Präsident Bashar al-Assad im Interview des SRF – 21. Oktober 2016
Assad im exklusiven Interview mit dem SRF – mit deutscher Übersetzung
Alle Videorechte liegen beim SRF.
Transkript des Interviews:
Journalist: Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie das Schweizer Fernsehen und unsere Sendung «Rundschau» hier in Damaskus willkommen heißen. Präsident
Assad: Sie sind sehr willkommen in Syrien.
Frage 1: Lassen Sie mich vorab eine Sache klären: Darf ich Ihnen jede Frage stellen?
Präsident Assad: Jede Frage, ohne Ausnahmen.
Frage 2: Ich frage, weil eine Ihrer Bedingungen ist, dass das Interview in seiner vollständigen Version veröffentlicht wird. Befürchten Sie, dass wir Ihre Aussagen manipulieren könnten?
Präsident Assad: Ich weiß es nicht. Diese Frage sollten Sie beantworten, aber ich denke, dass wir diesen Kontakt auf der Basis von Vertrauen aufbauen sollten, und ich denke, dass Sie besorgt sind um das Vertrauen Ihres Publikums, darum denke ich nicht. Ich denke, dass Sie einen guten Ruf haben, was die Vermittlung der Wahrheit betrifft in allen Themen, die sie abzudecken versuchen.
Frage 3: Sehen Sie es als Lüge, dass die Welt Sie als Kriegsverbrecher sieht? Präsident
Assad: Dies hängt davon ab, wie man dieses Wort definiert. Nach internationalem Recht oder nach der Ansicht des Westens oder der politischen Stimmung im Westen, sagen wir, dass dies nach den eigennützigen Interessen der westlichen Politiker definiert wird? Gemäß internationalem Recht, als Präsident und als Regierung und als syrische Armee verteidigen wir unser Land gegen Terroristen, die als Stellvertreter für andere Länder in Syrien einmarschiert sind. Wenn Sie also zurückkommen wollen auf das Wort “Kriegsverbrecher” denke ich, dass die ersten, die unter diesem Titel angeklagt werden sollten die westlichen Verantwortlichen sind, beginnend mit George Bush der in den Irak einmarschiert ist ohne Mandat des Sicherheitsrats. Zweitens: Cameron und Sarkozy, welche in Libyen einmarschiert sind und es zerstört haben ohne Mandat des Sicherheitsrats. Drittens: Die westlichen Verantwortlichen, welche während der letzten fünf Jahre die Terroristen in Syrien unterstützt haben, entweder indem sie ihnen politischen Schutz geboten haben oder indem sie sie direkt unterstützt haben mit Rüstungsmaterial oder indem sie das syrische Volk mit einem Embargo belegt haben, das zur Tötung von Tausenden von syrischen Zivilisten geführt hat.
Frage 4: Aber wir sind hier, um über Ihre Rolle in diesem Krieg zu sprechen US Außenminister John Kerry nannte Sie in einem Atemzug mit «Adolf Hitler» und «Saddam Hussein». Stört Sie das? Präsident
Assad: Nein, weil sie nicht glaubwürdig sind. Das ist das erste. Zweitens: Für mich als Präsident zählt in erster Linie wie das syrische Volk mich sieht; als zweites, meine Freunde auf der ganzen Welt – nicht meine persönlichen Freunde als Präsident, ich meine unsere Freunde als Syrer, wie Russland, wie Iran, wie China, wie der Rest der Welt – nicht der Westen. Der Westen hat versucht die Dinge persönlich zu machen, nur um ihre wirklichen Ziele zu verbergen; nämlich eine Regierung zu entheben und einen gewissen Präsidenten loszuwerden um Marionetten einzubringen welche ihrer eigenen Absichten entsprechen. Darum, um zurück zum Anfang zu gehen: Nein, mir ist es gänzlich egal was Kerry sagt. Das beeinflusst mich nicht.
Frage 5: Sie sind der Präsident eines Landes, aus dem die Bürger fliehen, die Hälfte Ihrer Mitbürger. Die Menschen flüchten nicht nur wegen der Terroristen, oder ISIS, oder der Rebellen, sondern auch wegen Ihnen.
