Klartexte 8: …Und morgen die ganze Welt
…und morgen die ganze Welt
Ominöse Texte zur Entwicklung des verschämten zum unverschämten Faschismus
KLARTEXTE 8
1983 Helmut Spehl Freiburg
Zu diesem Heft
Der einzige öffentliche Übelstand, den noch aufzudecken sich lohnt, ist die Dummheit des Publikums.
KARL KRAUS
Der Leser darf nicht erwarten, zumal nicht am heutigen 50. Jahrestag der ‘Machtergreifung’ im Occident, deren Spätfolgen aus dem Orient wir mittlerweile täglich drastischer zu spüren bekommen aber nicht verstehen dürfen, daß ich zum Inhalt dieses Heftes beschwichtigende Worte finden werde. Wer zu argwöhnen begonnen hat, was die Schöpfer der euro-amerikanischen Energiepolitik vor nun bald einem Jahrzehnt zu verstehen begonnen haben, als sie die Parole “Weg vom Öl!” unter’s ahnungslose Volk brachten, wird zwar keiner Anleitung mehr bedürfen, um mit dem Titel dieses Heftes zurechtzukommen, aber ich argwöhne wohl zu Recht, daß er die prekäre Sache niemals im richtigen Sinne ernstgenommen hat. Der Monolog des Z., den Amos Os vor sechs Wochen in DAVAR gedruckt bekam, und der nun zum Herzstück dieser KLARTEXT-Nummer wurde, kann ihm vielleicht noch auf die Sprünge helfen. Um der plastischen Wiedergabe der Gedankenwelt eines ‘Arik’ Scharon oder ‘Raful’ Eytan willen, die sich nicht nur am Wasserschloß Palästinas, sondern auch am Erdölfaß der Welt zu schaffen machen, hätte dieser Monolog des Zionspflanzers Z. geradezu erfunden werden müssen, würden die Z.’s nicht rudelweise auftreten und ihr Glaubensbekenntnis auf Hebräisch hemmungslos zum besten geben. Sagen wir’s geradeheraus: Was sich da, zum maßlosen Entsetzen einer kultivierten israelischen Minderheit, trotzig uni-formiert, bedient sich der europäischen Konfektionsmodelle der Zwanziger- und Dreißigerjahre, die in unseren Breiten ‘dank’ dem großen Krieg und einem sagenhaften Nachkriegsreichtum in der Mottenkiste der Geschichte landeten. In etlichen Zionskreisen hat man’s alleweil und unentwegt getragen, stets belächelt von den Genossen, die’s nur zu Hause trugen, weil’s für die Straße gar zu abgetragen schien. Jetzt kommt der alte Plunder als letzter Schrei der Zionsmode in die hebräischen Gazetten, heftig umstritten noch, aber siegessicher. Und siehe, das Neue ist das Alte, aufgedonnert mit mosaischen Accessoires aus der bei Politkonfektionären bestens eingeführten Bibel. Wenn man den ungewohnten Stoff befühlt, der noch grobschlächtiger nicht zu weben ist, und den roten Faden unter die Lupe nimmt, der feiner nicht zu spinnen ist, wenn man das Habit aus der Nähe mustert, das in seinem hemdsärmeligen Habitus aus allen Nähten platzt, wenn man den Rocksaum hebt, um den Talmiglanz des Futtermaterials zu prüfen, und – wie sag ich’s gleich? – auch nicht die Spur von Scham entdeckt: dann muß in jeglichem Detail der Zuschnitt im Stil des klassischen Faschismus in die Augen springen. Es ist, als hätte man den Geist der großen Zeit auf umzugsichere Flaschen gezogen, die nun, eine um die andere, von apokalyptischen Herrenreitern im Vollrausch ihrer Möglichkeiten entkorkt werden. Aber man hat ja niemals sehen mögen, daß der Zionismus mehr Eingewecktes als Aufgewecktes aus Europa nach Palästina hinübergeschmuggelt hat. Kurzum, KLARTEXTE Nummer 8 bringt zum 50. Jahrestag der Ergreifung aller Macht über alle Geister das Repertoire des Faschismus von A bis Z. Von A wie Antisemitismus, über B wie Blut und Boden, H wie Herrentum und Halbbildung, W wie Weltordnung und Weltherrschaft, bis Z wie Zionismus und Zynismus. Dem einen oder anderen der nicht zu belehrenden Leser, denen ich die Lektüre der KLARTEXTE noch nicht habe verleiden können, mag dies als Relativierung der Nazi-Verantwortung erscheinen. Wer in Zusammenhängen denken kann, wird ehrlicherweise fühlen, daß wir vor deren Steigerung stehen. Bleibt noch die Frage, wie es weitergeht. Ich ahne es, aber ich weiß es nicht. Ich weiß wirklich nicht, wieviele Korken knallen müssen, bevor es weltweit knallt
Aber etwas anderes weiß ich. Der Monolog des Anonymus Z., also sagen wir mal von Z wie Zyonismus, wird den Leser wie ein Schlag aus heiterem Himmel treffen
Gleichwohl: Ich sehe ihn, wie er in seiner Sprach- und Ratlosigkeit psychomotorisch nach einer der beiden Schubladen greift, in die hierzulande seit 1945 alles hineingepackt wird, was dem forcierten Medien-Klischee zum Thema Zionismus und Judenstaat zuwiderläuft. Er wird, je nach Couleur, entweder die Schublade wählen, in der die lebenslänglich unerledigten Sachen liegen, oder jene unsägliche andere, wo die ‘Beweise’ für die ‘jüdische Gaskammern-Lüge’ auf den Tag der Abrechnung warten. Der Monolog des Z. hat selbstverständlich keine Chance, dorthin zu gelangen, wo sine ira et studio die Rara gelesen und verstanden und in politischen Druck umgesetzt werden. Damit zumindest der ruinöse Wirtschaftsschlachtruf “Weg vom arabischen Öl!” (wie er doch genaugenommen lauten müßte, wenn er wenigstens ehrlich wäre) revidiert würde und endlich die Notstandsparole “Weg vom israelischen Zionismus!” in Umlauf käme. Die Menschheit lernt schwer, und heutzutage Entscheidendes aus dem Holocaust vor dem nächsten wohl überhaupt nicht mehr. Mit jedem Morgengrauen, das die Dummheit dieser Welt auf’s neue an den Tag bringt, wird zwar der Zionismus altneuster Prägung zur ärgeren Bedrohung für den Frieden, aber die amerikanische Regierung finanziert weiter, um ihn besänftigen zu können, und die amerikanischen Juden besänftigen, um ihn weiterfinanzieren zu können. Niemand wird ehrlichen Herzens behaupten, daß der klassische Antisemitismus endgültig bei den Geschichtsakten liegt, und daß zionistische Bestrebungen demgemäß samt und sonders überholt sind. Aber jeder kann auch sehen, daß sich die Juden in der Diaspora seit tausend Jahren niemals wohler fühlten als heute. Der Zionismus, der schon zur Gründerzeit mit diesem peinlichen Phänomen zu kämpfen hatte, und heute wieder weiter denn je davon entfernt ist, mit unerpreßtem Zulauf der Diaspora-Juden rechnen zu können, zieht daraus durchaus originelle Schlüsse. Wer sie noch nicht kennt, wird sie im Monolog des Z. auf eindringliche Weise kennenlernen.
Dabei muß sich einem ein vertrackter Gedanke aufdrängen, den man fatalerweise nicht einmal bei sich behalten, geschweige denn aussprechen darf. Darum tu ich’s. Die israelische Version von Johann Gottfried Seumes bekannter Verszeile: “Wir Wilden sind doch beß’re Menschen” lautet nämlich: “Wir Zionisten sind doch beß’re Antisemiten”. Man möchte dies, als letzte Hoffnungstat, den Juden der Diaspora in ihr Stammbuch schreiben. Würden doch die Juden, deren Geschäfte in der Diaspora florieren, endlich wieder, wie vor dem Nazi-Holocaust, ein Gran davon auf die entsetzlich schief belastete Waage ihrer Sympathien legen! Und könnten doch wir anderen begreifen, daß wir auf die Fußangeln des Antisemitismus in jeglicher Gestalt zu achten haben! Könnten doch wir und sie erfassen, daß der erfolgreichen Bekämpfung des christlichen und des völkischen Antisemitismus unumgänglich die Belebung der zionistischen Variante auf dem Fuße folgt. Und daß deren schlimmste Seite nicht ihre bisherige Ausdrucksform, sondern die totale Achtung der öffentlichen Bloßstellung ist. Aber ach!, ich sehe kommen, daß im innerisraelischen Krieg, der zusammen mit dem Krieg in Libanon in unerhörter Härte ausgebrochen ist – jener nach den 5 Büchern, dieser in den 5000 Zeitungen Mosis -, alle miteinander letzten Endes doch wieder die Rolle der Hilfstruppen des Faschismus übernehmen werden. Ich meine, daß jene abgrundtiefe Dummheit den Gang der Dinge bestimmen wird, die 1933 den jüdischen Genius aus dem arischen Volkskörper ausgeschieden hat, und die den Konsequenzen der zionistischen Devise: “Weg vom öligen Juden!”, die der Zionspflanzer Z. wieder einmal in Erinnerung bringt, anno 1973 nur die Devise: “Weg vom arabischen Öl!” entgegenzusetzen vermochte. Wenn ich den totgeschwiegenen Nahost-West Konflikt unserer Tage überdenke, der vor nunmehr 50 Jahren, neben allem anderen, vom Zaun gebrochen wurde, glaube ich konstatieren zu dürfen, daß unsere Welt zu einer geistigen Auseinandersetzung, die der politischen vorausgehen muß, um der gewalttätigen zuvorkommen zu können, nie und nimmer fähig ist.
Helmut Spehl
Freiburg, 30. Januar 1983
ZWISCHENKAPITEL
Von Aharon Meged
Übersetzung aus dem Hebräischen. Der Artikel von Aharon Meged erschien am 3. September 1982 in der Tel Aviver Tageszeitung DAVAR.
