Stellungnahme zur Abweisung von Strafanzeigen wg. Beteiligung am Angriffskrieg in Syrien Juristisch auf tönernen Füßen
Stellungnahme zur Abweisung von Strafanzeigen wg. Beteiligung am Angriffskrieg in Syrien
Juristisch auf tönernen Füßen
Von Dr. Ansgar Klein (NRhZ, 20.7.2016)
Am 4. Dezember 2015 hatte der Bundestag die grundgesetzwidrige Beteiligung der Bundeswehr am völkerrechtswidrigen Krieg in Syrien beschlossen. Diesbezüglich gingen dem Generalbundesanwalt Ende 2015 mehrere Strafanzeigen zu. Sie waren gegen die Bundesregierung und teils auch gegen die Bundestagsabgeordneten gerichtet, die zugestimmt hatten. Auch Helene und Ansgar Klein gehören zu denen, die Anzeige erstattet haben. Anfang Juli 2016 informierte der Generalbundesanwalt mit einem dreiseitigen, mit dem 14. Juni datierten Schreiben darüber, dass kein Ermittlungsverfahren eröffnet werde. Dr. Ansgar Klein hat das Schreiben des Generalbundesanwalts analysiert und schreibt dazu Folgendes:
Mehr als ein halbes Jahr hat der GBA benötigt, um denjenigen, die Ende November/Anfang Dezember 2015 eine Strafanzeige gegen Merkel & Co wegen Verstoßes gegen § 80 StGB erstattet hatten, einen ablehnenden Bescheid zu schicken. Dass dieser Bescheid juristisch auf tönernen Füßen steht, wird im Folgenden dargelegt.
Der GBA formuliert zunächst sehr richtig: „Nach § 80 StGB macht sich strafbar, wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.“ versucht aber direkt im Anschluss daran, die Eindeutigkeit des Artikel 26 (1) GG und des § 80 StGB zu relativieren, indem er schreibt: „Aus Artikel 26 (1) GG lässt sich ableiten, dass die Vorbereitung eines Angriffskrieges als Unterfall solcher verfassungswidriger Handlungen angesehen wird.“ (Hervorhebungen vom Verfasser). Bei der Eindeutigkeit des Artikel 26 (1) GG: „ …insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig“ muss nicht „abgeleitet“ werden und auch kein „Unterfall“ konstruiert werden!
Gleich darauf folgt der zweite untaugliche Versuch der Relativierung: „Es ist allgemein anerkannt, dass der Straftatbestand angesichts des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Artikel 103 Abs. 2 GG) und unter Berücksichtigung der historischen und systematischen Hintergründe einschränkend interpretiert werden muss.“ Hier den Art. 103 (2): „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“, zur Abwiegelung heranzuziehen ist geradezu grotesk, denn dass die Strafbarkeit der Vorbereitung eines Angriffskrieges gesetzlich durch den § 80 StGB bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, ist Tatsache. Und ein Angriffskrieg bleibt auch „unter Berücksichtigung historischer und systematischer Hintergründe“ ein Angriffskrieg. Da dem so ist, versucht der GBA im weiteren Verlauf der Begründung seiner Untätigkeit, den Marschbefehl für die Bundeswehr in das Staatsgebiet Syriens als nicht „strafbewehrte kriegerische Aggression“ darzustellen, z.B. indem er sich zu der Formulierung versteigt: „dass ein strafrechtlich relevanter Angriffskrieg erst dann vorliegt, wenn eine offenkundige und schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts zu konstatieren ist.“ Mit anderen Worten: ein Mord ist erst dann strafrechtlich relevant, wenn er offenkundig und schwerwiegend ist.
Weiterhin bemüht der GBA – genau wie die Bundesregierung – die UN-Resolution 2249 (2015), um zu suggerieren, dass der Bundeswehreinsatz gerechtfertigt sei. Dass das nicht der Fall ist, geht aus genau dieser Resolution hervor, in der es u.a. heißt: „ …erneut erklärend, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen müssen, dass sämtliche von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus mit allen ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, insbesondere den internationalen Menschenrechtsnormen, dem Flüchtlingsvölkerrecht und dem humanitären Völkerrecht, im Einklang stehen.“ Spätestens hier muss jedem klar sein, dass der Marschbefehl für die Bundeswehr in das Staatsgebiet Syriens vom Völkerrecht nicht gedeckt sein kann, da die Regierung Syriens keinen Staat außer Russland um Hilfe im Kampf gegen den Terrorismus ersucht hat.
Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass es für den Tatbestand des Völkerrechtsbruchs unerheblich ist, ob es sich bei dem Eindringen in das fremde Staatsgebiet um Bodentruppen oder um Luftwaffeneinheiten handelt. Der GBA versucht durch die Einlassung: dass der „Einsatz der Bundeswehr [… ] ein nicht mehr durch den syrischen Staat kontrolliertes Gebiet betrifft, …“ den Begriff des ‘Staatsgebiets’ zu relativieren, was völkerrechtlich zumindest fraglich ist, besonders im Hinblick darauf, dass die von deutscher Seite eingesetzten Luftwaffeneinheiten incl. der mit teils deutscher Besatzung agierenden AWACS-Aufklärungsflugzeuge, die auch Zielkoordinaten weitergeben, syrischen Luftraum nutzen.
Juristisch gesehen ist folgender Satz völlig unhaltbar: „Unabhängig davon, ob – wofür unter Berücksichtigung des aktuellen völkerrechtlichen Diskussionsstandes gute Gründe sprechen – die Resolution 2249 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 20. November 2015 oder das Recht auf kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen eine völkerrechtliche Legitimation der in Rede stehenden militärischen Maßnahmen darstellen, haben die für den Bundeswehr-Einsatz verantwortlichen Regierungsmitglieder und Parlamentarier im Rahmen des ihnen zustehenden politischen Ermessens gerade in der Absicht gehandelt, nach den blutigen Anschlägen in Paris vom 13. November 2015 Frankreich beizustehen und weitere terroristische Angriffe dieser Art zu unterbinden.“
Hier wird nicht argumentiert, sondern schlicht der Bundesregierung nach dem Mund geredet. Ein Jurist sollte zwischen örtlichen kriminellen Handlungen und einem kriegerischen Angriff von außerhalb auf einen Staat unterscheiden können. Der Absicht, „nach den blutigen Anschlägen in Paris vom 13. November 2015 Frankreich beizustehen“, ist selbstverständlich beizupflichten. Nur, die mutmaßlichen Attentäter vom 13. November 2015 in Paris stammten laut polizeilicher Aussage aus Belgien und Frankreich. Hier war polizeiliche und u.U. geheimdienstliche Hilfe angesagt. Die Verbindung der mutmaßlichen Attentäter zum ‚Islamischen Staat‘ ist nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden. Warum muss der mutmaßliche Hintergrund der mutmaßlichen Attentäter gerade in Syrien mit militärischen Mitteln und gegen den Willen der syrischen Regierung bekämpft werden? Dazu macht der GBA keinerlei Aussagen. Die Bundesregierung ihrerseits weiß sicherlich sehr genau, wie der sog. ‚Islamische Staat‘ (IS) wirksam bekämpft werden könnte, nämlich durch Austrocknung der finanziellen und materiellen (Waffen etc.) Quellen dieser Milizen. Doch dazu müsste die deutsche Regierung eingestehen, dass sie indirekt die Feinde Assads, also auch den IS, jahrelang unterstützt hat und sie müsste genau das Gegenteil von dem tun, was sie bisher getan hat, nämlich Assad unterstützen anstatt ihn zu bekämpfen.
Dass der GBA, als politischer Beamter, leider nur das Sprachrohr der Bundesregierung ist und kein unabhängiger Vertreter der ‚3. Gewalt‘, wird vollends im letzten Absatz des Ablehnungsschreibens des GBA deutlich: „Ferner hat die Bundesregierung im genannten Antrag betont, das Vorgehen sei „eingebettet in einen breiten politischen Ansatz, der von der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft getragen wird und der auf politischer, diplomatischer, humanitärer, entwicklungspolitischer, militärischer und rechtsstaatlicher Ebene wirkt.“ Ein derartiger multinationaler, defensiv ausgerichteter und von vielfältigen politischen Initiativen flankierter Militäreinsatz wird vom Strafbestand des § 80 StGB nicht erfasst.“ Dazu kann man nur noch Berthold Brecht zitieren: „Unsichtbar wird der Wahnsinn, wenn er genügend große Ausmaße angenommen hat.” Oder Rolf Hochhuth in seinem Brief vom August 2015 an Merkel und Gauck: „Ausstieg aus der NATO – oder Finis Germaniae“
Würselen, den 14. Juli 2016, Dr. Ansgar Klein