Präsident Assad: Was meinen Sie damit: Wegen mir? Ich fordere die Menschen nicht auf, Syrien zu verlassen. Ich greife keine Menschen an, ich verteidige sie. In Wirklichkeit verlassen die Menschen Syrien aus zwei Gründen: Der erste Grund sind die Aktivitäten der Terroristen, die direkte Tötung von Menschen. Der zweite Grund sind die Handlungen der Terroristen, um das Leben in Syrien lahmzulegen; sie attackieren Schulen, zerstören die Infrastruktur in jedem Sektor. Drittens: Das Embargo des Westens, das viele Syrer dazu gedrängt hat, ihre Lebensgrundlage außerhalb von Syrien zu suchen. Das sind die Hauptgründe. Wenn man erkennen kann, dass der zweite und der dritte Faktor zusammenhängen, ich meine die Rolle der Terroristen und die des Westens bei der Untergrabung und Verletzung der Lebensgrundlage der Syrer, ist das eine, sagen wir, eine Gemeinsamkeit zwischen den Terroristen und Europa.
Frage 6: Wenn Sie über Terroristen sprechen, wen meinen Sie damit? Sicherlich ISIS, aber auch die freie syrische Armee oder die Kurden?
Präsident Assad: Was ich meine, ist dasselbe, was Sie meinen als Schweizer Bürger, wenn sie irgendjemanden haben, der Maschinengewehre oder Waffen trägt und Menschen unter irgendwelchen Titeln tötet und Vandalismus begeht und öffentliches oder privates Eigentum zerstört: Das ist ein Terrorist. Jeder, der eine politische Richtung annimmt, um jede Änderung vorzunehmen, die er will, das ist kein Terrorist. Man kann ihn Opposition nennen. Aber man darf nicht jemanden, der Menschen tötet oder Waffen trägt, Opposition nennen. Nicht in Ihrem Land und in meinem auch nicht.
Frage 7: Sie haben doch keine freie Opposition in Ihrem Land!
Präsident Assad: Ja, natürlich haben wir das, natürlich haben wir das. Wir haben echte Opposition, wir haben Menschen die in Syrien leben, deren Wurzeln die syrische Gesellschaft ist. Sie sind keine Opposition, die in anderen Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder Saudi Arabien oder in der Türkei geformt wurden. Wir haben sie und Sie können sie treffen und können sie filmen. Das können Sie selber tun.
Frage 8: Wie erklären Sie Ihren drei Kindern, was in Aleppo vor sich geht? Ich bin sicher, dass Sie dies am Familientisch diskutieren.
Präsident Assad: Ja, natürlich erkläre ich ihnen was in Syrien passiert, nicht nur in Aleppo, wenn man bedenkt, dass meine Kinder nun erwachsen sind. Sie verstehen, was in Syrien vor sich geht. Aber wenn man ihnen oder irgendeinem Kind erklären möchte, was passiert, erzähle ich von der Rolle der Terroristen, der Rolle von Katar, der Türkei, Saudi Arabien, welche diese Terroristen mit Geld und Logistik unterstützen, von der Rolle des Westens bei der Unterstützung dieser Terroristen, entweder mit Waffen oder mit Propaganda und Publizität. Ich erzähle ihnen gänzlich, was passiert.
Frage 9: Sagen Sie auch als Vater, dass Sie nichts zu tun haben mit den Bombenangriffen auf die Spitäler in Aleppo?
Präsident Assad: Sehen Sie, wenn gesagt wird, dass wir die Spitäler bombardieren, bedeutet dies, dass wir Zivilisten töten. Das ist die Bedeutung des Wortes. Die Frage ist, weshalb würde die Regierung Zivilisten töten, ob in Spitälern oder Straßen oder Schulen oder sonst wo? Sie sprechen von der Tötung von Syrern. Wenn wir, als Regierung oder als Armee, Syrer töten würden, wäre die Mehrheit der syrischen Gesellschaft gegen uns. Man kann in seinem Krieg nicht erfolgreich sein, wenn man Zivilisten tötet. Darum: Diese Geschichte, diese Erzählung, ist eine falsche Behauptung, um ehrlich mit Ihnen zu sein. Natürlich, leider, jeder Krieg ist ein schlechter Krieg, in jedem Krieg gibt es unschuldige Opfer, seien dies Kinder, Frauen, ältere Menschen. Jeder andere Zivilist, jeder andere Unschuldige, der nicht Teil dieses Krieges ist, könnte den Preis bezahlen, das ist bedauernswert. Deshalb müssen wir den Terrorismus bekämpfen. Wenn wir das nicht sagen, dann wäre es, als würden wir sagen – gemäß dieser Frage oder dieser Behauptung, welche Sie in Ihrer Frage schildern –, dass die Terroristen, Al-Kaida, Al-Nusra, ISIS, die Zivilisten beschützen, und dass wir als Regierung die Zivilisten töten. Wer würde dieser Geschichte Glauben schenken? Niemand.
