Nachwort eines Freundes in Jerusalem
Ich schrieb Ihnen einmal – das war Ende August 1968 -, daß ich Sie verstehe: "Sie wollen an Israel (das nun einmal in der Welt als Judenstaat gilt) nicht öffentlich Kritik üben. Ein Deutschland eines Lübke, eines Kiesinger, einer Reihe ganz rechtsorientierter Politiker, Polizeioffiziere und Berufsmilitärs, Theologen, Lehrer und überhaupt einer Bevölkerung, die ihre Vergangenheit weder bewältigt noch bedauert – bedarf der Sonderbehandlung."
Jetzt, zehn Jahre später, bitten Sie mich um ein Nachwort zu Ihren "Spätfolgen". Was erwarten Sie da von mir, einem Nicht-Deutschen aus einem Lande, in dem ‘Spätfolgen’ ein Begriff des Entschädigungsrechtes ist (auch für mich persönlich – meiner körperlichen Verfassung wegen, die ich mir in Auschwitz, den damals ‘befreiten’ Gebieten, zwei Jahre lang ermuselmannt habe); was können Sie von mir erwarten, einem jüdischen Palästinenser, der weiß, daß die nationalen Rechte meiner Landsleute in Ihrer Bundesrepublik nicht mal ausgesprochen, geschweige denn anerkannt werden dürfen? Was ist das bei Euch für eine miese, bange, feige Bande? Für sie soll ich schreiben, wenn auch nur ein Nachwort? Da hat ein richtiger Deutscher schon unverhohlen gesagt: "Feiger Gedanken, bängliches Schwanken wendet kein Elend, macht Dich nicht frei". Das ist doch nur Eure unterbewältigte Vergangenheit, die diesem zionistischen und faschistoiden Staatsgebilde aus Raubgut künstlich eine Lebensberechtigung unterschiebt – und dafür auf einem Energie-Vulkan lebt, der jeden Augenblick ausbrechen oder erlöschen kann… wie man’s nimmt.
Daß sich Deutschland in Bezug auf den Nahen Osten kriminell unwissend stellt, ist nicht verwunderlich. Um auf Lübke zurückzukommen: Was der war, das wissen Sie, und vermutlich ahnt es auch jeder (obwohl man sich nur allgemein darauf geeinigt hat, daß er ein dürftiges Licht war; in keiner Nachkriegs-Enzyklopädie werden Sie etwas über seine, oder anderer Zeitgenossen braune Vergangenheit finden, mit Ausnahme der ‘Hauptschuldigen’ und Nürnbergverurteilten). Sein Amtsvorgänger hat sich zweifellos als unbescholtener Mann hervorgetan, und so ist er auch in Erinnerung geblieben. Man hat halt nur wissentlich oder geflissentlich weggemuffelt, daß er das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 mitunterstützt hat. Lübkes Nachfolger hingegen war eine moralische Kanone, aber leider politisch eine Null. Die Null-Qualität scheint amtlich vorgezeichnet zu sein: Was danach kam, ist, um es im Dialekt des Franz Josef ganz unumwunden zu sagen, eine doppelte Null. Sowohl moralisch wie auch politisch. Aber als gebürtiger Hollander interessiert mich das wenig.
Interessanter sind die tatsächlichen Machthaber. Da hatten Sie mal einen, der war vordem Oberbürgermeister in Köln. Ich hörte von ihm, als ich noch ein Bub war. Es gab da nämlich einen Onkel, der war, halb Holländer, halb Deutscher, Rabbiner in Köln. Ich erinnere mich es muß noch vor der Machtübernahme gewesen sein – aus seinem Mund gehört zu haben, daß man es nicht leicht habe in Deutschland: "Wir haben da in Köln einen Oberbürgermeister, bestimmt kein Nazi, aber unter dem Tisch doch ein Rosche" (ich übersetze das nicht; Sie werden es verstehen, und Ihre lieben Leser möchte ich nicht beleidigen). Jahre später habe ich meinen Onkel als Emigrant in Amsterdam wiedergetroffen, und er war sehr erstaunt, daß ich mich seiner früheren Worte, die er längst vergessen hatte, noch erinnerte. Der Mann sei längst nicht mehr Oberbürgermeister, die Nazis hätten ihn beseitigt, als wäre er ein Jude. Aber er sei noch immer ein ganz unbequemer Kerl, und um das Schicksal der Juden in Köln habe er sich nie mehr gekümmert, noch sich dazu geäußert. Mein Onkel ist später, wie meine ganze Familie, ausgesiedelt worden. Und keiner, außer mir, ist zurückgekommen.