“Ich weiß nicht, ob unsere Politiker erfaßt haben,
daß die Weltordnung von uns bestimmt werden muß,
daß Gott dies verlangt…”
Kümmert es uns – uns Nichtreligiöse – was die Rabbiner über den Krieg sagen? Über die politische Zukunft unseres Landes? Kümmern uns die Ansichten des Rabbi von Lubawitsch, des Rabbi Drukman, Rabbi Levinger, Rabbi Kahane, Rabbi Goren?[1]
Im gegenwärtigen Stadium – einer Zeit des ideologischen Vakuums im nichtreligiösen Lager der Rechten wie der Linken – wird man sagen müssen: Ja.
Ob nun die Theorie vor der Praxis kommt oder die Praxis vor der Theorie, sie sind in jedem Fall miteinander verknüpft. Revolutionen sind mit der Ideologie der Revolution verknüpft, Besatzungskriege mit der Ideologie des Krieges. Und Diktaturen basieren auf einer Ideologie, die als moralische, theologische oder mythologische Rechtfertigung ihrer Taten dient.
Was ist die Ideologie des gegenwärtigen Regimes in Israel?
Man wird kaum sagen können, daß es die Original-Ideologie des Revisionismus ist. Jene Ideologie entstand zu vorstaatlichen Zeiten und unter anderen Bedingungen, als die Zionistische Bewegung in Europa stark und aktiv war. Die Zeiten haben sich geändert. Sind Arik Scharon und David Levi ‘Revisionisten’?[2]
Die neue Ideologie – die wie immer der Rechtfertigung der Taten dient – wird von Leuten wie diesen geformt. Aber ihre endgültige Gestalt hat sie noch nicht erhalten.
In dieses Vakuum der noch nicht ausformulierten Ideologie dringen mehr und mehr die Grundsätze der jüdischen Religion ein. Wenn sie nicht geradewegs zur Ideologie des Regimes werden, so werden sie zumindest eine wesentliche Komponente bilden, vielleicht ihr Fundament.
Wenn Begin sich für ein Flugverbot für die (staatliche) Luftfahrtgesellschaft EL AL am Sabbat ausspricht, redet er nicht wie die früheren Regierungen (der Arbeiterpartei) von ‘Koalitionsdruck’, sondern er erklärt, daß er diese Regelung im Jüdischen Staat aus Rücksicht auf die Jüdische Religion durchsetzen wird.
In der Zeitschrift NEKUDA[3] erschien am 15. August ein Artikel von Rabbi Elieser Waldman aus Kirjat Arba mit dem Titel: “Die Willenskraft zur Vollendung des Werkes”. Das Hauptanliegen des Aufsatzes ist die auf jüdisch-religiöse Glaubensartikel gegründete Rechtfertigung von Besatzungskriegen, wobei diese Kriege als eine höhere Stufe der Verwirklichung der Erlösung -sprich des Zionismus – dargestellt werden, deren Ziel es ist, “das Böse auszurotten”.
Er spricht von der Pflicht, die Israel auferlegt ist, eine “neue Ordnung” durchzusetzen – nicht nur in Libanon oder im Nahen Osten, sondern in der ganzen Welt.
Indem er sich auf die Bibel und andere Schriften der Jüdischen Religion stützt, polemisiert Rabbi Waldman gegen diejenigen, die da glauben, daß wir bereits im jetzigen Stadium des “Anbruchs der Erlösung” den prophetischen Versen folgen sollten: “Denn es wird kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben, und werden hinfort nicht mehr kriegen lernen.”[4]
Zunächst weist Rabbi Waldman nach – was jeder von uns akzeptiert -, daß wir für die Vollendung der Erlösung, das heißt für die Einsammlung einer Nation in ihrem Stammland und für die Erringung ihrer Unabhängigkeit, den Willen zu heroischem Kampf und die Bereitschaft zu Opfern aufbringen müssen. Anders als in der Diaspora, wo unsere Schwäche und unser Widerwille, uns selber zu schützen, unsere Erniedrigung unter den Gojim[5] sowie Antisemitismus bewirkt haben.
Aber Rabbi Waldman begnügt sich nicht mit diesem zionistischen Gemeingut, wonach Verteidigungskriege eine existentielle Notwendigkeit sind, sondern er erhebt den Krieg in den Rang eines Wertes. Und im gegenwärtigen Krieg in Libanon sieht er eine weit höhere Stufe verwirklicht als bei allen früheren Kriegen auf dem Weg zur Erlösung: “Wir haben eine höhere Stufe erreicht als nach dem Sechs-Tage-Krieg (1967), und dies in unseren Augen und in den Augen der ganzen Welt.”
Wie kommt das? – Weil in diesem Krieg “unsere militärische Macht enthüllt und unser Image verbessert wurde”, auch unser Prestige in den Augen der Gojim; indem wir ihnen unsere Fähigkeit bewiesen haben, eigene Entscheidungen zu fällen, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, was die Gojim denken; indem unsere Bereitschaft zu Opfern zutage getreten ist, sodaß es nicht mehr in der Macht der Gojim steht, uns einzuschüchtern.
Und anschließend folgt die Definition des Ziels – von jetzt an bis in alle Zukunft: Die Durchsetzung einer neuen Weltordnung – moralisch und religiös – mit Waffengewalt: “Ganz ohne Zweifel sind wir für die innere Ordnung der Welt verantwortlich, aber die innere Ordnung kann nur erreicht werden, wenn zuerst für die äußere Ordnung dadurch gesorgt wird, daß wir mit kriegerischem Heldenmut und Opferwillen gegen das Böse aufstehen.”
Und dann:
“Wir werden definitiv die Ordnung sowohl im Nahen Osten wie in der ganzen Welt bestimmen.” (Hervorhebung in NEKUDA). “Wenn wir diese Verantwortung nicht auf uns nehmen, begehen wir nicht nur ein Verbrechen an uns selbst, sondern darüber hinaus an der ganzen Weit. Wer soll denn die Ordnung in der Welt bestimmen? Etwa alle diese schwächlichen Politiker des Westens?”, usw
So werden wir also, während die Erlösung näherrückt, vom Rang “der vierten Großmacht in der Welt” zum Rang der ersten Großmacht aufsteigen!
Muß nicht das gegenwärtige Regime von dieser Doktrin fasziniert sein? Wird sie sie nicht zu ihrer eigenen Ideologie machen wollen?
Eine Anzeige von Gusch Emunim
Die Anzeige der Siedlerbewegung Gusch Emunim (“Block der Getreuen”) erschien am 3. Oktober 1982 in der Tageszeitung MA’ARIV. Vergl. das leicht verkleinerte Faksimile auf Seite 13.
Jischar Koach![6]
Für uns ist der “Frieden für Galiläa” – Krieg ein Heiliger Krieg und eine geheiligte Handlung, ein Bestandteil der Pflichten Israels.
Vier besondere Errungenschaften sind es, die diesen Krieg kennzeichnen:
1. Befreiung des Galil (und indirekt des ganzen Staates Israel) von der Bedrohung durch Raketen und Mordkommandos, sowie Wiedergewinnung von Ehre, Frieden und Sicherheit für diesen Teil des Landes. Ein weiterer Schritt auf dem großartigen Weg: “Würde für Dein Volk”.
2. Rückführung der Gebiete der Stämme Naftali und Ascher in die Grenzen Israels. Diese Teile unseres Landes sind leider noch weit außerhalb des Bewußtseins von großen Teilen des Volkes, aber ob beabsichtigt oder nicht, uns wurde die Ehre der Eroberung von Eretz Israel zuteil, wie geschrieben steht: “Dieses gute Bergland und der Libanon”. Ein weiterer Schritt auf dem großartigen Weg: “Freude für Dein Volk”.
3. Zerschlagung der gewaltigen syrischen Front, die eine ständige Bedrohung Israels war, durch die Zerstörung der syrischen Raketen und durch glanzvolle Einsätze unserer Luftwaffe. Ein weiterer Schritt auf dem großartigen Weg: “Und alles Böse wird in Rauch aufgehen”.
4. Zertrümmerung der teuflischen Hand des PLO-Terrorismus, der von Beirut aus seine entsetzlichen Kraken-Arme dirigierte und jahrelang überall Menschen tötete, Frauen und Kinder. Israels Pflicht beschränkt sich nicht auf das Versprechen “Frieden jetzt für das Galil”. Israel fällt die Pflicht zu, alle seine Kräfte aufzubieten, um die Fundamente des Bösen in der ganzen Welt zu zerstören.
Ein weiterer Schritt auf dem großartigen Weg, der die wahre Bedeutung des Verses zeigt: “Du wirst die Herrschaft des Bösen brechen”.
Auch wenn im Verlauf des Krieges dann und wann Fragen aufgeworfen wurden, so ist es keineswegs erlaubt, die Proportionen aus den Augen zu verlieren und die große Tat und die große Zeit gegen die aufgeworfenen Fragen aufzuwiegen.
Es ist deshalb die Pflicht jedes dankgewohnten Mannes in Israel, Gott, der uns das Kriegführen lehrt, von Herzen für die großen Errungenschaften des “Frieden für Galiläa” – Krieges zu danken, und all denjenigen den Dankesspruch
Jischar Koach Gadol
zuzurufen, die das Werk in Angriff genommen haben, allen voran den Führern Israels mit ihrem Heldenmut. Dem Regierungschef Menachem Begin, dem Verteidigungsminister Ariel Scharon, dem Generalstabschef, General Rafael Eytan, und dem Kommandeur des Nordabschnitts, Amir Drori.
Seid stark!
Mit feierlichem Gruß
GUSCH EMUNIM
JAWOHL, GEHT ZUR HALACHA
Von Jedidja Segal
Übersetzung aus NEKUDA, Nr. 47 (3. September 1982). NEKUDA ist die Zeitschrift der Siedlergemeinden in Judäa, Samaria und im Gaza-Streifen. Jedidja Segal ist Mitglied der Siedlergemeinde Ofra (Westbank).