Frage 10: Aber wer sonst außer Ihrer Armee hat Flugzeuge oder bunkerbrechende Waffen?
Präsident Assad: Das ist, wie wenn Sie sagen, dass jede Person, die in Syrien getötet wird, von den Flugzeugen, militärischen Flugzeugen, getötet wird! Die Mehrheit der Menschen wird, während sie in der Schule, im Spital, auf den Straßen oder sonst irgendwo sind, von den Terroristen mit Granaten beschossen. Das hat nichts zu tun mit den Luftangriffen. Manchmal hat man Luftangriffe auf die Terroristen, aber das heißt nicht, dass jede Bombe, die irgendwo gefallen ist aus einem Flugzeug oder von der syrischen Armee stammt. Sagen wir, Sie würden von einem bestimmten Vorfall sprechen, dann müssten wir diesen spezifischen Vorfall prüfen, aber ich gebe Ihnen hiermit eine generelle Antwort.
Frage 11: Aber Sie haben die Macht, die Situation zu ändern für die Kinder in Aleppo!
Präsident Assad: Natürlich, deshalb …
Journalist: Werden Sie das tun? Präsident Assad: Genau, das ist unsere Mission gemäß der Verfassung, gemäß dem Gesetz; dass wir die Menschen beschützen müssen, dass wir diese Terroristen von Aleppo loswerden müssen. Hier können wir die Zivilisten beschützen. Wie kann man sie beschützen, während sie unter der Kontrolle der Terroristen sind? Sie werden von den Terroristen getötet und sie werden gänzlich von ihnen kontrolliert. Ist es unsere Rolle, daneben zu sitzen und zuzusehen? Können wir so das syrische Volk beschützen? Wir müssen die Terroristen angreifen, das ist offensichtlich.
Frage 12: Darf ich Ihnen ein Bild zeigen?
Präsident Assad: Natürlich.
Journalist: Dieser kleine Junge ist zum Symbol des Krieges geworden. Ich denke, dass Sie dieses Bild kennen.
Präsident Assad: Natürlich habe ich es gesehen.
Journalist: Sein Name ist Omran. Fünf Jahre alt.
Präsident Assad: Ja.
Journalist: Blutverschmiert, verängstigt, traumatisiert. Gibt es etwas, dass Sie Omran und seiner Familie sagen möchten?
Präsident Assad: Zunächst möchte ich Ihnen etwas sagen, weil ich will, dass Sie nach dem Interview mit mir im Internet dasselbe Bild desselben Kindes anschauen, mit seiner Schwester. Beide wurden gerettet von den «White Helmets», wie Sie sie im Westen nennen. Damit wollte al-Nusra in Aleppo ihr Image aufpolieren. Sie wurden zweimal gerettet, jeder in einem anderen Vorfall, und nur als Teil der Propaganda dieser «White Helmets». Keine dieser Vorfälle war echt. Man kann es manipulieren und es ist manipuliert. Ich werde Ihnen diese zwei Bilder schicken, und sie sind im Internet, nur damit Sie sehen, dass dies ein gefälschtes Bild ist, kein echtes. Wir haben echte Bilder von Kindern, die verletzt werden, aber dieses spezifische Bild ist gefälscht.
Frage 13: Aber es stimmt, dass unschuldige Zivilisten sterben in Aleppo!
Präsident Assad: Natürlich, aber nicht nur in Aleppo, in Syrien. Aber Sie sprechen nun von Aleppo aufgrund der ganzen Hysterie im Westen wegen Aleppo, nur aus einem Grund: Nicht, weil Aleppo belagert wird, denn Aleppo wird bereits seit vier Jahren von Terroristen belagert, und da haben wir niemals Fragen von westlichen Journalisten gestellt erhalten, was in Aleppo vor sich geht, und wir haben keine einzige Aussage von westlichen Verantwortlichen gehört über die Kinder in Aleppo. Nun reden Sie seit Kurzem über Aleppo, weil die Terroristen in einem schlechten Zustand sind. Das ist der einzige Grund, weil die syrische Armee Fortschritte macht, und die westlichen Länder – hauptsächlich die Vereinigten Staaten und seine Verbündeten wie Großbritannien und Frankreich – denken, dass sie die letzten Karten des Terrorismus verlieren in Syrien, und die primäre Bastion dieses Terrorismus ist heute Aleppo.
