Akademische Prostitution: Der Fall Münkler
http://hu.blogsport.de/muenkler-watch
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11.05.2015 / Inland / Seite 8
»Wie erwartet, war die erste Reaktion sehr emotional«
Ein Gruppe Studierender kommentiert Vorlesungen des Historikers Herfried Münkler. Der ist empört. Gespräch mit Caro Meyer
Ralf Wurzbacher
Caro Meyer (Pseudonym) ist Studierende an der Humboldt-Universität Berlin und Sprecherin von »hu.blogsport.de – Gegen den Extremismus der Mitte«. Die Gruppe betreibt den Blog »Münkler-Watch«, der die kontroversen Thesen und Lehrinhalte des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler öffentlich macht.
Herfried Münkler, Politikprofessor am Institut für Sozialwissenschaften (ISW) an der Berliner Humboldt-Universität, hält Sie und Ihre Gruppe für »erbärmliche Feiglinge«, weil Sie die Inhalte seiner Vorlesungen öffentlich machen, ohne dass Sie sich zu erkennen geben. Warum agieren Sie lieber im verborgenen?
Professorinnen und Professoren haben sehr viel Macht, die sie auch dazu nutzen können, unliebsamen Studierenden das Leben zur Hölle zu machen. Und machen wir uns nichts vor: Wenn rauskommt, wer wir sind, können wir es in Berlin vergessen, jemals einen Job als studentische Hilfskraft oder eine Stelle im wissenschaftlichen Betrieb zu ergattern. Mit postadoleszenter Revoluzzerei wollen wir unsere Jobchancen nicht zusätzlich schmälern.
Eigentlich müsste Ihnen Ihr Dozent doch sogar dankbar sein. Schließlich tragen Sie mit Ihrer Aktion seine Thesen aus dem Hörsaal in die weite Welt hinaus …
Seine Thesen posaunt er ja selbst bei jeder Gelegenheit aus. Es vergeht fast kein Tag, an dem man nicht Herrn Münkler im Fernsehen dabei zusehen kann, wie er die deutsche Dominanz in der EU legitimiert oder für deren Verstärkung plädiert. Oder man liest in der Zeitung, dass er gerne eine an deutschen Eliten- und Wirtschaftsinteressen orientierte Außenpolitik sehen würde, die selbstverständlich »militärisch flankiert« sein müsse. Oder man lauscht seinen mit chauvinistischen oder rassistischen Stereotypen garnierten Thesen im Radio.
Gerade erst hat Münkler Kampfdrohnen im FAZ-Interview als vergleichsweise »humane« Waffen bezeichnet, weil die Kollateralschäden »deutlich niedriger als die von Jagdbombern« seien …
Das passt zu seinen sonstigen Äußerungen. Er findet Krieg ja gut, da Deutschland eine »Rolle in der Welt« einnehmen müsse. Drohnen sind als militaristischer Trend der letzten Jahre für ihn nur Teil eines Puzzles. Er möchte Deutschlands strategische Interessen auch militärisch vertreten wissen. Dafür braucht es freilich allerhand Geschichtsklitterung. In seinen Büchern erfährt man dann auch, dass die kaiserlichen Militaristen nichts für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnten. Oder dass die nationalsozialistischen Verbrechen und der Holocaust wahlweise auf eine »demokratische« oder »historische Vulnerabilität« (Verwundbarkeit, d. Red.) bei der Umsetzung der eigenen Dominanzansprüche zu reduzieren sind.
Sie nennen solche Einlassungen »Extremismus der Mitte«. Wie verbreitet ist der heutzutage an den Hochschulen?
Keine Ahnung, wie verbreitet das laut dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer »verrohende Bürgertum« mittlerweile ist. Wir kennen ja nur die Humboldt-Uni. Aber zumindest am Historischen Institut gibt es um Professor Jörg Baberowski ähnliche Auseinandersetzungen. Alle Wissenschaftler dieser Gattung sorgen mit ihrer exponierten Rolle für politische Legitimation von Aufrüstung und Krieg.
Wie gehen Sie bei Ihrer Aufklärungsarbeit vor?
Das ist nichts Besonderes: Wir hören uns Münklers Vorlesungen an, lesen weiterführende Texte dazu, diskutieren darüber mit Kommilitonen und schreiben ab und zu eine Zusammenfassung, die wir dann in unserem Blog veröffentlichen. Okay, vielleicht ist das im Post-Bologna-Studium doch etwas Besonderes. Jedenfalls kann jeder Mensch unsere Beiträge kommentieren, egal ob mit dem Namen Ariane, Fidelia, Marek oder Herfried.
Wie ist die Resonanz auf Ihre Initiative, etwa bei Studierenden und Lehrenden?
Wie erwartet war die erste Reaktion sehr emotional. Herr Münkler hat uns bereits als »erbärmliche Feiglinge« beschimpft. In einem Posting auf unserem Block behauptet er, dass er das alles so nicht gesagt und gemeint habe. Es sei eine »unerträgliche Situation, unter diesen Umständen der permanenten Denunziationsdrohung« eine Vorlesung halten zu müssen. Die anderen Studierenden reagieren überwiegend positiv auf unsere Aktionen und fühlen sich bestärkt, dass studentischer Protest doch auf Resonanz treffen kann.
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