Kürzlich erschienen in NEKUDA zwei Aufsätze mit dem Anliegen, uns eine positive (ja sogar freundschaftliche) Einstellung zu den Arabern in Judäa und Samaria zu predigen. Die beiden Verfasser zitieren anscheinend Briefe zweier jüdischer Weisen (Maimonides und Rabbi Kook) unter völliger Mißachtung verschiedener Prinzipien der Halacha[7], die uns einen anderen Weg weist als denjenigen, den die beiden ehrenwerten Verfasser uns aufzuerlegen versuchen
Man sollte aus ganzem Herzen dem Ruf beipflichten, der in NEKUDA Nr. 45 an uns erging: Geht zur Halacha! Aber man sollte ohne Vorurteile zur Halacha gehen. Jemand, dessen Herz von humanistischen, liberalen oder sozialistischen Prinzipien geprägt ist (die allesamt moderne Formen von Götzendienst sind, welche einen Teil unseres Volkes zur Verweltlichung und Ungläubigkeit verführt haben), wird natürlich mit Kerzen nach den Quellen suchen, die seine vorgefaßte Meinung bestätigen. Und es ist ebenso natürlich, daß er, trotz seiner “präzisen Studien”, beispielsweise die Talmud-Stelle (Traktate Sukah, 52 B) nicht auffinden wird, wonach der Herr, gesegnet sei sein Name, die Erschaffung der Ismaeliten (d.h. der Araber; Zusatz d. Übers.) bereut; oder die andere Stelle mit den Spuren der kränkenden Einstellung unserer Weisen, gesegnet sei ihr Andenken, gegenüber den Gojim: “Ein Volk, das dem Esel gleicht” (Traktate Kidduschim, 68 A). Er gleicht einem Mann, der zu beweisen versucht, daß eine bestimmte Geldkassette nur Messingmünzen enthält, und der wühlt und wühlt und endlich eine Münze herausnimmt und sie vorzeigt, während er mit der anderen Hand die Kassette zuhält, damit niemand bemerkt, daß es die einzige Messingmünze unter vielen Goldmünzen ist. Darf man die Halacha so selektiv benutzen? Darf man sie vergewaltigen, um sie in Einklang mit der modernen Zivilisation zu bringen, die ihr doch so fremd ist, und die mit ihr in hartem Widerstreit um die jüdischen Seelen liegt?! Und wo bleibt da die intellektuelle Redlichkeit? Zur jüdischen Haltung gegenüber einem besiegten Volk gibt es in der Halacha klare Aussagen. Ich würde von einem Autor, der heute nicht mehr nach der Halacha handeln möchte, zumindest erwarten, daß er sie richtig zitiert. Die völlige Mißachtung der Halacha und der Versuch, mit Zitaten ohne Sachbezug irrezuführen, gereichen denen, die im Namen der Halacha predigen wollen, nicht zur Ehre
Die einschlägigen Gesetze, die zitiert werden sollten, stehen in Maimonides, Mischne Tora, Gesetz der Könige (Kapitel 6): “Man darf gegen niemand in der Welt Krieg führen, bevor man ihm Frieden angeboten hat, gleichgültig, ob der Krieg ein Erlaubter Krieg (hebr.: Milchemet Reschut), oder ein Heiliger Krieg (hebr.: Milchemet Mitzwa) ist; wie geschrieben steht: ‘Wenn du vor eine Stadt ziehst, sie zu bestreiten, so sollst du ihr den Frieden anbieten’.[8] Nehmen sie den Frieden an und sind bereit, die sieben Gebote der Söhne Noahs zu befolgen, soll keiner von ihnen getötet werden; sie müssen jedoch Tribut zahlen. Wie geschrieben steht: ‘Sie sollen dir Tribut zahlen und deine Sklaven sein…’[9] Das Sklaventum, das sie auf sich nehmen müssen, bedeutet, daß sie als Verachtete und tief Erniedrigte leben müssen (hebr.: Schefelim lemata), und daß sie unter Juden niemals ihr Haupt erheben dürfen, sondern als Besiegte unter ihrer Knute leben müssen. Und keiner von ihnen wird jemals über die Juden zu stehen kommen, in keinerlei Amt der Welt…”
Der Krieg ist von Übel und der Friede ist ihm vorzuziehen. Aber wehe dem Besiegten in einem Frieden dieser Art. Totale Unterwerfung, zwangsweise Übernahme der fremden Kultur und Hinnahme der Verachtung und Erniedrigung. Das sind die richtungweisenden Prinzipien für die Haltung, die sich das Volk Israel gegenüber den Völkern zu eigen machen sollte, deren Städte es erobert hat. Nur mit Blick auf einen solchen gedemütigten und erniedrigten Goi sagt Maimonides des weiteren, daß man in einem mit ihm abgeschlossenen Vertrag nicht lügen darf, was bedeutet: es ist verboten, ihn zu töten, wenn er die Sklaverei und die Unterwerfung akzeptiert. Über einen solchen Goi sagt Maimonides (in Kapitel 10, Gesetz 12): “Mir scheint, daß man solchen ansäßigen Fremdlingen mit der gleichen Höflichkeit und mit gleichem Wohlwollen begegnen soll, wie Juden … Die Weisen befahlen, daß die kranken Ungläubigen sogar besucht und ihre Leichen mit den jüdischen bestattet werden sollen, und daß man, um des Friedens willen, ihre Armen zusammen mit den jüdischen Armen unterstützt. Wie geschrieben steht: ‘Gut und barmherzig ist Gott gegen alle seine Geschöpfe’, und es steht geschrieben: ‘Ihre Wege sind liebliche Wege, und alle ihre Steige sind Friede’.[10]” Das bedeutet: Solange der Goi erniedrigt und verachtet ist, und solange er unter Juden sein Haupt nicht erhebt (also nicht wie diejenigen, die herumschreien: “Mit Sturm und Blut werden wir Dich, oh Palästina, befreien”), steht ihm eine angemessen menschliche Behandlung zu
Möglicherweise sollten die obengenannten Gesetze von uns noch nicht praktiziert werden, und zwar aus zwei Gründen: weil erstens der Status der israelischen Regierung hinsichtlich der Halacha nicht klar ist, und weil zweitens ein großer Teil unseres Volkes selbst unter Feinden lebt, und wir um ihr Schicksal bangen müssen. Aber ein klarer Schluß kann aus ihnen gezogen werden: Die jüdische Religion (hebr.: Torat Israel) und der moderne, atheistische Humanismus haben nichts miteinander gemein. Eine Religion (hebr.: Tora), die bestimmt, daß ein besiegtes Volk verachtet und erniedrigt werden muß, und daß ihm eine fremde Kultur aufgezwungen werden muß; eine Religion, die bestimmt, daß in einem Heiligen Krieg Männer, Frauen und Kinder ausgerottet, getötet und unschädlich gemacht werden sollen (Maimonides, ibid. Kapitel 6, Gesetz 4); eine Religion, die bestimmt, daß die heiligen Gesetze nur für die Beziehungen der Juden untereinander gelten (zu diesen Geboten siehe das Buch der Erziehung); eine Religion, die bestimmt, daß Gebote wie: Liebe zum Fremdling und Verbot der Täuschung des Fremdlings nur gegenüber demjenigen gelten, der schon beschnitten und untergetaucht wurde (siehe das Buch der Erziehung); eine Religion, die auf Rache hofft im Stil von “Wohl dem, der deine Säuglinge nimmt und sie am Felsen zerschmettert” (Psalm 137): eine solche Religion ist nicht humanistisch. Sie ruht auf moralischen Fundamenten, die von denen, die heute in der westlichen Welt akzeptiert werden, völlig verschieden sind. Einerlei, ob es in unserer Macht steht, diese Gesetze heute anzuwenden oder nicht, – die ewigen Prinzipien ändern sich nicht. Und wenn wir heute zusammenkommen, um über eine Reaktion auf feindselige Umtriebe der arabischen Bevölkerung zu beratschlagen, dann ist lediglich abzuwägen: “Nützt es, oder nützt es nichts.” Für irgendwelche “humanen” Erwägungen ist kein Platz, weil es so etwas wie eine humane Haltung gegenüber einem Feind in der Halacha nicht gibt
ÜBER DAS WEICHLICHE UND DAS VERZÄRTELTE
Von Amos Os (Oz)
Übersetzung aus DAVAR, 17. Dezember 1982. Der Artikel erschien im Rahmen einer Serie, die Amos Os, ein in Israel sehr bekannter Schriftsteller, seit einiger Zeit in den Wochenendausgaben des Blattes unter dem Motto: “Da und dort in Eretz Israel im Spätjahr 82” veröffentlicht.
“Also von mir aus kannst Du mir jeden Namen anhängen, der Dir paßt. Du kannst mich ein Scheusal nennen. Stell’ mich als Mörder hin. Aber bitteschön, immer angemerkt, daß ich kein Araberhasser bin. Ganz im Gegenteil. Persönlich habe ich bei denen ein viel besseres Gefühl, ganz besonders bei den Beduinen, als bei Juden. Die Araber, ich meine diejenigen, die wir noch nicht verdorben haben, sind stolze Leute, irrational, grausam, großzügig. Die Jidden[11] sind alle miteinander total verbogen. Wenn man sie geraderichten will, muß man sie erst mal tüchtig in die umgekehrte Richtung biegen. Und das ist in aller Kürze mein Glaubensbekenntnis,”
“Von mir aus kannst Du für den Staat Israel jedes Schimpfwort gebrauchen, das Dir in den Sinn kommt. Nenn’ ihn meinetwegen den Staat der Judeo-Nazis, wie’s Leibowitsch gemacht hat.[12] Warum auch nicht? Wie sagt man doch – besser ein lebender Judeo-Nazi als ein toter Heiliger. Es ist mir egal, ob ich ein Kadhafi bin. Ich bin nicht hinter der Bewunderung durch die Gojim her. Ich brauche ihre Liebe nicht. Und die Liebe von Juden von Deiner Sorte brauche ich genauso wenig. Ich habe zu leben. Und ich habe nun mal das Verlangen, daß auch meine Kinder leben. Mit oder ohne die Segenssprüche des Papstes und der anderen religiösen Herrschaften von der NEW YORK TIMES. Ich werde jeden umlegen, der eine Hand gegen meine Kinder hebt, ich werde ihn und seine Kinder ausrotten – mit oder ohne die legendäre ‘Reinheit der Waffen’[13] – ganz egal, ob er Christ, Moslem, Jude oder Heide ist. Die Geschichte lehrt uns, daß derjenige, der nicht töten will, von anderen getötet wird; die Nachbarn kommen und töten ihn. Das ist ein eisernes Gesetz.”
