Jitzhak Moda’i oder Die unterschätzte Kraft des Sophismus
Übersetzung aus HA’ARETZ (Tel Aviv), 8. November 1978
EIN INTERVIEW MIT JITZHAK MODA’I
Zusätzliche Klarstellung des Ministers für Energie und
Infrastruktur nach seinen Erklärungen
in einem Mittagsblatt (17)
von Abraham Tal
FRAGE: In dem Interview (in MA’ARIV) wurden Sie nach der israelischen Auffassung zu den legitimen Rechten der Palästinenser gefragt, und Sie haben gesagt, daß in Camp David von einer Anerkennung solcher Rechte nicht die Rede war. Als Beweis dafür haben Sie aus einem Brief von Präsident Carter an Ministerpräsident Begin zitiert, wonach der amerikanische Präsident anerkennt, daß an jeder Stelle, an der im Rahmenwerk vom “palästinensischen Volk” die Rede ist, von seiten Begins damit die “Araber von Eretz Israel” gemeint sind.
MODA’I: Richtig, das habe ich gesagt, und der Interviewer hat mich gefragt, ob dies nicht ein Lehrstück für Sophisterei ist..
FRAGE: Und Sie haben zugestimmt, daß es Sophisterei ist.
MODA’I: Richtig, und ich habe hinzugefügt, daß Israel auf seiner eigenen Interpretation bestehen und ein Recht auf Selbstbestimmung der Palästinenser – Pardon, der Araber von Eretz Israel – nicht anerkennen wird.
FRAGE: Aber Sie haben auch gesagt, daß Israel “die legitimen Rechte der Araber von Eretz Israel” anerkennt. Ist das nicht genau die gleiche Sache, nur in eine Art offizielles Hebräisch übersetzt?
MODA’I: Nein. Weil wir nur die legitimen Rechte anerkennen. Selbstbestimmung ist kein legitimes Recht.
FRAGE: Aber im Rahmenwerk von Camp David steht doch: “Gewählten Vertretern der Westbank und von Gaza…”
MODA’I: Schon falsch! Von Judäa, Samaria und dem Gazastreifen!
FRAGE: Also meinetwegen: “… soll die Möglichkeit gegeben werden, zu entscheiden, in welcher Form sie sich regieren wollen”.
MODA’I: Weiterlesen, weiterlesen: “Entsprechend den im Abkommen getroffenen Vereinbarungen” – und im Abkommen steht nicht ein einziges Wort von Selbstbestimmung.
FRAGE: Wie können Sie so etwas sagen? Es heißt doch dort, daß “das Palästinenserproblem in allen seinen Aspekten gelöst werden muß”.
MODA’I: Richtig. Aber nach dem Wortlaut des Abkommens muß die endgültige Lösung die legitimen Rechte und die gerechten Forderungen der Araber von Judäa, Samaria und dem Gazastreifen sicherstellen.
FRAGE: Und das sagen S i e?
MODA’I: Ja natürlich. Selbstbestimmung ist weder ein legitimes Recht noch eine gerechte Forderung.
FRAGE: Oh, ich sehe; das hatten wir schon.
MODA’I: (charmant lächelnd) Sehen Sie!
FRAGE: Ich verstehe jetzt, was mit Sophisterei gemeint ist.
MODA’I: Aber warum denn dieses Wort benutzen – Sophisterei? Sagen wir doch: Scharfsinn, Sophismus.
FRAGE: Nachdem also dieser Punkt geklärt ist, erlauben Sie, daß wir zu einem anderen Thema kommen. In jenem Interview (in MA’ARIV) haben Sie die Interpretation zurückgewiesen, daß Israel die Autorität in Judäa, Samaria und dem Gaza-Streifen aufgegeben hat, als es zustimmte, die Militärregierung aufzulösen.
MODA’I: Die Militärregierung wird nicht aufgelöst, sie wird aus den Gebieten abgezogen. “Zurückziehen” heißt es im Abkommen, nicht etwa auflösen.
FRAGE: Heißt das, daß die Militärregierung weiterbestehen wird?