Nach dem Kraftakt, mit dem Adenauer Deutschland rehabilitieren zu können glaubte, kam Erhard, von dem ich nur weiß, daß er in einer ziemlich ominösen Zeit sein Auskommen als Hochschullehrer in der Parteihauptstadt hatte. Und dann kam Kiesinger – auch nicht gerade ein ethisches Paradepferd, wie Sie wissen. (Sie wissen überhaupt zu viel, mein Lieber!). Da war sein Nachfolger wirklich aus anderem Holz geschnitzt. Leider kaum in deutschen Augen, die ihn eher als vaterlandslosen Gesellen und Verräter sahen. Das Ende, das ihm bereitet wurde, ist dementsprechend ausgefallen. Wie ich persönlich zu Willy Brandt gestanden habe und auch heute noch stehe, können Sie aus einigen Anlagen ersehen. Sie können davon freien Gebrauch machen (1).
Danach kam der Held von Mogadischu und Stammheim – und damit wären wir in örtlicher und zeitlicher Nachbarschaft von Wyhl. Denn das hängt zusammen, und es geht jeden an. Auch Sie geht es an, oder kann es angehen. Hat Ihre Frau mal nachgeschaut, ob nicht irgendwo an Ihrem Schreibtisch eine Wanze kleben blieb? Das hängt alles zusammen, weil alles aus der gleichen totalen, desinformierenden Brunnenvergiftung kommt – angefangen mit dem NSKK-fahrenden Gesell Axel Cäsar Springer über sämtliche Presse- und Fernsehfehlinformatoren. Alle sind sie vom Typ des Clemens Münster, alle leiden am bundesdeutschen Simonyi-Syndrom, alle gehörten in den Kartothekkasten des Wiesenthal, und alle gehören auch in Ihre Kartei (2).
Die "Spätfolgen" erklären die Erscheinungen der Energie-Sackgasse, und weshalb man in Deutschland glaubt, leisetreten zu müssen. Wo es doch das einzig Richtige wäre, sich die Hochachtung der Araber mit einer öffentlichen Verurteilung Israels und einer demonstrativen Anerkennung des palästinensischen Volkes und dessen legitimen politischen Ansprüchen zu verdienen. Hier ist mit wenigen Worten gesagt, was Ihre Essays beinhalten. Ich weiß, Sie werden das nicht schreiben, jedenfalls nicht s o schreiben; aber im Postscriptum eines Juden aus Jerusalem soll es so stehen. Eines Juden, der in Jerusalem unter Terroristen lebt, und der deshalb seinen Namen nicht nennt. (Unser Ministerpräsident ist ja nicht der einzige Terrorist; euer Adolf war auch nicht der einzige Nazi. Und Forster ist nicht der einzige Rassist, der sich auf ein schönes Wahlergebnis berufen kann. Ganz abgesehen von all den Terroristen des Ostblocks). Ich habe zwar nach Kants kategorischem Imperativ den rassistischen Zionismus zu verabscheuen, aber ich bin nicht gleichzeitig verpflichtet, mich mit den hiesigen Faschisten anzulegen und mir die Scheiben einschlagen zu lassen. Ginge es nur um Glas, es wäre nicht so schlimm. Es geht aber um mehr. Die Zionisten haben schon vor über fünfzig Jahren hier in Jerusalem einen antizionistischen orthodoxen Juden, einen Studienfreund meines Vaters, Holländer von Geburt, Privatdozent und Schriftsteller, kaltblütig erschossen. Er hat noch 1921+ gegen die Schaffung eines zionistischen Staates agiert und dafür mit seinem Leben bezahlt. Ich fühle mich nicht berufen, seine Nachfolge anzutreten.
