Klartexte 7: Pax Hebraica – Die Scharon Doktrin
Pax Hebraica
Die «Scharon Doktrin»:
Das Israel-Imperium von China und der UdSSR bis Kenia und Marokko
1982 Helmut Spehl Freiburg
Vorwort von Prof. Israel Shahak
Jerusalem, 17. Juni 1982
(Professor Israel Shahak war der Vorsitzende der Israelischen Liga für Burgerund Menschenrechte in Tel Aviv)
Der Leser dieses Heftes sollte vor allem auf den Artikel von Oded Jinon hingewiesen werden, dessen expositorische Weitschweifigkeit und stereotype Diktion vielleicht dazu verleitet, die Lektüre – zu Unrecht – vorzeitig abzubrechen. Meiner Meinung nach spiegelt dieser Aufsatz, der in einer von der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Zionistischen Weltorganisation in Jerusalem herausgegebenen Zeitschrift erschienen ist, den genauen und detaillierten Nahost-Plan des gegenwärtigen zionistischen Regimes wider, dessen Hauptakteure Verteidigungsminister Ariel Scharon und Generalstabschef Raphael Eytan sind. Dieser Plan sieht die Auflösung sämtlicher heutigen arabischen Staaten und die Unterteilung des Gebietes in kleine Staatsgebilde vor. Es wird gut sein, die Aufmerksamkeit des Lesers auf einige wichtige Punkte hinzulenken.
Der Gedanke, daß sämtliche arabischen Staaten in kleinere Gebilde auseinandergebrochen werden sollten, taucht im israelischen strategischen Denken immer und immer wieder auf. So schreibt beispielsweise Zeev Schiff, der wahrscheinlich kenntnisreichste aller israelischen Militärkorrespondenten, daß das “Beste”, was in Israels Interesse in Irak passieren könnte, “die Auflösung des Irak in einen schiitischen und einen sunnitischen Staat, sowie die Abtrennung des kurdischen Teils” sei. (HA’ARETZ, 2. Juni 1982). Der Leser wird diese Denkweise in Oded Jinons Artikel bis zur Ermüdung wiederfinden. Im übrigen ist dieser Aspekt des Planes sehr alt.
Die enge Verwandtschaft mit der neo-konservativen Denkrichtung in den USA ist recht auffällig, am auffälligsten in den Literaturhinweisen und Anmerkungen von Oded Jinon. Aber das Lippenbekenntnis zur ‘Verteidigung’ des Westens’ gegen die Sowjetmacht sollte nicht darüber hinwegtäuschen, was das wirkliche Ziel des Autors und der gegenwärtigen israelischen Führungsschicht ist: Ein Israel-Imperium zu einer Weltmacht zu machen. Mit anderen Worten: Scharon gedenkt die Amerikaner zu hintergehen, nachdem er alle anderen hintergangen hat.
Es ist nur allzu offensichtlich, daß viele Fakten, sowohl im Text wie auch in Oded Jinons Anmerkungen, zurechtfrisiert oder unterschlagen werden, so etwa bei den Auslassungen zur finanziellen Unterstützung Israels durch die USA. Andere Angaben sind reine Phantasiegebilde. Es wäre aber falsch, den Plan auf Grund mancher Ungereimtheiten für nicht einflußreich oder nicht für wenigstens vorübergehend realisierbar zu halten. Der Plan imitiert gläubig die ‘geopolitischen’ Ideen, die im Deutschland der Jahre von 1890 bis 1933 im Schwange waren, die von Hitler und der Nazibewegung gierig aufgesogen wurden, und die schließlich deren Ziele in Osteuropa bestimmt haben. Hitler hat diese Ziele, insbesondere die Zergliederung der bestehenden Staaten, von 1939 bis 1941 in Osteuropa in die Tat umgesetzt, und nur eine Allianz von globalem Ausmaß hat ihre Dauerhaftigkeit verhindert.
Um die durchaus ernstzunehmenden Möglichkeiten der Realisierung des zionistischen Planes besser erfassen zu können, soll auf drei Aspekte näher eingegangen werden, insbesondere auf die Frage, weshalb eine so delikate Sache in Israel in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wird.
Der militärische Hintergrund
Die militärischen Vorbedingungen des Planes werden im Artikel von Oded Jinon nicht angesprochen, aber bei den zahlreichen Gelegenheiten, wo den Mitgliedern des israelischen Establishments in geschlossenen Veranstaltungen sehr ähnlich gelagerte Dinge ‘nahegebracht’ werden, kommt auch dieser Punkt zur Sprache. Man geht davon aus, daß die israelischen Streitkräfte aller Gattungen für eigentliche Besatzungsaufgaben in den angesprochenen riesigen Gebieten nicht ausreichen. Die tatsächlichen Verhältnisse sind so, daß die israelische Armee in Zeiten breitgefächerter palästinensischer ‘Unruhen’ in der Westbank bereits über Gebühr beansprucht wird. Die Lösung dieses Problems ist die Herrschaft mittels ‘Haddad-Kräften’ (wie in Südlibanon) oder mittels ‘Dorf-Ligen’ (wie in der Westbank), also mittels lokaler Milizen, die von der Bevölkerung abgesondert sind und nicht einmal Feudal- oder Parteienstruktur aufweisen (was zum Beispiel bei der Falange in Libanon noch der Fall ist!). Die ‘Staaten’, die Jinon im Auge hat, sind ‘Haddad-Länder’ und ‘Dorf-Ligen’ im Großen, und ihre bewaffneten Kräfte werden zweifellos ganz entsprechend ausfallen. Dazu kommt, daß die militärische Überlegenheit Israels unter solchen Umständen noch viel erdrückender auf allem lasten wird als jetzt, sodaß jede Revolte entweder durch kollektive Demütigung, wie in der Westbank und im Gazastreifen, ‘bestraft’ werden kann, oder durch die Bombardierung und Ausradierung von Städten, wie zur Zeit (Juni 1982) in Libanon, oder auch durch eine Kombination von beidem. Um dazu in der Lage zu sein, sieht der Plan, wie er mündlich vorgetragen wird, die Errichtung von israelischen Garnisonen an zentralen Punkten zwischen den Kleinstaaten vor, die mit den notwendigen mobilen Einsatzkräften ausgestattet sind. Derartige Dinge sind uns aus dem Haddad-Land geläufig, und binnen kurzer Zeit wird mit großer Wahrscheinlichkeit das erste Beispiel dieses Systems entweder in Südlibanon oder in ganz Libanon sichtbar werden.
Selbstverständlich beinhalten die genannten militärischen Vorkehrungen, wie auch der Plan insgesamt, die stillschweigende Voraussetzung, daß die Araber weiterhin, oder noch mehr als heute, untereinander uneins sind, und daß keine wirklich progressive Massenbewegung zustande kommt. Es könnte sehr wohl sein, daß sich diese beiden Voraussetzungen erst dann als unhaltbar erweisen, wenn die Verwirklichung des Planes bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat – mit nicht vorhersehbaren Konsequenzen.
Die Publizierung des Planes
Der Grund, weshalb der Plan in Israel veröffentlicht werden muß, ist in der Doppelnatur der israelisch-jüdischen Gesellschaft zu suchen, die sich durch ein recht hohes Maß von Freiheit und Demokratie, insbesondere für die Juden, im Verein mit Expansionismus und rassistischer Diskriminierung auszeichnet. Unter solchen Umständen muß die israelisch-jüdische Elite (anders als die Massen, die dem Fernsehen und Begins Reden glauben) überzeugt werden.
Die ersten Schritte während des Überredungsprozesses sind, wie oben angedeutet, der mündlichen Übermittlung vorbehalten, aber nach einer gewissen Zeit wird dies lästig. Zu Nutz und Frommen der eher beschränkten ‘Überreder’ und ‘Erklärer’ muß schriftliches Material bereitgestellt werden, zum Beispiel für Offiziere mittlerer Dienstgrade, die in der Regel von bemerkenswerter Stumpfsinnigkeit sind. Sie machen sich die Argumente mehr oder weniger zu eigen, um sie anderen zu predigen. Israel, ja sogar der Jischuv, die jüdische Gemeinde Palästinas, hat seit den zwanziger Jahren immer in dieser Weise funktioniert. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie mir (bevor ich in die ‘Opposition’ ging), und anderen, im Jahr vor dem Suezkrieg von 1956 die Notwendigkeit eines Krieges mit Ägypten nahegebracht wurde, und wie man mir in den Jahren 1965-67 die Unumgänglichkeit der Eroberung des “Restes von Westpalästina bei nächstbester Gelegenheit” erklärte. In diesem Zusammenhang muß es als überaus typisch bezeichnet werden, daß eine unbekannte Person, nachweislich nicht Oded Jinon selbst, eine große Zahl von Kopien des Aufsatzes an israelische Journalisten verschickt hat, darunter an fast alle diejenigen, die mit ‘arabischen Angelegenheiten’ befaßt sind
Das minimale Risiko
In Israel wird gewohnheitsmäßig angenommen, daß die Publizierung solcher Pläne kein besonderes Risiko mit sich bringt. Solange die grundsätzliche Opposition innerhalb Israels so schwach ist (eine Situation, die sich im Gefolge der Libanon-Invasion ändern könnte), können Risiken nur von zwei Seiten her erwachsen: von der arabischen Welt, die Palästinenser eingeschlossen, und von den USA. Die arabische Welt hat sich bislang als ziemlich unfähig erwiesen, die israelisch-jüdische Gesellschaft rational und umfassend zu analysieren, wobei die Palästinenser sich darin im Durchschnitt durchaus nicht zum Besseren herausheben. Die Umstände sind derart, daß sogar diejenigen, die mit den Gefahren des israelischen Expansionismus (die ja real sind) hausieren gehen, dies nicht etwa auf Grund von faktenorientierten und detaillierten Kenntnissen tun, sondern weil sie in Mythen befangen sind. Ein gutes Beispiel ist der unabänderliche Glaube an eine tatsächlich nicht existierende Inschrift an der Wand des israelischen Parlamentsgebäudes, die den Bibelvers über das Land vom Nil bis zum Euphrat enthält. Ein weiteres Beispiel ist die von höchsten arabischen Würdenträgern immer wieder vorgebrachte, aber völlig falsche Behauptung, daß die beiden blauen Streifen in der israelischen Flagge einmal mehr den Nil und den Euphrat symbolisieren. In Wirklichkeit sind sie den Streifen auf dem jüdischen Gebetsmantel (Talit) nachempfunden. Kurzum, die israelischen Experten sind der Meinung, daß die Araber, im großen und ganzen, dieser ernstgemeinten Debatte über die Zukunft des Nahen Ostens keine Aufmerksamkeit schenken werden, und der Krieg in Libanon hat ihnen darin rechtgegeben. Weshalb in aller Welt sollten sie also von ihren alten Gewohnheiten der Überredung anderer Israelis ablassen
In den USA ist die Lage ziemlich ähnlich, zumindest bis jetzt, wenn auch aus anderen Gründen. Die mehr oder weniger ernstzunehmenden Kommentatoren beziehen ihre Informationen über Israel, und den größten Teil ihrer Meinung obendrein, aus den Artikeln in der ‘liberalen’ amerikanischen Presse, die fast ausschließlich aus der Feder von jüdischen Bewunderern des Staates Israel stammen, und die auch dann, wenn sie sich gegenüber gewissen Aspekten kritisch zeigen, in völliger Loyalität das praktizieren, was Stalin “konstruktive Kritik” nannte. Im Rahmen eines solchen kritischen Ritus bleibt nichts als die Grundannahme, daß Israel unter allen Umständen “gute Absichten” hat und lediglich “Fehler macht”. Ein Plan wie der von Oded Jinon kann daher grundsätzlich kein Gegenstand der Erörterung sein. Die andere englischsprachige Informationsquelle, die JERUSALEM POST, verfolgt eine ähnliche Informationspolitik. Solange daher der Zustand anhält, daß Israel eine gegenüber dem Rest der Welt ‘abgeschlossene Gesellschaft’ ist, weil die Welt die Augen schließen will, solange steht der Veröffentlichung des Planes und sogar den ersten Schritten der Realisierung sage und schreibe nichts im Wege.
DIE “SCHARON DOKTRIN”:
DAS ISRAEL-IMPERIUM VON CHINA UND DER UDSSR BIS KENIA UND MAROKKO
Von Zwi Timor
Übersetzung aus dem Hebräischen. Der Artikel erschien in der Tel Aviver Tageszeitung AL HAMISHMAR vom 21. Dezember 1981.
In all dem Wirrwarr um die kürzlichen Maßnahmen der israelischen Regierung ist der Vortrag übersehen worden, den Ariel Scharon zur Eröffnung des Symposions über strategische Fragen an der Tel Aviver Universität hätte halten sollen. Der Vortrag fiel wegen der Parlamentsdebatte zur Golan-Annexion aus. Das Manuskript wurde jedoch im vollen Wortlaut in MA’ARIV veröffentlicht.[1]
Der Vortrag ist deshalb bemerkenswert, weil Verteidigungsminister Ariel Scharon darin die Scharon Doktrin präsentiert. Aus der Geschichte der Diplomatie ist uns die eine oder andere Doktrin geläufig. Die erste war die Monroe Doktrin, in der vom Präsidenten der USA erklärt wurde, daß Südamerika amerikanisches Einflußgebiet ist, und daß die USA eine Intervention europäischer Mächte in diesem Gebiet nicht hinnehmen werden. Die Truman Doktrin stellte nach dem Zweiten Weltkrieg klar, daß zu den amerikanischen Einflußgebieten im südlichen Europa Länder wie Griechenland und die Türkei gehören. Die Breschnew Doktrin beanspruchte das Recht der UdSSR, in sozialistischen Staaten zu intervenieren, wenn die dortigen Regime in Gefahr sind. Alle diese Erklärungen legten Einflußgebiete der Großmächte fest.
A. Scharon legte in seinem Vortrag die Sicherheitsinteressen Israels im Rahmen zweier Bereiche dar:
* Die Konfrontation mit den Arabern.
* Die Blockierung der sowjetischen Einflußnahme.
Scharon dehnt die israelische Interventionssphäre auf Gebiete aus, die weit jenseits der unmittelbaren sicherheitspolitischen Interessenssphäre in den arabischen Staaten liegen. Aber lassen wir ihn selber sprechen:
“Ich möchte einige der Auswirkungen der israelischen Sicherheitspolitik anführen. Es sollte klar sein, daß die Sicherheitsinteressen Israels in dem neuen strategischen Bereich, den ich soeben umrissen habe, durch Entwicklungen und Vorgänge weit außerhalb des Gebietes der direkten Konfrontation beeinflußt werden, dem wir in der Vergangenheit unsere Aufmerksamkeit gewidmet haben.”
Scharon stellt somit in aller Öffentlichkeit fest, daß er die israelischen Grenzen nicht an der grünen Linie oder an den Waffenstillstandsgrenzen zu verteidigen gedenkt, sondern “weit” jenseits des direkten Konfrontationsge-bietes.[2]
Bezüglich der Frage, wo die israelischen Verteidigungslinien liegen, überläßt Scharon nichts der Phantasie, sondern nennt unmißverständliche Details:
“Mit anderen Worten, die strategische Interessenssphäre sollte – über die arabischen Staaten im Nahen Osten, am Mittelmeer und am Roten Meer hinaus – Länder wie die Türkei, Iran und Pakistan, sowie Gebiete wie den Persischen Golf und Afrika umfassen, insbesondere nördliche und zentralafrikanische Staaten.”
Scharon gestaltet das Israel-Imperium für die achtziger Jahre mit den folgenden Grenzen: im Osten – China, im Norden – die UdSSR, im Westen – Algerien und Marokko, und im Süden – anscheinend Kenia oder Südafrika.
Da hier von Sicherheitsinteressen die Rede ist, beabsichtigt Scharon offenbar, diese Interessen immer dann zu verteidigen, wenn sie durch Vorgänge in Iran, oder durch “sowjetische Intervention” in Zentralafrika, oder sogar durch den Zusammenbruch des Regimes in Pakistan gefährdet erscheinen.
Stellen wir uns vor, Khomeinis iranische Revolution hätte sich während der Scharon-Ara zugetragen. Seiner Doktrin entsprechend hätte Scharon wohl eine Fallschirmjägereinheit in Teheran operieren lassen. Heute sieht die Sache allerdings anders aus, und gemäß ausländischen Quellen beliefert Israel das Khomeini-Regime sogar mit Waffen und Munition.
