Terroristenmisere (1972)
Siehe auch: Ödland
Terroristenmiserere
H. Spehl an Dr. Hans Heigert, SUDDEUTSCHE ZEITUNG, München
Freiburg, 24. September 1972
Sehr geehrter Herr Dr. Heigert: Nachdem nun eine mißinformierte Nation ausreichend lange ihrer verständlichen Empörung Luft machen durfte über den Terror, den ein paar Palästinenser bei der Münchner Olympiade anrichten konnten, möchte ich versuchen, wenigstens den Chefredakteur der Zeitung, die an der Empörung teilhatte, auf andere Gedanken zu bringen. Ich weiß nicht, wie S i e das machen, und wie gut Ihr Archiv ist. Wenn i c h mich äußere, schaue ich erst mal nach. Dann finde ich meistens so alte Sachen, die man nicht mehr wahrhaben will.
Mit freundlichen Grüßen (gez. H. Spehl)
Anlage
er einfach lebensnotwendig ist – und vom Terror,
der unfaßbar, zynisch, blindwütig, wahnsinnig,
brutal, entsetzlich und feige ist
oder:
Wie ein angesehener Chefredakteur den Versuch
unternimmt, die "Seeräuberküste" zu lokalisieren,
vorab ein faszinierendes Gepür für die Wahl der Metapher
entwickelt, jedoch die tiefenpsychologischen Schwierigkeiten
unterschätzt und sich gleichwohl nur um wenige
Breitengrade irrt
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 6 September 1972:
Der schreckliche Terrorakt im olympischen Dorf war gestern das Hauptgesprächsthema in München… In einigen Fallen hatten arabische Gäste unter der feindseligen Haltung der empörten Bevölkerung zu leiden… "Was hier mitten in einem friedlichen olympischen Dorf passieren konnte, ist tragisch und ohne Beispiel", sagte der Verleger Willi Droemer… "Unglaublich, unfaßbar" – diese beiden Worte wiederholt der Schriftsteller Erich Kästner immer wieder… "Das ist ja ungeheuerlich!" ist Therese Giehses Kommentar zu dem brutalen Überfall auf israelische Sportler. Entsetzt von der "Brutalität, Unverschämtheit und Geltungssucht" der skrupellosen Killer ist auch die Schauspielerin und Kabarettistin Hanne Wieder…
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 7. September 1972:
Durch ihren feigen Mord haben fremde Terroristen in blindwütigem Fanatismus nicht nur Unglück über wehrlose Menschen gebracht,… sie haben gleichzeitig die Ohnmacht und das Vertrauen der In Gastfreundschaft geöffneten Arme unserer Bürger frevelhaft ausgenutzt.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 7. September 1972:
Das tragische Geschehen der Nacht zum Mittwoch spiegelte sich den ganzen Tag in der Stadt wider. Als am Morgen die ersten Straßenbahnen fuhren, glichen sie, nach Angaben eines Fahrers, Trauerzügen. Tiefes Entsetzen wäre den Fahrgästen in den Augen gestanden… Die Sonderausgaben mit den Schlagzeilen von der blutigen Tragödie auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck wurden den Zeitungsverkäufern aus den Händen gerissen und unter den Passanten weitergereicht. Weinend lasen viele Männer und Frauen die Einzelheiten anderen halblaut vor. "Was sind das für Menschen, die schlafende Sportler im Frieden eines olympischen Dorfs überfallen?" fragt erschüttert ein braungebrannter 21jähriger Chemiestudent. "Vielleicht mußte das Entsetzliche gerade hier bei diesen Spielen, sozusagen vor den Augen der ganzen Welt passieren, um die Menschen aufzurütteln und eine einzige Front gegen solche brutale Mörder zu bilden", meint ein 46jähriger Studiendirektor aus Westfalen.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 8. September 1972:
München, die Gastgeberin der Olympischen Spiele, ist von einem unfaßbaren Verbrechen erschüttert worden… Die wahnsinnige Tat von zynischen und verhetzten Mördern hat (die glanzvolle olympische Szenerie) fragwürdig und beinahe Unwirklich gemacht… Die Mordtaten hätten gezeigt, sagte Bürgermeister Kronawitter, daß nicht alle Menschen guten Willens seien. Sie hätten der ganzen Welt deutlich gemacht, daß ein gemeinsamer Kampf gegen Aggression und Brutalität nottue… Es sei besonders tragisch, sagte er, daß die jüngste Gewalttat (gegen das israelische Volk) auf deutschem Boden geschehen sei. "Wir wissen und wir verstehen, daß dies geeignet ist, Erinnerungen an eine unselige Vergangenheit zu wecken. Aber gerade der gemeinsame Abscheu über dieses Verbrechen und die Hoffnung, daß weltweites Entsetzen endlich dazu beitragen möge, diesen Terror zu brechen, bringen uns einander nahe."
