Privatisierung von Sicherheit durch private Sicherheits- und Militärfirmen
BICC: 27. November 2012
Privatisierung von Sicherheit durch private Sicherheits- und Militärfirmen
Am 15. und 16. November 2012 trafen sich im BICC in Bonn Expertinnen und Experten des Netzwerks „Privatisierung von Sicherheit durch private Sicherheits- und Militärfirmen“. Die DFG (Deutsche Forschungsgesellschaft) fördert dieses wissenschaftliche Netzwerk, dem elf Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien, Spanien und der Schweiz angehören. Das Projekt wurde federführend von Dr. Andrea Schneiker eingeworben, die im folgenden Interview Stellung nimmt.
Ihr Netzwerk untersucht die Privatisierung von Sicherheit durch den Einsatz privater Sicherheits- und Militärfirmen. Warum sind diese Firmen, die polizeiliche, militärische und Sicherheitsaufgaben in Kontexten bewaffneter Konflikte durchführen, zum Forschungsgegenstand der Politikwissenschaft geworden? Gibt es ein gewandeltes Sicherheitsverständnis in Staat und Gesellschaft?
Zunächst hat die Anzahl privater Sicherheits- und Militärfirmen (PSMFs) stark zugenommen und das Aufgabenspektrum, das diese Firmen abdecken, hat sich immer mehr ausgeweitet. Im Irak haben zum Beispiel nach dem Einmarsch der von den USA geführten Koalition Schätzungen zufolge – je nach Quelle – zwischen 60 und 310 private Firmen Sicherheitsdienstleistungen durchgeführt. Im Jahr 2007 betrug die Zahl des bewaffneten Personals solcher Firmen dort zwischen 30.000 und 40.000.
Wir haben oft die auch durch die mediale Darstellung geförderte Vorstellung, dass es sich dabei um bewaffnete “Rambos” handelt und diese Firmen bewaffnete Kampfeinsätze durchführen. Das ist jedoch nur selten der Fall. Das Dienstleistungsspektrum dieser Firmen umfasst weitaus mehr Aufgaben, z.B. die Beratung von Streitkräften oder Unternehmen, das Training von NGO-Mitarbeitern, Minenräumung oder auch Aufgaben im Kontext von Programmen der Sicherheitssektorreform oder zur Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kombattanten. Dabei arbeiten PSMFs zwar hauptsächlich im Kontext bewaffneter Konflikte, aber auch in Industriestaaten werden Sicherheitsaufgaben, die vormals der Staat übernommen hat, zunehmend privatisiert – man denke nur an die Privatisierung von Gefängnissen.
Somit reiht sich das Phänomen der PSMFs in einen umfassenderen Trend der Privatisierung von Sicherheit ein. Global wird der Wert des kommerziellen Sicherheitssektors auf über 139 Milliarden US-Dollar geschätzt. In diesem Kontext kann von einem gewandelten Sicherheitsverständnis gesprochen werden, da Sicherheit nicht automatisch als öffentliches Gut bereitgestellt wird, sondern einen exklusiven Charakter annehmen kann. Das Phänomen PSMFs ist jedoch nicht nur aufgrund der quantitativen Zunahme für die Forschung relevant, sondern auch aufgrund der damit verbundenen Herausforderungen und Probleme.
Was konkret sind Gründe für den Einsatz von privaten Sicherfirmen? Was sind mögliche Folgen?
Bislang fehlt es an empirischen Studien zu den Gründen für den Einsatz dieser Firmen im Einzelfall. Es gibt jedoch eine Reihe allgemeiner Annahmen über die Ursachen für diesen Trend. Auf der Nachfrageseite lässt sich die zunehmende Anzahl und Komplexität der Einsätze staatlicher Streitkräfte verzeichnen. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, werden zahlreiche militärische und militärnahe Aufgaben (teil-)privatisiert, z.B. die Wartung von militärischem Gerät, das Betreiben von Militärbasen oder auch die Ausbildung von Sicherheitsakteuren im Zuge der Sicherheitssektorreform. Aber auch andere, nicht staatliche Akteure nehmen die Dienste von PSMFs in Anspruch, z.B. Unternehmen, die in Krisengebieten arbeiten und die hierfür Risikoanalysen oder Personenschutz nachfragen.
Die Übertragung von Aufgaben an PSMFs ist im Kontext eines grundsätzlichen Trends zur Privatisierung staatlicher Aufgaben zu sehen. Die damit einhergehende Veränderung unseres Verständnisses von Sicherheit kann sowohl Ursache als auch Folge für die Privatisierung sein. Wenn Sicherheit nicht von staatlichen, sondern von privaten Akteuren bereitgestellt wird, kann Sicherheit zu einem exklusiven Gut für diejenigen werden, die dafür bezahlen können. Dies kann einhergehen mit einer Individualisierung von Sicherheit mit Blick auf die Bedrohungen und die vorgeschlagenen Lösungen. Ein zentrales Problem im Zusammenhang mit PSMFs ist das ihrer Kontrolle und Regulierung. Wer kontrolliert diese Firmen und zieht sie für Straftaten zur Verantwortung in Kontexten, in denen es keine entsprechenden staatlichen Strukturen gibt, z.B. in Afghanistan?
Welche konkreten Forschungsvorhaben hat Ihr Netzwerk? Sehen Sie auch Aufgaben in der Politikberatung?
Die einzelnen Mitglieder des Netzwerks untersuchen unterschiedliche Aspekte des Phänomens PSMFs. Zum Beispiel gehen einige Mitglieder der Frage nach, wie wir die zunehmende Privatisierung von Sicherheit erklären können. Andere untersuchen die Auswirkungen des Einsatzes von PSMFs auf die Intensität bewaffneter Konflikte.
Bedarf für Politikberatung gibt es vor allem hinsichtlich der Frage nach Kontrolle und Regulierung von PSMFs, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Auf der internationalen Ebene gibt es seit einigen Jahren zahlreiche Initiativen, an denen neben Staaten teilweise auch Vertreter der PSMFs selbst und der Zivilgesellschaft beteiligt sind. So wird beispielsweise im Human Rights Council der Vereinten Nationen in Genf über eine internationale Konvention zum Thema beraten.
(Die Fragen stellte Susanne Heinke)
Sie finden den Wortlaut des Interviews als pdf unter
http://www.bicc.de/fileadmin/Dateien/pdf/press/2012/Interview_DFG_Netzwerk_Sicherheit_27112_d.pdf