Es gibt keine Terroristen! Straftatbestand Terrorismus abschaffen!
Es gibt keine Terroristen! Straftatbestand Terrorismus abschaffen!
Elias Davidson, 22 April 2017
Wir bezeichnen jemanden als Schreiner, wenn er diesen Beruf regelmässig ausübt. Wir bezeichnen jemand als Minister, während er oder sie ein solchen Amt ausübt. Wir bezeichnen jemanden als Urlauber, während er oder sie sich im Urlaub befindet. Wir verwenden solche Kürzel um den Status, Amt, Beruf oder Tätigkeit einer Person zu beschreiben. Die Begehung einer Straftat irgendeiner Art, sei es Diebstahl, Betrug oder Mord, weist nicht auf den Status, Amt, Beruf noch Haupttätigkeit des Verdächtigen. Daher vermeiden wir eine Person als Dieb, Betrüger oder Mörder vor seiner Verurteilung zu bezeichnen, da er die Unschuldsvermutung genießt. Wir tun es auch nicht nach seiner Freilassung aus der Haft, da er seine Schuld verbüßt hat. Auch Strafgerichte verwenden nicht die Begriffe Dieb, Betrüger oder Mörder um den mutmaßlichen Täter zu bezeichnen. Dies betrifft genauso die unberechtigte Bezeichnung „Terrorist.“
Sprache als Waffe der Entmenschlichung
Zu welcher Entmenschlichung die Bezeichnung „Terrorist“ führen kann, können wir am Beispiel der US-amerikanischen Dronenmorde beobachten. Die Ermordeten werden nicht wegen einer bestimmten Tat angeklagt oder verfolgt, sondern zunächst als “Terroristen” bezeichnet und dann auf dieser Grundlage “entsorgt”. Um die Ermordung von Juden den Weg zu legitimieren, bezeichnete Hitler sie zunächst in “Mein Kampf” als Ungeziefer. Durch ihre Entmenschlichung wurden Juden zunächst entrechtet und dann vernichtet. Die Reduzierung eines Menschen auf seiner vermuteten Gefährdung der Öffentlichkeit, sei es als Schmarotzer, Ganove, Pedophil oder Terrorist, geschweige denn auf seine mutmaßliche Gesinnung oder Veranlagung, verletzt Grundsätze der modernen Zivilisation. Die Bezeichnung “Terrorist” verletzt übrigens auch die Unschuldsvermutung. Journalisten dürfen also nicht den Begriff „Terrorist“, weder mit noch ohne den Zusatz “mutmaßlich” verwenden.
Was ist Terrorismus?
Der Begriff stammt aus der Zeit nach der französischen Revolution und bezog sich damals ausschließlich auf staatlichen Terror, d.h. auf die Einschüchterung der Bevölkerung durch dem Staat. Staatlichen Terror kennen wir z.B. auch aus dem Dritten Reich. Allmählich begannen Ideologen diesen Begriff auf politischen Gewalttaten von Einzelpersonen bzw. Gruppen gegen die staatliche Macht zu benutzen. Der Begriff wird heute weitgehend als eine Gewalttat von Einzelpersonen oder Gruppen verstanden, die durch ihre Grausamkeit eine politische oder ideologische Botschaft an die sämtliche Bevölkerung vermitteln soll. Solche Taten sollen hier als authentischer Terrorismus bezeichnet werden. Das klassische Beispiel des authentischen Terrorismus sind Anschläge von Palästinensern gegen Zivilisten in Israel, die die Forderung zum Abzug der israelischen Streitkräfte aus den besetzten Gebieten, zu betonen versuchen. Terrorismus ist eigentlich eine Methode der psychologischen Kriegsführung.
Die Grundlage des zivilisierten Strafrechts
Das zivilisierte Strafrecht beruht auf die Bestrafung von begangenen Straftaten. Zur Bestrafung muss der Tatrichter nachweisen, dass der Beschuldigte die Tat vorsätzlich begangen hat. Nach dem zivilisierten Strafrecht darf niemand für zukünftige bzw. hypothetische Straftaten bestraft werden.
Gesinnung und Motiv spielen bei der Feststellung der Schuld keine Rolle. Nach dem traditionellen Strafrecht ist die Polizei nicht befugt Gesinnung oder Motiv als hinreichende Gründe für vorbeugenden Maßnahmen, z.B. Überwachung oder Festnahme, heranzuziehen. Für solche Maßnahmen müssen konkrete Umstände nachgewiesen werden, z.B. Bedrohungen oder konkreten Vorbereitungen einer Straftat.
Gesinnungsstrafrecht
Mit der Ergänzung des Strafrechts durch dem Begriff Terrorismus, wurde das zivilisierte Strafrecht aufgeweicht. Nun reicht die mutmaßliche Gesinnung einer Person für seine Überwachung bzw. Festnahme. Diese Aufhebung des zivilisierten Strafrechts wurde durch die politische Konstruktion “terroristische Vereinigung” ermöglicht.
Es sind aber nicht Gerichte, die eine Organisation als „terroristisch“ klassifizieren, sondern die Exekutive, d.h. die Regierung, die nach politischen Ermessen es tut. Organisationen, die einst als ”terroristisch” von westlichen Staaten bezeichnet wurden, werden – wenn sie an die Macht gelangen – plötzlich als legitime Vertreter ihrer Bevölkerung anerkannt.