Zur Umsetzung der Scharon Doktrin in die Tat müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Scharon nennt sie ohne Umschweife:
“Eines ist klar: Um unsere nationale Sicherheit verteidigen zu können, muß unsere Fähigkeit zur Aufrechterhaltung eines Machtgleichgewichtes und einer qualitativen und technologischen Überlegenheit gegenüber jeder überhaupt möglichen arabischen Kriegskoalition gewährleistet werden.”
Eine qualitative und technologische Überlegenheit. Um keine Fragen offenzulassen, stellt Scharon sogleich klar, daß er eine der Grundvoraussetzungen zur Aufrechterhaltung der israelischen Überlegenheit darin sieht, daß “wir jeden Konfrontationsstaat oder potentiellen Konfrontationsstaat am Zugang zu nuklearen Waffen hindern müssen.”
Man muß das zweimal lesen, denn Scharon spricht nicht nur von Konfrontationsstaaten, sondern erweitert seine Doktrin auf potentielle Konfrontationsstaaten. Dies mag immerhin die Einbeziehung von Pakistan in die Sphäre der israelischen Sicherheitsinteressen erklären.
Scharons Doktrin beinhaltet zweierlei Aspekte: zusammen mit den USA sollen die gemeinsamen Interessen der freien Welt garantiert werden, gleichzeitig aber sollen israelische Sicherheitsbelange in Gebieten gewahrt werden, die Tausende, ja sogar Zehntausende Kilometer von den israelischen Grenzen entfernt sind.
Die “Scharon Doktrin” wäre komisch oder jämmerlich, würde sie nicht von dem Minister stammen, der für die israelische Armee zuständig ist und die Befugnis hat, sie in Marsch zu setzen.
Man könnte natürlich diese Doktrin als “Tollheit” oder als “Größenwahn” abtun, als “bar jeder Realität”. Aber wir sollten uns darüber klar sein, daß Israel, solange Ariel Scharon Verteidigungsminister ist, in eine ganze Kette von globalen und lokalen Konflikten verwickelt werden kann, die im Grunde keine direkten Beziehungen zu Israel haben.
EINE STRATEGIE FÜR ISRAEL IN DEN ACHTZIGER JAHREN
Von Oded Jinon
Übersetzung aus KIVUNIM (Richtungen), Nr. 14, Februar 1982, Seite 49-59. (Vergl. das Faksimile des Titelblattes dieser Zeitschrift). Der Autor, Oded Jinon, ist Journalist und War früher Im israelischen Außenministerium beschäftigt. Die im Folgenden mit einem Stern gekennzeichneten Anmerkungen sind diejenigen von Oded Jinon, die durchnumerierten stammen vom Herausgeber der KLARTEXTE
Der Anbruch der achtziger Jahre stellt den Staat Israel vor die Notwendigkeit einer neuen Perspektive bezüglich seines Standortes, seiner Ziele und seiner nationalen Aufgaben, hier im Lande und draußen. Dies ist um so vitaler, als dem Land, der Region und der ganzen Welt verschiedene Entwicklungsprozesse zentraler Art bevorstehen. Wir leben heute im Frühstadium einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte, die mit vorangegangenen Epochen keinerlei Ähnlichkeit aufweist, und deren Charakteristiken von allen bisher bekannten völlig verschieden sind. Wir brauchen deshalb zum einen ein Verständnis für die zentralen Prozesse, die dieser historischen Epoche ihren Stempel aufdrücken,und zum andern einen globalen Überblick und eine operative Strategie, die mit den neuen Gegebenheiten in Einklang stehen. Die Existenz, das Gedeihen und der Bestand des Jüdischen Staates wird von seinen Fähigkeiten abhängen, sich einen neuen Weg und ein neues Rahmenwerk für sein innenpolitisches Tun und Lassen zu eigen zu machen.
Die neue Epoche zeichnet sich durch verschiedene Charakterzüge aus, die wir bereits ausmachen können, und die eine echte Revolution unseres gegenwärtigen Lebensstils ankündigen. Der dominierende Prozeß ist der Niedergang der humanistischen und rationalen Weltanschauung, jener Hauptsäule der Lebensweise und der Errungen schaften der westlichen Zivilisation seit der Renaissance. Die Auffassung von den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Belangen, die auf dieser Basis entstanden ist, hat einige ‘Wahrheiten’ für richtig gehalten, die heutzutage dahinschwinden. So zum Beispiel die Ansicht, der Mensch als Individuum sei der Mittelpunkt des Universums, und alle Dinge dieser Welt seien dazu da, seine materiellen Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Auffassung erweist sich als nicht mehr haltbar, seit klargeworden ist, daß das kosmische Rohstoffreservoir den Anforderungen des Menschen, seinen wirtschaftlichen oder seinen demographischen Zwängen nicht angemessen ist.
In einer Welt von 4 Milliarden Menschen, und mit Wirtschaftskräften und Energiequellen, die nicht proportional mit den Bedürfnissen der Menschheit anwachsen, ist die Erwartung unrealistisch, dem Wunsch und dem Streben nach grenzenlosem Konsum, auf dem die westliche Gesellschaft hauptsächlich beruht, könne Genüge getan werden.*
* American Universities Field Staff, Report No. 33, 1979. Gemäß dieser Studie wird die Weltbevölkerung im Jahr 2000 die Zahl 6 Milliarden erreichen. Die heutige Weltbevölkerung setzt sich folgendermaßen zusammen: China, 958 Millionen; Indien, 635 Millionen; UdSSR, 261 Millionen; USA, 218 Millionen; Indonesien, 140 Millionen; Brasilien und Japan, jeweils 110 Millionen. Nach dem Zahlenmaterial des UN Population Fund für 1980 wird es im Jahr 2000 50 Städte mit über 5 Millionen Einwohnern geben. Die Bevölkerung der Dritten Welt wird dann 80% der Weltbevölkerung ausmachen. Nach Ansicht des Leiters des amerikanischen Amtes für Bevölkerungsstatistik, Justin Blackwelder, wird die Weltbevölkerung infolge von Hunger die Zahl 6 Milliarden nicht erreichen.
Die Vorstellung, daß Ethik auf dem gemäß seinen materiellen Bedürfnissen verlaufenden Weg des Menschen keine Rolle spielt, verflüchtigt sich heutzutage angesichts einer Welt, deren wenige Werte immer mehr dahinschwinden. Die Maßstäbe für die allereinfachsten Dinge gehen uns verloren, insbesondere im Zusammenhang mit der simplen Frage – was gut ist, und was böse
Die Vorstellung, daß das Streben und die Fähigkeiten des Menschen ohne Grenzen sind, bricht angesichts der leidigen Gegebenheiten des Lebens und der Auflösung der Weltordnung in sich zusammen. Diese Vorstellung, die der Menschheit Freiheit und Unabhängigkeit verheißt, erscheint im Licht der traurigen Tatsache, daß Dreiviertel der Menschheit unter totalitären Regimes lebt, absurd. Sozialismus und vor allem Kommunismus haben aus der Forderung nach Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit Spott und Hohn gemacht. Das positive Element dieser beiden Ideologien steht nicht zur Debatte, aber es ist doch offensichtlich, daß sie an den Realitäten gescheitert sind, und daß die Mehrheit der Menschen die Freiheit, die Unabhängigkeit und die Hoffnung auf Gleichheit und Gerechtigkeit verloren hat. Im atomaren Zeitalter, in dem wir nun 30 Jahre (und eben noch) in relativer Ruhe leben, haben Werte wie Brüderlichkeit, Frieden und Koexistenz der Völker keine Bedeutung mehr, wenn eine Supermacht wie die UdSSR an einer militärischen und politischen Doktrin eigener Art festhält, die davon ausgeht, daß ein atomar geführter Krieg nicht nur möglich und um der Ziele des Marxismus willen notwendig ist, sondern daß ein solcher Krieg auch überlebt, ja sogar gewonnen werden kann.*
* Eine vorzügliche Darstellung der sowjetischen Atomwaffen-Doktrin haben zwei amerikanische Sowjetkenner vorgelegt: Joseph D. Douglas, Amoretta M. Hoeber, Soviet Strategy for Nuclear War (Stanford, Calif. Hoover Inst. Press, 1919). in der Sowjetunion werden jährlich Hunderte von Artikeln und Dutzende von Büchern mit Details zur sowjetischen Doktrin für einen Krieg mit Atomwaffen publiziert. Ein großer Teil des Dokumentationsmaterials ist ins Englische übersetzt und von der US Airforce herausgegeben worden: USAF, Marxism Leninism on war and the Army. A Soviet view, Moscow, 1972. USAF, The Armed Forces of the Soviet State, Moscow, 1975 by Marshall A. Grechko. Die grundsätzliche Haltung der Sowjetunion zu diesem Thema ist dem 1%2 in Moskau erschienen Buch von Marschall Sokolovskii zu entnehmen: Marshall V. D. Sokolovskii, Military Strategy, Soviet doctrine and concepts (New York, Praeger, 1963)
Im Gefolge von politischen, militärischen und wirtschaftlichen Wandlungen ändern sich die grundlegenden Konzepte der Gesellschaft, insbesondere der westlichen Gesellschaft. Das atomare und konventionelle Potential der UdSSR macht den Geschichtsabschnitt, dem wir soeben entrücken, zur letzten Gnadenfrist vor dem großen Sturm, der einen beträchtlichen Teil unserer Welt in einem multidimensional geführten, globalen Krieg zerstören wird. Im Vergleich dazu werden die letzten Weltkriege wie ein Kinderspiel erscheinen. Die Schlagkraft der atomaren wie der konventionellen Waffen der UdSSR, ihre Quantität, ihre Präzision und ihre Beschaffenheit, wird einen Großteil unserer Welt in mehr als einem Sinne innerhalb weniger Jahre auf den Kopf stellen, und wir müssen uns auch in Israel so schnell wie möglich darauf einstellen. Hier liegt die Hauptbedrohung auch unserer Existenz, und allgemein der Existenz der westlichen Welt.*
* Einen Eindruck von den sowjetischen Absichten in verschiedenen Weltregionen vermittelt das Buch von Douglas und Hoerber, ibid. Weiteres Material in: Michael Morgan, “USSR’s Minerals as Strategic Weapon in the Future”, DEFENCE AND FOREIGN AFFAIRS, Wash. D. C., Dec. 1979.
Der Kampf um die Rohstoffe in der Welt, und nicht etwa nur das arabische Ölmonopol, vielmehr der Zwang des Westens, einen Großteil seiner Rohstoffe aus der Dritten Welt importieren zu müssen, verändern die Welt wie wir sie kennen. Wenn uns bewußt wird, daß zu den Hauptzielen der UdSSR die Unterwerfung des Westens mittels sowjetischer Kontrolle der gigantischen Bodenschätze im Persischen Golf und im südlichen Teil von Afrika gehört, werden wir uns das Ausmaß der globalen Konfrontation vorstellen können, der wir entgegengehen.
Die Gorshkov Doktrin fordert die sowjetische Seeherrschaft und die Kontrolle über die mineralreichen Gebiete der Dritten Welt. Dies und die gegenwärtige sowjetische Atomdoktrin, die von der Möglichkeit ausgeht, einen atomaren Krieg zu führen, zu gewinnen und zu überleben, wobei die Militärmacht des Westens zerstört und seine Einwohner zu Sklaven im Dienst des Marxismus-Leninismus werden, sind die eigentlichen Gefahren für den Weltfrieden und für unsere eigene Existenz.
Seit 1967 haben die Sowjets den Ausspruch von Clausewitz: “Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit atomaren Mitteln” zum Motto gemacht, das ihre gesamte Politik diktiert. Schon heute sind sie dabei, ihre Ziele in unserer Region und in der ganzen Welt in die Tat umzusetzen, und die Notwendigkeit, ihnen entgegenzutreten, wird zum Hauptelement jeder Sicherheitspolitik in unserem Land und selbstverständlich auch der Sicherheitspolitik der übrigen freien Welt. Dies ist unsere eigentliche außenpolitische Herausforderung.*
* Admiral of the Fleet Sergei Gorshkov, The Sea Power and the State, London, 1979. Morgan, loc. cit.; General George S. Brown (USAF) C-J CS, Statement to the Congress on the Defense Posture of the United States for fiscal year 1979, p. 103; National Security Council, Review of Non-Fuel Mineral Policy, Wash. D. C., 1979; Drew Middleton, NEW YORK TIMES, 15. 9.79. TIME,21. 1.80.
Die arabisch-muslimische Welt ist infolgedessen nicht das strategische Hauptproblem, das in den achtziger Jahren auf uns zukommt, trotz der Tatsache, dass vor allem von ihr, ihrer wachsenden militärischen Stärke wegen, der größte Teil der Bedrohung Israels ausgeht. Diese Welt mit ihren ethnischen Minderheiten, ihren Splitterparteien und ihren inneren Krisen, ist auf erstaunliche Weise selbstzerstörerisch, wie wir bereits in Libanon und im nicht-arabischen Iran, und neuerdings auch in Syrien, sehen. Sie ist unfähig, ihre grundlegenden Probleme erfolgreich anzupacken, und stellt deshalb auf lange Sicht keine wirkliche Gefahr für den Staat Israel dar. Es besteht allenfalls eine kurzfristige Gefahr infolge ihrer unmittelbaren militärischen Stärke. Ohne wirklich revolutionäre Wandlungen durchzumachen, wird diese Welt in den uns umgebenden Regionen auf lange Sicht nicht existenzfähig sein. Die muslimisch-arabische Welt ist wie ein provisorisches Kartenhaus gebaut, zusammengefügt von Fremden (Franzosen und Engländern in den zwanziger Jahren), ohne die Wünsche und Sehnsüchte der Bewohner in Betracht zu ziehen. Sie wurde in 19 Staaten aufgeteilt, jeder bestehend aus Kombinationen von Minderheiten, die sich feindlich gesinnt sind, so daß mittlerweile sämtliche arabisch-muslimischen Staaten der Gefahr ethnisch-sozialer Selbstzerstörung ausgesetzt sind, und in einigen dieser Staaten wütet bereits ein Bürgerkrieg.*
* Elle Kedourie, “The End of the Ottoman Empire”, JOURNAL OF CONTEMPORARY HISTORY, VoL.3, No. 1968.
Die Hauptmasse der Araber, 118 Millionen von insgesamt 170 Millionen, lebt in Afrika, hauptsächlich in Ägypten (gegenwärtig 45 Millionen). Sämtliche Maghreb-Staaten, Ägypten ausgenommen, bestehen aus einer Mischung von Arabern und nicht-arabischen Berbern. In Algerien, im Kabile-Gebirge, gibt es tatsächlich schon einen Bürgerkrieg zwischen den beiden Völkern dieses Landes; und zusätzlich zu den inneren Konflikten sind Algerien und Marokko in einen Krieg um die spanische Sahara verwickelt. Militanter Islam gefährdet die Integrität von Tunesien, und Kadhafi führt seine zerstörerischen Kriege gegen arabische Brüder, wobei zu bedenken ist, daß Libyen ein Land fast ohne Bevölkerung ist und keine starke und mächtige Nation werden kann. Aus diesem Grund hat Kadhafi die Vereinigung mit Ländern wie Ägypten und Syrien angestrebt, die schon eher echte Staaten sind. Sudan, der meistzerrissene Staat der arabisch-muslimischen Welt, besteht aus vier einander fremden Bevölkerungen; eine sunnitisch-muslimisch-arabische Minderheit herrscht über eine Mehrheit nicht-arabischer Afrikaner, Heiden und Christen. In Ägypten gibt es eine sunnitische Moslem-Mehrheit, die einer starken, in Oberägypten dominierenden Minderheit von annähernd 7 Millionen Christen gegenübersteht. In seiner Rede vom Mai 1980 drückte sogar Sadat die Befürchtung aus, daß diese einen eigenen Staat wollen, eine Art ‘zweites’ christliches Libanon in Ägypten.*
* Sadats Rede vom 1.5.80. ARAB PRESS SERVICE, Beirut, Nicosia, 25.6-2
Alle arabischen Staaten im Osten von Israel sind zerrissen, zweigeteilt und von inneren Konflikten geschüttelt, mehr noch als die Maghreb-Staaten. Syrien unterscheidet sich von Libanon im Grunde nur durch sein straffes Militärregime, aber der regelrechte Bürgerkrieg, der sich jetzt zwischen der sunnitischen Mehrheit und der herrschenden schiitischen Minderheit der Alawiden (lediglich 12% der Bevölkerung) abspielt, weist auf die Ernsthaftigkeit der inneren Probleme hin.