“Auch wenn Du mir einen mathematischen Beweis lieferst, daß der Krieg in Libanon, den wir zur Zeit veranstalten – wir sind noch mitten drin – ein ganz schrecklich dreckiger und unmoralischer Krieg ist, der nicht zu uns paßt, das kümmert mich nicht. Und ich sage Dir noch mehr als das: Auch wenn Du mir einen mathematischen Beweis lieferst, daß wir in Libanon nichts erreicht haben und keines der Ziele erreichen werden, weder ein befreundetes Regime in Libanon, noch die Zerschlagung der Syrer, ja nicht einmal die PLO kaputtmachen können, das kümmert mich alles nicht. Es war die Sache wert. Und wenn in einem Jahr das Galil von neuem mit Raketen beschossen wird, so kümmert mich das herzlich wenig. Wir werden noch einen solchen Krieg veranstalten, mehr und immer mehr umlegen und ausrotten, bis sie es endlich satt haben. Und weißt Du auch, warum es die Sache wert war? Weil es mir ganz danach aussieht, daß dieser Krieg uns in der ganzen Welt, die sich die Kulturwelt nennt, wieder verhaßt gemacht hat. Da hast Du’s. Schluß mit diesem Quatsch von der einzigartigen jüdischen Moral, Schluß mit den Morallektionen aus dem Holocaust und den Verfolgungen, Schluß mit diesen Juden, die angeblich rein und geläutert aus den Gaskammern hervorgegangen sind. Nichts mehr davon. Das bißchen Zerstörung, das wir in Tyrus und Sidon angerichtet haben, die Zerstörung von Ain Hilweh[14](schade d’rum, daß wir dieses Wespennest nicht völlig dem Erdboden gleichgemacht haben), die kerngesunde Bombardierung von Beirut und das Mini-Massaker in Sabra und Schatila – also man kann doch 500 Araber kein Massaker nennen! (wirklich schade, daß es die Falangisten gemacht haben, und nicht wir mit unseren zarten Händen) – alle diese guten Taten haben ein für allemal diesem alten Geschwätz vom einzigartigen Volk und vom Licht für die Gojim ein Ende gemacht. Scheiße in Olivenöl! Fertig damit! Es gibt keine Einzigartigkeit und kein Licht; gut, daß wir’s los sind.”
“Du sollst es ruhig wissen, daß ich persönlich keine Lust verspüre und keinen Grund sehe, besser zu sein als Khomeini oder Breschnew oder Kadhafi oder Assad oder Mrs. Thatcher oder Harry Truman, der eine halbe Million Japaner getötet hat mit zwei guten Bomben. Ich möchte nur gerissener sein als sie. Schneller als sie und erfolgreicher, aber ich habe nicht die geringste Ambition, schöner und besser als sie zu sein. Sag doch selbst: Geht’s den Bösewichtern etwa schlecht auf der Welt? Fehlt ihnen irgendwas? Wenn jemand sie nur anzurühren versucht, hacken sie ihm Hände und Füße ab, manchmal sogar einem, der sie nicht mal anzurühren versucht. Sie jagen und fangen sich ein, was immer sie gern fressen möchten, und sie bekommen durchaus keine Verdauungsstörungen und die Strafe des Himmels bleibt aus. So, und von jetzt an möchte ich auch Israel in diesem Klub sehen. Viel Glück! Vielleicht wird die Welt endlich anfangen, mich zu fürchten, statt mich zu bemitleiden. Vielleicht werden sie zu zittern beginnen, aus Angst vor meiner Raserei, statt meinen Edelmut zu bewundern. Gott sei Dank, sag ich Dir! Laß sie zittern. Laß sie uns doch einen Staat von Wahnsinnigen nennen! Sollen sie ruhig merken, daß wir ein verrückt gewordenes Volk sind, daß wir für unsere Umwelt eine Gefahr darstellen, daß wir ganz und gar nicht normal sind, daß wir eine Krise heraufbeschwören können, weil eines unserer Kinder ermordet worden ist – ein einziges Kind! – und in Raserei verfallen und alle Ölfelder des Nahen Ostens in Brand stecken können. Wenn es, so ganz nebenbei gesagt, Dein Kind wäre – Gott behüte -, Du würdest reden wie ich. Laß sie doch in Washington, Moskau, Damaskus und China darüber brüten, daß wir, wenn auf einen unserer Botschafter geschossen wird – oder auf einen Konsul oder auch nur auf einen Attaché für Briefmarkensammlungen -, daß wir dann im Stande sind, plötzlich, einfach so, vor dem Frühstück, den Dritten Weltkrieg auszulösen. Und sei bitte nicht überrascht, wenn uns ein solches Image sogar noch gewisse Sympathien einbringen wird: Bei der heutigen Atmosphäre unter der Jugend, den Intellektuellen im Westen, bei diesen Anmuts-Statuen, diesen saccharin-süßen Waschlappen, wird sich die Vorstellung regen, daß wir verzweifelt und aufgebracht sind, wenn wir uns so aufführen. Und wenn wir verzweifelt und aufgebracht sind, dann heißt das, daß wir die Opfer eines Unrechts geworden sind. Und wenn wir Opfer sind, also da muß doch schleunigst für uns demonstriert werden, da muß man sich doch identifizieren. Die verbogene Psychologie dieser krummen Seelen funktioniert nun mal so. Lies mal Frantz Fanon! In jedem Fall, egal ob mit oder ohne Solidaritätsmärsche für das verzweifelte und gefährliche Israel, die Hauptsache ist, daß sie nur noch auf Zehenspitzen um Israel herumgehen. Das verwundete Tier bloß nicht reizen! Es ist höchste Zeit!”
Wir sitzen auf der Veranda des schönen Landhauses von z. in einem gut florierenden Moschav[15], unsere Blicke gegen Westen gewendet, wo die Sonne in feurigen Farben untergeht. Von den Obstbäumen weht ein kräftig-sinnlicher Duft herüber. Man hat uns Eiskaffe in hohen, engen Gläsern serviert. Z., so um die 50, ist ein wegen seiner Einsätze wohlbekannter Mann. Er ist von kräftiger und untersetzter Gestalt, in Kniehosen und ohne Hemd, mit sonnenverbranntem Körper von metallischer Bronzefarbe, der dunklen Hautfarbe der Blonden, die in der Sonne leben. Er legt seine behaarten Beine auf den Tisch und seine Arme ruhen auf der Lehne seines Sessels wie zwei schwere Säcke. Am Hals trägt er eine Narbe. Seine Augen wandern über seine Felder und Pflanzungen, die sich am Hang des Hügels erstrecken. Er artikuliert sein Glaubensbekenntnis auf unzweideutige Weise mit einer von Zigaretten aufgerauten Stimme:
“Und da ist noch etwas, wichtiger vielleicht als alles vorige. Die allersüßeste Frucht dieses saftigen Krieges in Libanon: jetzt hassen sie nicht nur Israel. Unseretwegen hassen sie jetzt alle diese Feinschmecker-Juden, die Jehudonim[16] in Paris, London, New York, Frankfurt, Montreal, in allen ihren Löchern. Endlich hassen sie auch alle diese netten Jidden, die den ganzen Tag von sich sagen, daß sie anders sind als die israelischen Gangster, daß sie Juden von ganz anderer Art sind, sauber, anständig. Genau wie die assimilierten Juden von Wien und Berlin, die die Antisemiten angefleht haben, sie um Himmels willen nicht mit den heulenden und stinkenden Ostjuden zu verwechseln, die sich geradewegs aus dem dreckigen Ghetto in der Ukraine oder in Polen in die Kulturwelt einschlichen. Es hilft ihnen nichts, diesen sauberen Jidden, genauso wenig, wie es ihnen in Wien und Berlin geholfen hat. Laß sie plärren, daß sie Israel verurteilen, daß sie in Ordnung sind, daß sie niemals einer Fliege etwas zuleide tun, daß sie alleweil lieber geschlachtet werden als kämpfen wollen, daß sie’s auf sich genommen haben, den Gojim gutes Christentum zu lehren und alleweil die andere Backe hinhalten. Es wird ihnen nichts helfen. Jetzt kriegen sie dort unsere Rechnung präsentiert, und ich sage Dir, es ist eine Freude, zusehen zu dürfen. Das sind doch die Jidden, die den Gojim beigebracht haben, den Bastarden in Vietnam und diesem Khomeini und Breschnew nachzugeben und mit diesem Scheich Zakhi Jamani wegen seiner schweren Kindheit Mitleid zu haben, und überhaupt Liebe und nicht Krieg zu machen. Von jetzt an ist mit alledem Schluß. Jetzt ist der saubere Jid geächtet – nicht genug, daß er Christus gekreuzigt hat, er hat auch Arafat gekreuzigt in Sabra und Schatila. Mitgefangen, mitgehangen. Und das ist geradezu exzellent! Ihre Friedhöfe werden geschändet, ihre Synagogen angezündelt, alle alten Schimpfworte kommen wieder in Mode, man komplimentiert sie aus allen anständigen Klubs hinaus, man ballert in ihre ethnischen Restaurants, bringt ein paar ihrer kleinen Kinder um, man zwingt sie, das Zeichen an ihren Häusern zu entfernen, das sie als Juden ausweist, man zwingt sie zum Wohnungswechsel, zur Berufsveränderung, und demnächst werden ihre Paläste mit dem Slogan beschmiert sein: Juden, ab nach Palästina! Und weißt Du was? Sie werden nach Palästina gehen! Sie werden keine andere Wahl haben!”