Nachdem Politiker eine Organisation oder eine Gruppe als eine „terroristische Vereinigung“ bezeichnet haben, darf die Polizei „Mitglieder“ oder „Unterstützer“ dieser Vereinigung überwachen, verhaften oder gerichtlich verfolgen. Diese werden damit nicht in der Regel wegen die Begehung einer Straftat verfolgt, sondern wegen ihrer vermeintlichen Gesinnung. Es soll hier beiläufig erwähnt werden, dass der Begriff „terroristische Vereinigung“ selbst täuschend ist, weil keine Organisation sich zum Ziel setzt „terroristischen Anschläge“ zu begehen, auch wenn sie solche Handlungen gelegentlich organisiert oder duldet.
Mit der Einführung des Begriffs “terroristische Vereinigung” ins deutsche Strafrecht, wurden Gesinnungsstraftatbestände, darunter die Mitgliedschaft und die Unterstützung solcher Vereinigungen, eingeführt. Selbst der Besitz oder die Vermittlung von schriftlichen oder bildlichen Materialien, die von den Behörden, wie auch immer, einer mutmaßlichen “terroristischen Vereinigung” zugeordnet werden, kann heute bestraft werden. Die Staatsanwaltschaft muss weder die Echtheit der Materialien bestimmten noch die Urheber der Materialien eindeutig identifizieren. Die Strafbarkeit dreht sich viel mehr um die Frage, was der Verdächtige mit seiner Handhabung dieser Schriftsätze bezwecken wollte und in wieweit er oder sie die Inhalte der Materialien befürwortete. Der Tatrichter wird damit zunehmend gedrängt das innere, geistige, Leben des Beschuldigten als Grundlage für eine Bestrafung heranzuziehen, wofür er weder geeignet noch fähig ist. Mir ist allerdings kein Tatrichter bekannt, der sich geweigert hat diese Aufgabe zu erfüllen.
Die politische Nützlichkeit des Gesinnungsstrafrechts
Durch die Erweiterung des Strafrechts auf Gesinnung erhält die Polizei erweiterte Befugnisse zur sogenannten Strafvorbeugung durch Überwachung und Festnahmen. Polizeilichen Razzien in Salafistenkreisen veranschaulichen diese Erweiterung des Strafrechts. Da Salafisten in der Bevölkerung nicht besonders beliebt sind, werden solche Razzien stillschweigend geduldet. Ähnlich verlief es im Dritten Reich: Nachdem Juden von herrschenden Medien als Schmarotzer oder Volksfeinde demonisiert wurden, konnten die Behörden jegliche anti-jüdische Maßnahmen, inklusiv ihrer Deportation, ohne öffentliche Proteste, durchführen.
Sobald sich die Idee des Gesinnungsstrafrechts als Strafnorm befestigt hat, können die Behörden mit kleinen Gesetzesänderungen diese Norm auf andere vom Staat definierte Gefährder, z.B. gewerkschaftliche, demokratische, anti-kapitalistische oder anti-imperialistische Gruppen, erweitern. Dafür bräuchten sie nur einen geeigneten Anlass, der unter Umständen zur Förderung der Sache inszeniert werden kann.
Die terroristische Rolle der Medien
Terrorismus unterscheidet sich von herkömmlichen Straftaten, wie Diebstahl und Mord, durch seinen politischen oder ideologischen Ziele und besonders durch die mutmaßliche Absicht der Täter, eine Botschaft an die gesamte Bevölkerung durch die Greueltat zu übermitteln. Eine Botschaft an ein Millionenpublikum zu vermitteln können aber nur Massenmedien. Der mutmaßliche Bombenleger („Terrorist“) und seine Hintermänner besitzen in der Regel keine Massenmedien. Es hängt völlig vom guten Willen von Chefredakteuren ob ihre Botschaft an ein Millionenpublikum vermittelt oder totgeschwiegen wird.
Es sind also die Massenmedien, die eine zeit- und ortbeschränkte Gewalttat zu einem öffentlichen Ereignis erheben und damit die Bevölkerung traumatisieren. Dabei ist es zunächst unerheblich, warum die Redakteure der Massenmedien solche Nachrichten hervorheben: Mit der Verbreitung der Information über die Straftat, wird der Wunsch des Täters erfüllt, nämlich die Bevölkerung zu verängstigen, einzuschüchtern oder traumatisieren. Die Medien schenken dem Täter damit eine Stimme, die er nicht hat. Ihre Handlung stellt strenggenommen eine Beihilfe zu einer kriminellen Tat. Eigentlich sollten Redakteure der Massenmedien, die die Terrorangst verbreiten, zur strafrechtlichen Rechenschaft gezogen werden. Die Kriminalisierung der Berichterstattung über Anschläge würde allerdings das Anrecht der Bevölkerung auf Information verletzen. Hier besteht ein offensichtliches Dilemma. Durch die Streichung des Straftatbestands Terrorismus, könnte dieses Dilemma aufgehoben werden. Das traditionelle Strafrecht, das Angriffe auf Menschen und Sachen verbietet, genügt um Täter zu ahnden und zu bestrafen.
Fazit: Da der Begriff des Terrorismus, nach Jahrzehnten, noch nicht eindeutig definiert werden kann und im Strafrecht Unheil anrichtet, sollte nach meiner Meinung dieser Begriff aus dem Bereich des Strafrechts, wenn nicht gar vom Sprachgebrauch, getilgt werden. Die Behauptung Terrorismus stelle eine erhebliche und spezifische Bedrohung der Öffentlichkeit dar und müsste daher mit sonderlichen strafrechtlichen Mitteln bekämpft werden ist nicht nur juristisch widersinnig, sondern empirisch unbegründet. Das traditionelle Strafrecht reicht völlig zur Verfolgung von konkreten Gewalttaten gegen Menschen und Gegenstände aus.