Interlude: Pathopsychologie des Totschweigens
Willkürliches aus Gaza in HA’ARETZ
(Eine Einheit der israelischen Grenztruppe) bemerkte zwei arabische Jugendliche, die Geschäftsinhaber zur Schließung ihrer Läden animieren wollten. Die Patrouille versuchte, ihre Identität festzustellen, aber die beiden Jungen rannten weg. Der eine wurde von einer Kugel getroffen und verwundet, der andere wurde unverletzt gefangengenommen. Eine halbe Stunde später eröffneten die Soldaten das Feuer auf einen Knaben, der auf ihren Anruf hin nicht reagierte. Durch die Schüsse wurde ein Mädchen verwundet, das zufällig in der Nähe war… (32)
Fünf Einwohner von Gaza wurden gestern abend durch Schüsse der israelischen Armee verletzt. Die Patrouille hatte einige Passanten aufgefordert, sich auszuweisen. Sie rannten jedoch weg und sprangen in einen Autobus. Die Patrouille eröffnete das Feuer auf den hinteren Teil des Busses, in dem sich die Leute verborgen hatten. Durch die Schüsse wurden fünf Personen verletzt… (33)
… Am ersten Morgen nach der Aufhebung der Ausgangssperre ist die modrige Luft zwischen den Hütten (im Schati-Flüchtlingslager von Gaza) mit hysterischen Schreien von Frauen und lautem Protest von verbitterten Männern angefüllt. Eine Gruppe von Reportern aus Tel Aviv streift durch die Gassen und Häuser. Die Bewohner empfangen sie mit bitteren Kilagen. Einige Häuser sehen aus, als ob ein Erdbeben sie getroffen hätte. Wir sehen eingeschlagene Wände, zertrümmerte Möbel, mit Äxten aufgerissene Fußböden, aufgeschlitzte Matratzen, zerbrochene Spiegel und zerschlagene Klosetts. Einige der Schäden waren von den Behörden bereits repariert worden.
Die Einwohner beklagen sich über Brutalitäten, von Vergewaltigungen bis zu rücksichtslosen Schlägen und Diebstählen; und man hört, einem Baby sei der Schädel zertrümmert worden. Auf die Frage, wo die Verwundeten sind, sagt man uns, sie seien an "unbekannte Plätze geschafft worden".
Generalmajor Menachem Aviram, der Kommandant des Gaza-Streifens, steht mitten unter den Reportern, eine Feldjacke über die Schultern gezogen, um seinen Rang vor dem schreienden Mob zu verbergen. Die Reporter fragen ihn, was er zu diesen Beschuldigungen zu sagen habe. Er sagt lakonisch: "Hunderte von Untersuchungsbeamten müßten ein ganzes Jahr lang arbeiten, um die Wahrheit herauszufinden. Und selbst dann ist zweifelhaft, ob wir wüßten, was wirklich geschah"… (34)
In der Panik über die Ermordung der beiden Arrayo-Kinder (am 2. Januar durch Terroristen), die die Politik der starken Hand in Gaza ausgelöst hat, haben wir zu extremen Maßnahmen gegriffen. Zum ersten Mal seit Juni 1967 haben wir damit begonnen, Frauen und Kinder für Verbrechen von Männern zu bestrafen. Wir haben 164 nahe Verwandte von Leuten, die von den Sicherheitsbehörden gesucht werden, an einen entlegenen Ort im südlichen Sinai deportiert. Diese drastische Maßnahme wurde ergriffen, um die Verdächtigten daran zu hindern, von ihren Familien Unterschlupf und Nahrungsmittel zu bekommen. (35)
Seit mehr als drei Jahren geht die Politik der Behörden dahin, die Bevölkerung von Gaza in den Sumpf von Terror und Gegenterror sinken und in wirtschaftlicher und sozialer Anarchie leben zu lassen. Das Hauptziel dieser Politik war, die Bewohner des Gaza-Streifens zur Emigration zu nötigen. Hätte diese Politik Erfolg gehabt und die Bevölkerungszahl von 400 000 um etwa 250 000 reduziert, dann wären die Planer ohne Zweifel zufrieden gewesen und hätten die Annexion von Gaza vorgeschlagen. Aber diese Politik ist schon lange gescheitert. In mehr als drei Jahren haben nur 60 000 Araber den Gaza-Streifen verlassen… (36)
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Willkürliches aus HA’ARETZ in der BADISCHEN ZEITUNG
Die israelische Zeitung HA’ARETZ lobte am Mittwoch in einem Kommentar zum jüngsten Apollo-Mondflug ‘die amerikanische Neigung, unter keinen Umständen den Sportsgeist und den Humor aufzugeben". Das Blatt fügte hinzu: "Das unterscheidet sie von den Sowjets, die Maschinen auf den Mond schicken, welche natürlich nicht scherzen und unterhalten können." (37)
Daß die journalistische Neigung, unter allen Umständen zu scherzen und zu unterhalten, zu den weltweiten Seuchen gehört, ist bekannt.
Daß ein Provinzblatt tatsächlich vom Inhalt der hebräischen Presse Kenntnis nimmt, ist aufregend.
Daß dabei die Willkürakte einer rasenden Besatzungsmacht unterschlagen werden, ist selbstverständlich.
Daß aber Schreibmaschinengehirne, nur eigenem Drang und keiner Not gehorchend, zur Untat noch die Triebtat häufen, Unsägliches extrahieren, und zu Blut und ungestillten Tränen noch den Auswurf ihrer Plattheit fügen — d a s i s t e n t s e t z l i c h.