Frage 14: Für Sie ist in diesem Krieg alles erlaubt?
Präsident Assad: Nein, natürlich nicht. Es gibt das internationale Recht, es gibt die Menschenrechtskonvention; man muss diese befolgen. Aber in jedem Krieg, wie in jedem Krieg der Weltgeschichte, kann man nicht zu hundert Prozent sicherstellen, dass man alles in sämtliche Richtungen kontrollieren kann. Es gibt immer Fehler. Deshalb habe ich gesagt, dass jeder Krieg ein schlechter Krieg ist. Aber es besteht ein Unterschied zwischen einzelnen Fehlern und Regierungspolitik. Zu sagen, es sei die Politik der Regierung, dass wir Zivilisten angreifen, Spitäler angreifen, Schulen angreifen, dass wir alle diese Gräueltaten begehen, das ist nicht möglich, weil man kann nicht gegen seine eigenen Interessen arbeiten. Man kann nicht gegen seine Pflicht gegenüber dem Volk handeln, sonst verliert man den Krieg als Regierung. Man kann nicht einem solch grausamen Krieg fünfeinhalb Jahre lang standhalten, während man seine eigenen Leute umbringt. Das ist unmöglich. Aber es gibt immer Fehler, sei es, weil man zwischen die Fronten gerät, sei es aufgrund einzelner Fehler. Zeigen Sie mir einen Krieg, einen Krieg aus der jüngeren Geschichte, der ein sauberer Krieg war. Das können Sie nicht.
Frage 15: Haben auch Sie Fehler gemacht in diesem Krieg?
Präsident Assad: Als Präsident bestimme ich die Politik des Landes gemäß unserer Politik. Die Hauptpfeiler dieser Politik während der Krise sind die Bekämpfung des Terrorismus, was ich für richtig halte, und wir werden dies nicht ändern, den Dialog zwischen den Syrern herzustellen, das erachte ich als richtig. Und das dritte, was sich in den letzten zwei Jahren bewährt hat, ist die Versöhnung; die lokale Versöhnung zwischen den Militanten, welche Maschinengewehre gerichtet haben gegen die Menschen und gegen die Bevölkerung und gegen die Armee, und auch dies hat sich als guter Schritt erwiesen. Daher sind das die Pfeiler dieser Politik. Man kann nicht von Fehlern reden bei dieser Strategie. Man kann von Fehlern sprechen bei der Umsetzung dieser Strategie. Dies könnte mit den Personen zusammenhängen.
Frage 16: Glauben Sie noch an eine diplomatische Lösung?
Präsident Assad: Aber sicher. Doch es gibt nicht einfach eine diplomatische oder eine militärische Lösung. Es gibt einfach Lösungen. Jeder Konflikt hat mehrere Aspekte. Einer davon ist die Sicherheit. Wie in unserer Situation. Ein anderer ist der politische Aspekt der Lösung. Wenn Sie mich fragen würden: Wie gehe ich mit Al-Kaida, mit Al-Nusra oder mit ISIS um, ob ich glaube, dass man mit diesen Gruppierungen verhandeln könne. Dann würde ich sagen: Nein, diese Gruppen sind nicht bereit dazu. Die haben ihre eigenen Überzeugungen, sie haben eine abstoßende Ideologie. Darum kann man mit dieser Seite keine politische Lösung finden. Man muss sie bekämpfen, man muss gegen sie vorgehen. Man kann nur den Dialog mit zwei Seiten finden: Politische Parteien, die für oder gegen Dich sind – oder irgendwo in der Mitte. Oder mit Kämpfern, die bereit sind, ihre Waffen abzugeben, zu Gunsten der Sicherheit und Stabilität Syriens. Daran glauben wir.
Frage 17: Es gibt die Neuigkeiten aus Russland. Am Donnerstag soll es eine kurze Feuerpause geben. Eine Pause für humanitäre Hilfe. Wissen Sie uns Näheres dazu sagen?
