Faschistische Netzwerke in der Bundeswehr und der Justiz
Das „Recht“ und die Rechten
(Der Schwarze Kanal, von Karl-Eduard Schnitzler, Junge Welt, 16./17. Mai 2015)
Als Anfang August in Österreich Ekkehard Weil festgenommen wurde, war das Springers Bild eine Schlagzeile und ein Foto wert. Er soll vier Bombenanschläge auf Juden verübt haben. Im Jahre 1970 hatte er nicht solche Aufmerksamkeit gefunden: da hatte er am Sowjetischen Ehrenmal im Westberliner Tiergarten ‘nur’ einen sowjetischen Wachposten angeschossen und schwer verletzt. „Einzeltäter“, hieß es damals.
Die 16. Große Strafkammer in Düsseldorf hat Anfang Juli dem SS-Oberscharführer Wisner Haftverschonung zugebilligt. Der „Einzeltäter“, der als Sanitärer im KZ Riga zahlreiche Morde begangen hat und deswegen seit September vor Gericht steht, habe „intakte Familienverhältnisse und einen angegriffene Gesundheitszustand.“
Forstmeister Heinz Lembke aus Lüneburg hat ein großes Waffenlager unterhalten, aus dem sich die berüchtigte Wehrsportgruppe Hoffmann und andere der 73 in der BRD bekannten neofaschistischen Organisationen bedienten: Er wurde, bis er sich im Untersuchungsgefängnis erhängte [sic], offiziell als „Einzeltäter“ bezeichnet. Ein Sprecher der Dortmunder Staatsanwaltschaft meinte zu den zahlreichen Kontaktpersonen Lembkes, dass „diese Leute wohl teilweise verhinderte Nazis“ seien “und Geländeübungen mit Waffen machen.“ „Einzeltäter“ seien die Offiziere, die in München und Hamburg an der Bundeswehrhochschulen „Juden verbrennen gespielt“ haben mit Naziliedern, Hitler- und Goesbbels-Reden immer wieder braune Orgien feiern. Genaugenommen müsste auch Hitler ein „Einzeltäter“ gewesen sein; denn Bankiers, Industrielle, Richter und des Teufels Generäle wollen ja allesamt mit Hitler und seinem Krieg nichts zu tun gehabt haben.
27 Kasernen der Bundeswehr tragen militaristische Namen aus der Kaiserzeit, eine davon heißt „Kaiser Wilhelm“. Zehn Kasernen sind nach Städten und Schlachtfeldern benannt, die außerhalb der BRD liegen, vor allem in Polen. 47 Kasernen heißen nach „Helden“ aus dem Ersten Weltkrieg und aus dem faschistischen Raubkrieg: siebenmal „Generalfeldmarschal von Hindenburg“, der die Weimarer Republik erwürgen half und Hitler zum Regierungsschef berief, viermal „General Lettow-Vorbeck“, der Ruhrabreiter ermorden ließ. den Kapp-Putsch mitorganisiert und in der Kolonie „Deutsch-Südwest“ (heute Namibia) ein ganzes Volk ausrottete. Eine Kaserne heißt „General Kübler“, 1947 in Jugoslawien als Kriegsverbrecher gehenkt. „Einzeltäter“? Vorbilder? Leitbilder? Fallen sie gleichsam vom Himmel, tauchen sie aus Niemandslands auf? Ist da nicht ein Umfeld, eine Umwelt?
Zumal ja in dieser Gesellschaft andere, mit viel größeren Schuldkonto, zu Würden und in höchste Ämter gelangen konnten (…) Der blutrünstige „schreckliche Hitler-Jurist“ Filbinger – zum westdeutschen Ministerpräsidenten und Ehrenvorsitzenden einer christlichen Partei? Hatte nicht der Mitautor der Nürnberger Rassengesetze, der Erfinder des „gelben Sterns,“ mit dem Juden denunziert wurden – Hans Maria Globke – Adenauers Staatssekretär werden können und mächtigster Mann im Staat, Personalchef der BRD gewissermaßen bei der Reinwaschung von Blutrichtern, Schreibtischmördern, Aggressioinsgeneralen, Nazilehrern, Nazibeamten – zwecks Wiederverwendung?
Es ist wohl nichts mit den „Einzeltätern“ – in einer Gesellschaft, (…) in der man sich gerade mit Mühe und gezwungenermaßen zur Verurteilung einiger neofaschistischen Gewaltverbrecher durchgerungen hat – während Altfaschisten Pension, Ehrungen, Bundesverdienstkreuze, Posten und Publizität erhalten und die 16,000 Todesurteile der 1,400 namentlich bekannten Richter und Staatsanwälte am „Volksgerichtshof“ ungesühnt bleiben.