Auch Irak unterscheidet sich von seinem Nachbarn nicht wesentlich, obwohl hier die Mehrheit schiitisch und die herrschende Minderheit sunnitisch ist. 65% der Bevölkerung hat politisch nichts zu sagen, die Macht liegt in den Händen einer Elite von 20%, und daneben gibt es noch die starke kurdische Minderheit im Norden. Wären da nicht das straffe Regime, die Armee und die Öleinkünfte – die Zukunft des Irak würde sich nicht vom gestrigen Schicksal von Libanon und dem heutigen von Syrien unterscheiden. Die Spuren der Spaltung und des Bürgerkrieges sind dort schon heute zu erkennen, vor allem seit in Iran Khomeini an die Macht gekommen ist, den die Schiiten des Irak, an Stelle des gegenwärtigen irakischen Präsidenten Saddam Hussein, als ihren natürlichen Führer ansehen.
Sämtliche Golfstaaten und Saudi-Arabien sind auf Sand gebaut, in dem es nichts gibt außer Öl. In Kuwait machen die Einheimischen lediglich ein Viertel der Bevölkerung aus, in Bahrein bilden die Schiiten die Mehrheit, sind aber von der Macht abgeschnitten. In den Vereinigten Arabischen Emiraten bilden die Schiiten die Mehrheit und die Sunniten regieren. Das gleiche gilt für Oman und Nordjemen, und sogar im marxistischen Südjemen gibt es eine beträchtliche schiitische Minderheit. In Saudi-Arabien besteht die Bevölkerung zur Hälfte aus Ausländern (Ägypter, Jemeniten und andere), und eine saudische Minderheit ist an der Regierung.
Jordanien ist in Wirklichkeit palästinensisch, beherrscht von einer transjordanischen beduinischen Minderheit, aber der Großteil der Armee, und selbstverständlich auch die Bürokratie, ist palästinensisch. Amman ist tatsächlich so palästinensisch wie Nablus (in der israelisch besetzten Westbank; Zusatz d. Übers.). Alle diese arabischen Länder haben starke und verhältnismäßig schlagkräftige Armeen, aber auch hier gibt es einen Haken. Die jetzige syrische Armee ist hauptsächlich sunnitisch, mit einem von den Alawiden gestellten Offizierskorps. Die irakische Armee ist mehrheitlich schiitisch, mit sunnitischen Offizieren. Auf lange Sicht ist dies von großer Bedeutung, denn auf die Dauer wird es nicht möglich sein, sich auf die Loyalität einer Armee zu verlassen, deren Einigkeit auf dem einzigen gemeinsamen Nenner beruht – der Feindschaft gegenüber Israel, und schon heute reicht das nicht aus. (loc. cit.)
Genau wie bei den Arabern, die untereinander gespalten sind, verhält es sich bei den übrigen muslimischen Staaten. Die Bevölkerung des Iran besteht aus einer persisch sprechenden Hälfte und einer ihrem ethnischen Ursprung, ihrer Sprache und ihrer Natur nach türkischen Hälfte. Die Türkei zerfällt in ungefähr 50% türkisch-muslimische Sunniten und zwei starke Minderheiten: 12 Millionen schiitische Alawiden und 6 Millionen kurdische Sunniten. In Afghanistan gibt es 5 Millionen Schiiten, die ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Im sunnitischen Pakistan leben 15 Millionen Schiiten, die eine Gefahr sind für die Existenz dieses Staates.
Dieses Bild von den nationalen ethnischen Minderheiten, von Marokko bis Indien und von Somalia bis zur Türkei, zeigt den Mangel an Stabilität und kündigt einen raschen Zerfall überall in der Region rund um Israel an. Wenn dieses Bild zusammen mit der wirtschaftlichen Lage betrachtet wird, erkennen wir, daß die gesamte Region wie ein Kartenhaus gebaut ist und jeder Aussicht entbehrt, mit ihren ernsthaften Problemen fertigzuwerden.[3]
In dieser riesigen, zerrissenen Welt gibt es ein paar sehr reiche Gruppen und eine gigantische Masse von armen Leuten. Die meisten Araber haben ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 300 Dollar. In Ägypten ist dies ebenso wie in den meisten Maghreb-Ländern, außer in Libyen, und im Osten überall, außer im Irak. Libanon ist ein zerbrochener, wirtschaftlich ruinierter Staat, in dem es keine Zentralgewalt mehr gibt, sondern fünf de facto souveräne Machtgruppen (im Norden Christen unter der Herrschaft des Franjieh-Clans und unterstützt von den Syrern, im Osten ein unmittelbares Beutegebiet der Syrer, im Zentrum eine christliche Enklave unter der Kontrolle der Falangisten, südlich davon und bis zum Litani das hauptsächlich palästinensische Gebiet der PLO, und schließlich noch Major Haddads Staat aus Christen und einer halben Million Schiiten). Syrien befindet sich in einer noch schlimmeren Lage, wobei selbst die Finanzhilfe, die es nach der Vereinigung mit Libyen zukünftig erhalten wird, nicht ausreichen kann, um die Existenzprobleme zu meistern, eine große Armee zu unterhalten und den Wirtschaftszerfall zu stoppen. Die Lage Ägyptens ist am schlimmsten: Millionen leben am Rande des Hungers, die Hälfte der Bevölkerung in diesem dichtestbesiedelten Gebiet der Erde ist ohne Arbeit und ohne Behausung. Mit Ausnahme der Armee gibt es nicht einen einzigen zuverlässig funktionierenden Bereich, der Staat befindet sich in einem Zustand permanenten Bankrotts, und die einzige Finanzhilfe ist die amerikanische als Folge des Friedens mit Israel.*
* AL THAURA, Syrien, 20.12.79; AL AHRAM, 30.12.79; AL BAATH, Syrien, 6. 5. 79. 55% der Araber sind unter 20 Jahre alt; 70% der Araber leben in Afrika; 55% der Araber über 15 sind beschäftigt; 33% beben in städtischen Gebieten. Oded Jinon, “Egypt’s Population Problem”, THE JERUSALEM QUARTERLY, No. 15, Spring 1980.
In den Golfstaaten, in Saudi-Arabien und in Libyen häuft sich Geld und Erdöl wie sonst nirgendwo auf der Welt, aber davon profitieren nur winzige Eliten, denen die breite Unterstützungsbasis und die Selbstsicherheit fehlt, und deren Existenz keine Armee sichern kann. Die saudi-arabische Armee mit all ihrer Ausrüstung kann das Regime im Fall von wirklichen inneren oder äußeren Bedrohungen nicht schützen, und was 1980 in Mekka geschah, ist nur ein Beispiel. Dies also ist das Bild der düsteren und sehr stürmischen Lage rund um Israel, die für uns eine Herausforderung darstellt und Probleme und Risiken birgt, die aber auch, zum ersten Mal seit dem Sechstagekrieg von 1967, weitreichende Chancen bietet. Die Chancen und Gelegenheiten, die Israel damals ungenutzt ließ, werden sich in den achtziger Jahren in einem Ausmaß und in Dimensionen einstellen, die heute überhaupt nicht vorstellbar sind.
Die ‘Friedens’-Politik und die Rückgabe von Territorien, die unserer Abhängigkeit von den USA zuzuschreiben sind, verhindert die Verwirklichung der neuen Möglichkeiten, die zu unseren Gunsten entstehen. Seit 1967 haben sämtliche israelischen Regierungen unsere nationalen Ziele recht kleinlichen Regierungsnöten und defaitistischen Stimmungen aufgeopfert, wodurch unsere Fähigkeiten drinnen und draußen ungenutzt blieben. Daß wir in der Frage der arabischen Bevölkerung der neuen Gebiete, die wir im Zuge eines uns aufgezwungenen Krieges[4] dazugewinnen konnten, keine Schritte unternommen haben, ist der schlimmste strategische Fehler, den wir am Morgen nach dem Sechstagekrieg begangen haben. All die heftigen und gefährlichen Konflikte vom damaligen Tag bis heute hätten wir uns ersparen können, wenn wir den westlich des Jordans lebenden Palästinensern Transjordanien gegeben hätten.[5] Das Palästinenserproblem, vor dem wir heute stehen, hätten wir auf diese Weise neutralisiert, aber statt dessen haben wir Lösungen gefunden, die ja wirklich keine Lösungen sind – wie der territoriale Kompromiß oder die Autonomie, was im Grunde das gleiche ist.*
* Der ehemalige (israelische) Regierungschef Jitzhak Rabin bemerkt in seinem Buch, daß die israelische Regierung für den Zuschnitt der amerikanischen Nahost-Politik nach dem Juni(-Krieg) 1%? tatsachlich verantwortlich ist, und zwar wegen ihrer eigenen Unentschlossenheit bezüglich der Zukunft der (besetzten) Gebiete und infolge ihrer widersprüchlichen Stellungnahmen, die den Hintergrund bildeten für die UNO-Resolution 21.2 und jedenfalls, 12 Jahre später, für die Vereinbarungen von Camp David und den Friedensvertrag mit Ägypten. Wie bei Rabin nachzulesen ist, richtete Präsident Johnson am 19. Juni 1967 ein Schreiben an Ministerpräsident Eschkol, in dem von einem Rückzug aus den neuen Territorien mit keinem Wort die Rede war. Jedoch exakt am gleichen Tog beschloß die (israelische) Regierung die Rückgabe von Territorien im Austausch für Frieden. Noch den arabischen Beschlüssen von Khartum (1. 9. 67) änderte die Regierung ihre Haltung, aber im Gegensatz zum Beschluß vom 19. Juni wurden diesmal die USA von der veränderten Haltung nicht unterrichtet, und die USA unterstützten im UN-Sicherheitsrat weiterhin die Resolution 242 entsprechend ihrer früheren, aber irrigen Vorstellung, daß die israelische Regierung zur Rückgabe von Territorien bereit ist. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät, die Haltung der USA und Israels Politik zu ändern. Damit war der Weg zu den Friedensvereinbarungen auf der Basis der Resolution 242 festgefahren, und in Camp David wurde dem altern zugestimmt. Vergl. Jitzhak Rabin, Pinkas Scherut (Tel Aviv, Ma’ariv, 1979), S. 226-227
Heute eröffnen sich unseren Augen gewaltige Möglichkeiten, und eben diese müssen genutzt werden, soll Israel als Staat überleben.
Im Laufe der achtziger Jahre muß der Staat Israel in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht einen tiefgreifenden Wandel und eine radikale Änderung seiner Außenpolitik durchlaufen, um den globalen, regionalen und wirtschaftlichen Herausforderungen dieses neuen Zeitalters gewachsen zu sein. Der Verlust der Ölfelder im Golf von Suez infolge des Friedensvertrages mit Ägypten und der Verlust des ungeheuren Potentials an Öl, Gas und Mineralien auf der Halbinsel Sinai, die geologisch mit den reichen ölproduzierenden Ländern in unserer Region identisch ist, wird uns schon in naher Zukunft einen Energieengpaß einbringen und unsere einheimische Wirtschaft zerrütten, weil ein Viertel unseres Bruttosozialproduktes und ein Drittel des Staatshaushaltes zum Kauf von Erdöl verwendet wird.*
* Der Vorsitzende des Knessetausschusses für Außen- und Sicherheitspolitik, Prof. Mosche Arens (jetzt Botschafter in Washington), wies in einem interview (MA’AR1V, 3. 10. 80) darauf hin, daß die israelische Regierung es versäumt hat, vor den Verhandlungen über die Vereinbarungen von Camp David einen Wirtschaftsplan auszuarbeiten. Sie war dann von den Folgekosten der Vereinbarungen selber überrascht. Die israelische Presse ist mittlerweile voll von Daten, Fakten und Zahlen über den Preis, den unsere Wirtschaft für den Frieden zu bezahlen hat, obwohl es schon während der Verhandlungen durchaus möglich war, den hohen Preis und den gravierenden Fehler der nicht vorbereiteten wirtschaftlichen Grundlage für den Frieden zu erkennen. Der frühere israelische Finanzminister Jigal Horowitz stellte fest, daß Israel eine positive Zahlungsbilanz aufzuweisen hätte, wenn der Rückzug von den Ölfeldern (auf der Sinai-Halbinsel) unterbliebe (17.9.80). Zwei Jahre zuvor hatte der gleiche Mann gesagt, daß sich die israelische Regierung, (aus der er damals ausschied) eine Schlinge um den Hals gelegt hat. Er meinte damit die Vereinbarungen von Camp David (HA’ARETZ, 3.11. 78). im gesamten Verlauf der Friedensverhandlungen mit Ägypten wurde weder ein Wirtschaftsexperte noch ein Wirtschaftsberater konsultiert, und Ministerpräsident Begin selbst der in Wirtschaftsfragen weder über Kenntnisse noch über Erfahrung verfügt, verlangte in völliger Verkennung der Situation von den Vereinigten Staaten, uns eine Anleihe statt eine Finanzhilfe zu gewahren, offenbar um unsere Ehre zu wahren und um den Respekt der USA nicht zu verlieren. Vergl. HA’ARETZ, 5. 1.79; JERUSALEM POST, 7.9. 79. Prof. Asaf Rasin, ehemals Chefberater im Finanzministerium, hat die Art, wie die Verhandlungen geführt wurden, scharf kritisiert, HA’ARETZ, 5. 5. 79; MA’ARIV, 7. 9.79. Bezüglich der Ölfelder und Israels Energiekrise, siehe das interview mit Eitan Eisenberg, einem Regierungsberater in solchen Fragen, MA’ARIV, 12. 12. 78. Der Minister für Energiepolitik, der die Vereinbarungen von Camp David samt Evakuierung (der Ölfelder) von Sdeh Alma persönlich unterzeichnete, hat den Ernst der Lage bezüglich unserer Ölversorgung seither mehr als einmal betont. Siehe JEDIOTH AHARONOT, 20.7.79. Energieminister Moda’i räumte sogar ein, daß ihn die Regierung wahrend der Verhandlungen in Camp David und danach in Blair House zum Thema 01 überhaupt nicht konsultiert hat, HA’ARETZ, 22. 8. 79.
Die Suche nach Rohstoffen, Öl und Gas im (israelischen) Negev und in der Küstenebene ist nicht dazu angetan, diese Sachlage in naher Zukunft zu ändern.
Die Rückgewinnung der Halbinsel Sinai mit ihren unmittelbaren und potentiellen Rohstoffquellen ist deshalb schon heute ein politisches Ziel allerersten Ranges, dessen Verwirklichung durch die Abmachungen von Camp David und durch die Friedensverträge mit Ägypten behindert wird. Die Schuld liegt selbstverständlich bei der heutigen israelischen Regierung und bei den Regierungen, die der Politik der Gebietsrückgabe den Weg geebnet haben, also bei den Regierungen der Arbeiterparteien seit 1967. Die Ägypter brauchen den Friedensvertrag nach der Rückgabe von Sinai nicht einzuhalten,[6] und sie werden zweifellos alles ihnen Mögliche tun, um wieder in den Schoß der arabischen Welt aufgenommen zu werden, damit sie des Pulsschlags der arabischen Welt und der militärischen Unterstützung der UdSSR wieder teilhaftig werden. Die amerikanische Unterstützung ist nur für kurze Zeit gesichert, sie unterliegt den Friedensabmachungen, und die innen- und außenpolitische Schwächung der USA wird zu einer Reduzierung der Hilfeleistungen führen. Ohne Erdöl, ohne die Einkünfte aus dessen Verkauf und mit den heutigen enormen Ausgaben dafür, werden wir die Zeit nach 1982 unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht durchstehen, und wir werden dafür sorgen müssen, daß der status quo wiederhergestellt wird, wie er in Sinai vor dem Besuch von Sadat in Jerusalem und vor dem mit ihm fatalerweise abgeschlossenen Friedensvertrag vom März 1979 bestanden hat.*
* Zahlreiche Quellen berichten von der Erhöhung des ägyptischen Rüstungs-Budgets und von der Absicht, auch im Friedens-Budget der Armee den Vorrang vor innenpolitischen Bedürfnissen einzuräumen, obwohl dieser Bedürfnisse wegen der Frieden angeblich angestrebt wurde. Siehe dazu den früheren Ministerpräsidenten Mamduh Salim in einem interview am 18. 12. 77; Finanzminister Abd Al Saih in einem interview am 25. 7. 78, und die Ausgabe von AL AKHBAR vom 2.12. 78, in der mit Nachdruck festgestellt wurde, daß dem Militär-Budget, trotz des Friedens mit Israel, absolute Priorität eingeräumt wird. So auch der vorige Ministerpräsident Mustafa Khalil im programmatischen Kobinettsentwurf wie er am 25.11. 78 dem Parlament vorgelegt wurde. Siehe die englische Übersetzung ICA, FBIS, Nov. 27, 1978, S. D 1-10. Gemäß diesen Quellen stieg das ägyptische Militär-Budget vorn Haushaltsjahr 1977 auf 1978 um 10%, und dieser Trend hält an. Einer saudischen Quelle zufolge planen die Ägypter, ihr Militär-Budget in den nächsten beiden Jahren um 100% zu erhöhen, HA’ARETZ, 19.2. 79, JERUSALEM POST, 14. 1. 79.