Präsident Assad: Es wird eine kurze Feuerpause geben, damit Hilfsgüter die Menschen in verschiedenen Vierteln von Aleppo erreichen. Gleichzeitig soll die Feuerpause eine Möglichkeit sein, damit Zivilisten, die in den Gebieten sind, die von Terroristen kontrolliert werden, in die von der Regierung kontrollierten Gebiete wechseln können.
Frage 18: Ist das wirklich ein Schritt, ein wichtiger Schritt?
Präsident Assad: Aber sicher. Es ist ein wichtiger Schritt, ein Anfang. Aber es ist nicht ausreichend. Es geht um die Fortführung. Wie können wir dafür sorgen, dass diese Zivilisten gehen können. Die Mehrheit der Zivilisten wollen die Gebiete der Terroristen verlassen, aber man hindert sie daran. Entweder werden sie erschossen oder es werden ihre Familien erschossen, wenn jemand flieht.
Frage 19: Russland ist an Ihrer Seite. Was bedeutet das für Sie?
Präsident Assad: Nein, Russland ist nicht an meiner Seite. Russland ist an der Seite des internationalen Rechts. Auf der anderen Seite sind die Präsidenten. Das ist die Position Russlands. Denn Russland will, dass sich das internationale Recht durchsetzt. Und nicht die Agenda des Westens, wo jede Regierung gestürzt wird, die dem Westen nicht passt. Russland möchte sicherstellen, dass der Terrorismus hier nicht siegt. Das würde nämlich auch für Russland ein Problem sein. Und auch für Europa und den Rest der Welt. Es geht darum, dass Russland der rechtmässigen syrischen Regierung und dem syrischen Volk Beistand leistet.
Frage 20: Herr Präsident. Sie haben Fassbomben und chemische Waffen in Syrien gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Es gibt UNO-Untersuchungen, die Sie nicht ignorieren können.
Präsident Assad: Sie reden hier von zwei unterschiedlichen Dingen: Der Vorwurf der Chemiewaffen. Er ist nachweislich falsch. Es gibt nicht den Hauch eines Beweises, dass die syrische Armee Chemiewaffen benutzt hat, insbesondere bevor wir unseren Bestand 2013 aufgegeben haben. Jetzt haben wir sowieso keine chemischen Waffen mehr. Aber auch zuvor: Das ist frei erfunden. Wenn Sie solche Massenvernichtungswaffen benutzen, dann töten Sie tausende Menschen auf einen Schlag. Und wir hatten keinen solchen Angriff. Wir würden auch nie solche Waffen brauchen, denn dann würden wir die eigene Bevölkerung töten, und das ist doch nicht in unserem Interesse. Also ist das eine falsche Anschuldigung. Wir dürfen mit dieser Frage keine Zeit verlieren. Wir leben in Syrien, hier herrscht Krieg. Aber es gibt keinen Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen.
Journalist: Aber der Bericht der UNO ist nicht erfunden!
Präsident Assad: Der UNO-Bericht ist nicht glaubwürdig. Er war es nie. Und der UNO-Bericht stützt sich auf Behauptungen und wiederum auf andere Berichte, auf gefälschte Berichte. Und das nennt sie dann «offiziellen Bericht». Hat sie eine Delegation geschickt, um die Sache aufzuklären? Sie hat 2013 eine geschickt und diese hat überhaupt nicht beweisen können, dass die syrische Armee chemische Waffen benutzt hat. Das ist das erste. Zweitens, und wichtiger: Das erste Ereignis passierte Anfang 2013 in Aleppo, als wir sagten, die Terroristen hätten chemische Waffen gegen unsere Armee eingesetzt. Und wir haben die UNO eingeladen, eine Delegation zu schicken. Ja, das haben wir gemacht. Und zu jener Zeit haben sich die USA gegen diese Delegation gestellt, weil sie ja wussten, dass diese unparteiische Delegation dann herausfinden würde, dass die Terroristen, die von den USA unterstützt werden, chemische Waffen gegen die syrische Armee einsetzen. Was die Fassbomben angeht. Da muss ich Sie fragen: Wie lautet Ihre Definition von Fassbombe. Wenn Sie zu unserer Armee gehen, finden Sie in keinem Verzeichnis so etwas wie «Fassbombe». Darum verstehen Sie: Wie kann ich Ihnen antworten, ob wir Fassbomben haben? Wir haben Bomben
Journalist: Die Zerstörung. Die Zerstörung ist gegen das Völkerrecht.
