Geheimamt Jobcenter: Müssen Hartz-IV-Behörden ihre Telefonnummern bekanntgeben? Bundesrichter sollen entscheiden
Geheimamt Jobcenter
Müssen Hartz-IV-Behörden ihre Telefonnummern bekanntgeben? Bundesrichter sollen entscheiden
Christina Müller
Jobcenter vermitteln nicht nur Jobs. Sie verpflichten, überwachen, sammeln Daten und sanktionieren. Und sie schotten sich ab. Dass viele dieser Behörden meist nur über kostenpflichtige Hotlines erreichbar sind, die selbst in existenzbedrohlichen Fällen keine Möglichkeit haben, zum Jobcenter durchzustellen, bemängeln Hartz-IV-Betroffene, Rechtsanwälte und Erwerbslosenvereine seit Jahren. Vier Klagen zur Veröffentlichung von Dienstnummern haben es jetzt bis vor das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig geschafft. Am heutigen Donnerstag soll dieses über die Frage entscheiden: Gilt die amtliche Informationsfreiheit auch für Jobcenter?
Die Kläger begehren unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu Durchwahlnummern der Jobcenter in Köln, Nürnberg-Stadt, Berlin-Mitte und Berlin-Treptow-Köpenick. Die Vorinstanzen hatten ein Recht der Betroffenen darauf verneint und damit teilweise den Verwaltungsgerichten widersprochen. Zur Begründung, aus der das BVG zitiert, hieß es, das Bekanntwerden von Dienstnummern der Jobcenter könne die öffentliche Sicherheit gefährden. So sei zu erwarten, dass die Behördenmitarbeiter durch „telefonische Angriff und Diffamierungen“ in ihrem Individualrecht beeinträchtigt würden. Deren „Schutzwürdigkeit“ überwiege das Interesse der Kläger an einem Informationszugang.
„Durch die Abschottung haben auch wir Rechtsanwälte ein großes Problem, Sachverhalte zu klären“, sagte der Leipziger Anwalt Dirk Feiertag am Mittwoch im Gespräch mit jW. Seine Kanzlei vertritt zwei der Fälle. Er selbst sei schon an das „Kundenreaktionsmanagement“ der Arbeitsagentur verwiesen worden, wo man aber kaum weiterkomme. Er hofft, „das Gericht entscheidet mindestens, dass Betroffene Anspruch auf die Durchwahl ihres Sachbearbeiters haben“. Dann würden die Fälle an die untere Instanz zurückgewiesen. Ein Knackpunkt sei die Frage: Geht es bei der Herausgabe der Nummern um persönliche Daten? Nein, findet der Anwalt, ja, meinte das Oberverwaltungsgericht Münster. „Dabei gibt es bereits Urteile darüber, dass Dienstnummern dienstlich sind und damit im öffentlichen Interesse stehen“, erklärte er. Lehnten die Bundesrichter die Herausgabe von Zugangsdaten komplett ab, „ist das für mich ein Justizskandal“.
Feiertag hatte bereits 2013 vor dem Verwaltungsgericht Leipzig ein Urteil erstritten, wonach das dortige Jobcenter Telefonlisten veröffentlichen sollte. Dies hatte sich geweigert und Berufung eingelegt. „Seit her liegt die Sache beim Oberverwaltungsgericht Bautzen“, berichtete er. Offensichtlich wolle man das Problem aussitzen. „Es ist doch so, dass Jobcenter ihre Klienten mit ihrer Abschottungspraxis zu Bürgern zweiter Klasse herabstufen“, so der Anwalt. Schließlich gäben andere Behörden auch ihre Telefonnummern bekannt.