Palästinensische Binnenflüchtlinge: Rückkehr ausgeschlossen
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07.12.2016
Palästinensische Binnenflüchtlinge
Rückkehr ausgeschlossen
Die Zahl der palästinensischen Binnenflüchtlinge wird heute auf rund 300.000 Personen geschätzt. Doch Israels Regierung will davon nichts wissen. Kein Wunder, denn die Anerkennung des Rechts auf Rückkehr der intern Vertriebenen würde für Israel womöglich die gesamte Aufarbeitung der Geschehnisse von 1948 nach sich ziehen. Von Mona Bieling
Haifas verlassener palästinensischer Stadtteil Wadi Salib liegt zwischen der lebhaften Hadar-Gegend und dem Hafen. Vom Leben in Wadi Salib ist heute nicht mehr viel übrig, die Einwohner des Stadtteils flohen bereits 1948 im Verlauf des Palästinakriegs, den die Palästinenser auch als “Nakba” (“Katastrophe”) bezeichnen. Seitdem war es ihnen auch nicht mehr gestattet, in diesen Stadtteil zurückzukehren.
Die Neubesiedlung des Viertels mit Juden aus arabischen Herkunftsländern (“Mizrahim”) in den 1950er Jahren scheiterte kläglich. Seither wurde Wadi Salib sich selbst überlassen. Aktuelle Pläne die Gegend wiederzubeleben, beginnen jedoch in jüngster Zeit wieder Gestalt anzunehmen. Die Errichtung eines “Büros für den demobilisierten Soldaten” an einem der Eingänge des Stadtviertels neben dem alten Friedhof, steht allerdings wohl symbolisch für eine der vielen Ironien und Widersprüche Israels und der Art, wie das Land mit seiner Geschichte umgeht.
“Eine Minderheit innerhalb der Minderheit”
Das palästinensische Flüchtlingsproblem wurde ausgelöst durch die Vertreibung von 750.000 arabischen Einwohnern des britischen Völkerbundmandates für Palästina durch jüdische Streitkräfte während der “Nakba” von 1948. Während des Palästinakrieges wurde jedoch auch eine zweite Gruppe Vertriebener geschaffen – eine Gruppe, die weitestgehend nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Diese Gruppe besteht aus ungefähr 25.000 Palästinensern die während des Krieges von 1948 intern vertrieben wurden.
Sie wurden gezwungen ihre Häuser zu verlassen, schafften es jedoch, innerhalb der Grenzen des neu erschaffenen Staates Israel zu bleiben. Nach dem Krieg wurden sie daran gehindert, in ihre Häuser zurückzukehren. Diese Gruppe Menschen wird auch als “Binnenflüchtlinge” oder “intern vertriebene Palästinenser” bezeichnet und besteht aus ungefähr einem Viertel der heutigen palästinensischen Gemeinschaft Israels.
Die intern Vertriebenen, deren Anzahl heute auf 300.000 Personen geschätzt wird, sollten nicht ebenso behandelt werden wie die nicht vertriebenen Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft, da sie eine besondere Vergangenheit haben, die mit einer einmaligen Zusammenstellung an Forderungen verbunden ist. Gleichzeitig sollten sie auch nicht wie palästinensische Flüchtlinge behandelt werden, da sie die einzige Gruppe Palästinenser darstellen, die die israelische Staatsbürgerschaft erhalten haben.
Allem Anschein nach stellen die intern vertriebenen Palästinenser eine “Minderheit innerhalb der Minderheit” dar. Es sollte eine gesunde Balance gefunden werden, um einerseits ihre Einzigartigkeit hervorzuheben und die Ungerechtigkeiten zu thematisieren, die ihnen angetan wurden und andererseits ihr Wirken in den Kontext der Bemühungen der gesamten palästinensischen Gemeinschaft zu stellen. Eine palästinensische Gemeinschaft von einer anderen auf der Basis der Einzigartigkeit ihres Schicksals zu entfremden, wird das Bemühen nach Gerechtigkeit, das alle Palästinenser verbindet, am Ende nicht voranbringen, sondern eher behindern.
Historische Wurzeln und Implikationen
Direkt nach der Einstellung der Kämpfe von 1948 rief Israel den Ausnahmezustand für die gesamte verbliebene palästinensische Bevölkerung in Israel aus. Der Ausnahmezustand blieb bis 1966 in Kraft und schränkte die Bewegungsfreiheit und kollektiven Tätigkeiten der Palästinenser gravierend ein. Andere Maßnahmen, die die israelischen Machthaber ergriffen, um die Rückkehr der intern vertriebenen Palästinenser zu verhindern, waren die Ernennung von verlassenen Dörfern zu Militärzonen, die Neubesiedlung von verlassenen Dörfern mit jüdischen Siedlern, die Zerstörung von verbleibenden Häusern oder die Pflanzung von Bäumen sowie Umbenennung von Dörfern.