Präsident Assad: Jede Bombe bedeutet Zerstörung. Jede. Man besitzt keine Bomben, um damit nichts zu bewirken. Dass wir auf Flächenbombardements setzen, ist eine Behauptung des Westens, um zu zeigen, dass wir wahllos Zivilisten töten. Ich zeige Ihnen den Widerspruch auf. Der Westen sagte gleichzeitig, wir würden in anderen Gebieten Bomben brauchen, um gezielt absichtlich Spitäler zu bombardieren. Sie haben das vorher erwähnt. Und wir würden auch absichtlich Schulen und einen Hilfskonvoi bei Aleppo letzten Monat bombardieren. Dazu sind hoch präzise Raketen nötig. Also muss der Westen wählen, welchen Teil der Geschichte er jetzt erzählen will. Entweder haben wir ungelenkte Bomben oder wir haben Hochpräzisionsbomben. Diese Widersprüche in der Erzählung ist im Westen die Wirklichkeit. Welchen Teil der Geschichte wählen Sie? Ich kann es Ihnen sagen. Wir haben keine ungelenkten Bomben. Wenn wir Waffen für Flächenbombardements benutzen, verlieren wir, weil das eigene Volk sich gegen uns wenden wird. Ich kann das syrische Volk nicht töten, nicht aus moralischen Gründen. Denn sonst treibe ich mein Volk in die Arme der Terroristen. Und nicht umgekehrt.
Frage 21: Ich möchte noch die Foltergefängnisse ansprechen. Herr Präsident. Amnesty International spricht von 17000 Toten. Was das Gefängnis von Saidnaya angeht, kursieren schreckliche Berichte. Wann erlauben Sie unabhängigen Beobachtern Zugang zum Gefängnis?
Präsident Assad: Unabhängig? Amnesty International ist nicht unabhängig, ist nicht unparteiisch.
Journalist: Das IKRK?
Präsident Assad: Wir haben intern noch nicht darüber diskutiert, ob das IKRK Zugang erhalten soll. Falls es Vorwürfe gibt, müsste man es diskutieren. Wir sagen nicht: Zugang Ja oder Nein. Aber der Bericht, den sie erwähnen, wurde von Katar finanziert, wurde von Katar gemacht. Sie kennen die Quellen nicht, die Namen der Opfer, nichts ist verifiziert in diesem Bericht. Er wurde direkt von Katar bezahlt, um uns als Bösewichte darzustellen, um die syrische Regierung und die syrische Armee zu beschmutzen.
Journalist: Aber es gibt viele Augenzeugen.
Präsident Assad: Niemand weiß, wer diese sind. Vieles ist nicht geklärt, nicht verifiziert. Darum nein.
Journalist: Dann erlauben Sie Organisationen wie dem Roten Kreuz Zugang.
Präsident Assad: Das ist nicht meine Entscheidung. Wir haben hier zuständige Institutionen. Wenn wir das diskutieren wollen, müssen wir dies mit den Institutionen tun.
Frage 22: Warum sind Sie so sicher, dass Sie diesen Krieg gewinnen werden?
Präsident Assad: Weil man sein Land verteidigen muss, weil man daran glauben muss, dass man den Krieg gewinnt, dass man das Land verteidigen kann. Wenn du das nicht glaubst, verlierst du. Ein Teil des Krieges besteht darin, an den Sieg zu glauben. Darum ist es offensichtlich, dass man einfach daran glauben muss.
Frage 23: Wenn Sie durch Damaskus gehen, dann hängt überall Ihr Bild. In jedem Laden, jedem Restaurant, jedem Auto. Das Symbol des Diktators. Ist das ihr Weg, um Ihre Macht zu sichern?
Präsident Assad: Es gibt einen Unterscheid zwischen einem Diktator und einer Diktatur. Der Diktator ist eine Person. Ich habe niemandem aufgezwungen, mein Bild in Syrien aufzuhängen. Niemals. Das als erstes. Zweitens: Bevor Sie jemanden als Diktator bezeichnen, müssen Sie das Volk fragen. Nur das Volk kann sagen, ob es ein Diktator oder ein guter Mensch ist.
Journalist: Danke, Herr Präsident, dass Sie die Fragen beantwortet haben. Für das Schweizer Fernsehen und die «Rundschau».
Präsident Assad: Danke, dass Sie nach Syrien gekommen sind.