Zwei Wege bieten sich Israel an, um dieses Vorhaben zu verwirklichen, ein direkter und ein indirekter, wobei der direkte der weniger realistische ist. Das liegt einmal an der Natur unseres Staates und seiner Regierung, und zum anderen an der Raffinesse Sadats, der, neben dem Krieg von 1973, unseren Rückzug aus dem Sinai als Glanzleistung seiner Regierungszeit für sich verbuchen kann. Israel wird seinerseits keinen Vertragsbruch initiieren, weder heute noch 1982, es sei denn, der wirtschaftliche und politische Druck wird übermächtig und Ägypten liefert Israel den Vorwand für die vierte Besetzung des Sinai innerhalb unserer kurzen Geschichte. Es bleibt daher nur der indirekte Weg. Die wirtschaftliche Lage in Ägypten, das Wesen seines Regimes und seine pan-arabische Politik dürfte nach dem April 1982 eine Konstellation schaffen, die Israel zu direkten oder indirekten Maßnahmen nötigen wird, um den Sinai als strategische, wirtschaftliche und energiepolitische Reserve auf lange Sicht zurückzugewinnen. Ägypten ist auf Grund seiner inneren Schwäche militärisch und strategisch kein Problem, und es könnte auf mancherlei Wegen in die Situation zurückgetrieben werden, wie sie nach dem Juni 1967 herrschte.*
* Die meisten Wirtschaftsprognosen drücken Skepsis aus, ob Ägypten in den kommenden Jahren in der Loge sein wird, seine Wirtschaft in Ordnung zu bringen, jedenfalls nicht bis 1982. Vergl. ECONOMIC INTELLIGENCE UNIT, 1978 Supplement, The Arab Republic of Egypt; E. Kanovsky, “Recent Economic Developments in the Middle East”, Occasional Papers, The Shiloh Institution, June 1977; Kanovsky, “The Egyptian Economy Since the Mid-Sixties – The Micro Sectors”, Occasional Papers, June 1978. Robert McNamara, President of World Bank, as reported in TIMES, London, 24. 1. 78
Der Mythos von Ägypten als dem kraftvollen Führer der Araberstaaten war schon nach dem Suezkrieg von 1956 angeschlagen, und er hat auf jeden Fall das Jahr 1967 nicht überlebt, aber unsere verfehlte Politik, die zur Rückgabe des Sinai führte, hat den Mythos in ein ‘Faktum’ verwandelt. Realistisch betrachtet ist jedoch Ägyptens Stärke im Vergleich zu Israel, und auch zur arabischen Welt, seit 1967 um fast 50% zurückgegangen. Ägypten ist nicht mehr die politisch führende Kraft in der arabischen Welt, und seine Wirtschaft steht auf schwachen Füßen. Ohne ausländische Unterstützung wird sie schrie!! zusammenbrechen.*
* Siehe den Vergleich in der Studie des Institute for Strategic Studies in London und die Untersuchung des center for Strategic Studies (CSS) an der Universität Tel Aviv, sowie die Untersuchung des britischen Wissenschaftlers Denis Chaplin in MILITARY REVIEW, Nov. 1979. HSS, The Military Balance, 1979-1980, London, 1980. CSS, Security Arrangements In Sinai.. ., by Brig. Gen. (Res.) A. Schalev, No. 3. CSS, The Military Balance and the Military Options after the Peace Treatment with Egypt, by Brig. Gen. (Res.) Y. Raviv, No. 4 Dec. 1978. Außerdem zahlreiche Presseberichte: AL HADATH, London, 7.3. 80; AL WATAN AL ARABI, Paris, 14.12. 79.
Kurzfristig wird Ägypten durch die Rückgabe der Sinai-Halbinsel auf unsere Kosten einige Punkte sammeln, aber wirklich nur kurzfristig, bis 1982, und dies wird das Kräfteverhältnis nicht zu seinen Gunsten ändern, möglicherweise sogar zu seiner Zerstörung führen. Ägypten ist seinem Wesen und seinem innenpolitischen Image nach tatsächlich schon heute eine Leiche, was um so klarer wird, wenn wir die sich vertiefende muslimisch-christliche Spaltung in Betracht ziehen. Ägypten territorial in getrennte geographische Bezirke auseinanderzubrechen, ist in den achtziger Jahren das politische Ziel Israels an seiner Westfront.
Ägypten ist ein gespaltenes und zerbröckelndes Konglomerat von Machtfaktoren und stellt für Israel nicht nur keinerlei Bedrohung dar, sondern ist ein Garant für Israels Sicherheit auf lange Sicht, und die Sache liegt schon heute im Bereich unserer Möglichkeiten. Länder wie Libyen, Sudan und noch weiter entfernt liegende, werden in ihrer gegenwärtigen Form nicht weiterexistieren, vielmehr den Niedergang und die Auflösung Ägyptens teilen. Zerfällt Ägypten, werden auch alle übrigen zerfallen. Die Vision eines christlich-koptischen Staates in Oberägypten neben einer Anzahl von schwachen Staatsgebilden mit bloß regionaler ägyptischer Regierung, statt der bisherigen Zentralregierung, ist der Schlüssel zu dieser geschichtlichen Entwicklung, die durch den Friedens-Vertrag aufgehalten wurde, aber auf lange Sicht unvermeidbar erscheint.*
* Zum religiösen Gärungsprozess in Ägypten und zum Verhältnis zwischen Kopten und Moslems, vergl. die Artikelserie in der kuwaitischen Zeitung AL KABAS, 15. 9. 80. Über die wirtschaftlich und sozial bedingten Unruhen berichtet die saudische Zeitung AL RIAD in einer Artikelserie, 20. – 24. 4. 80, 13 – 17. Die englische Journalistin Irene Beeson berichtet über die Kluft zwischen Moslems und Kopten, siehe: Irene Beeson, GUARDIAN, London, 24. 6. 80. Außerdem Desmond Stewart, MIDDLE EAST INTERNATIONAL, London, 6. 6. 80. Ferner Pamela Ann Smith, GUARDIAN, London, 24. 12. 79; Anna Jerome, THE CHRISTIAN SCIENCE MONITOR, 27. 12. 79, sowie AL DUSTUR, London, 15.10. 79, AL KIFAH AL ARABI, 15. 10.79.
Die Westfront, die auf den ersten Blick problematischer erscheint, ist in Wirklichkeit weniger kompliziert als die Ostfront, wo die meisten der für das Ausland schlagzeilenkräftigen Ereignisse stattgefunden haben. Der vollständige Zerfall des Libanon in fünf Provinzen ist der Präzedenzfall für die gesamte arabische Welt, einschließlich Ägypten, Syrien, Irak und Arabischer Halbinsel. Die spätere Auflösung von Syrien und Irak in ethnisch oder religiös einheitliche Gebiete, nach dem Vorbild von Libanon, ist Israels langfristiges Hauptziel an der Ostfront, während die Zerschlagung der Militärmacht dieser Staaten das heutige, kurzfristige Ziel ist. Syrien wird entsprechend seiner ethnischen Strukturen in mehrere Staaten auseinanderbrechen, genau wie es heute in Libanon geschieht.[7] An der Küste wird auf diese Weise ein schiitischer Alawiden-Staat entstehen, im Gebiet von Aleppo ein sunnitischer Staat, im Gebiet um Damaskus ein weiterer, seinem nördlichen Nachbarn feindlicher sunnitischer Staat, und endlich die Drusen, die vielleicht einen Staat auf unserer Golan-Höhe, gewiß aber im Hauran und im nördlichen Jordanien errichten werden. Dieser Staat wird auf lange Sicht den Frieden und die Sicherheit in der gesamten Region garantieren, wobei dieses Ziel bereits heute in unserer Reichweite liegt.*
* ARAB PRESS SERVICE, Beirut, 6. – 13.8. 80; THE NEW REPUBLIC, 16. 8. 80; DER SPIEGEL, zitiert in HA’ARETZ, 21. 3.80, und die Nummer vom 30. 4. -5. 5. 80; THE ECONOMIST, 22. 3. 80; Robert Fisk, TIMES, London, 26. 3. 80; Ellsworth Jones, SUNDAY TIMES, 30.3.80.
Irak, auf der einen Seite reich an Erdöl, auf der anderen Seite reich an Spannungen und latentem Haß, ist ein sicherer Kandidat für Israels Ziele.[8] Die Zersetzung des Irak ist noch wichtiger als die Syriens. Irak ist stärker als Syrien Kurzfristig bedeutet die irakische Macht die stärkste Bedrohung für Israel. Ein irakisch-syrischer oder ein irakisch-iranischer Krieg wird Irak sprengen und seinen inneren Zerfall bewirken, noch bevor er zu einem Kampf gegen uns auf breiter Front in der Lage ist. Jede Form von innerarabischen Konfrontationen wird uns kurzfristig nutzen und den Weg zum höheren Ziel abkürzen, nämlich Irak in Sektenbereiche zu zerstückeln, wie Syrien und Libanon. In Irak ist eine Aufteilung in Provinzen auf ethnischer Basis möglich, genau wie in Syrien zu ottomanischen Zeiten. So wird es rund um die drei bedeutenden Städte Basra, Baghdad und Mosul drei (oder mehr) Staaten geben, und die schiitischen Gebiete im Suden werden vom mehrheitlich sunnitischen und kurdischen Norden abgetrennt. Möglicherweise wird bereits die gegenwärtige iranisch-irakische Konfrontation diese Polarisierung verschärfen.*
* J.-P. Péronce-Hugoz, LE MONDE, Paris, 28.4.80; Dr. Abbas Kelidar, MIDDLE EAST REVIEW, Summer 1979; CONFLICT STUDIES, ISC, July 1975; Andreas Kohtschütter, DIE ZEIT (zitiert In HA’ARETZ, 21.9.79); ECONOMIST FOREIGN REPORT, 10. 10. 79; AFRO ASIAN AFFAIRS, London, July 1979.
Die gesamte Arabische Halbinsel ist ein natürlicher und naheliegender Kandidat für Zersetzung durch inneren und äußeren Druck. Die Sache ist insbesondere im Fall von Saudi-Arabien unumgänglich, gleichgültig ob dessen auf Erdöl gegründete wirtschaftliche Macht intakt bleibt oder mit der Zeit schwindet. Im Licht der gegenwärtigen politischen Strukturen sind innere Unruhen und schließlicher Kollaps natürliche Prozesse.[9]
Jordanien ist für die nächste Zeit eine unmittelbare strategische Zielscheibe, aber nicht für längere Zeiträume, denn es stellt langfristig, nach seiner baldigen Auflösung, nach der Beendigung der langen Herrschaft von König Hussein und der Übergabe der Machtbefugnisse an die Palästinenser, keine wirkliche Bedrohung für Israel dar.*
* Arnold Hottinger, “The Rich Arab States In Trouble”, THE NEW YORK REVIEW OF BOOKS, 15.5. 80; ARAB PRESS SERVICE, Beirut, 25. 6. – 2. 7. 80; U. S. NEWS AND WORLD REPORT, 5.11. 79; ferner AL AHRAM, 9. 11. 79; AL NAHAR AL ARABI WAL DUWALI, Paris 7.9.79; AL HADATH, 9.11. 79; David Hakham In SEKIRA CHODSCHIT, ZAHAL, Jan.-Febr. 79
Jordanien hat keine Chance, noch für längere Zeit in seiner gegenwärtigen Form und Struktur weiterzubestehen, und Israels Politik, sowohl im Krieg wie im Frieden, sollte die Liquidierung Jordaniens unter dem gegenwärtigen Regime und die Übergabe der Befugnisse an die palästinensische Bevölkerungsmehrheit herbeifuhren.[10] Die Regimeänderung östlich des Jordans wird auch das Ende des Problems mit den dicht mit Arabern bevölkerten Territorien westlich des Jordans mit sich bringen. Die Auswanderung aus den (besetzten) Gebieten, gleichgültig ob im Krieg oder unter Friedensbedingungen, verbunden mit wirtschaftlicher und demographischer Stagnation in diesen Gebieten, sind die Garanten der kommenden Änderung auf beiden Seiten des Jordans. Wir sollten aktiv an der Beschleunigung dieses Prozesses arbeiten, und zwar in allernächster Zukunft. Dem Autonomieplan darf ebenso wenig zugestimmt werden, wie irgendeinem Kompromiß, oder der Aufteilung der Gebiete, da es gemäß dem Plan der PLO und den Vorstellungen der Araber in Israel, entsprechend ihrem Schefar’am Programm vom September 1980, unter heutigen Bedingungen unmöglich ist, ohne Trennung der beiden Völker weiterhin in diesem Land zu leben – was bedeutet: Araber nach Jordanien, Juden in die Gebiete westlich des Flusses. Wahre Koexistenz und wirklicher Friede kann in diesem Land nur herrschen, wenn die Araber begreifen, daß es ohne jüdische Herrschaft zwischen Jordan und Meer auch für sie keinerlei Existenz und Sicherheit geben wird. Eine eigene Nation und Sicherheit kann ihnen einzig und allein in Jordanien erwachsen.*
* Zur Politik und zu den Problemen Jordaniens siehe AL NAHAR AL ARABI WAL DUWALI, 30. 4.79, 2.7. 79. Prof. Eile Kedourle, MA’ARIV, 8. 6. 79; Prof. Tanter, DAVAR, 12. 7. 79; A. Safdi, JERUSALEM POST, 31. 5. 79; AL WATAN AL ARABI, 28. 11. 79; AL KABAS, 19.11.79; Rami Huri, THE MIDDLE EAST, Aug. 80; STRATEGIC M. E. AND AFRICA, 7. 1. 79; ECONOMIST FOREIGN REPORT, 31. 10. 79. Zur Haltung der PLO siehe: Die Resolutionen des Vierten Fatah-Kongresses, Damaskus, August 1980. Das Schefar’am Programm der israelischen Araber wurde veröffentlicht In HA’ARETZ, 24.9. 80, gedruckt In ARAB PRESS REPORT, 18. 6. 80. Fakten und Zahlen zur Auswanderung von Arabern aus den Gebieten nach Jordanien, siehe: Amos Ben Vered, HA’ARETZ, 16. 12. 77; Joseph Zuriel, MA’ARIV, 12. 1.80. Zur Haltung der PLO gegenüber Israel siehe: Schlomo Gazit In SEKIRA CHODSCHIT, ZAHAL, Juli 1980; Hani AL Hasan in einem Interview, AL RAI AL’AM, Kuwait, 15. 4.80. Avi Plaskov, ‘The Palestinian Problem”, SURVIVAL, IISS, London, Jan.-Feb. 78. David Gutman, “The Palestinian Myth”, COMMENTARY, Oct. 75; Bernard Lewis, “The Palestinians and the PLO”, COMMENTARY, Jan. 75. MONDAY MORNING, Beirut, 18. – 21.8.80. JOURNAL OF PALESTINE STUDIES, Winter 1980.