MODA’I: Aber sicher! Die Autonomie-Organe werden während der Zwischenperiode von ihr die Autorität ableiten.
FRAGE: Wie wird die Autorität daraus abgeleitet werden? Es wird doch Wahlen geben für einen Autonomie-Rat, und dieser Rat wird doch wohl seine Autorität von den Einwohnern, die ihn wählen, ableiten, und nicht von einer Militärregierung, die sich zurückzieht.
MODA’I: Nein! Und hier ist der Beweis: Die Militärregierung wird weiterbestehen! Und warum muß sie weiterbestehen? Weil sie die Quelle der Autorität ist. Wäre das nicht so, man bräuchte sie nicht mehr. Man könnte sie aufgeben. Aber es wurde nicht beschlossen, nicht ausdrücklich beschlossen, sie aufzugeben…
FRAGE: Sondern nur, daß sie sich “zurückzieht”. Ich bin, also regiere ich. .
MODA’I: (Übergeht die Frage). Die Militärregierung wird weiterbestehen, selbst wenn sie in den Autonomie-Gebieten nicht mehr physisch anwesend ist, sondern nur außerhalb.
FRAGE: Wie ein Kolonialministerium ohne Kolonien.
MODA’I: Warum denn solche Worte? Kolonien! Judäa, Samaria und der Gazastreifen sind keine Kolonien, sondern. .
FRAGE: Sondern was?
MODA’I: Gebiete, auf die wir Anspruch haben, einen Anspruch auf Souveränität.
FRAGE: Und was geschieht nach der Interimsperiode (d.h. nach Ablauf der in Camp David ausgehandelten 5 Jahre), wenn die Bewohner sich für Selbstbestimmung aussprechen?
MODA’I: Sie werden sich nicht für Selbstbestimmung aussprechen, denn das ist weder ein legitimes Recht noch eine gerechte Forderung.
FRAGE: Ich erinnere mich, das hatten wir schon. Das heißt also, daß die Militärbefehlshaber weiterhin im Amt bleiben werden?
MODA’I: Natürlich.
FRAGE: Getrennt je einer für Judäa und Samaria und für den Gazastreifen? Mit den Stabsoffizieren für Landwirtschaft, Erziehung, Wohnungsbau, etc.?
MODA’I: Ich nehme an, wir werden das Personal reduzieren können. Nur das Konzept ist wichtig.
FRAGE: Und wo wird das Konzept residieren?
MODA’I: Entweder in Jerusalem oder in Tel Aviv. Das ist ein technisches Problem.
FRAGE: Eine Art Aushängeschild. Ein Trust mit Aktienbesitz.
MODA’I: Ein guter Vergleich. Denken Sie daran, daß ein solcher Trust über die Tochterfirmen herrscht, auch wenn diese im Ausland sind.
FRAGE: Bis es zur Rebellion kommt und sie nationalisiert werden. Aber immerhin, wir sind doch beruhigt, daß Sie an eine Reduzierung des Personals denken. Es könnte sonst passieren, so nach 50 Jahren, wenn die Pessimisten recht behalten und die Westbank – Gott behüte! ein arabischer Staat wird, daß dann der Staatskontrolleur bei einer Routineüberprüfung in einem Winkel von Tel Aviv eine Büroflucht voll mit Militärbefehlshabern, Stabsoffizieren, Beamten und Sekretärinnen entdeckt, die man einfach fortzuschicken vergessen hat. Wenn’s nur ein Konzept ist, ist das Risiko nicht ganz so groß.
MODA’I: Sie sind anscheinend ein Zyniker.
FRAGE: Ich meine das durchaus ernst. Solche Sachen sind passiert. Aber wenn Sie erlauben, will ich zum letzten Punkt kommen. Welche Summe sollten wir von den USA verlangen (zur Deckung der Kosten, die Israel durch die Friedensvereinbarungen entstehen)?
MODA’I: Wäre es nach mir gegangen – 10 Milliarden Dollar.
FRAGE: Mehr nicht?
