Hamburger Flughafen und Bahn rigoros gegen Flaschensammler
Arme stören »Ästhetik«
Hausverbote und Strafanzeigen: Hamburger Flughafen und Bahn rigoros gegen Flaschensammler.
Von Susan Bonath, Junge Welt, 2. Februar 2015
Für viele fester Teil des Lebensunterhalts: Einkaufswagen einer Flaschensammlerin in Hamburg
Foto: Sebastian Widmann/dpa-Bildfunk
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Immer mehr Menschen sammeln Pfandflaschen, um niedrige Renten oder Sozialleistungen aufzubessern. Der »Hamburg Airport GmbH« ist solch sichtbare Armut aber ein Dorn im Auge. Wie zuerst das Straßenmagazin Hinz & Kunzt online berichtete, stellte die Hamburger Flughafenbetreiberin nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 97 Strafanzeigen gegen Menschen, die auf ihrem Gelände Leergut gesammelt hatten. Die Betroffenen sollen sich nicht an gegen sie verhängte Hausverbote gehalten haben.
Laut Hinz & Kunzt ist auch einer ihrer Zeitungsverkäufer betroffen. Der obdachlose Rumäne habe von seinen geringen Einnahmen und ohne Anspruch auf Hartz IV nicht leben können. Deshalb habe er regelmäßig am Flughafen die weggeworfenen Flaschen der Fluggäste aus Müllkübeln geholt. Dabei sei er von Angestellten des Sicherheitsdienstes erwischt worden. Die dortige Hausordnung verbietet das Flaschensammeln. Weil der Mann das Hausverbot ignorierte, zeigte ihn der Betreiber wegen »Hausfriedensbruchs« an. Er habe »ohne Reiseabsicht (…) vor dem Terminal 1 in einem Mülleimer nach Pfandflaschen gesucht«, zitiert das Magazin aus dem Schreiben der Polizei. Nun droht dem Betroffenen, der nach eigenen Angaben zur Zeit in einem leerstehenden Haus nächtigt, eine Geldstrafe. Die, gab er zu bedenken, könne er nicht bezahlen. »Ich habe Angst, dass ich ins Gefängnis muss.«
Flughafensprecherin Stefanie Harder bestätigte gegenüber Hinz & Kunzt die Verbotspraxis. Man habe sie »nach vielen Jahren des Beobachtens« eingeführt. Die Sammler störten den Betrieb und seien ein unangenehmer Anblick für Reisende. Zudem, führte sie weiter aus, bleibe es nicht immer nur beim Sammeln. Einige sprächen Passagiere auch aktiv an und »bedrängten« diese damit. In den meisten Fällen, beteuerte Harder, würden Betroffene aber zunächst nur ermahnt. Wer sich dann nicht an die Anweisungen des Sicherheitspersonals halte, müsse eben mit Strafverfolgung rechnen. Die Anzeige gegen den Zeitungsverkäufer will der Flughafenbetreiber auch auf Bitte des Magazins nicht zurückziehen. Der Mann sei mehrfach belehrt worden. »Er kam trotzdem immer wieder«, sagte die Sprecherin.
Die Berichterstattung regte den Betreiber aber offenbar zum Nachdenken an. So versicherte ein anderer Sprecher gegenüber der Hamburger Morgenpost (Samstagausgabe), jetzt nach einer Lösung zu suchen. Bis dahin werde man auf weitere Strafanzeigen verzichten. Als Option nannte er das Aufstellen von extra Sammelbehältern. Den Erlös aus dem Pfand könne man beispielsweise dem Straßenmagazin spenden, regte er an. Auch mit der Stadt Hamburg führe das Unternehmen inzwischen Gespräche. Der Flughafen gehört seit fünfzehn Jahren zum Beteiligungsunternehmen »Avialliance«. Letzteres hält 49 Prozent der Anteile, der städtischen GmbH gehören 51 Prozent.
Auch die Deutsche Bahn geht immer wieder strafrechtlich gegen die Mittellosen vor. Das räumte eine Konzernsprecherin gegenüber der Tageszeitung (Donnerstag) ein. Das Pfandsammeln ist danach an allen Bahnhöfen untersagt, »um ästhetischen Aspekten anderer Bahnhofsnutzer Rechnung zu tragen«. Das »subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste« werde »durch die Problemklientel der Pfandsammler gefährdet«. Toleriere man Sammler, kämen meist schnell weitere hinzu und das Erscheinungsbild leide, monierte die Sprecherin. Erwischt der Sicherheitsdienst einen Sammelnden, erteile er ihm zwölf Monate Hausverbot. Bei Missachtung drohe ihm eine Anzeige. Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei Hinz & Kunzt, kritisierte die Praxis scharf. Da würden Menschen kriminalisiert, »die alles dafür tun, sich legal über Wasser zu halten«. »Sie haben ja niemandem etwas Böses getan«, sagte er.