Für die Araber war die Unterscheidung zwischen den israelischen Grenzen von 1967 und denjenigen von 1948 schon von jeher ohne Bedeutung, und heute auch für uns. Das Problem muß in seiner Gesamtheit gesehen werden, ohne jede Gebietsaufteilung, wie seit 1967. Wie immer auch die zukünftige politische Lage oder die militärische Konstellation beschaffen sein mag, es sollte klar sein, daß die Lösung des Problems der einheimischen Araber erst dann kommt, wenn sie die Existenz Israels in sicheren Grenzen bis zum Jordan, und darüber hinaus, als unser existenzielles Bedürfnis in den bevorstehenden schwierigen Zeiten der atomaren Epoche anerkennen. Es ist nicht mehr länger tragbar, daß Dreiviertel der jüdischen Bevölkerung im dichtbesiedelten Küstenstreifen lebt, weil dies in der atomaren Epoche viel zu gefährlich ist.
Die Zerstreuung der Bevölkerung ist daher eine strategische Aufgabe von allergrößter Dringlichkeit, weil wir sonst, in welchen Grenzen auch immer, existenzgefährdet sind. Judäa, Samaria (d. h. die besetzte Westbank) und Galiläa sind die einzigen Garanten für die Existenz des Staates, und wenn wir keine Mehrheit in den Gebirgsregionen zustandebringen, können wir das Land nicht beherrschen, und es wird uns ergehen wie den Kreuzrittern, die dieses Land, das ihnen ohnehin nicht gehörte, verloren haben, und in dem sie von allem Anfang an Fremde waren. Eine neuerliche Ausbalancierung des Landes in demographischer, strategischer und wirtschaftlich-existenzieller Hinsicht ist das oberste und zentralste Gebot der Stunde. Die Besitzergreifung der Wasserscheide von Beer Scheva bis ins obere Gaul ist ein nationales Gebot, das mit dem strategischen Hauptziel der Besiedlung des Berglandes, das gegenwärtig Juden-leer ist, Hand in Hand geht.*
* Prof. Juval Neeman, “Samaria – Die Basis für Israels Sicherheit”, MA’ARAKHOT 272-273, Mal-Juni 1980. Ja’akov Hasdai, “Frieden, der Weg dahin und das Recht darum zu wissen” DAVAR HASCHAVUA, 23. 2. 80. Aharon Jariv, “Strategische Tiefe – Eine Israelische Perspektive”, MA’ARAKHOT 270-271, Oktober 1979. Jitzhak Rabin, “Israels Verteidigungsprobleme in den 80er Jahren”, MA’ARAKHOT, Oktober 1979.
Die Verwirklichung aller unserer Ziele an der Ostfront setzt die Lösung eines internen strategischen Problems voraus. Wir brauchen den Wandel von einer zentralistischen Wirtschaft, mit übermäßiger Regierungskontrolle, zu einer offenen und freien Marktwirtschaft, begleitet von der Abkehr von der finanziellen Abhängigkeit vom amerikanischen Steuerzahler, wozu der Aufbau einer produktiven Wirtschaft aus eigener Kraft nötig ist. Wenn wir unfähig sind, diesen Wandel aus eigenem, freien Willen und Unternehmergeist zustandezubringen, werden uns die Ereignisse dahin bringen, insbesondere die weltweiten wirtschaftlichen, politischen und energiepolitischen Ereignisse, sowie unsere wachsende Isolierung.*
* Esra Zohar, “In der Zange des Regimes”, SCHIKMONA, 1974; Motti Heinrich, “Haben wir eine chance – Israel, Wahrheit gegen Legende”, RESCHAFIM, 1981.
Vom militärischen und strategischen Standpunkt aus ist der von den USA geführte Westen insgesamt nicht in der Lage, dem globalen Druck der UdSSR in allen Weltregionen zu widerstehen, und deshalb muß sich Israel in den achtziger Jahren auf seine eigenen Füße stellen, das heißt auf jede Auslandshilfe, sei sie militärisch oder wirtschaftlich, verzichten. Dies liegt durchaus im Bereich unserer heutigen Möglichkeiten, ganz ohne Kompromiß.*
* Henry Kissinger, “The Lessons of the Past”, THE WASHINGTON REVIEW,
Vol. 1, Jan. 1978; Arthur Ross, “Opec’s Challange to the West”, THE WASHINGTON QUARTERLY, Winter 1980; Walter Levy, “Oil and the Decline of the West”, FOREIGN AFFAIRS, Summer 1980; Special Report: “Our Armed Forces – Ready or Not”, U. S. NEWS AND WORLD REPORT, 10. 10. 77.
Rasche Wandlungsprozesse in der gesamten Welt werden auch einen Wandel der Lebensbedingungen der Juden in der Diaspora mit sich bringen. Israel wird ihnen nicht nur zum letzten Zufluchtsort werden, sondern auch zur einzigen existenziellen Alternative.[11] Es ist nicht anzunehmen, daß die amerikanischen Juden und die jüdischen Gemeinden in Europa und Lateinamerika in der gegenwärtigen Form weiterexistieren können.*
* Nach Angaben von Ja’akov Karos In JEDIOTH AHARONOT, 17. 10. 80, war die Gesamtzahl der antisemitischen Zwischenfälle in der Welt Im Jahr 1979 doppelt so hoch wie 1978. in Deutschland, Frankreich und England war die Zahl der antisemitischen Ausschreitungen um vieles größer. Auch in den USA ist dem Artikel zufolge eine starke Zunahme der antisemitischen Ausschreitungen zu verzeichnen. Zum neuen Antisemitismus siehe: L. Talmon, “F The New Anti-Semitism”, THE NEW REPUBLIC, 18.9. 7.. Barbara Tuchman, “They Poisened the Wells”, NEWSWEEK, 3. 2. 75.
Unsere eigene Existenz in diesem Land ist gesichert, und es gibt keine Macht der Welt, die uns von hier wegbringen kann, weder mit Gewalt noch mit List (Sadats Methode). Trotz der Erschwernisse infolge der verfehlten ‘Friedens’-Politik und des Problems der israelischen Araber und der Araber in den (besetzten) Gebieten, können wir alle diese Probleme in allernächster Zukunft in effektiver Weise anpacken.
EINE SANDBURG
Von Boaz Evron
Übersetzung aus JEDIOTH AHARONOT, 9. Juli 1982.
Das unmittelbar militärische Resultat des gegenwärtigen Krieges in Libanon mag ausfallen wie es will, politisch ist die Sache ein Reinfall. Weil nämlich der politische Denkansatz, der dahintersteht, primitiv und destruktiv ist.
Ich denke dabei nicht nur an die Zerschlagung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes, die gegenüber dem weitergesteckten Ziel nebensächlich erscheint. Der eigentliche Sinn des Unternehmens, das den Decknamen “Starke libanesische Zentralregierung” erhalten hat, ist der Ausbruch aus dem Ghetto, in dem Israel lebt. Aber die Sache wird in der falschen Richtung angepackt, und es droht uns ein größeres Ghetto.
Neben so manchem anderen versucht Scharon in diesem Krieg Ideen zu verwirklichen, die zu Anfang dieses Jahrhunderts von den zionistischen Gruppierungen ‘Nili’ (um 1916-1917) und ‘Gid’onim’ (um 1908-1914), später dann von Ari Jabotinsky und den Kana’anitern, und zeitweise von Leuten wie Jigal Alon propagiert worden sind: Die Nation der Hebräer, oder der Jüdische Staat (je nachdem, wer die Idee formuliert), wird sich mit den anderen ethnischen und religiösen Minderheiten in der Region, etwa mit den Drusen und Maroniten, gegen die Vorherrschaft des sunnitisch-muslimischen Arabertums verbünden, es gemeinsam besiegen und schließlich herrschen.
Was bedeutet eine “starke libanesische Zentralregierung” in den Augen Scharons? Eine Regierung, in der die Maroniten herrschen, die in Libanon eine Minderheit sind, und die eine muslimische und nicht-maronitische christliche Mehrheit tyrannisieren wird. Also genau so, wie in den besetzten Gebieten die Juden herrschen, obwohl sie dabei sind, ihre Mehrheit rasch zu verlieren. Die Drusen sind ausersehen, die Werkzeuge dieser maronitischen Herrscher zu werden, und nachdem Syrien den gleichen Zerfallsprozeß durchlaufen hat, werden auch sie ihren eigenen ‘Staat’ haben und über ihre eigenen versklavten Moslems herrschen.
Wenn man den Propagandaschleier des “Kampfes gegen die Terroristen”, und so weiter, ein wenig lüftet, wird sichtbar, daß Scharon die Wiederbelebung des Millet-Systems des ottomanischen Reiches anstrebt. Das ‘Millet’ war eine religiös-ethnische Gruppierung (wie zum Beispiel die Drusen, die Armenier oder die Maroniten) mit interner Rechtssprechung und ottomanischer Regierung. Scharon schwebt ein ‘Millet’ von genau gleichem religiös-ethnischen Zuschnitt vor, das allerdings über Waffen verfügt und die eigene versklavte Bevölkerung tyrannisiert. Und mehr noch: da das ‘Millet’ nicht territorial, sondern religiös-ethnisch gegliedert ist, kann es keine klar umrissenen Grenzen haben.
Dieses ganze Konzept steht in völligem Widerspruch zur Auffassung vom modernen Territorialstaat, der allen Bürgern die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert, und der keinerlei Bindungen an religiöse oder ethnische Elemente außerhalb seiner Grenzen kennt. Seit dem Ersten Weltkrieg hat unsere Region einen komplizierten und beschwerlichen Prozeß in Richtung auf die Realisierung des modernen Territorialstaates durchgemacht. Scharons Plan gefährdet diesen Prozeß und bedroht auch uns mit dem Rückfall in semifeudale Zustände. Israels Abrücken vom modernen Konzept des Staates, erkennbar an der Unterminierung der bürgerlichen Basis zugunsten von jüdischem Chauvinismus religiösen und ethnischen Vorzeichens, ist mit der Begünstigung eines solchen Prozesses in der gesamten Region eng verknüpft.
Die Allianz von ethnischen Gruppen, in der uns die imperialistische Rolle des “Teile und herrsche” zufallen soll, wird die gesamte Region ruinieren, uns eingeschlossen. In der Unterdrückung der Drusen durch die libanesischen Falangisten bekommen wir soeben den ersten Anschauungsunterricht. Nur ein Rahmen, der über den ethnischen Gruppen steht, kann die inneren Widersprüche auflösen. Eine Allianz ethnisch gegliederter Gruppen ist eine Garantie für endlose Streitereien unter den Mitgliedern. Eine solche Allianz wird keine wahre Macht darstellen. Die Falangisten sind nicht willens, einen ernsthaften Kampf zu riskieren, und all ihre Tapferkeit erschöpft sich im Dreinschlagen auf den Schwachen. Sie warten, bis w i r “ihren Job erledigen”, als ob sie uns gedungen hätten. Die ganze Macht dieser “Allianz” wird in israelischen Händen liegen, und Israel wird, wie wir bereits jetzt in Libanon sehen, die streitenden Parteien trennen müssen.
Im Rahmen einer solchen Allianz werden unsere Soldaten den Maroniten helfen müssen, ihre Moslems zu unterdrücken, dann werden sie die Drusen vor den Schiitert schützen, und schließlich in die sunnitisch-schiitischen Streitigkeiten eingreifen und Kolonialkriege in Aleppo und im drusischen Gebirge fuhren, also Kriege, die in keiner direkten Beziehung zu unserer Sicherheit stehen. Aber wir werden eben nicht, wie einst England, das weitentfernte Imperialisten-Land sein können, das mit den ‘Eingeborenen’ spielt. Je tiefer wir uns in diese Reibereien und Streitigkeiten verwickeln, um so gründlicher wird auch unsere eigene nationale Basis unterhöhlt, und wir werden selbst in rivalisierende Gruppen zerfallen. Da die Grundstruktur des Staates Israel ohnehin mehr und mehr ethnisch-religiöse Vorzeichen annimmt, ist eine solche Entwicklung sehr wahrscheinlich. Alle unsere Streitigkeiten werden Teil der übergeordneten Streitereien zwischen den herrschenden Gruppen und den unterdrückten Moslems sein. Wir werden einen Zustand endlosen Bürgerkriegs erleben. Um einem solchen ewigen Krieg mit unserer begrenzten Mannschaftsstärke gewachsen zu sein, werden wir, als Regel, die jährliche Reservedienstzeit auf 60 oder 80 Tage zu verlängern haben. Der obligatorische Wehrdienst wird auf mindestens 3.5 bis 4 Jahre erhöht werden müssen. Die Folge wird sein, daß die jungen Leute das Land verlassen werden, was die Last für die verbleibenden erhöht, wodurch noch mehr Dienstpflichtige dem Land den Rücken kehren, und so weiter. Gar nicht zu reden von den inneren Widersprüchen und Mißhelligkeiten, die sich herausbilden müssen. Der einzige Weg, auf dem wir dieser Falle entgehen können, ist die Förderung einer territorialen, nicht-ethnischen Politik. Aber das erfordert, daß zuerst einmal wir selbst einen Wandlungsprozeß durchmachen, um den Staat auf eine nicht-religiöse, nicht-ethnische und nicht-abstammungsmäßige Basis stellen zu können.
DEN BESATZERN FOLGEN DIE VERTREIBER,
UND DEN VERTREIBERN DIE ERBBEFLISSENEN:
BIS HIN ZUM GROSSEN FLUSS
Von Uri Avnery
Übersetzung aus HAOLAM HAZEH, 4. August 1982.
Was wird wohl, was die Beziehungen zu Israel angeht, in Libanon passieren?
Wir sind jetzt Zuschauer eines eben begonnenen Spiels, über dem die beiden französischen Worte schweben: Déjà vu.
Alles, was jetzt in Südlibanon geschieht, erinnert uns an alles, was in der Westbank nach der Besetzung geschah. Die kommenden Szenen erscheinen beinahe wie Längstbekannte Fakten.
Als der Sechstagekrieg ausbrach, war der Israeli überzeugt, daß ein klarer Fall von Selbstverteidigung vorliegt.
Nasser wollte Israel vernichten, also haben wir als erste losgeschlagen. König Hussein alliierte sich mit Nasser und ließ irgendwie sogar die Waffen sprechen, also haben wir auch ihn überfallen.
Da gab es keine Frage – ein klarer Fall von Selbstverteidigung.
Als unsere Soldaten die Befehle zum Angriff auf die ägyptische Armee in Sinai erhielten, erklärte Mosche Dayan, der damalige Verteidigungsminister, daß nicht die Besetzung neuer Territorien unser Ziel sei, sondern nur die Verteidigung des Landes. Levi Eschkol, der damalige Ministerpräsident, gab eine ähnliche Erklärung ab.[12]Und wer denn konnte damals an Besetzung denken, in jenen Augenblicken der Erregung, der Ängste und der gehobenen Stimmung?
Der Krieg nahm seinen Lauf, gewissermaßen wie von selbst, entsprechend seiner inneren Dynamik, und nach Ablauf von sechs Tagen waren weite Territorien im Süden, im Osten und im Norden in unserer Hand.
Was sollten wir mit ihnen anfangen?
Just in diesem Augenblick begann ein Prozeß, der sich nach eigenen Gesetzen zu entwickeln schien.
Der jetzige “Frieden für Galiläa” – Krieg wurde angeblich begonnen, um die ‘Terroristen’ aus einem 40 Kilometer breiten Streifen zu vertreiben Von Besetzung war nirgendwo die Rede.[13] Aber seither läuft alles automatisch ab:
Zuerst kommen die Soldaten. Sie kämpfen, töten und werden getötet. Keiner hat Zeit, über das Ergebnis nachzudenken. Sie gehorchen nur Befehlen, und meistens erwachsen die Befehle aus dem Kampfgeschehen.
Ein Gebiet, das vor ein paar Tagen fremdes Territorium, Feindesland, gewesen ist, fallt plötzlich unter israelische Kontrolle.
Was ist zu tun?
Es gibt drängende Probleme. Das wichtigste ist die Rückkehr zum normalen Leben. Also Ordnung schaffen. Wasser- und Elektrizitätsversorgung wieder in Gang bringen, Straßen flicken. Und schon ist die Militärherrschaft geboren. In der Westbank nennt man sie beim wahren Namen. In Libanon heißt sie, aus delikaten Gründen, “Spezialeinheit für Bevölkerungshilfe”.[14]
Die Bezeichnungsweise kann niemanden täuschen. Die Einwohner gehen dorthin, um die Freilassung ihrer Angehörigen zu erbitten. Sie kommen mit allen möglichen Problemen. Die Würdenträger, die Polizisten und Verwaltungsleute kommen dorthin, um Befehle zu empfangen. Auch wenn der Gouverneur nicht Gouverneur genannt wird.