MODA’I: Sie sind schon wieder zynisch. Denken Sie an die Flugplätze. Denken Sie an die Infrastruktur, die wir während der elf Jahre in Sinai angelegt haben. Alles muß neu gebaut werden. Und der Dollar von 1978 ist nicht der Dollar von 1968 bis 1973. Ich habe deshalb auch die Hilfe hinzuaddiert, die Ägypten von den USA erhalten wird. Einen Teil davon werden die Ägypter bei uns kaufen müssen.
FRAGE: Zum Beispiel Weizen, Gerste, Korn, Soja? Aber ich nehme doch an keine Waffen?
MODA’I: Wir haben den Ägyptern einiges zu bieten. Unterschätzen Sie uns nicht.
FRAGE: Trotzdem – 10 Milliarden Dollar! Wie sieht die Rechnung im Detail aus?
MODA’I: Das ist ein geheimes Dokument. Ich kann keine Angaben machen.
FRAGE: Ich will ja nicht aufdringlich erscheinen, aber haben Sie sich wirklich nicht verrechnet? Wenn man solche riesigen Summen von Hand aufaddiert, da kommen manchmal die Spalten durcheinander…
MODA’I: Da ist kein Fehler. Ich habe eine schöne, runde Summe daraus gemacht, aber die Rechnung ist in Ordnung.
FRAGE: Ministerpräsident Begin scheint allerdings bereit zu sein, weniger anzunehmen.
MODA’I: Ich habe das gelesen. Mit großem Bedauern. Ich bin entsetzt, daß er mit einer so kleinen Summe zufrieden ist, mit 3 bis 4 Milliarden Dollar. Ich hoffe, daß ich nicht recht behalte, aber von diesen 3 bis 4 Milliarden werden vielleicht noch 2 bis 3 Milliarden übrigbleiben. Hätten wir mit 10 Milliarden begonnen…
FRAGE: Hätten die Amerikaner überhaupt mit uns gesprochen?
MODA’I: Mein lieber Herr! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wieviel die Amerikaner von unserem Abkommen mit Ägypten profitieren? Wieviel sich auf ihrem global-strategischen Konto ansammelt?
FRAGE: Ich stelle mir halt vor, was ein nicht genannter Beamter in Washington einem Mr. Evans oder einem Mr. Novack ins Ohr flüstert: Mit der einen Hand kriegt Carter von Begin eine Ohrfeige, und mit der anderen wird ihm die Hose runtergezogen.
MODA’I: 10 Milliarden Dollar sind weniger als 1 % ihres Bruttosozialproduktes.
FRAGE: Und mehr als ein Drittel ihres Handelsdefizites.
MODA’I (enthusiastisch): Die gesamte amerikanische Nation hätte uns dafür gedankt, wenn wir auf unserer Forderung nach 10 Milliarden Dollar bestanden hätten! Das hätte ihre Unterbeschäftigung verringert, das hätte ihnen neue Jobs verschafft, das wäre eine wirkliche Ermutigungsspritze für die ganze amerikanische Wirtschaft gewesen! Haben Sie nicht gelesen, daß manche Leute befürchten, 1979 werde ein Jahr der Rezession in den USA werden? Diese 10 Milliarden an uns die brauchen das, wie die Luft zum atmen!
FRAGE: Ich muß zugeben, daß ich die Sache von dieser Seite her noch nicht bedacht habe. Vielen Dank, Herr Minister. Ich hoffe, Sie nach Ihrer Rückkehr aus Washington wieder sehen zu können. Es heißt, Washington sei eine wunderbare Stadt, die israelische Besucher auf andere Gedanken bringt. Übrigens sollen ja, außer Ihnen, auch noch andere Minister – Arik Sharon, Landau und Nissim – nach Washington geschickt, Pardon – nach Washington gebeten werden, um an den Verhandlungen teilzunehmen.
MODA’I: Keine Sorge. Die werden nicht als Tauben zurückkommen, so wenig wie ich. Reden wir nach meiner Rückkehr darüber.
FRAGE: Warten wir ab. Vielen Dank, Herr Minister.