Ex-V-Mann Michael von Dolsperg („Tarif“) fordert Verfassungsschutzpräsident heraus
Ex-V-Mann Michael von Dolsperg („Tarif“) fordert Verfassungsschutzpräsident heraus
Ex-V-Mann Michael von Dolsperg beantwortete bei Dokumentarfilmpremiere Fragen der Presse
Von Claudia Wangerin, Junge Welt, 17. April 2015
Michael von Dolsperg alias »Tarif« erhebt schwere Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). »Ich habe im Auftrag des Staates Leute dazu gebracht, Straftaten zu begehen«, sagt er in dem Dokumentarfilm »V-Mann-Land« von Clemens Riha, der am Mittwoch beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) vorab für die Presse gezeigt wurde. Er habe aber nicht nur Veranstaltungen organisiert, bei denen hunderte Neonazis den Hitlergruß zeigten, und eine Propagandapostille herausgegeben, deren Inhalt er zuvor seinen Quellenführern zur Genehmigung vorlegte, sondern auch Informationen geliefert, die eine Mordserie hätten verhindern können.
20 war er Mitte der 1990er Jahre zum Zeitpunkt der Anwerbung. Als er wegen Gewaltdelikten ins Gefängnis musste, sei er nachdenklich geworden, sagt er heute. Statt beim Ausstieg zu helfen, ermunterte ihn der Verfassungsschutz, noch tiefer in die Szene einzusteigen. Der NPD-Funktionär Thorsten Heise sagte gegenüber Riha, er habe den V-Mann damals als »politischen Soldaten« wahrgenommen.
Dolsperg versichert heute, André Kapke, ein Jugendfreund der 1998 untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, habe ihn gefragt, ob er das Trio verstecken könne, das damals wegen Sprengstoffdelikten gesucht wurde – wie 2011 bekannt wurde – die Terrorgruppe “Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU) gegründet haben soll. Noch vor dem ersten Mord im Jahr 2000 gab es demnach eine Zugriffsmöglichkeit, über die er das BfV informiert habe. Sein V-Mann-Führer mit dem Decknamen “Alex” habe ihn aber angewiesen, Kapke bezüglich des Verstecks eine Absage zu erteilen.
Mehrere aufgeflogene ‘Quellen’ aus der Neonaziszene hat Clemens Riha für die TV-Reportage befragt. Manche von Rihas Gesprächspartnern wollten nur maskiert auftreten. Nur Michael von Dolsperg, geborener See, erschien auch zum Pressegespräch. Nach eigenen Angaben reiste er aus Schweden an – wo er dort genau lebt und an seinem Buch schreibt, darf nicht bekannt werden. Den Ökobauernhof, auf dem ihn Spiegel-Reporter Anfang 2014 besuchten, musste er inzwischen verlassen. Er sei mehrfach bedroht worden, das BfV habe ihn ‘fallenlassen wie eine heiße Kartoffel’.
Der Geheimdienst ließ die Akte “Tarif” nur wenige Tage nach Bekanntwerden des NSU im November 2011 schreddern. Das BfV dementierte kurz nach dem Spiegel-Interview 201 Dolspergs Aussagen über die verpasste Zugriffsmöglichkeit. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke, der auch in Rihas Film zu Wort kommt, sagt am Mittwoch, er habe mehrere Stunden mit Dolsperg gesprochen und halte ihn für einen ehrlichen Aussteiger. Zumindest seien seine Aussagen glaubwürdiger als die des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen.
Dolsperg selbst sagte beim Pressegespräch, er biete Maaßen an, sich einem Lügendetektorterst zu unterziehen. Nach seiner heutigen politischen Gesinnung gefragt, musste der 40jährige mit den langen, blonden Haaren kurz überlegen. Er sei “weder links und schon gar nicht rechts”, sagte er dann. Im Rahen seiner Ökoprojekte habe er “Jugendliche aus allen Herren Länder”, zum Beispiel aus Algerien, kennengelernt, die praktische Anregungen mitgebracht hätten. Manche Neonazis, die von “Blut und Boden” redeten, wüssten dagegen nicht mal, wie man eine Kartoffel pflanzt.