Die Amerikaner sagen: “Wenn eine Ente wie eine Ente aussieht, wie eine Ente schnattert und wie eine Ente watschelt, ist es eine Ente.”
Und was wie ein Militärgouverneur aussieht, wie ein Militärgouverneur redet und wie ein Militärgouverneur auftritt – ist doch ein Militärgouverneur, nicht wahr?
Und haben wir erst den Militärgouverneur, haben wir auch den üblichen Verlauf der Dinge. Das tägliche Leben verläuft im Schatten der Besatzung. Seiner Natur nach ist ein Militärregime eine temporäre Sache. Aber im Leben von Nationen ist das Temporäre das Permanenteste von der Welt. (Das Sowjetregime ist seiner Ideologie nach ein klarer Fall eines temporären Regimes. Es bleibt bestehen bis zur Erfüllung der Karl Marx’schen Prophezeiung, daß unter einem kommunistischen Regime das Rahmenwerk des Staates automatisch dahinwelken wird. Der Sowjetstaat welkt seit 65 Jahren dahin, und er ist jetzt stärker und robuster als je zuvor. Wie es im Volksmund heißt: Hüte dich vor dem Einstweiligen, denn du wirst es nimmer los).
Wir haben die Besatzung. Wir haben einen Gouverneur. Wir haben ein Militärregime. Was kommt jetzt?
Nach dem Militärgouverneur kommt der Vertreibungsspezialist.
Es handelt sich hier um ein israelisches Phänomen, von dem in der offiziellen Propaganda sehr selten die Rede ist. Es passierte 1948. Es passierte 1967. Es passierte 1982. (Es passierte nicht 1956 und 1973, weil sich keine Gelegenheit ergab).
Der Fall Kafr Biram passierte 1948, und infolge der juristischen Auseinandersetzung ist er wohlbekannt. Ein ungenannter Offizier sagte den arabischen Dorfbewohnern, sie sollten aus Sicherheitsgründen sofort ihr Dorf verlassen. Er versprach ihnen, sie könnten in wenigen Tagen zurückkehren. Sie konnten nicht zurückkehren. Allem Anschein nach hatte der Offizier keinen schriftlichen Befehl. Niemand weiß, nach wessen Befehlen, auf wessen Initiative er handelte. Aber ein Offizier erwacht nicht einfach eines schönen Morgens und beschließt auf eigene Faust, ein ganzes Dorf leerzufegen.
Ein anderer Offizier, Ben Dunkelmann, – der geistige Vater von Ehe Geva – kam nach Nazareth, wo mit den dortigen arabischen Notabeln ein Übergabedokument ausgehandelt worden war, das die Sicherheit der Einwohner garantierte. Ben Dunkelmann erhielt den Befehl, sämtliche Einwohner aus Nazareth zu vertreiben. Woher der Befehl kam, wurde ihm nicht gesagt. Er lehnte die Durchführung einer nur mündlich übermittelten Entscheidung entschieden ab. Die Bevölkerung von Nazareth war gerettet. Aber um die gleiche Zeit verschwanden die Einwohner von Hunderten von arabischen Dörfern. Niemand kennt die genauen Umstände.[15]
Im Sechstagekrieg von 1967 wurde die Bevölkerung des Latrun-Gebietes vertrieben; die Vertreibung der Einwohner von Kalkilja war in die Wege geleitet. Ein paar ‘schöne Seelen’[16] intervenierten, und die Aktion wurde gestoppt. Aber ohne daß jemand davon Notiz nahm, vertrieben ein paar mysteriöse Leute in aller Stille über 100 000 Flüchtlinge aus dem Gebiet von Jericho. Innerhalb von Stunden war das größte Flüchtlingslager leergefegt.
Und jetzt passiert es in Libanon. Während all die guten Leute im Fernsehen über die beste Art der Rehabilitierung der Flüchtlinge debattierten, wurden sie in aller Stille aus dem von Israel kontrollierten Gebiet vertrieben. Die leeren und durch Bomben zerstörten Flüchtlingslager können jetzt, aus hygienischen Gründen, eingeebnet werden.[17]
Denn immerhin – wer mag schon Seuchen?
Nach den Flüchtlings-Vertreibern kommen die Ideologen.
Es gibt in Israel zwei Haupt-Ideologien, eine religiöse und eine nicht-religiöse. In Erbschaftsfragen herrscht freilich eine Eintracht, wie sie nirgends sonst im israelischen Leben anzutreffen ist.
Die Arbeit des jüdisch-religiösen Ideologen ist höchst einfach. Er muß lediglich in der Bibel den passenden Vers mit dem Beweis ausfindig machen, daß uns das besetzte Territorium von Gott verheißen wurde. Und da Gott bekanntermaßen in seinen Verheißungen sehr großzügig war, hat er uns die Heimat aller uns umgebenden Nationen verheißen, sodaß es keine Probleme gibt.
Wir werden niemals Anatot aufgeben, den Geburtsort Jeremias. Niemals das Vereinigte Jerusalem, niemals Hebron, die Stadt Abrahams. Niemals Ramallah, die Stadt unserer Väter, niemals Jericho, die Stadt der ersten nationalen Hure.[18] Niemals Schomron, die Stadt Isebels. Und so weiter.
Der nicht-religiöse Ideologe braucht die Bibelverse nicht. Er hat den Forscherspaten. Er gräbt – und findet archäologische Überreste unseres Volkes. Die Jerusalemer Altstadt. Eine israelische Stadt aus der frühen Steinzeit. (Es gab damals keine Israelis? Nebensache!). Fernsehen, Rundfunk und Schaugeschäftsmanager bestellen Songs. Sie werden fabriziert, sie sind religiös oder nationalistisch angehaucht, manche poppig und andere wieder drücken auf die Tränendrüsen, je nachdem, wer bestellt und wer bezahlt. Und wie auch immer die Verse gehen, der Song geht alleweil so: Wir sind zu dir zurückgekehrt, zurückgekehrt zum Berge Gerisim. Zu den Wassern unseres Königs Ahab.
Wir haben die Bibelverse, wir haben die Songs. Das Annexions-Theater läuft. In Libanon hat es soeben angefangen.
Es gibt dazu Bibelverse haufenweise… Und nicht zu vergessen: Gott, der uns das ganze Land verheißen hat, vom Fluß Ägyptens bis zum Großen Fluß, hat damit automatisch Tyrus und Sidon und ganz Libanon einbezogen.
Die nicht-religiösen Juden können sich auf die Bewegung der Kana’aniter stützen. Ihrer Auffassung nach waren die Bewohner Sidons Hebräer. Der Beweis liegt auf der Hand – sie hatten die Sprache ‘Heber’. Einer der Begründer der kana’anitischen Schule, Saul Tschernichovski, der hebräische Dichter, hat die Ilias und die Odyssee übersetzt, und in seinem Vorwort führt er den Beweis, daß das griechische Werk auf Tagebüchern semitischer Schiffsleute von kana’anitisch-sidonesischer Herkunft beruht. Wenn es nach den heutigen Kana’anitern geht, waren die alten Kana’aniter richtige Hebräer. Was ihnen gehörte, gehört demnach uns. Die Maroniten sind Hebräer, unsere Brüder. Tyrus, Sidon, Be’erot – der neue hebräische Name für Beirut – und andere alte Namen, die wirklich Hebräisch sind: auf diesem Gebiet sind sich die Religiösen und die Kana’aniter völlig einig.[19]Schon hat man alte Synagogen entdeckt. Manchmal habe ich den Eindruck, daß die Armee eine Sonderabteilung unterhält, die fahrbare Synagogen mit Dekors aus dem zweiten und Säulen aus dem ersten Jahrhundert bedient, und daß eine Woche nach der Ankunft der Fallschirmjäger eine frühe Synagoge zum Einsatz kommt.
Danach kommt selbstverständlich die Militär-Jeschiwa, denn auch in Uniform muß weiterstudiert werden.
Und was schleicht hinterdrein? Natürlich Hakibbutz Hameuchad.[20]
Man kann niemand trauen. Saad Haddad, unser Milizionär in Südlibanon, kann tot umfallen. Und Beschir Gemayel, unser libanesischer Staatspräsident, wird Metullah und Naharia nicht verteidigen mögen. Auf lange Sicht ist nur auf uns selbst, auf unsere tapferen Kibbutzim Verlaß. Um Metullah und Naharia zu schützen, muß eine strategische Kette von Nachal-Stützpunkten errichtet werden, die irgendwann einmal richtige Kibbutzim werden
Ein solches regionales Verteidigungsnetz erfordert selbstverständlich ein angemessenes Straßennetz. Dem hebräischen Panzer folgt der hebräische Bulldozer, wie die Frau dem Gatten folgt (oder umgekehrt).
Damit die Siedlungen, aus Sicherheitsgründen, erweitert werden können, braucht man städtische Bezirke, die die nötigen Dienstleistungen bieten. Man braucht Ober-Tyrus und Ober-Sidon – ein Blick auf die Landschaftsszene zeigt, wo sie liegen werden.
Und wo neue Städte sind, erwächst die Notwendigkeit der besseren Grenzsicherung. Die Lösung – eine weitere Befestigungslinie weiter nördlich, die den Siedlungsblock schützt, der schon ein ‘Faktum’ ist.
Und wo erst einmal Siedlungen sind, kann die berechtigte Forderung nach Annexion nicht weit sein. Können wir denn unsere besten Söhne all diesen Haddads und diesen Gemayels auf Gedeih und Verderben anvertrauen, die ja doch (unter uns gesagt) bloß Araber sind? Eine ganz und gar unvorstellbare Sache.
Wir brauchen israelische Gesetzgebung in diesen Gebieten.
Es ist richtig, daß die libanesischen Gebiete auf den Landkarten von Eretz Israel, die Menachem Begins Irgun Zwai Leumi auf ihre Flugblätter druckte, nicht enthalten waren.[21] Aber das gleiche gilt auch für die Golan-Höhen. Und die Golan-Höhen sind bereits annektiert. Wir sollten auch nicht übersehen, daß die zionistische Bewegung auf der Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg eine israelische Nordgrenze entlang dem Litani gefordert hat. (Verdammt, wie heißt der Fluß gleich auf Hebräisch?).
Und so werden eines schönen Tages die Gebiete von Tyrus und Sidon und Nevatim (Ex-Nabatijeh) und das Gebiet von Matzad-Hemed (Ex-Beaufort) dem Staat Israel einverleibt.
Und endlich sind wir dann so weit, den Blick nach Osten schweifen zu lassen, in Richtung Damaskus, in Richtung der biblisch benannten Gebiete in Jordanien, von Hamat (Ex-Homs) gar noch nicht zu reden – lauter Gegenden, die uns Gott verheißen hat, in denen König David wandelte, wo es Überreste historischer Synagogen gibt und alles ohne jeden Zweifel auf uns als Erben wartet. Freilich erst, nachdem wir angegriffen worden sind.
Sollte die israelische Armee länger als ein paar Wochen in Libanon bleiben, wird all dies mit Sicherheit passieren.
Eine geschichtliche Bewegung wie der Zionismus folgt ihren eigenen Gesetzen und eigenen Regeln. Sie braucht keinen Begin, keinen Scharon, keine Techijah-Partei und keinen Rabbi Levinger, damit die Sache diesen Lauf nimmt.
Die Sache läuft ganz von alleine.
Nachwort
von Helmut Spehl
The motives of Israel’s forces in
Lebanon remain unclear.
Titelzeile in TIME,
August 30, 1982.
Soll das meistmißbrauchte Wort der neueren Geschichte den penetranten Beigeschmack bekommen, der dem heutigen Nahen Osten angemessen ist, muß man zur Metapher greifen und die altneuste Spielart des Zynismus mit Pax Hebraica bezeichnen. Die Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht, aber sie ist voll von hingestümperten Kopien. Die “Neuordnung des Nahen Ostens”, von der in diesem Heft die Rede ist, und die noch kein Davidsterndeuter in der nicht-hebräischen Hemisphäre zu erkunden unternommen hat, ist ein genau so öffentliches Geheimnis, wie die “Neuordnung des Ostens” ein öffentliches Geheimnis war. Und wenn die heutigen Pläne auch kaum vom Kaliber der damaligen sind, so sind beide doch vom gleichen Zuschnitt. Ob die Früchte dieser neuen Blüte der zionistischen Altneuland-Ideologie sich dereinst mit denen der teutonischen Lebensraum-Ideologie werden aufwiegen lassen, muß abgewartet werden. Es wird alles davon abhängen, ob man sie im schwülen Kibbutzklima (denn auf Begins Mist ist das wenigste gewachsen) in erpreßter Ratlosigkeit weiterreifen läßt. Seit der Inbetriebnahme der israelischen Militärmaschinerie in Beirut und Beiruts weiterer Umgebung ist jener Meinungsstatisterie der Mediengläubigen, die die Rolle der nach und Nachrichten Abonnenten nicht nur unter der Regie der Nahosttheaterdirektoren mit routiniertem Stumpfsinn spielen, erstaunlich Schreckliches hinterbracht worden. Das Image Israels erscheint auf fürchterliche Weise angeschlagen. Aber man täusche sich da nicht. Noch immer ist der Zionismus, samt seiner altneusten Schöpfung “Fremde Heere Nord”, viel, viel zu schön, um nicht wahr zu bleiben. Wie ja auch der Antisemitismus und Antikommunismus Hitlers für viel zu viele, viel zu lange, viel zu schön war, um nicht wahr zu werden. Es wird also weitervertuscht und weitergewurstelt werden. Und was nicht letzten Endes zionistischen Zwecken dient – der heutige Leser mag meinetwegen ob dieses Wortes an mir irre werden -, wird noch für geraume Zeit ein öffentliches Geheimnis bleiben. Die “einzige Demokratie im Nahen Osten”, die den unermeßlichen Verwirrspielraum der internationalen Medien seit Jahrzehnten als erstklassige Manövrierplattform für außenpolitische Abenteuer eingeräumt bekommt, neuerdings sogar als ferngesteuerter Hinterhalt in Sachen machtpolitischer Richtungskämpfe, und die darüber hinaus im Nahen Osten am längeren militärischen Hebel sitzt, wird nicht so schnell den kürzeren ziehen. Man wird da doch sehen.
Professor Jeschejahu Leibowitsch von der Hebräischen Universität, den ich schon kürzlich einmal als Mann von Welt und jüdischem Format zitierte, hat anläßlich der israelischen Libanon-Invasion auf einer Pressekonferenz am 20. Juni in Jerusalem die Ansicht vertreten, daß das jüdische Volk in eine Situation hinuntergezogen wird, “wie sie unter Hitler in den ersten sechs Jahren seiner Herrschaft bestand. In diesen ersten sechs Jahren hat es keinen Massenmord gegeben, man hat ihn lediglich vorbereitet. Und in Israel macht die gegenwärtige Regierung genau das, was Hitler in jenen ersten sechs Jahren machte.”[22]
Mir liegt bekanntermaßen nichts daran, wenn sich der Leser, welcher Couleur auch immer, unwohl fühlt, aber wo ich auf voreilige Schadenfreude stoße, sehe ich unumwunden nach dem Rechten. Da ist es, rechtzeitig zum 50. Jahrestag der ‘Machtergreifung’, sicher angebracht, wieder einmal darauf hinzuweisen, daß alles, was seitdem über die Juden hereingebrochen ist – und über die Zionisten über die Palästinenser — und über die Israelis und die Palästinenser über die Araber — und über den Ölreichtum der Araber über die ganze Welt, daß alles 1933 mit der Machtergreifung, nein, nicht gerade angefangen, aber von da an seinen brachialgewalttätigen, irreversiblen Lauf genommen hat. Die massenmörderische Abwertung der Juden und die selbstmörderische Aufwertung des Zionismus sind die beiden Seiten einer einzigartigen Gedenk- medaille, die noch gehandelt werden wird, wenn alles einerlei geworden ist. Vielleicht läßt sich noch jemand daran erinnern, daß er damals – als Pimpf, als Hitlerjunge, als Landser oder Volkssturmmann – gesungen hat: “Wir werden weitermarschieren, wenn alles in Scherben fällt…” Und vielleicht stoße ich mittlerweile nicht mehr bloß auf Unverstand mit der Feststellung, daß die auf die große Katastrophe folgende heutige Strophe lautet: “Wir werden weiterlavieren, bis alles in Scherben fällt… Und da wir schon bei den Vergleichen sind, die zugegebenermaßen meistens hinken, aber eben darum mit gallopierenden Ereignissen selten Schritt halten: Tacitus hat vom Vorfahrengeschlecht der deutschen Judenschlächter (siehe “Germania”) und von dem der zionistischen Ausschlachtmeister (siehe “Historien”) gleicherweise wenig Rühmliches überliefert. Bei so atavistischen Verwandtschaftsbanden und bei so ausgeprägtem Nachahmtrieb, ist nicht auszuschließen, daß das End’ vom blutigen Lied die erlösende Erkenntnis bringen wird: Les extrêmes se touchent. Die Gleichheit vor dem Gesetz des Bösen streift die Grenze zum Banalen, und das Banale hört auf, ein Politikum zu sein. Es wäre aufs innigste zu wünschen, daß nach Jahrhunderten der wechselseitigen Belebung und nach Jahrzehnten der allseits angepackten Endlösung der “Judenfrage” endlich, endlich, im befreienden Gelächter Shakespearescher Narren, der Übergang zur allgemeinen Tagesordnung eingeläutet wird.
