Manipulation von Statistik als Methode
Magie mit der Statistik
Krise vorbei? Manipulation von Wirtschaftsdaten wird weltweit immer mehr zum Instrument der Politik. Derzeit möbelt das EU-Büro Eurostat die Zahlen für Griechenland auf
Von Rainer Rupp Eurostat, das statistische Büro der EU, arbeitet derzeit an einer »neuen Methodologie«, die den weiteren Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft stoppt und in Wachstum verwandelt – zumindest auf dem Papier. Vorbilder für dieses Vorgehen gibt es genug, zum Beispiel das statistische Amt der USA. Per buchhalterischem Federstrich hat es im April 2013 das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus dem Nichts um 500 Milliarden Dollar (etwa drei Prozent des BIP) statistisch wachsen lassen. Dieser Zaubertrick ist den US-Statistikern gelungen, indem sie – so damals die Financial Times – zum ersten Mal »immaterielle Vermögenswerte« in Dollar bewertet haben. Mit anderen Worten: Das US-Bureau of Economic Analysis hat den in den Vereinigten Staaten produzierten glitzernden Feenstaub und die Dienstleistungen der Engel mit 500 Milliarden Dollar (das ist mehr als das BIP von Belgien) bewertet und dem bisherigen US-BIP hinzugerechnet.Die Manipulation der Wirtschaftszahlen ist zu einem politischen Instrument geworden. Sie kollidiert jedoch auf immer groteskere Weise mit der Wirklichkeit. Auch in China ist es ein seit langem bekanntes Phänomen, daß das offizielle BIP-Wachstum genau mit den von der Regierung zuvor geplanten Sollzahlen übereinstimmt. Aber selbst der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua ist am 23. Januar 2014 aufgefallen, daß das veröffentlichte BIP-Wachstum für 2013 – genau in Höhe der geplanten 7,7 Prozent – von der Summe der ebenfalls offiziell veröffentlichten Zahlen der Provinzen erheblich abweicht, und zwar so sehr, daß es durch mögliche Doppelzählung allein nicht erklärt werden kann. Einer Xinhua-Meldung vom 9. Mai vergangenen Jahres zufolge wurde aber »ein schwerer Fall von systematisch gefälschten Wirtschaftsdaten durch die Bezirksregierung der in Südwestchina gelegenen Provinz Yunnan aufgedeckt«. Das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein.
Auch in der sogenannten freien Wirtschaft, insbesondere in der Finanzindustrie, (z. B. bei den Libor-Zinssätzen) gehört die Manipulation von Märkten und Schlüsselindizes als fester Bestandteil zum Geschäftsmodell. Am besten funktionierte das offensichtlich in dem privat-öffentlichen US-Projekt zur wundersamen »Levitation« der weltweiten Börsenindizes. (Levitation ist ein klassischer Trick der Zauberkunst, auch bekannt als »Die schwebende Jungfrau«). Dies hat am 21. Februar 2013 der Präsident der Regionalbank der US-Notenbank Fed in Dallas, Dick Fisher, in einem Interview eingestanden. Seinen Angaben zufolge sind die enormen Kursgewinne an den Aktienmärkten nicht durch Verbesserungen in den fundamentalen Daten der Unternehmen oder durch nachhaltige wirtschaftliche Erholung zustande gekommen, sondern durch Manipulation der Märkte mittels der Geldschwemme der US-Notenbank. »Die Fed hält die Märkte künstlich hoch«, so Fisher wörtlich im Interview mit dem Onlinemagazin Examiner.com.
Ebenso künstlich ist die aktuell vielgepriesene Erholung auf dem US-Arbeitsmarkt. Der Grund dafür ist, daß der US-Kongreß die als Krisenhilfe konzipierte Unterstützung für Menschen, die länger als sechs Monate erwerbslos sind, zu Beginn des neuen Jahres nicht verlängert hat. Dadurch sind plötzlich fast 1,4 Millionen Bürger aus der Arbeitslosenstatistik herausgefallen. Demnach geht es nun also wirtschaftlich bergauf. Tatsächlich aber ist die Erwerbsquote in den USA auf den Stand von 1972 zurückgegangen, und die verdeckte Arbeitslosigkeit liegt nur knapp unter dem Niveau der Großen Depression der 1930er Jahre.
Bei so viel Zahlenschieberei sollte es nicht überraschen, daß auch die EU versucht, ihre desaströse »Hilfspolitik« für die Krisenländer mit statistischer Trickserei in wärmerem Licht erscheinen zu lassen – erst recht, nachdem sich bei der Troika offenbar die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß sich die alljährlich rosigen Prognosen, z. B. für Griechenland, stets als Schwachsinn herausgestellt haben. Hier wird die neue Eurostat-Methodologie helfen. Aufgrund dieser Neuberechnung ist im Jahr 2013 das griechische BIP nicht, wie bisher gemeldet, um vier, sondern nur noch um 0,3 Prozent geschrumpft. 2014 soll es demnach nicht um 0,6 Prozent wachsen, wie bisher prognostiziert, sondern um robuste 3,6 Prozent. Da können sich die Politiker freuen. Die Krise wird vorbei sein, zumindest statistisch gesehen. Allerdings wird die Arbeits- und Obdachlosigkeit weiter auf Rekordhöhe bleiben. Aber auch dafür dürfte sich eine Lösung im Umgang mit den Zahlen finden lassen.