Krieg als Kinderspiel
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04.06.2011 / Titel / Seite 1
Krieg als Kinderspiel
Frank Brendle
Während in Afghanistan die »Gefallenen«-Raten steigen, schickt die Bundeswehr hierzulande jetzt Kinder aufs Schlachtfeld – wenn auch nur »zum Spaß«. Neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit probierten die bayerischen Gebirgsjäger beim Tag der offenen Tür ihrer Kaserne in Bad Reichenhall aus. Im Rahmen des »Kinderprogramms« wurde den Kleinen Gelegenheit gegeben, unter ein Tarnnetz zu krabbeln und ausgestattet mit Waffenattrappen eine Miniaturstadt ins Visier zu nehmen– ganz wie die großen Heckenschützen. In der Szenerie, die der von Miniatureisenbahnlandschaften ähnelt, wiesen die Gebäude Beschädigungen durch Beschuß und Brände auf.
Auf den Vorfall, der vom vergangenen Wochenende datiert, machte am Freitag das antifaschistische »Rabatz«-Bündnis aufmerksam. Die auf seinen Fotos abgebildeten Kinder sind dem Anschein nach nicht älter als zehn Jahre. Ein besonderes Händchen hatten die – erwachsenen– Soldaten bei der Benennung des Miniaturstädtchens: »Klein-Mitrovica«. Das richtige Mitrovica in Serbien war schon 1943 von Bad Reichenhaller Gebirgsjägern heimgesucht worden, die dort zur »Partisanenbekämpfung« eingesetzt waren. 1942 meldete die SS den Bau eines Internierungslagers »nach dem Muster der deutschen Konzentrationslager«, in das »Partisanenverdächtige« eingesperrt werden sollten.
Auch in der jüngsten Vergangenheit machte die Stadt im Norden der Provinz Kosovo unselige Erfahrungen mit ausländischen Militärs: Unter den Augen westlicher KFOR-Truppen führte im Herbst 1999 ein kosovo-albanischer Mob ein Pogrom im Roma-Viertel der Stadt durch. Dabei waren rund 1000 Häuser zerstört und 8000 Roma vertrieben worden. Indem die Bundeswehr nun versuche, »schon kleinen Kindern Spaß an Waffen und militärischer Gewalt zu vermitteln«, sieht das »Rabatz«-Bündnis eine »widerwärtige Verhöhnung der Opfer«. Monty Schädel von der Deutschen Friedensgesellschaft sprach gegenüber jW von einer »unglaublichen Verharmlosung von Krieg und einem regelrechten Mißbrauch von Kindern«. Ein Sprecher der Kinderschutzorganisation Terre des hommes nannte das Vorgehen der Bundeswehr »geschmacklos«. Es sei wohl zu befürchten, »daß bei der Nachwuchswerbung die letzte Hemmschwelle fällt«. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, sprach von einer »schier unglaublichen Geschichtsvergessenheit«.
Immerhin ist die Bundeswehr ehrlich genug, das Kinderprogramm nicht mit Brunnenbohren, dem Bau von Mädchenschulen oder dem Schutz von Menschenrechten aufzuladen und den Jüngsten einzureden, es gehe beim Dienen für Deutschland um Humanitäres. Was in der Bad Reichenhaller Szenerie allerdings fehlt, ist Blut. Das läßt die Bundeswehr in Afghanistan reichlich fließen, und anders als im Kinderprogramm wird dabei auch zurückgeschossen. Die Folge sind dann Trauerfeiern wie die am Freitag in Hannover für drei vorige Woche am Hindukusch getötete Soldaten. Die großen Kirchen gaben Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Gelegenheit, den Gottesdienst zum Durchhalteappell zu nutzen: Er könne Zweifel verstehen, aber die müßten überwunden werden, wenn man vom Endziel überzeugt sei. »Und das sind wir«, versicherte der Minister. Nächste Woche steht schon die nächste Trauerfeier an, für den am Himmelfahrtstag zu Tode gekommenen deutschen Soldaten in Afghanistan.