Grundrechte geschleift: Kampf gegen »Terrorfinanzierung«
Grundrechte geschleift
Seit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 sind immer neue Überwachungs- und Repressionsinstrumente nicht nur in den USA, sondern auch in Europa eingeführt worden. Viel ist seither passiert auf dem Weg zum gläsernen Bürger. Und die Aufdeckung der Omnipräsenz des globalen Spionagenetzes von NSA und Co. durch Edward Snowden im Juni 2013 machte deutlich, dass geltendes Recht die Dienste noch nie interessiert hat. Trotzdem werden auch Gesetze und Verfassungen immer weiter den Wünschen der Ausspähindustrie angepasst.
Dies illustriert einmal mehr die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Andrej Hunko, die der Linke-Bundestagsabgeordnete am Donnerstag öffentlich machte. So ist in der Bundesrepublik nach EU-Vorgaben das Geldwäschegesetz immer wieder novelliert worden, wobei 2008 erstmals der Tatbestand der »Terrorfinanzierung« als Grund für die Observierung von Kontenbewegungen aufgenommen wurde. Aktuell wird auf EU-Ebene die nächste Erweiterung der Behördenbefugnisse auf diesem Gebiet verhandelt, noch dieses Jahr soll sie beschlossen werden.
Legitimiert durch das Geldwäschegesetz und andere Regularien, können in großem Umfang auch Sozialbehörden Kontenabfragen durchführen. Eigentlich müssen sie die Betroffenen darüber informieren. Ob sie das tun, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregierung. Nach ihren Angaben ist die Zahl der Kontenabrufe durch sogenannte Bedarfsträger, insbesondere durch Gerichtsvollzieher, rasant angestiegen: Im ersten Halbjahr 2013 waren es noch knapp 24.000 Abfragen, im zweiten schon 49.000, und in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fast 66.000. Und das zur Geldwäscheverhinderung bereitgestellte Personal hat sich zwischen 2011 und 2013 mehr als verdoppelt. Auch das US-Finanzministerium erhält unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung regelmäßig Informationen über Finanztransaktionen, Stammdaten, Post- oder Mailadressen der Kontoinhaber, sogar deren Telefonnummern.
Erfolge in Sachen Terrorbekämpfung: keine. Die deutsche Regierung erklärt zwar, man wisse, dass sich Organisationen wie der Islamische Staat (IS) über Vereine und Sozialleistungen finanzieren, räumt aber ein, die Verwendung der Gelder könne »im Detail regelmäßig nicht nachgewiesen werden«.
Wozu dann der Aufwand? Einmal mehr wird hier offenbar »Terrorabwehr« als Begründung für umfassende Ausspähung insbesondere der von staatlichen Leistungen abhängigen Bevölkerung missbraucht. Und höchstwahrscheinlich auch zum Ausspionieren linker Bewegungen. Auf dass Widerstand gegen Krieg und Umverteilung nach oben schon bekämpft werden kann, bevor er sich recht organisiert. Unter Verweis auf die wachsende Gefahr, die von islamistischen Gruppen ausgehen soll, werden hemmungslos Grundrechte geschleift.