Leitartikel von Hans Heigert in der
SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, 6. September 1972:
Jetzt hören wir schon wieder das elende Gerede: die Gewalttat sei zwar zu verurteilen, wenngleich die Motive – -. Als ob es da nicht eine ganz einfache Folgerichtigkeit gäbe. Wer die gegnerische Auffassung als total verwerflich, tief böse, mithin extrem inhuman ausgibt, der i s t tendenziell und potentiell imstande, eben diesen Gegner ohne Skrupel zu foltern, umzubringen; für den m u ß jedes Mittel recht sein… Die politischen Vorzeichen sind da ganz gleichgültig. Es gibt kein Alibi für Kidnapping und Morddrohung. Die eitlen "linken" Schlägertrupps am Münchner Stachus sind von der nämlichen Mentalität wie die Handvoll Wahnwitz, die im olympischen Dorf meinte, Weltgeschichte machen zu können. Was diese Tempeldiener der Gewalt antreibt, hat nichts mehr mit Vernunft, schon gar nicht mit Aufhellung, sondern mit Magie zu tun… Eine widerwärtige Schar von Desperados hat es fertig gebracht, die Stadt (München) und das Land in eine fast ausweglose Situation zu manövrieren…
Die palästinensischen Gangster brüsten sich derweil ihres Verbrechens. Wiederum erhebt sich die Frage, wie lange die arabischen Staaten diese regellosen Morde und Piraterien dulden wollen, zumal der Libanon. Und wie es die entrüstete Welt denn vertreten will, daß sie diese moderne "Seeräuberküste" nicht rigoros boykottiert, um sie zum Handeln gegen die Gesetzlosen zu zwingen.
NEWSWEEK, 16. Juni 1947:
Der Brief, den der ehemalige britische Außenminister Eden (glücklicherweise nicht öffnete) enthielt ebenso wie andere Briefe, welche Premierminister Attlee, Kabinettsmitglieder und andere prominente Briten erhielten, eine ausgeklügelte Bombe – mit genügend Sprengstoff, um den, der Ihn öffnet, zu töten oder zu verstümmeln. Bis zum 6. Juni wurden zwanzig solcher Mordbriefe von Scottland Yard ausfindig gemacht. Sie waren alle in Italien, in Turin, aufgegeben worden, mit einer 100 Lire Marke, und enthielten einen zweiten Umschlag mit dem Vermerk "Privat und vertraulich", in der Hoffnung, der Adressat würde Ihn persönlich öffnen… Der Verdacht, daß jüdische Terroristen für die Briefe verantwortlich sein könnten, wurde, inzwischen bestätigt. In Tel Aviv verteilte die Lechi-Organisation Zettel, in denen man sich brüstet, daß die Mitglieder von der "europäischen Abteilung" die Absender seien.
TIME, 11. August 1947:
Die Irgun-Terroristen hatten ein Waldreservat südlich der Badestadt Natanya für ihre Rache ausgewählt. Dort könne man, so sagte eine Stimme am Telephon den Tel Aviver Zeitungen, die Sergeanten Mervyn Paice und Clifford Martin finden. Und dort, in einer Lichtung, die mit Todesgeruch angefüllt war, fand man sie. Ihre blutüberströmten, angeschwärzten Körper hingen an Eukalyptusbäumen und pendelten hin und her. Ihre Köpfe waren mit den Hemden verhüllt. An ihren Kleidern und Ihrem Fleisch waren Irgun – "Kommuniqu