Eine sozialpolitische und sozialmedizinische Betrachtung der „Agenda-Reformen“.
„Daniel Blake“ in Deutschland
Eine sozialpolitische und sozialmedizinische Betrachtung der „Agenda-Reformen“.
von Klaus-Dieter Kolenda
„Ich, Daniel Blake“ heißt der Film von Ken Loach, der 2016 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Der Protagonist dieses Films, Daniel Blake, ist ein Durchschnittsengländer, ein Facharbeiter und gelernter Schreiner, der durch einen Herzinfarkt seine Arbeit verliert und deshalb Sozialhilfe beantragt. Aber die Staatsbürokratie auf dem Sozialamt stellt sich quer und verwehrt ihm die finanzielle Unterstützung. Schnell gerät er in einen Teufelskreis von Zuständigkeiten, Bestimmungen und Antragsformularen. Bei einem seiner häufigen vergeblichen Besuche im Jobcenter verstirbt er plötzlich in der Toilette, wahrscheinlich an einem durch den erlebten Stress ausgelösten Herzversagen.
Bei einer Diskussion im Anschluss an diesen erschütternden Film im Kreise von IPPNW-Kolleginnen und Kollegen in Kiel wurde die Frage gestellt, wie es einem „Daniel Blake“ in Deutschland wohl ergehen würde. Da unsere spontanen Antworten nur sehr lückenhaft und unbefriedigend ausfielen, habe ich mich mit dieser Frage intensiver beschäftigt und die sozialpolitischen Bestimmungen mit deren Resultaten zusammengestellt, die im Falle eines „Daniel Blake“ bei uns zur Anwendung kommen müssten. Dabei zeigt sich in erschreckendem Maße, wie unser Sozialstaat durch die neoliberalen „Agenda-Reformen“ der letzten 20 Jahre, vor allem durch die neuen Rentengesetze aus dem Jahre 2001 und die Agenda 2010, die 2003 von der Regierung Schröder/Fischer in Gang gesetzt wurde, abgebaut und weitgehend zerstört worden ist.
Meine Ausführungen gehen von der Einschätzung aus, dass die bundesrepublikanische kapitalistische Gesellschaft der ersten Jahrzehnte nach 1945 insbesondere in den letzten 20 Jahren einer tiefgreifenden Veränderung unterzogen worden ist und sich in einen „neoliberalen“ Kapitalismus umgewandelt hat.
Das Ziel des Neoliberalismus ist die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Ordnungsmechanismen ohne Rücksicht auf die betroffenen Menschen durch Deregulierungen (Abbau der staatlichen Einflüsse auf die Märkte), Privatisierungen (von öffentlichem Eigentum) und Sozialabbau (bei den abhängig Beschäftigten). Das Ergebnis dieser heute schon weit fortgeschrittenen gesellschaftlichen Entwicklung ist überall zu besichtigen: Eine weitere Begünstigung der Reichen mit einer Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben (1, 2). Am möglichen Schicksal eines „Daniel Blake“ in Deutschland (im Weiteren abgekürzt: D. B.) lässt sich diese Entwicklung exemplarisch aufzeigen.
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