Deutschland hat versucht, die jüdische Rasse zu vernichten. Europa wurde fast judenrein gemacht (in den 30er Jahren gab es einmal ein Buch: ‘Wien ohne Juden" – vielleicht erinnert sich noch jemand). Aber Hitler hat die jüdische Rasse nicht ausgerottet, denn es hat sie noch niemals gegeben (ebensowenig, nebenbei gesagt, wie eine arische). Der "Staat" Israel (und die Gänsefüßchen sind mindestens so ernst gemeint, wie die für die DDR) ist ein Politikum, das nichts mit Rasse und nichts mit Religion zu tun hat. Mit Rassismus hat nur der Zionismus zu tun, und mit Zionismus wird Kanonenfutter ins Land gelockt, um die lästigen Gojim, vor allem die bodenständigen Palästinenser, fernhalten zu können. Der Zionismus ist denn auch hierzulande Staatsideologie. Wer versteht, was eine Staatsideologie ist, hat verstanden; wer es nicht versteht, ist unbelehrbar.
Europa also, vor allem Deutschland, ist judenrein. Und Israel hat eigentlich von Deutschland nichts zu fordern. Wäre Deutschland nicht nur das Unglück der Juden, sondern auch das Unglück des nachgeborenen Israel, dann müßte die Bundesrepublik tatsächlich ein Bundesland abtreten, um das Unglück wiedergutzumachen. Sie nannten die Provinz des "furchtbaren Juristen" Filbinger, ich erwähnte einmal Hessen, Lord Moyne ein anderes Reichsland (3). Birobidjan, Uganda, Argentinien haben ihre Befürworter gehabt. Auch Balfour wollte im Londoner Eastend keine Hakennasen, Langröcke und Schläfenlocken, und deshalb wurde seine berüchtigte Deklaration konzipiert. Nach den russischen Pogromen, als die Juden Russlands mit den Füßen gegen den Zionismus stimmten, haben die Vereinigten Staaten die bis dahin völlig freie Einwanderung abgedrosselt. Und die Sowjetunion will auch heute nichts lieber, als judenrein werden. Sie hat einmal mit Birobidjan experimentiert, aber es geht einfach nicht.
Deutschland wird natürlich niemals ein Bundesland ausräumen. Dieser Weg der Wiedergutmachung des deutschen für das jüdische Volk ist verstellt. Deutschland hätte das, wäre es selbständig gewesen und guten Willens, vielleicht 1945 machen können. Es war nicht selbständig, und es war nicht guten Willens. Noch heute hat die BRD wirklich vieles zu verschleiern. Weil die Entnazifizierung niemals mehr war als ein Bluff. Und weil die Nutznießer des Bluff überall genistet und gebrütet haben, und niemand wirklich gemistet und verhütet hat.
Das ist der Nährboden des Terrorismus und seiner abertausend Sympathisanten. Sie sind nicht Hitlers Kinder. Sie sind die Kinder von Hitlers Kindern, die Kinder einer Generation ohne ehrenhafte Vergangenheit: konnten sie doch Pappi und Mammi niemals fragen, was sie früher gemacht haben! Und darum wissen Hitlers Urenkel, die heutige Jugend Deutschlands, schon überhaupt nichts mehr von Hitler.
Da haben Sie zumindest eine Erklärung für Stammheim und den ganzen Krimskram drum herum. Das ist die Sonderbehandlung, der heute das deutsche Volk unterzogen wird. Ist nicht angenehm, aber Sonderbehandlungen sind niemals angenehm.
Diese Entwicklung war vorauszusehen und ist auch vorausgesehen worden: "Im Dritten Reich marschieren wir, im Vierten Reich regieren wir." Erinnern Sie sich? Das Altersgefälle erklärt viele Dinge, die wir sonst nicht verstehen. Die verkappten manchmal