Internationaler Strafgerichtshof steht unter starkem Druck der USA und Israel
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Junge Welt, 1.12.2014
Russell-Tribunal: Vernichtende Bilanz für Israel
Norman Paech
Für eine wirksame Kriegsführung benötigt ein Staat dreierlei: eine schlagfertige Armee, effektive Waffen und eine schwache Justiz. Da genügt kein noch so differenziertes und ausgeklügeltes Rechtssystem, wenn der politische Wille fehlt, es durchzusetzen. Selbst das Eingeständnis der Generalanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, dass es »eine begründete Annahme dafür gibt, dass Israel Kriegsverbrechen bei dem Angriff auf die »Mavi Marmara« begangen hat«, reichte nicht für die Fortführung des Verfahrens vor dem Strafgerichtshof. »Mögliche Verbrechen hätten nicht die genügende Schwere, um weitere Untersuchungen zu rechtfertigen«, ließ sie verbreiten. Sie wurden Anfang November eingestellt. Das war nicht anders zu erwarten, nachdem sich Bensouda schon vorher beharrlich geweigert hatte, mögliche Kriegsverbrechen im jüngsten Gaza-Krieg mit mehr als 2000 getöteten Palästinensern zu untersuchen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Strafgerichtshof unter starkem Druck seitens der USA und Israels steht – was Frau Bensouda bestreitet, aber aus der Behörde selbst bestätigt wird. Israel ist offensichtlich auch juristisch unantastbar, gleichgültig, welche Verbrechen es begeht.
Da diese »magische Hand« Israel schon immer vor jeglicher juristischer Verantwortung schützte, hatte sich das von Basisgruppen initiierte »Russell-Tribunal« zunächst den Krieg von 2008/2009 in vier Sitzungen vorgenommen und nach den Grundsätzen untersucht, die es im historischen ersten, von Lord Bertrand Russell initiierten Tribunal 1966/67 über den Vietnam-Krieg entwickelt hatte. Grundlage waren die im Römischen Statut von 1998 kodifizierten Straftatbestände der Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Völkermords. So entstand nicht nur eine umfassende Dokumentation des Kriegsgeschehens und seiner Auswirkungen, sondern auch eine beklemmende Anklage unzähliger Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nach dem Gaza-Krieg in diesem Sommer traf sich das Tribunal erneut in Brüssel, vernahm Zeugen und Sachverständige. Das Ergebnis war wiederum eine schonungslose Anklage. »In Anbetracht des zyklisch sich wiederholenden verheerenden Musters der Gewaltanwendung und angesichts der Wahrscheinlichkeit seiner Fortsetzung in der Zukunft, waren die Mitglieder des Tribunals überzeugt, dass es notwendig sei, den Menschen in Gaza eine Stimme zu geben und deutlich zu machen, dass jetzt unverzügliches Handeln dringend geboten ist«, heißt es in dem für die israelische Kriegsführung vernichtenden Bericht – den hiesigen Medien allerdings nicht zur Kenntnis genommen haben.
www.russelltribunalonpalestine.com/