralbank und Goldman Sachs. Die Empfehlungen der Agenturen beinhalten nie die Reduzierung von Rüstungskosten oder die haushaltssanierende Einführung von Gewinn- und Finanzsteuern. Die Enteignung von Unternehmen, Staaten, Rechtsansprüchen von Beschäftigten und Bürgern ist die Folge. Ebenso führt dies zur Entdemokratisierung und zur Etablierung autoritärer Regimes.
Seit einem Jahrzehnt wird immer wieder über Reformen diskutiert. Nach dem plötzlichen Bankrott des US-Vorzeigeunternehmens Enron 2001 wurden die Fähigkeiten der Agenturen in Frage gestellt, Unternehmen objektiv bewerten zu können. Bis einige Tage vor dem Absturz hatten die Agenturen Enron gute Noten gegeben. Das Reformgesetz von 2006 (Credit Agencies Reform Act) verlangte von den Agenturen mehr Transparenz, Verantwortung, Kontrolle, Wettbewerb und dergleichen nette Allgemeinheiten. Es dürfe keine gleichzeitige Beratung stattfinden. Sieben kleinere Agenturen erhielten eine Lizenz. Doch die Marktbeherrschung der »großen Drei« blieb unverändert, ihr Verhalten änderte sich nicht. Nach der Finanzkrise wurden den Agenturen erneut Auflagen gemacht (Wall Street Reform and Consumer Protection Act 2010). Aber nach wie vor dürfen sie ihre Kriterien und Arbeitsweisen selbst festlegen. Ratinganalysten dürfen von ihren Kunden keine Geschenke über 25 Dollar annehmen – aber die Abhängigkeit der Agenturen von ihren Eigentümern wird gar nicht thematisiert. Nach der Krise haben die Agenturen ihre Gebühren erhöht und ihren Marktanteil von 95 auf 97 Prozent erhöht.
Das Europäische Parlament einigte sich 2011 auf die Gründung einer Europäischen Ratingagentur. Doch sie soll entgegen dem Antrag der Linken privat finanziert werden. Das Argument: Eine staatliche Agentur beinhalte die »Gefahr«, daß Politiker eingreifen. Dabei wäre ja nach allen bisherigen Erfahrungen genau dies notwendig! Wenn man es in der EU ernst meinte, dann müßten die »drei Großen« zunächst aus allen europäischen Regelwerken hinausgeworfen werden: aus der EZB, aus den Rettungsschirmen ESFS und ESM sowie aus den nationalen Regelwerken der EU-Staaten. Doch da tut sich gar nichts.
Die weitestgehende Reform fand bisher in China statt. Die Agentur Dagong (»Große Arbeit«) wurde 1994 auf Initiative der Chinesischen Zentralbank gegründet, ist aber ein Privatunternehmen. Gründer und Chef ist Guan Jiazhong, Mitglied der Kommunistischen Partei. Das Rating brauche einen neuen, global anderen Ansatz, denn die westlichen Staaten seien allesamt hoffnungslos überschuldet: Die Westagenturen »interessieren sich nicht für die Einkommenssituation eines Landes«, so Jiazhong. Ein gutes westliches Rating besage nichts über die Fähigkeit eines Staates, beispielsweise der USA, seine Schulden tatsächlich zurückzuzahlen.
Die Bewertungskriterien Dagongs sind an der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert, nicht an der einseitigen Begünstigung der Kreditgeber. Mit Blick auf die USA meint der dem Kapitalismus keineswegs abgeneigte Jiazhong: »Es ist sehr teuer, Weltpolizist zu sein und gleichzeitig mehrere Kriege zu führen. Wenn diese hegemoniale Strategie verändert wird, werden sich auch die Ausgaben reduzieren. Am Ende wird das einfache Volk in Amerika den Nutzen davon haben. Wenn man ständig Geld borgen muß, um seine Hegemonie zu finanzieren, ist das langfristig nicht tragbar.«
Werner Rügemer: Ratingagenturen – Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart. transcript Verlag, Bielefeld 2012, 198 Seiten, 16,80 Euro
* Das Buch erscheint Ende April und ist dann auch im jW-Shop erhältlich