EU setzt auf neokoloniale Kanonenpolitik in Afrika
Ziel Marktöffnung
Europäische Politiker skizzierten auf EU-Afrika-Gipfel ihre Strategien für den Kontinent. »Verantwortung« bedeutet Kriegseinsätze
Von Simon Loidl(Junge Welt, 4. April 2014)
So gab es Auseinandersetzungen um die Teilnahme von Vertretern Sudans und Eritreas. Beide Länder waren schließlich in Brüssel vertreten – wenn auch nicht durch ihre Staatschefs. Afrikanische Politiker kritisierten, daß auch Vertreter von Ländern, die nicht Mitglied der AU sind, zu dem Treffen eingeladen wurden. Konkret geht es dabei um Marokko, das wegen der anhaltenden Besetzung der Westsahara kein AU-Mitglied ist, und um Ägypten, dessen AU-Mitgliedschaft seit Juli 2013 aufgrund des Militärputsches suspendiert ist. Überflüssig zu erwähnen, daß die Demokratische Arabische Republik Sahara, anerkannt von der AU, nicht jedoch von EU oder Vereinten Nationen, keine Einladung aus Brüssel erhielt. Zimbabwes Präsident Robert Mugabe wiederum blieb dem Gipfel fern, da die europäischen Behörden seiner Gattin keine Einreisegenehmigung erteilten. Dies hatte auch die politisch gewichtigste Absage zur Folge, nämlich jene von Südafrikas Präsident Jacob Zuma. Er sei der Ansicht, daß die Zeiten, in denen »uns befohlen wird, wer zu kommen hat und wer nicht kommen darf«, vorbei sein sollten, begründete Zuma seine Entscheidung, nicht am Gipfel teilzunehmen, gegenüber südafrikanischen Medien.
Inhaltlich ging es bei dem Treffen um die künftige Zusammenarbeit zwischen den beiden Kontinenten. Neben den aktuellen Militäreinsätzen der EU in afrikanischen Ländern spielten die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der EU und der Gruppe der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP) eine Rolle. Bei den Abkommen geht es im Wesentlichen um die Errichtung von Freihandelszonen. Damit sollen nach dem Ende des Kolonialismus entstandene Sonderregeln, welche ehemaligen Kolonien kleine Vorteile beim Handel mit europäischen Staaten zugestanden hatten, endgültig beseitigt und die afrikanischen Märkte für europäische Waren geöffnet werden. Für die EU ist die zollfreie Einfuhr in afrikanische Länder – ein zentraler Punkt der EPAs – nicht zuletzt in Hinblick auf die chinesische und US-amerikanische Konkurrenz um den wiederentdeckten afrikanischen Markt von Bedeutung. Gerade das starke Engagement Chinas in vielen Staaten Afrikas ermöglicht es diesen aber, gegenüber Europa weit selbstbewußter aufzutreten als in der Vergangenheit.
In dieser Situation versucht die EU, Geschlossenheit zu signalisieren. Frankreich und die BRD präsentierten sich erneut als vereint auftretendes europäisches Führungsduo. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz während des Gipfels bekräftigten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande ihre Zusammenarbeit in Afrika. Merkel hob insbesondere das militärische Engagement Frankreichs in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik hervor. Berlin unterstütze Paris dabei und würde dies künftig verstärkt tun, so Merkel. Neben der »klassischen Entwicklungspolitik« gelte es für Deutschland, »aus der historischen Entwicklung heraus« in Afrika ebenfalls »stärker Verantwortung zu zeigen«, kündigte Merkel weitere Beteiligungen an Kriegseinsätzen an.
Daß bei der Afrika-Strategie der EU militärische und ökonomische Aspekte verzahnt sind, unterstrichen auch »Verteidigungsministerin« Ursula von der Leyen und ihr französischer Kollege Jean-Yves Le Drian in einem am Mittwoch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen Artikel. In dem Beitrag brachten die beiden die Interessen der EU auf den Punkt: »Es geht um die Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern, strategische Handelsinteressen und auch um die Sicherheit europäischer Staatsbürger in Afrika.« Von der Leyen und Le Drian lassen keinen Zweifel daran, daß die Öffnung der afrikanischen Märkte auch weiterhin unter Zuhilfenahme militärischer Mittel erfolgen wird: »Militärische Mittel ersetzen gewiß keine politischen Lösungen. Aber sie können zur Stabilisierung und zum Schutz der Bevölkerungen beitragen und damit entscheidende Voraussetzungen für einen Wiederaufbau schaffen«, so die beiden Politiker in der FAZ.