Freiburg, 24. September 1982 H. S.
ANMERKUNGEN
[1] Das Manuskript von Verteidigungsminister Scharon wurde abgedruckt unter dem Titel: “Eine Rede, de nicht gehalten wurde” In MA’ARIV, 18. Dezember 1981. Eine zuverlässige englische Übersetzung brachte Ost-Jerusalems AL-FAJR, Palestinian Weekly, January 15 – 21, 1982, Seite 10.
Der Kommentar von Zwi Timor Ist der e i n z i g e, der Innerhalb einer Woche nach der Veröffentlichung n MA’ARIV n der hebräischen Presse aufzufinden Ist. Der Grund für diese erstaunliche Enthaltsamkeit durfte weniger auf Desinteresse als auf begründete Angst vor der unberechenbaren Reaktion des übermächtigen Ministers Ariet (“Arik”) Scharon, alias Ariet Schönermann, zurückzuführen sein.
Die israelische Libanon-Invasion vom 6. Juni 1982 Ist Ariks und Rafuls Krieg, der Krieg des Verteidigungsministers Scharon und des Generalstabschefs Eytan, denn Menachem Begin, der Dritte im Bunde, ist ein kranker Mann, der, wie man in Israel hören kann, nur noch halbstundenweise funktioniert.
[2] Die “grüne Linie”: Israels Grenzen vor dem Sechstagekrieg von 1967. Mit den Waffenstillstandsgrenzen sind die Grenzen unter Einbeziehung der damals besetzten Gebiete gemeint.
[3] Einer der namhafteren Vorgänger Im Geiste Oded Jinons, der seine hemmungslose Raubzugpolitik ebenfalls mit dem morschen und baufälligen Zustand der vorgesehenen Opferländer, schmackhaft zu machen suchte, hat geschrieben: “Das Riesenreich im Osten Ist reif zum Zusammenbruch. Und das Ende der Judenherrschaft in Rußland wird auch das Ende Rußlands als Staat sein. Wir sind vom Schicksal ausersehen, Zeugen einer Katastrophe zu werden, die die gewaltigste Bestätigung für die Richtigkeit der völkischen Rassentheorie sein wird.” Der kompromittierende Name des Autors tut hier nichts zur Sache. Der Kenner findet die Stelle, falls er die 78. – 84. Auflage von 1933 zur Hand hat, auf Seite 743.
[4] Der “aufgezwungene Krieg”, zu dem die Bundesrepublik Deutschland völlig unnötigerweise und auf Geschenkbasis einen ansehnlichen Tell der nötigen Waffen beigesteuert hat (siehe KLARTEXTE, Heft 4), fällt eher unter die Kategorie der Usurpationskriege, die mit den Mitteln des “corriger to fortune” in die Wege geleitet werden. Ägyptens Präsident Nasser und eine erhebliche Anzahl arabischer Hitz- und Wirrköpfe haben dabei unrühmliche Rollen gespielt, aber keineswegs die Hauptrollen. Wer es wissen will, kann dies seit langem wissen. Ein Knessetabgeordneter der Regierungspartei, Michael Kleiner, hat kürzlich für ein gesetzliches Verbot der medienöffentlichen Kritik in Kriegszeiten plädiert, und auf die Zwischenfrage, ob dies auch für einen umstrittenen, “initiierten” Krieg (wie die Libanon-invasion) gelten soll, folgendes geantwortet:
“War denn etwa der Suezkrieg (1956) nicht ebenfalls ein initiierter Krieg? Und war der Sechstagekrieg (1967) nicht initiiert? Die Opposition wußte damals sehr wohl, daß die Verlautbarung des Armeesprechers, unser Radarsystem habe ägyptische Flugzeuge und Schiffe ausgemacht und unsere Armee sei dabei, die ägyptischen Invasoren zurückzuschlagen, nur um der Weltmeinung willen veröffentlicht wurde, und daß sie auf Lügen basierte. Jedermann (in Israel) wußte, daß wir es waren die den Krieg begonnen und die ägyptische Luftwaffe zerstört haben, und daß unsere Streitkräfte in Gaza eingedrungen waren. ich weiß nicht, ob eine
Regierung Begin (an Stelle der Regierung Eschkol) den Sechstagekrieg begonnen hätte, wenn damals gesagt worden wäre: Die Glaubwürdigkeit des Regierungssprechers ist angeschlagen, es war nichts zu sehen auf dem Radarschirm, und In Wirklichkeit war Nasser bereits willens, seine Truppen zurückzuziehen, und dieses ganze Blutvergießen ist überflüssig, und wer will schon Sinai!…” (Dorit Gefen, interview mit M. Kleiner. CHOTAM, Wochenbeilage von AL HAMISHMAR, 9. Juli 1982).
[5] Erfahrungsgemäß haben die meisten Leser bei der Übersetzung aus dem Zionistischen erhebliche Schwierigkeiten. “Den Palästinensern Jordanien geben” bedeutet in allen Kultursprachen soviel wie: “Die Palästinenser aus Israel fortschaffen”.
[6] Das letzte Teilstück der Halbinsel Sinai wurde im April 1982 von Israel geräumt und im Rahmen der Verträge von Camp David an Ägypten zurückgegeben.
[7] Was da, sprachlich, in Libanon und Syrien wie von selber auseinanderbricht, braucht selbstverständlich seinen Deus ex machina, der diesmal mit dem Gott der Zionisten eng verwandt ist. Seit der Publikation der Tagebücher von Mosche Scharett, dem langjährigen israelischen Außenminister (1948-1956) und zeitweiligen Ministerpräsidenten (1954-1955), kann es keine Zweifel mehr geben, daß Israel an der Herbeiführung und Schürung des libanesischen Bürgerkrieges nicht nur indirekt, sondern sehr direkt beteiligt war und ist. Fraglich kann nur noch das Ausmaß der israelischen Subversionstätigkeit sein. ich habe bereits vor zwei Jahren darauf hingewiesen (siehe: VON DER ALLGEWALT DES HOLOCAUST, Freiburg 1980, Seite 60 f.), daß Ben Gurion, Dayan und andere Spitzenpolitiker der Arbeiterpartei s c h o n 1954, die Unterminierung der muslimischchristlichen Gleichgewichtsbasis in Libanon in die Wege leiten wollten, daß die Pläne aber nicht weiterverfolgt wurden weil Ben Gurion sich zur Aufheizung der Südfront (Suezfeldzug 1956) umentschloß. Denken und Handeln sind gewiß zweierlei, aber man darf nicht denken, daß Israel nicht inzwischen gehandelt hat. Zur Illustration der damaligen Denkweise soll hier der wesentliche Abschnitt aus einem längeren Brief wiedergegeben werden, den Ben Gurion, der im Hintergrund die Fäden weiterspann, an Mosche Scharett schrieb, der seiner zugedachten Rolle als israelische Ministerpräsidenten-Taube nachkam, so gut es ging. Der Leser wird nebenbei feststellen können, daß im zionistischen “Denken” der innere Zerwürfnis- und Fäulnisgrad eines Landes sich aus den jeweiligen israelischen Gelüsten ergibt, und nicht etwa die Gelüste aus dem Fäulnisgrad erwachsen.
David Ben Gurion an Mosche Scharett. Sdeh Boker, den 27. Febr. 1954:
(…) Es ist klar, daß innerhalb der Arabischen Liga Libanon das schwächste Glied ist. Alle anderen Minderheiten in den arabischen Staaten sind muslimisch, außer den Kopten (in Ägypten). Aber Ägypten ist der kompakteste und solideste der arabischen Staaten, die dortige Mehrheit besteht rassisch, religiös und sprachlich aus einem festgefügten Block, und die christlich-koptische Minderheit beeinträchtigt die politische und nationale Einheit nicht ernstlich. Anders die Christen in Libanon. Sie bilden innerhalb des historischen (d.h. kleineren) Libanon eine Mehrheit, und diese Mehrheit hat eine völlig andere Tradition und Kultur als die übrigen Mitglieder der ‘Liga’. Auch innerhalb der erweiterten Grenzen (es war der schlimmste Fehler Frankreichs, daß es die Grenzen Libanons erweitert hat) können die Moslems aus Furcht vor den Christen nicht einfach machen, was sie wollen, selbst wenn sie dort eine Mehrheit sind (ich weiß nicht, ob sie wirklich eine Mehrheit sind). Die Schaffung eines christlichen Staates ist deshalb eine ganz natürliche Sache, sie entbehrt nicht der historischen Wurzel und sie wird in weiten Kreisen der christlichen Weit, sowohl der katholischen wie der protestantischen, Unterstützung finden. In normalen Zeiten ist die Sache beinahe unmöglich. Aber in Zeiten allgemeiner Verwirrung, bei Unruhen, Revolution oder Bürgerkrieg, liegen die Dinge anders, und selbst der Schwache bildet sich ein, ein Held zu sein. Möglicherweise (selbstverständlich gibt es in der Politik nichts Sicheres) ist jetzt der richtige Augenblick, um die Errichtung eines christlichen Staates in unserer Nachbarschaft herbeizuführen. Ohne unsere Initiative und unsere entschiedene Hilfe wird die Sache nicht zustandekommen; und genau dies scheint mir unsere jetzige z e n t r a l e A u f g a b e zu sein, oder wenigstens eine der zentralen Aufgaben unserer Außenpolitik. Es müssen Mittel investiert werden, Zeit, Energie, und wir müssen in jeder erdenklichen Weise tätig werden, um einen grundlegenden Wandel in Libanon herbeizuführen. Man muß (Eliahu) Sasson mobilisieren (für den christlichen Staat bin ich bereit, den “Spaten’ anzusetzen) und alle unsere übrigen Arabisten. Wenn Geld nötig ist – mit Dollarbeträgen darf nicht gespart werden, auch wenn das Kapital vielleicht keine Zinsen bringt. Wir müssen all unsere Kräfte auf diese Sache konzentrieren. Vielleicht sollte man deshalb sofort Reuben (Schiloah) herbeiholen. Dies ist eine historische Gelegenheit. Sie zu versäumen, wäre unverzeihlich. Wir stoßen damit keiner Weltmacht vor den Kopf. Überhaupt brauchen wir nichts “auf höhere Weisung” zu tun – aber meiner Meinung nach sollte alles schnell und mit Volldampf angepackt werden.
Ohne Beschneidung der libanesischen Grenzen ist die Sache natürlich nicht zu machen. Aber wenn wir in Libanon Leute finden, oder Männer im Exil, die sich für einen maronitischen Staat einsetzen – werden sie auf erweiterte Grenzen und eine starke muslimische Bevölkerung keinen Wert legen, sodaß die Grenzbeschneidung nicht stören wird.
Ich weiß nicht, ob wir Leute in Libanon haben – aber es gibt ja verschiedene Wege, wenn das vorgeschlagene Experiment durchgeführt werden soll. Dein D. Ben Gurion
(Übersetzung aus Mosche Scharett: Joman Ischi, (Persönliches Tagebuch), Sifriat Ma’ariv, Tel Aviv 1978, Bd. 8, S. 2397 f. – Zur “Beschneidung der libanesischen Grenzen”, siehe auch KLARTEXTE, Heft 4,S. 22).
Auch S y r i e n war bereits zu Scharetts Zeiten ein “sicherer Kandidat für Israels Ziele”, wie Oded Jinon formuliert. Syrien sollte mal subversiv, mal militärisch erledigt werden, wobei häufig der Name Pinchas Lavon auftaucht, damals israelischer Verteidigungsminister, bei weitem nicht so mächtig aber genau so eigenmächtig wie heute Artet Scharon. Pinchas Lavons (wie soll man anders sagen) entweder geisteskrankes oder schwerverbrecherisches Hirn produzierte unentwegt finstere Wahnsinns-Ideen. Er wollte beispielsweise die Wasserquellen des Gaza-Streifens und der entmilitarisierten Zone in Syrien vergiften lassen (Nahum Barnea In DAVAR, 26. Januar 1979), und er “verbreitete die Lehre, dai3 nicht die arabischen Staaten, sondern die Westmächte die eigentlichen Feinde sind, und der einzige Weg, sie von Ihren (anti-israelischen) Machenschaften abzuschrecken, sei die direkte Aktion, die sie das Grauen lehrt.” (Mosche Scharett, Eintragung vom 26. Januar 1955. Joman Ischi, a.a.O.S. 685). Wer in unserer rückwärts laufenden Welt die heutige Nahost-Landschaft in Richtung Westen, wo das Morgengrauen langsam dämmert, betrachtet, wird Lavons Gedankengang in Scharons Bomben- und Massakerterror unschwer wiedererkennen.
Zu Lavons Aktivismus Im Fall Syriens, den auch Scharon anvisiert hat, heißt es in Scharetts Tagebuch:
“Nach dem Essen nahm mich Pinchas (Lavon) beiseite und begann auf mich einzureden: Dies ist der richtige Augenblick zum Handeln – dies ist die Stunde, um vorzurücken und syrische Grenzposten jenseits der entmilitarisierten Zone zu besetzen. Syrien ist am Zerfallen. Ein Staat, mit dem wir einen Waffenstillstand geschlossen haben, existiert nicht mehr. Wie auch immer, Syriens Regierung füllt, und eine andere ist nicht in Sicht. Und das ist noch nicht alles, denn in Wirklichkeit ist Irak in Syrien einmarschiert. Dies ist eine historische Gelegenheit, verpassen wir sie nicht.
Ich schrak vor solchen Gedankenblitzen zurück und sah uns am Rande des Abgrunds eines unheilträchtigen Abenteuers. ich fragte mich, ob er tatsachlich vorschlagen möchte, sofort zu handeln, und ich sah mit Bestürzung, daß dies sehr wohl seine Absicht war. ich sagte, wenn Irak wirklich In Syrien einmarschieren sollte, so wäre dies eine revolutionäre Wende, die zu weitreichenden Schlußfolgerungen verpflichtet und Schritte rechtfertigt, aber im jetzigen Augenblick besteht lediglich eine Gefahr, keineswegs schon die Tatsache. Es ist nicht einmal klar, ob (der syrische Präsident) Schischakli wirklich stürzt – vielleicht hält er auch durch. Er wiederholte, die Zeit sei kostbar und wir müßten handeln, um nicht eine nie wiederkehrende Gelegenheit zu verpassen…” (Eintragung vom 25. Februar 1954. Joman Ischi, a.a.O.S. 374).
Bemerkenswerterweise hat Raymond Eddé, der Führer des christlichen “Nationaler Blocks” in Libanon, kurz nach dem Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges in einem Kurzinterview folgende Feststellung getroffen:
“Ich bin nach wie vor überzeugt, daß wir es mit einem amerikanischen Plan zu tun haben, der die Teilung Libanons anstrebt, was über kurz oder lang den Zusammenbruch Syriens zur Folge haben wird. Das Ziel ist die Schaffung mehrerer Staaten konfessionellen Charakters an der Seite Israels, also Pufferstaaten, die der Sicherheit des Jüdischen Staates dienen sollen. Mit einem Wort, der Plan sieht die Balkanisierung der Region vor.” (LE MONDE, 16. Dezember 1975).