“Und all das ist ein ‘Bonus’, den wir für den Libanon-Krieg bekommen. Sag selbst, war das die Sache nicht wert? Bald, mein Lieber, werden wir die guten Tage erleben. Die Juden werden kommen, die Israelis werden nicht mehr auswandern, und die Emigranten werden zurückkehren. Die Assimilanten werden schließlich kapieren, daß es ihnen nichts hilft, das ‘Gewissen der Menschheit’ zu spielen. Das ‘Gewissen der Menschheit’ wird durch seinen Hintern verstehen lernen, was ihm nicht in den verstopften Kopf will: daß den Gojim schon immer schlecht geworden ist ob den Juden mit ihrem Gewissen. Und es wird dem Volk Israel nur eine Wahl bleiben: heimkommen, alle miteinander, schleunigst, dicke eiserne Türen installieren, sichere Zäune ziehen, Maschinengewehre an allen Ecken und Enden, und kämpfen wie der Teufel gegen jeden, der in der Gegend auch nur auftaucht. Und wenn irgend ein Nachbar auch nur die Hand gegen uns erhebt, muß ihm die Hälfte seines Landes weggenommen werden, und zwar mit Gewalt und für alle Zeiten, und die andere Hälfte muß niedergebrannt werden, die Erdölfelder eingeschlossen. Auch mit Atomwaffengewalt. Bis ihm die Lust am Streit mit uns vergeht. Und weißt Du, was wir am Ende des Verfahrens haben werden? Halt Dich fest, Du wirst eine kleine Überraschung erleben. Ich will Dir genau sagen, was wir am Ende haben werden. Drei sehr gute und gerechte Dinge. Dinge, die auch Du zustande bringen möchtest, Du weißt bloß nicht wie: (1) Das Ende der Diaspora. (2) Eine vollständige Rückwendung nach Zion.(3) Einen wirklichen und dauerhaften Frieden. Ja. Und dann wird das Land 40 Jahre ruhen oder mehr. Und wir werden haben, was immer wir uns wünschen.”
“Und sobald dieses Kapitel, das gewalttätige Kapitel, erledigt ist, bitteschön: dann kommt Ihr dran, dann könnt Ihr den Ton angeben. Ihr könnt uns Kultur und Menschenwerte und Humanismus beibringen. Völkerverbrüderung, Licht für die Gojim, Prophetenmoral, alles. Was ihr wollt. Einen so humanistischen Staat schaffen, daß die ganze Welt vor Wonne dahinschmelzen wird, und ihr obendrein. Ihr werdet uns sehr viel Beifall einbringen. Weltmeister in Sachen hoher Moral. So ist das, mein Lieber: zuerst einmal säubern Josua Ben Nun und Jephta aus Gilead die Umwelt, löschen das Andenken an Amalek aus, und erst danach mag meinetwegen die Zeit für den Propheten Jesaja mit dem Wolf und dem Lamm, dem Tiger und der Gazelle und dem ganzen wunderschönen Zoo kommen. Unter der Bedingung, daß am Ende der Tage wir der Wolf und alle Gojim weit und breit das Lamm sein werden. Sicher ist sicher.”
“Du wirst wahrscheinlich fragen wollen, ob ich mir über die Massen von Jidden keine Sorgen mache, die der Antisemitismus uns zutreiben wird, und die uns mit ihrem Olivenöl einschmieren und uns weichlich machen werden wie ihresgleichen? Also hör zu: Es gibt eine List der Geschichte. Es gibt Dialektik. Es gibt Ironie. Wer war es denn, der den Staat Israel (1967) bis beinahe zu den Grenzen des Königreiches David erweitert hat? Der das Land vom Hermongebirge bis nach Ras Muhammad erobert hat? Levi Eschkol. Ausgerechnet dieser Gordon-Anhänger, dieser Vegetarier, dieser Waschlappen. Und wer ist dabei, uns geradewegs in die Mauern des Ghettos zurückzudrängen? Wer ist der dumme Rabe aus der Fabel, den der Fuchs zu singen bat, damit ihm das Stück Käse aus dem Schnabel fiel? Wer hat ganz Sinai aufgegeben, um kultiviert zu erscheinen? Der Betar-Kommandant von Polen. Ausgerechnet dieser aufrechte Mann. Menachem Begin. Man kann also nie wissen. Ich weiß nur eines: solange Du um Deine Existenz kämpfst, ist alles erlaubt. Auch was verboten ist, ist dann erlaubt. Auch die Vertreibung sämtlicher Araber aus der Westbank. Alles.”
“Jawohl. Judeo-Nazis. Leibowitsch hat recht. Warum auch nicht? Hast Du was? Hör zu, mein Lieber: ein Volk, das aus seinen Kindern Seife machen ließ und Lampenschirme aus der Haut seiner Frauen, ist viel verbrecherischer als seine Mörder. Schlimmer als die Nazis. In einer Welt von Wölfen zu leben ohne eine Faust, ohne Zähne und ohne Krallen, ist ein größeres Verbrechen, als zu morden. Tatsache, die Enkel von Himmler, Heydrich und Eichmann leben sehr gut und werden fett. Sie wollen uns, bei dieser feierlichen Gelegenheit, sogar Moral beibringen. Aber die Enkel der großen Rabbiner aus Wilna und all der humanen und pazifistischen Juden,’ die in Prag und Berlin so wunderschön philosophierten, predigen niemanden mehr Moral. Denn es gibt sie nicht mehr und wird sie nicht geben.”
“Lies mal die Gedichte von Uri Zwi Gruenberg[17], statt diesem Olivenöl von Gordon und Martin Buber. Lies mal das Gedicht: ‘Mein Gott, der Vater der Gojim’. Vielleicht solltest Du’s auswendig lernen. Vielleicht wird es Dir eines Tages Deine Kinder retten. Was wäre denn passiert, wenn unsere so netten Eltern, anstatt Bücher zu schreiben über die Liebe unter den Menschen, und anstatt ‘Höre, Israel’ zu singen auf dem Weg zu den Gaskammern, beizeiten hierher gekommen wären und – fall mir jetzt bloß nicht vom Stuhl! – sechs Millionen Araber umgebracht hätten, oder eine Million, was wäre denn passiert? Gewiß, da wären zwei bis drei unerfreuliche Seiten über uns in den Geschichtsbüchern erschienen, man hätte uns allerlei Namen angehängt, aber wir könnten hier und heute ein Volk von 25 Millionen sein! Das wäre doch was, nicht wahr? Die Schriftsteller hätten hübsche Romane über unsere Schuldgefühle, unsere Scham und unsere Reue geschrieben, so la Günter Grass und Heinrich Böll, und hätten ein paar Nobelpreise für Literatur und Moral eingeheimst. Möglicherweise hätte unsere Regierung den Arabern, die wir nicht umlegen konnten, ein bißchen Wiedergutmachung aus unseren Öleinkünften im Zweistromland bezahlt. Aber das Volk Israel würde heute in seinem Land leben. 20, 25 Millionen! Vom Suezkanal bis zu den Ölfeldern würden wir jetzt siedeln. Und glaub mir, trotz unserer Verbrechen würden wir von all den Schurken von morgens bis abends mit Angeboten, Vorschlägen und Komplimenten überschüttet. Aus Moskau und Peking und Washington. Trotz unserer blutbesudelten Hände und so weiter.”
“Hör zu: Noch heute bin ich willens, für das Volk Israel, aus freien Stücken, die Drecksarbeit zu übernehmen, so viele Araber umzulegen, wie erforderlich, sie zu deportieren, zu vertreiben, zu verbrennen, uns überall verhaßt zu machen, den Juden in der Diaspora den Boden unter ihren Füßen heißzumachen, damit sie gezwungen sind, heulend nach Israel auszuwandern. Auch wenn ich dazu hier und dort die eine oder andere Synagoge in die Luft jagen müßte. Das wäre mir egal. Und es ist mir sogar egal, wenn ihr mich 5 Minuten nach der Erledigung dieser dreckigen Arbeit, wenn das Projekt vollendet und geregelt ist, vor ein Nürnberger Tribunal stellt. Ihr könnt mich lebenslänglich einsperren. Hängt mich auf, wenn ihr wollt. Als Kriegsverbrecher. Und dann kannst Du das jüdische Gewissen reinwaschen und groß, sauber und gesund in den hochangesehenen Klub der humanen Kulturvölker eintreten. Bitteschön, ich nehme die Drecksarbeit auf mich, und Du kannst mir die schlimmsten Schimpfnamen anhängen, die Dir einfallen. Was Ihr alle, vielleicht wegen zuviel Weisheit, noch nicht begriffen habt, ist, daß die Drecksarbeit des Zionismus noch nicht erledigt ist. Weit davon entfernt. Richtig, sie hätte schon 1948 erledigt werden können, aber Leute von Deiner Sorte haben sie durchkreuzt. Deine Sorte hat sie gestoppt. Und alles bloß wegen der Jiddischkeit in Eurer Seele. Wegen der Diaspora – Mentalität. Wegen Eurem Hirbet Hiza’a – Komplex.[18] Wirklich schade! Wir könnten heute alles hinter uns haben, wir könnten ein normales Volk mit vegetarischen Werten sein, mit humanen Nachbarschaftsbeziehungen zu Irak und Ägypten, und mit ein bißchen krimineller Vergangenheit: wie alle andern. Wie die Engländer und Franzosen, die Deutschen und die Amerikaner, die schon vergessen haben, was sie mit den Indianern gemacht haben, und wie die Australier, die fast sämtliche Eingeborenen ausgerottet haben. Was ist denn schlecht daran, ein zivilisiertes, respektables Volk mit ein bißchen krimineller Vergangenheit zu sein? Das wird in der besten Familie akzeptiert. Und ich hab Dir’s ja schon gesagt: ich bin bereit, das Verbrechensregister auf mich zu nehmen. Zusammen mit Scharon, Begin und Raful. Und ich bin damit einverstanden, daß nachher Ihr kommt und die vegetarische, reine, rosarote Zukunft darstellt. Ihr schreibt die Sühnebücher zu meinen Verbrechen. Und Euch wird vergeben werden! Und wie wird man Euch vergeben! Das Publikum wird Eure Gewissenhaftigkeit verehren! Man wird Euch in den besten Salons vorlassen! Aber erst, nachdem meine Kanone oder mein dreckiges Napalm den Indianern alle Lust ausgetrieben hat, Deine und meine Kinder zu skalpieren, und erst nachdem das Haus groß und weit genug sein wird, mit genügend vielen Zimmern.” “Warum ich sie alleweil Jidden nenne? Ich will Dir sagen warum. Und nicht mit meinen eigenen Worten – wo ich doch ein Judeo-Nazi bin – sondern mit den Worten von Moses, dem von den Zehn Geboten, dem sogar die erleuchteten Gojim ein Kaschrut-Zeugnis ausgestellt haben. Er hat Folgendes über uns gesagt: ‘Du wirst unter den Völkern kein bleibend Wesen haben, und deine Fußsohlen werden keine Ruhe haben. Denn der Herr wird dir daselbst ein bebendes Herz geben und verschmachtete Augen und eine verdorrte Seele, daß dein Leben wird vor dir schweben. Nacht und Tag wirst du dich fürchten und deines Lebens nicht sicher sein’[19] Das ist, in aller Kürze, die ganze Diaspora. Das ist die genaue Beschreibung des Jidden, wie unter einem Mikroskop. Und der Zionismus kam, um damit Schluß zu machen. Aber bevor die Jidden nicht kapieren, wo sie leben und was sie erwartet, wenn sie nicht vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause kommen, ist es nicht möglich, damit Schluß zu machen. Und der Jid kapiert nicht leicht. ‘Ein Volk, das dem Esel gleicht’. ‘Ein Volk von Schurken und nicht weise’. Wenn Du die Augen aufmachst und Dich umsiehst. in der Welt, wirst Du merken, daß die Finsternis hereinbricht. Und wir wissen ja, was einem Juden passiert, der nachts draußen steht. Es freut mich also, daß den Jidden bei diesem kleinen Krieg in Libanon ein bißchen schwarz wurde vor den Augen. Laßt sie zittern, laßt sie leiden. Sie sollen heimkommen, bevor es wirklich Nacht wird. Ich bin ein Antisemit? Ja? In Ordnung. Dann vergiß die Sache. Du brauchst meine Worte nicht zu publizieren. Es ist nicht nötig, einen Antisemiten zu zitieren. Du kannst statt dessen publizieren, was Lilienblum sagte, und der war gewiß kein Antisemit, sie haben sogar eine hübsche Straße in Tel Aviv nach ihm benannt. (Z. liest aus einem kleinen Notizbuch vor, das schon vor meiner Ankunft auf dem Tisch lag). ‘Ist denn all das kein klares Zeichen, daß unsere Väter und auch wir … geschändet werden wollten und wollen? Daß es uns gefällt, wie Zigeuner zu leben?’ Das ist von Lilienblum[20], nicht von mir. Hör zu, mein Lieber, ich kenne die zionistische Literatur. Glaub mir. Ich kann belegen, was ich sage. Willst Du hören, was Herzl selbst sagte? Na bitte: ‘Wenn die Geschäfte gehen und man gesund ist, läßt sich das übrige ertragen.’[21] Ich weiß nicht, ob Herz! Jiddisch gesprochen hat, aber dieser Satz kommt direkt aus der Verbogenheit des Jidden, direkt aus dem Jiddischen, zeichnet genau den Weg nach Auschwitz vor. Lilienblum und Herz! genügen Dir nicht? Dann hör Dir Maimonides an. Ein Philosoph und Arzt von Weltgeltung. Hier hast Du, was er über uns sagte: ‘Das war es, was uns unser Königreich gekostet und die Zerstörung des Tempels verursacht und die Diaspora verlängert hat, . daß unsere Vorväter gesündigt haben . . . und sich nicht im Krieg übten und nicht auf die Eroberung anderer Länder aus waren.’ Länder erobern, mein Lieber, nicht Besitz und Seele verteidigen! Nicht die ‘Grüne Linie’! Nicht Krieg von der Sorte: ‘Wir haben keine Wahl’! Du kannst ja, nebenbei gesagt, schreiben, daß ich ein Schandfleck für die Menschheit bin. Ich hab nichts dagegen. Ganz im Gegenteil. Ich biete Dir eine Arbeitsteilung an: Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um den Antisemitismus anzufachen, und Ihr schreibt Gedichte über die Leiden der Araber und haltet Euch bereit, die Jidden zu empfangen, die ich Euch zutreiben werde, und bringt ihnen bei, das Licht der Völker zu sein. Ich werde Hirbet Hiza’a zerstören, und Ihr werdet gegen mich demonstrieren und darüber schreiben. Ihr werdet der Stolz der Familie sein und ich ihr Schandfleck. Schlägst Du in den Handel ein?”
*
An einem Punkt wie diesem, vielleicht hier, vielleicht schon früher, unterbrach ich Z. in seinem Monolog für einen Augenblick und sprach einen flüchtigen Gedanken aus, wohl eher für mich als für meinen Gastgeber: Ist es möglich, daß das, was Hitler den Juden angetan hat, nicht nur ein Schwerthieb war, sondern auch ein Schlangenbiß? Ist jenes Gift in ein paar Herzen gedrungen und noch immer wirksam? Z. protestierte keineswegs, ja er hob nicht einmal, seine Stimme, wie er auch kein einziges Mal während seines ganzen Monologs die Stimme hob, wahrscheinlich nicht einmal in den schwierigen Momenten während der legendären Einsätze, die mit seinem Namen verbunden sind.[22] Er erwiderte in aller Ruhe:
“Hör mal, mein Lieber, wenn der berühmte jüdische Verstand weniger Zeit darauf verwendet hätte, die Welt zu retten und Humanität zu predigen, Marx und Freud und Kafka und alle diese Genies, auch Einstein, wenn sie sich statt dessen ein bißchen beeilt und – nur 10 Jahre früher – einen winzigen Judenstaat errichtet hätten, eine Art unabhängigen Brückenkopf von Hadera bis Gedera, und wenn sie beizeiten eine winzige Atombombe für diesen winzigen Staat erfunden hätten, wenn diese beiden Dinge geschehen wären, hätte es keinen Hitler gegeben. Keinen Holocaust. Und niemand in der ganzen Welt hätte gewagt, die Juden anzurühren. Und mittlerweile hätten wir hier 20 Millionen, vom Suezkanal bis zu den Ölfeldern. Vielleicht wäre es gar nicht nötig gewesen, die Atombombe gegen die Deutschen und die Araber einzusetzen. Es hätte gereicht, die Bombe in einem jüdischen Waffenmagazin des winzigen Staates von 1936 oder 1939 zu haben. Und kein Hitler hätte gewagt, den Fingernagel eines einzigen Juden anzurühren. Und alle Toten wären noch am Leben. Sie und ihre Kinder. Lag es wirklich außerhalb der Möglichkeiten der Juden in der Welt, in den dreißiger Jahren einen winzigen Staat mit einer winzigen Bombe zu schaffen? Vielleicht hätten’ wir den Gojim damit sogar den Zweiten Weltkrieg erspart. Vielleicht hätten wir uns selbst fünf -sechs Kriege mit den Arabern erspart. Hör zu, was darüber im Buch Deuteronomium geschrieben steht: ‘Und wird euer ein geringer Haufe übrigbleiben – die ihr zuvor gewesen seid wie die Sterne am Himmel nach der Menge -, darum daß du nicht gehorcht hast der Stimme des Herrn, deines Gottes.’[23] Und ganz nahe bei diesem Vers ist auch von Juden von Deiner Sorte die Rede: ‘Und der weichliche und verzärtelte Mann unter euch… wird das Fleisch seiner Kinder essen… in der Belagerung und der Not, mit der dich dein Feind bedrängen wird in allen deinen Toren.’[24] Du magst das nicht, hab ich recht? Man kann’s an Deinem Gesicht ablesen, daß Du diesen Vers nicht magst. Es ist nicht die schönste Seite der jüdischen Tradition, das Fleisch der eigenen Söhne zu essen. Du hast recht. Es ist scheußlich. Aber wenn wir verhindern wollen, daß es uns nochmals widerfährt, müssen wir endlich von der jiddischen Krankheit genesen. Niemals mehr ‘weichlich und verzärtelt’ sein. Nicht auf diesem Stern. Vielleicht auf dem Planeten des ‘Kleinen Prinzen’. Aber nicht auf diesem Stern.”
“Komm, mein Lieber, laß uns ins Haus gehen. Diese Mücken hier bei mir mögen Linke nicht so gern. Du siehst mir ganz danach aus, daß Du einen Schluck Whisky brauchst. Setz Dich. Ich hab guten Whisky. Zwei Sorten. Ich hab Campari und Dubonnet. Also was trinkst Du? Du brauchst wohl einen Moment zum Überlegen? Also, überleg Dir’s. Zum Wohl. Wenn Du Dich entschlossen hast, sag mir, was Du willst, und wir nehmen einen Drink zusammen. Eigentlich sollte ich Dich und Deine Freunde aufknüpfen. Statt dessen halte ich Dir eine Rede und biete Dir am Ende noch einen Whisky an. Vielleicht bin ich selber ein bißchen ein solcher Jid geworden. Die Sache ist ansteckend.”
***
PARANOIA-VERKÄUFER
Von Elijahu Salpeter
Übersetzung aus HA’ARETZ, 12. Oktober 1982.