Ich bin nicht der Meinung, daß der Plan zur Balkanisierung des Nahen Ostens a m e r i k a n i s c h e n Ursprungs ist, wenn auch eine Mitwisserschaft Amerikas nicht auszuschließen ist. ich bin vielmehr der Meinung, daß unsere Medienwelt irgendwelchen anti-amerikanischen Äußerungen, wie gravierend sie auch sein mögen, das stigmatisierende Etikett erspart, während anti-israelische Äußerungen entweder grundsätzlich den vernichtenden Vorwurf des Antisemitismus, oder das große Schweigen nach sich ziehen. Und so kommt, per journalistischer Selbstzensur, Amerika zu einem Ruf, der eh schon nicht der beste ist.
[8] Die Einbeziehung des I r a k in die zionistischen Pläne wird den Leser erstaunen, vielleicht sogar schockieren, aber neu daran sind nur die heutigen militärischen Möglichkeiten Israels. Vor etwa 1940, als kaum jemand (am allerwenigsten die Masse der Juden) den Zionismus ernstnahm, brauchte nicht einmal aus dem Hebräischen übersetzt zu werden, ich zitiere aus einem am 11. August 1930 auf der IV. Konferenz der Zionisten-Revisionisten in deutscher Sprache gehaltenen Referat:
“Es gibt unter den Nichtjuden viel mehr Leute, die einem großen, hundertprozentigen Zionismus mehr Geschmack abfinden würden als dem kleinen infiltrationszionismus… Mesopotamien war die Geburtsstätte von Nationen, die Mutter reicher Städte, warum sollen diese fruchtbaren Ebenen brach Liegen. ich teile diese Äußerungen Wingates hier mit, ohne ihnen g e g e n w ä r t i g praktische Bedeutung beizumessen. Wir sind noch weit davon entfernt, Irak in den Bereich unserer Plane einzubeziehen. Es gilt zunächst Transjordanien, das ein Teil des historischen Palästinas Ist und somit Gegenstand des (englischen) Mandates zu reintegrieren.” (S. E. Soskin: Agrarpolitik und Landbesiedlung In Palästina. London 1930).
[9] Das Licht, das Oded Jinon am Ende des Artikels durchscheinen läßt, macht hinreichend klar, wozu der “Kollapse” Saudi-Arabiens vonnöten ist: “Israel muß sich in den achtziger Jahren auf seine eigenen Füße stellen, das heißt auf jede Auslandshilfe, sei sie militärisch oder wirtschaftlich, verzichten. Das liegt durchaus Im Bereich unserer heutigen Möglichkeiten, ganz ohne Kompromiß.” Mit anderen Worten: Das zionistische Kolossalei des Kolumbus, das da unter den Fittichen der Zionistischen Weltorganisation ausgebrütet wird, ist die israelische Ausbeutung und Vermarktung des saudi-arabischen Erdöls… ich weiß nicht, ob es ausschlüpft, und ich weiß nicht, ob das Monstrum ohne Dritten Weltkrieg auf die Welt zu bringen ist, aber ich wage vorherzusagen, daß von Geburtsstund’ an die sogenannte Energiedebatte der Medien und der Parlamente unbemerkt verstummen wird.
[10] Gelegentliche Hinweise, daß Israel den transjordonischen Staat König Husseins als Territorium betrachtet, auf dem das Palästinenserproblem gelöst werden kann, sind seit langem auch in der westlichen Presse zu finden. Seit die USA und die Europäer, auf dem kostspieligen Umweg über das saudi-arabische Erdöl, die Palästinenser entdeckt haben, und irgendeine Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems – nach über 30 Jahren! – für nötig halten, erscheinen solche Hinweise sehr gezielt. Im zionistischen Glaubensbekenntnis Begins und seiner Partei ist allerdings die “mit Blut geheiligte” Zweifaltigkeit von Eretz Israel beiderseits des Jordans mindestens so fest verankert, wie die Heilige Dreifaltigkeit Im katholischen Credo. Die alte revisionistische Hymne: “Die beiden Ufer des Jordans – dieses gehört uns, und das andere auch” wird inzwischen bei staatsoffiziellen Anlassen gesungen, wenn auch ein bißchen gegen den Willen von Staatspräsident Navon, der Begins Starrsinn schließlich nachgegeben hat. (JEDIOTH AHARONOTH, 4, August 1981). Wenn daher jetzt nicht nur bei der oppositionellen Arbeiterpartei, sondern auch in Begins unmittelbarer Regierungs- und Parteiumgebung Ideen verbreitet werden das andere Ufer des Jordans den Palästinensern zu überlassen, so braucht es viel Einfalt, um nicht über den beelzebübischen Pferdefuß zu stolpern. Denn mit den erwirkten Blankovollmachten zur Lösung eines drängenden Problems der Gojim haben die Israelis schon immer die allerschönsten Sachen angestellt.
[11] Siehe die deutlichere Argumentation im Artikel “Hoffen auf den doppelten Holocaust”, KLARTEXTE, Heft 5,S. 15.
Der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky, der gegenüber Israel kein Blatt mehr vor den Mund nimmt, sagte es so: “Es ist die (gegenwärtige) israelische Regierung, die den Antisemitismus ermuntert und die Grundlagen dafür schafft, denn diese Regierung wünscht eine antisemitische Welle: die reaktionären Israelischen Kreise haben dies seit jeher zu einer wesentlichen Existenzbasis Israels gemacht.” (LE MATIN, 24 September 1982).
Bundeskanzler Kreisky mag bei den reaktionären Kreisen an den Publikumsliebling Ephraim Kishon gedacht haben, der vor Jahren Kreisky, den Überlebenden des Holocaust, einen “begabten autodidaktischen Antisemiten” nannte, und dem gleich hinterdrein der bestsellerreife Satz passierte: “Ja, wir Israelis ermutigen vernünftigen Antisemitismus. Aber nicht den hausgemachten, nicht (Kreiskys) jüdische Do-it-yourself-Art.” (DIE WELT, 14. September 1978; DER SPIEGEL, Nr. 37/1978).
Um aber die sehr ernste Sache nicht mit den Ansichten eines Vorstadtclowns abzuschließen, der für schwarzen Humor schon gar kein Talent hat, – vor 30 Jahren schrieb der Chefredakteur von DAVAR:
“Ich scheue das Bekenntnis nicht, daß ich, hätte ich soviel Macht wie festen Willen, eine Schar junger Männer aussuchen. würde – intelligent, adrett, unserem Ideal ergeben und vor Begierde brennend, Juden erlösen zu helfen -, um sie in Länder zu schicken, wo Juden In sündiger Selbstgefälligkeit gefangen sind. Die jungen Leute müßten als Nichtjuden auftreten und den Juden mit antisemitischen Slogans einheizen: ‘Gottverdammte Juden’, ‘Juden ab nach Palästina’, und ähnliche Vertrautheiten! Ich kann dafür bürgen, daß das Ergebnis in Form einer beträchtlichen Einwanderung in Israel zehntausendmal größer wäre als die Erfolge von Tausenden von Alijah-Werbern, die seit Jahrzehnten tauben Ohren predigen.” (DAVAR, zitiert nach Alfred M. Lilienthal: What Price Israel. Chicago 1953, S. 207).
In Theodor Herzls Tagebüchern heißt es:
“Es muß anfangs scheinen, daß wir den Regierungen einen Dienst erweisen wollen. Wir opfern für ‘Lösung der Judenfrage’ eine Milliarde. Dafür erhalten wir die Gefälligkeiten, die wir brauchen: Freilassung vom Militär u. dgl. Vor allem Duldung unserer Propaganda und gelegentlich (auf unseren Wunsch) ein ungnädiges Wort, aber unter Aufrechterhaltung der Ordnung. Nach zehn Jahren ist die Bewegung unwiderstehlich, und die Juden werden uns bei Nacht und Nebel ohne Schuh’ und Strümpfe zulaufen. Sie werden durch keine Gewalt mehr zurückzuhalten sein, wenigstens nicht in den freizügigen Ländern.” (Theodor Herzl: Gesammelte zionistische Werke. Tagebücher, Band 1. Tel Aviv 1934, S. 58. Die Eintragung stammt vom 9. Juni 1895).
[12] Verteidigungsminister Mosche Dayan am 5. Juni 1967 um 10.00 Uhr Ortszeit in KOL ISRAEL, dem israelischen Rundfunk: “Soldaten, wir Israelis haben keine Eroberungsgelüste. Wir müssen nur verhindern, daß die arabische Armee unser Land erobert. Wir müssen die Schlinge, die uns um den Hals gelegt wurde, zerschneiden… ” (Zitiert nach einer Tonbandaufzeichnung Im Archiv des Herausgebers).
[13] Erklärung der Regierung Israels vom 6. Juni 1982:”… Israel hat keinerlei Absichten auf libanesisches Territorium. Es respektiert die territoriale Integrität des Libanon…” ( Zitiert nach : Aktion ‘Friede für Galiläa’. Botschaft des Staates Israel. Bonn, Juli 1982, S. 5).
[14] In Hebräisch: “Hapikud lezorchei hasiju’a la’esrahim”. Wörtlich: Sonderkommando für Hilfe für die Zivilisten.
[15] Zu den 1948 praktizierten Vertreibungen, siehe KLARTEXTE, Heft 6, S. 5 ff. Zur Affäre Ben Dunkelmann siehe insbesondere S. 26.
[16] “Jefe-nefesch” (wörtlich: “Einer mit schöner Seele”, Ästhet) ist ein in Israel häufig gebrauchter Ausdruck, mit dem in wegwerfender und abwertender Weise Juden bezeichnet werden, die aus Gewissensgründen gegen den nationalen innerjüdischen Consensus verstoßen.
[17] Einer der Hauptorganisatoren der Vertreibung und der Zerstörung der palästinensischen Flüchtlingslager war mit hoher Wahrscheinlichkeit der israelische Minister Ja’akov Meridor, ein alter Kämpfer an der Seite Begins, der für seine häufigen Fahrten nach Libanon das offizielle Inkognito eines Beauftragten zur “Koordinierung der Hilfeleistungen für die Bevölkerung” benutzte (siehe z.B. LE MONDE, 4. August 1982). Wie es um die Hilfeleistungen bestellt war und was Meridor wahrscheinlich wirklich koordinierte, kann dem privat geführten “Diensttagebuch” des Oberstleutnant der Reserve Dov Jirmija entnommen werden, einem Mann, der sich seit vielen Jahren für die Bürgerrechte von israelischen Arabern im Golil einsetzt:
(Süd-Libanon) 18.6.82
Um 14 Uhr kommt Meridor. Der Bericht von Amitai ist routinemäßig und optimistisch. Er verkleinert bei der Zahl der Leichen und beim Ausmaß der Verwüstung und vergrößert bei der Bewertung der Fülle an Lebensmitteln. “Es gibt kein Wasserproblem, sie hoben Brunnen in den Plantagen und kommen ganz gut zurecht.” Halbwahrheiten sind schlimmer als Lügen. Ich weiß doch, daß ganze Viertel mit Zehntausenden von Einwohnern ohne Wasser sind, aber ich werde nicht gefragt. Die Fragen des Ministers und seine Antworten auf die Fragen aus dem Kreis der Besprechunsteilnehmer sind eine Theater-Force aus Ignoranz, Zynismus und Verruchtheit. Als er gefragt wird, was die Politik bezüglich der palästinensischen Flüchtlinge sei, antwortet er: “Man muß sie noch Osten vertreiben (er macht eine entsprechende Handbewegung), in Richtung Syrien. Laßt sie dorthin ziehen, und laßt sie nicht zurückkehren.” (Ausschnitt aus CHOTAM, Wochenbeilage von AL HAMISHMAR, 16. Juli 1982).
[18] Vergl. Josua 2, 1 f. und 6, 25.
[19] Kartenskizzen von Libanon mit hebraisierten Ortsnamen (z.B. Be’erot für Beirut, oder Südlibanon als “dem Stamm Asher zugehörig”), in AL HAMISHMAR, 25. Juli 1982 und in CHOTAM, 30. Juli 1982.
Artikel unter dem Titel: “Josua Ben Nun ging Zahal (d.h. der israelischen Verteidigungsarmee) voraus”, mit einem einleitenden Zitat aus Josua 11, 16 f., in MA’ARIV, 10. Juli 1982.
Artikel über eine vom israelischen Generalstab herausgegebene Broschüre mit dem Titel: “Für den Dienst bei Zahal – Methodisches Material für Offiziere und Instrukteure”. In der es im Kapitel über “Moral im Krieg” u.a. heißt, es gebe vieles, was im Krieg nicht schön ist aber “ein Krieg zur Verteidigung des Volkes Israel und zur Eroberung von Eretz Israel ist ein Mitzwa-Krieg (ein Gebot Gottes)”, in DAVAR, 30. Juli 1982.
Artikel von Hagai Esched (der üblicherweise als journalistisches Sprachrohr des Arbeiterparteiflügels um Jitzhak Robin fungiert) mit umwerfender Erbschafts-Euphorie: “Das Land Libanon ist angesichts seiner Erde, seiner Vegetation und seiner Himmelsfarbe (!) die direkte Fortsetzung des Landes Israel, und die Grenzen des Galil weiten sich bis hinauf noch Beaufort, zum Arnoun-Plateau und bis Hasbaja… “, in DAVAR, 4. Juli 1982.
Artikel von Jehuda Ariel: “Die jüdische Vergangenheit liegt in der (libanesischen) Erde begraben”, in HA’ARETZ, 14. Juli 1982.
Und so weiter, ad libitum.
Doch wen kümmert das? Ein sogenannter Professor Manfred Abelein, außenpolitischer Obmann der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, kann dennoch sagen und kostenlos gedruckt bekommen: ‘Israel, das steht völlig außer Frage, erhebt gegenüber Libanon keine territorialen Ansprüche und möchte mit diesem Land in friedlicher Nachbarschaft leben.” (DIE WELT, 18. August 1982).
Er hat die Gewißheit, ich hab’ das Archiv; sie können zusammen nicht kommen, der Graben ist viel zu tief.
[20] Hakibbutz Hameuchad und Hakibbutz Ha’artzi sind die beiden großen Organisationen, in denen die meisten Kibbutzim zusammengeschlossen sind. Vor allem von Hakibbutz Hameuchad ist bekannt, daß diese Bewegung seit langem einer Annexion der Golan-Höhen das heimliche Wort geredet hat. Boaz Evron nannte die Kibbutz-Bewegungen “Agrar-Reaktionäre”, die zur Durchsetzung ihrer partikularistischen Interessen auf verlogene und verheuchelte Weise nationale Interessen vorschieben. “Mein Freund im Knesset-Ausschuß für Außen- und Sicherheitspolitik”, schreibt Boaz Evron, “hot wohl recht, wenn er sagt: ‘Sollten dereinst die Sitzungsprotokolle veröffentlicht werden, wird jedem klar werden, daß die Vertreter von Hakibbutz Hameuchad größere Falken, Annexionisten und Aggressoren sind als die Leute von (Begins) Herut-Partei.’… ” (JEDIOTH AHARONOT, 19. Dezember 1980).
[21] Faksimile eines IRGUN-Flugblattes in: H. Spehl, Spätfolgen einer Kleinbürgerinitiative. (Freiburg 1979). Band 2, nach Seite 158. – Zur Nordgrenze gemäß den offiziellen zionistischen Ansprüchen während der Zeit um 1920, siehe Spätfolgen, a.a.O. Seite 183.
[22] Zitiert nach JEDIOTH AHARONOT, 21. Juni 1982. Die Pressekonferenz wurde von Prof. Jeschejahu Leibowitsch zusammen mit Prof. Dan Miron, Prof. Asa Kascher und Nathan Zakh einberufen. Prof. Leibowitsch ist organischer Chemiker und Philosoph und war viele Jahre Herausgeber der ‘Encyclopedia Hebraica’.
Wie dem Bericht in KOL HA’IR – HA’ARETZ vom 22. Juni 1982 zu entnehmen ist, war von den vielen Hundert in Israel tätigen Auslandskorrespondenten niemand anwesend, während sämtliche israelischen Zeitungen vertreten waren. Prof. Dan Miron war bereit, die Pressekonferenz in Englisch abzuhalten, aber es erwies sich als unnötig