Unter der Schlagzeile: “Die Nation am Rande der Katastrophe”, aufgemacht in riesigen, gelben Lettern auf schwarzem Grund, kann man lesen: “Die Linke ist schuld”. Ein purpur-roter Blutstropfen über den gelben Lettern weist auf den Untertitel: “… Unterminierung nationaler Tugenden… Sabotage nationaler Interessen… Blutschmähung… Legitimierung von Bürgerkrieg… den Feinden des Staates politische Waffen in die Hand geben…” Diese Titelseite stammt nicht aus einem im Deutschland der Dreißiger-, im Spanien der Fünfziger-, oder im Argentinien der Siebzigerjahre gedruckten Blatt. Sie wurde in Israel gedruckt, in der ersten Oktoberwoche des Jahres 1982. Das Blatt heißt WOCHEN-KALENDARIUM.
Die Namen Herut oder Likud[25] tauchen nirgends und in keinem Zusammenhang auf, sodaß die politische Herkunft dieser Wochenzeitung im Dunkeln bleibt. Wer sich in der politischen Arena Israels nicht auskennt, könnte auf die Idee kommen, daß sich hinter der Zeile “Herausgeber: Roni Milo” die Geschichte einer eindrucksvollen publizistischen Karriere verbirgt: ein brillanter Journalist, der dank seines journalistischen Talents in die Knesset gelangte – und nicht der Vorsitzende der Herut-Fraktion der Knesset, dem der Job zugefallen ist, ein Parteiblatt herauszubringen. Das könnte durchaus passiern, denn die Wochenzeitung ist nicht als Partei-Organ gekennzeichnet. Man versucht vielmehr, den Eindruck eines unabhängigen und objektiven Blattes zu erwecken.
Ich bezweifle, daß die israelischen Massen jede Woche zu den Zeitungsständen strömen, um das Blatt zu kaufen, und ich muß mir die Frage vorlegen, ob ich nicht einem Phänomen, das die meisten Israelis noch kaum wahrgenommen haben, zu Publicity verhelfe, wenn ich darüber schreibe. Meine Antwort ist negativ. Erstens deshalb, weil das Blatt in Umlauf ist und ein Publikum erreicht, das es naiverweise als ein journalistisches Produkt ansehen könnte, welches dem Leser vermeintlich autorisierte und objektive Informationen vermittelt. Zweitens deshalb, weil uns diese Wochenzeitung, wie jede andere Parteiverlautbarung, ein Bild von den Tendenzen, Zielen und Methoden liefert, die hinter dem Organ stehen. Und drittens lehrt uns die Geschichte, wie gefährlich die Mißachtung solcher Phänomene in ihrem Anfangsstadium ist.
Man kann die anti-amerikanischen Ausfälle von Verteidigungsminister Scharon ebensowenig verstehen, wie das Benehmen der Rowdies von Kirjat Schmonah, oder das Gerede von den “Verrätern” in der Arbeiterpartei, wenn man WOCHEN-KALENDARIUM nicht kennt. Vielleicht können wir nicht einmal verstehen, in welche Richtung unser ganzer Staat geführt wird, wenn wir das Blatt nicht lesen, das doch vermutlich zur politischen Erziehung derjenigen bestimmt ist, welche die Politik der Regierung in die Tat umsetzen.
Eine Durchsicht der neueren Ausgaben zeigt, welches Instrumentarium die Führer von Likud (oder die von Herut) angewendet sehen wollen, um die Fortdauer ihres Regimes sicherzustellen, und welche Methoden benutzt werden. Die Hauptmethode besteht in der Kultivierung eines nationalen Verfolgungswahnes, genau wie jedes totalitäre Regime das macht. Was ein ziemlich einfaches Unterfangen ist bei einem Volk, dessen eine Hälfte noch nicht vom Trauma des Holocaust befreit ist, und dessen andere Hälfte vom minderwertigeren Status in der früheren muslimischen Umwelt noch nicht loskommen konnte. Die beiden Instrumente zur Kultivierung des nationalen Verfolgungswahnes sind: Eine “amerikanische Verschwörung” gegen Israel und die “linken Verräter” im eigenen Land.
Ob beabsichtigt oder rein zufällig, die Methode erreichte jedenfalls ihren Höhepunkt in der Nummer der letzten Septemberwoche, also zum Zeitpunkt der öffentlichen Kampagne zur Einsetzung einer Untersuchungskommission über das Massaker von Beirut, und zum Zeitpunkt, als der Rücktritt von Scharon gefordert wurde.
Die Nummer 25 bringt auf der Titelseite die Warnung: “Die Amerikaner versuchen, die Regierung zu stürzen. Der CIA operiert in Israel.” Und im Innern des Blattes erfährt man, daß “alles begann”, als Präsident Reagan von seinen Beratern verlangte, daß sie ihm “um jeden Preis irgendeinen Erfolg liefern”, weil seine Popularität im Sinken sei, und weil “die Sowjets in der ganzen Welt machen, was sie wollen”.
[Es folgt die Schilderung einer geradezu kindischen Geschichte von Umtrieben amerikanischer Diplomaten in Israel, deren phantastische Details hier nicht interessieren können; Anm. d. Obers. ]
Die ganze Geschichte wäre lächerlich, würde sie nicht in Perfektion die charakteristischen Komponenten der totalitären Propaganda beinhalten: eine fremde Macht, die hinter innenpolitischen Problemen steht. Fakten zählen da nicht. Hauptsache, der Same des Verfolgungswahns wird ausgestreut.[26]
(…)
ANMERKUNGEN
[1] Der Rabbi von Lubawitsch ist das Oberhaupt der chassidischen HABAD-Sekte, die politisch auf der äußersten Rechten anzusiedeln Ist. Die guten Beziehungen zu hohen politischen Persönlichkeiten und zu Militärkreisen sind in Israel öffentlich bekannt. Um ein Beispiel zu geben: Die Militärbehörden haben Anhängern der Sekte, die ihren Sitz in New York hat, völlige Bewegungsfreiheit in Süd-Libanon gewährt, und erlaubt, daß sie dort Tora-Stunden abhalten. (DAVAR, 12. August 1982).
Rabbi Chaim Drukman ist Mitglied der Knesset und war zeitweilig Vizeminister in der zweiten Regierung Begin von 1981. Er hat dieses Amt aus Protest gegen die Räumung von Jamit (Sinai) im April 1982 aufgegeben.
Zu Rabbi Levinger, dem Hauptorganisator der jüdischen Präsenz im arabischen Hebron (Westbank), siehe KLARTEXTE 2, S. 20 ff.
Zu Rabbi Kahane siehe KLARTEXTE 3.
Rabbi Schlomo Goren ist der derzeitige aschkenasische Oberrabbiner Israels (zweite Amtsperiode). Er war zuvor Oberrabbiner von Tel Aviv und zur Zeit des Sechs-Tage-Krieges (1967) Militär-Oberrabbiner. Bei der Suche nach einer mustergültigen Porträtskizze des einflußreichen Rabbi stieß ich auf den folgenden Ausschnitt aus einem Bericht über den ersten Besuch Begins in der Westbank nach der Unterzeichnung des Abkommens von Camp David. Der äußere Anlaß war die Einweihung einer neuen Siedler-Jeschiwa in Kirjat Arba, der jüdischen Trabantenstadt von Hebron.
Der Oberrabbiner Israels (Goren) spricht als erster seine Begrüßungsworte. Er erzählt den Festgästen, daß er das Privileg hatte, der erste Jude gewesen zu sein, der Hebron nach der ‘Befreiung’ betreten hat. Er nahm die Kapitulation von Scheich Jabri entgegen, der damals Bürgermeister von Hebron war… Rabbi Goren erzählt von seinem Gespräch mit Scheich Jabri und setzt seine Rede fort, indem er sein Bedauern darüber ausdrückt, daß die Araber von Hebron nicht in Richtung Jordan geflohen sind. Er erhält dafür Beifall und Zustimmungsrufe. Der nächste Redner ist Innenminister Burg… ” An der Wand des Speisesaales, in dem die Feier stattfand, hing ein großes Plakat mit den Versen aus Psalm 149, 6 f. (Jehuda Litani: “Ein scharfes Schwert in Kirjat Arba”. HA’ARETZ, 30. Dezember 1979).
[2] Die Revisionistische Partei, gegründet 1925 von Vladimir Jabotinsky, ist die Vorgängerin der heutigen Herut-Partei von Menachem Begin. Einige Zitate zum Revisionismus findet der Leser in: H. Spehl, Spätfolgen einer Kleinbürgerinitiative. Band 2 (Freiburg, 1979), Seite 140 ff.
Verteidigungsminister Arik Scharon ist sicherlich kein ‘Revisionist’. Er stand früher der Arbeiterpartei nahe, wurde von Dayan und Ben Gurion protegiert und gründete schließlich eine eigene Partei, ehe er als Koalitionspartner von Begins Partei zuerst Landwirtschaftsminister und dann Verteidigungsminister wurde.
Selbstverständlich ist Menachem Begin ‘Revisionist’.
[3] NEKUDA ist das Organ der Siedlergemeinden der Westbank und des Gaza-Streifens. Rabbi Waldman lebt in Kirjat Arba.
[4] Jesaja 2, 4.
[5] Goi (Plural: Gojim) ist de hebräische Bezeichnung für ein nicht-jüdisches Volk oder für den Angehörigen eines nicht-jüdischen Volkes. Der heutige Gebrauch läßt sich etwa mit demjenigen des griechischen “barbaroi” vergleichen.
[6] “Jischar Koach” ist ein wörtlich kaum übersetzbarer Glückwunsch. Er wird benutzt im Sinne unseres “Gut gemacht!”.
Die Publikation dieser Anzeige (neben vielen anderen mit ähnlichem Anliegen) muß im Zusammenhang mit der “linken” Kampagne gesehen werden, die um diese Zeit (mit publizistischen Agitationsmitteln globalen Ausmaßes!) lief, und deren Ziel es war, den Sturz von Scharon herbeizuführen – sprich: der ‘Machtergreifung’ des Faschismus zuvorzukommen. Vorderhand hat diese Kampagne nur die Einsetzung des Untersuchungsausschusses über das Massaker in den Beiruter Flüchtlingslagern Sabra und Schatila bewirkt.
[7] Halacha: Die im Talmud aufgeführten Religionsgesetze, die die Grundlage der religiösen Praxis bilden.
[9] 5. Moses 20, 11. Die Luther-Übersetzung: “… sollen dir zinsbar und untertan sein” ist zu glatt. Dem hebräischen Wortsinn nach ist Sklaverei gemeint. Dies entspricht der Interpretation im Talmud, die J. Segal weiter unten aufgreift.
[10] Sprüche Salomos 3, 17.
[11] Im hebräischen Original steht hier der p o l n i s c h e Ausdruck “Zyd” (gesprochen: dschid) statt des hebräischen Wortes “Jehudi” für Jude. Das polnische Wort war in osteuropäischen Ländern gebräuchlich und hatte insbesondere in Rußland und Rumänien antisemitischen Schimpfwortcharakter. Für die deutsche Übersetzung wurde das jiddische Wort “Jid” (Plural: Jidden) gewählt, um sowohl das dem Leser verständliche Fremdwort als auch dessen abschätzigen Klang einigermaßen nachzuahmen.
[12] Professor Jeschejahu Leibowitsch von der Hebräischen Universität gebrauchte den Ausdruck “Judeo-Nazis” auf seiner Pressekonferenz vom 20. Juni 1982 in Jerusalem. Berichte darüber z. B. in JEDIOTH AHARONOT ‘vom 21.juni 1982 und KOL HA’IR vom 22. Juni 1982.
[14] Das palästinensische Flüchtlingslager Ain Hilweh bei Sidon (Süd-Libanon), in dem seit Jahrzehnten ungefähr 30 000 Flüchtlinge lebten, wurde während der israelischen Invasion zuerst durch Bombardements völlig zerstört, und dann durch Bulldozer eingeebnet. Der israelische Oberstleutnant der Reserve Dov Jirmija sagte dazu auf einer Kundgebung der oppositionellen Reservistengruppe JESCH GVUL (“Es gibt eine Grenze”) am 22. Oktober 1982 in Tel Aviv:
“… Vom Augenblick an, als ich meinen Reservedienst in Libanon begann, war mir klar, daß wir in diesem Krieg die rücksichtslose Bombardierung und Beschießung der Flüchtlingslager betreiben, Ich sah es damals nicht, aber jetzt weiß ich es, daß wir nicht auf die Liquidierung von Terroristen aus waren – es wurden nur sehr wenige Terroristen getötet -, sondern auf die Zerstörung der Flüchtlingslager… Am 10. Juni wurde das Flüchtlingslager Ain Hilweh bombardiert. ich habe an Feldzügen in Europa teilgenommen, aber ein solches Bombardement habe ich niemals zuvor gesehen…”(ZU HADERECH, 27. Oktober 1982).
Ein großformatiges Photo vom Zustand des Lagers Ain Hilweh nach der
Bombardierung findet man z. B. auf der Titelseite des UNRWA-Mitteilungsblattes PALÄSTINA FLÜCHTLINGE HEUTE, Nr. 100 (Sept. 1982). Ende Januar 1983 brachte UNRWA ein kleines Poster heraus, das eine Ansicht des völlig eingeebneten Lagers zeigt, in dem mittlerweile einige Zelte aufgestellt wurden. (Zu beziehen über: UNRWA-Hauptsitz, internationales Zentrum Wien, Postfach 700, A-1400 Wien, Osterreich).
[15] Moschav: Dorf mit Privatbewirtschaftung durch Familien, in dem es jedoch genossenschaftliche Einrichtungen für Gemeinschaftsbedürfnisse gibt.
[16] “Feinschmecker” im hebräischen Original in Deutsch. Der hebräische Ausdruck “Jehudonim” (“kleine Juden”), der meist in abschätzigem Sinn gebraucht wird, ist zur Klarstellung des verächtlich gemeinten Fremdwortes “Feinschmecker” hinzugefügt.
[17] Uri Zwi Gruenberg (geb. 1894), hebräischer Lyriker, der sich nach seiner Einwanderung in Israel zunehmend politischer und weltanschaulicher Motive bediente. Die Verwirklichung des Königreiches Davids gehört zu den beliebtesten Themen seiner Gedichte. in den Dreißigerjahren gehörte Gruenberg zur radikalsten Gruppe unter den Revisionisten. “Der jüdische Pazifismus ist die größte historische Lüge… Erst wenn Palästina unser sein wird, können wir uns erlauben, Pazifisten zu sein”, sagte er damals. Und ein späterer Vorschlag wie der, die Knesset aufzulösen und die Regierungsgewalt einem einzigen Mann zu übertragen, ist bei Gruenberg nichts Außergewöhnliches. (NEW OUTLOOK, March-April 1968, p. 28).
[18] “Hirbet Hiza’a” ist ein 1950 erschienener Roman des israelischen Schriftstellers S. Ishar, der die Vertreibung der Einwohner eines palästinensischen Dorfes zum Inhalt hat.
[20] Moses Löb Lilienblum (1843-1910), hebräischer Schriftsteller. Einer der Führer der palästinophilen Bewegung in Rußland.
[21] Diese Allerweltsansicht zum menschlichen Leben, die ja nun wirklich nichts “Jüdisches” an sich hat, stammt aus Herzls Aufsatz “Mauschel”, den er am 15. Oktober 1897 in der von ihm in Wien herausgegebenen Zeitung DIE WELT abdruckte. So nichtssagend die von Z. zitierte Stelle ist, so aufschlußreich ist der ganze Aufsatz. Stammte er nicht von Herzl, er würde heute in jeder Geschichte des Antisemitismus zitiert werden. “Mauschel” ist bei Herzl freilich nicht der Jude schlechthin, “Mauschel” ist der a n t i z i o n i s t i s c h e Jude. “Mauschel” ist der Wiener Oberrabbiner Güdemann, der Herzls zionistische Aktivitäten öffentlich verurteilt. “Mauschels” sind die Mitglieder der Münchner israelitischen Kultusgemeinde, die den Zionistenkongreß in München vereiteln. “Mauschel” ist der Londoner Oberrabbiner Adler. “Mauschels” sind die jüdischen Chefredakteure der Wiener Presse, die Herzls Zionismus totschweigen. “Mauschels” sind seine Kollegen in der Redaktion der NEUEN FREIEN PRESSE, die ihm den Titel “Ehren-Antisemit” verleihen.
“MAUSCHEL IST ANTIZIONIST”, so beginnt Herzls Abrechnung mit d i e s e m Judentum. “Wir kennen ihn schon lange, und es hat uns auch immer der Ekel gehoben, wenn wir ihn ansahen, wenn uns das Leben in seine Nähe oder gar in Berührung brachte… Mauschel ist die Verzerrung des menschlichen Charakters, etwas unsagbar Niedriges und Widerwärtiges… Mauschel betreibt hinter dem Fortschritt wie hinter der Reaktion nur seine eigenen schmutzigen Geschäfte… Mauschel ist in der Armut ein erbärmlicher Schnorrer, im Reichtum ein noch erbärmlicherer Protz… Mauschel hat auch eiligst ein tückisches Schlagwort gegen die Zionisten ausgegeben: sie seien jüdische Antisemiten… So kommt es, daß wir manchmal von ernsten Freunden unserer Sache die Bemerkung hören müssen: ‘Die Juden selbst wollen ja vom Zionismus nichts wissen.’ Die Juden? Nicht doch. Nur Mauschel nicht! Kein wahrer Jude kann Antizionist sein, nur Mauschel ist es…”
Und siehe da, wer hätte das gedacht: Herzls Aufsatz endet, als wäre er von Z. geschrieben: “Mauschel, nimm dich In Acht! Der Zionismus könnte es halten, wie Tell In der Sage. Wenn sich Tell anschickt, den Apfel vom Haupte seines Sohnes zu schießen, hat er noch einen zweiten Pfeil in Bereitschaft. Mißlänge der erste Schuß, dann soll der andere der Rache dienen. Freunde, der zweite Pfeil des Zionismus ist für Mauschels Brust bestimmt!”
[22] Diese Formulierung deutet darauf hin, daß Z. entweder als Soldat oder als Agent an gefährlichen Operationen beteiligt war. Der Leser dürfte nicht allzusehr Irren, wenn er argwöhnt, daß Z. die “Drecksarbeit des Zionismus”, die er aus freien Stücken auf sich zu nehmen bereit ist, für seinen Teil bereits absolviert hat. Großmäulige Charaktere seines Schlages schöpfen meist sehr viel weniger aus ihrer machiavellistischen Phantasie als aus einschlägigen Erfahrungen, die man sie machen hieß.
[23] 5. Moses 28,62.
[24] 5. Moses 28,54 f.
[25] “Herut” ist die aus der revisionistischen Partei Jabotinskys und aus der Terror-Organisation 1RGUN hervorgegangene Partei von Menachem Begin. “Likud” ist ein Parteienblock, der durch Integrierung einiger kleiner Parteien entstand.
[26] Der Same geht selbstverständlich auf der Straße am besten auf. Der Stil der Anhänger Begins bei dessen öffentlichen Auftritten ist noch deutlich unter dem Niveau des WOCHEN-KALENDARIUMS. Die häufigste Form der Huldigung ihres Idols besteht darin, über lange Zeiträume hinweg ununterbrochen “Begin, Begin!” zu schreien. 15 Minuten sind üblich, 45 Minuten sind vorgekommen, in kleineren Städten sind seit den Wahlen von 1981 “Begin-Prozessionen” in Mode: junge Leute tragen riesige Begin-Bilder, die in der Öffentlichkeit geküßt werden. Gelegentlich werden Passanten gezwungen, die Bilder ebenfalls zu küssen.
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